M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 10½½9. März 2001 AA603
D
ie Entwicklung moderner endo- skopischer Techniken ist in den letzten Jahrzehnten ein wesentli- cher Bestandteil der deutschen ga- stroenterologischen Forschung. Stell- vertretend für viele sei die Erlanger Schule um Ludwig Demling erwähnt.Zunächst als diagnostische Methode eingesetzt, haben sich inzwischen zahlreiche therapeutisch invasive Ver- fahren durchgesetzt. Sie alle erfordern den ständigen persönlichen Einsatz des Untersuchers und ein hohes Maß an Expertise.
An den meisten deutschen Univer- sitätskliniken haben sich oft gleichzei- tig endoskopische Arbeitsbereiche so- wohl in internistischen als auch in chir- urgischen Kliniken etabliert. Sie wer- den in der Regel von erfahrenen Oberärzten geleitet. Sobald jedoch diese versierten Gastroenterologen und Endoskopiker die Klinik verlassen und eine selbständige Position über- nehmen, entsteht eine Vakanz, die erst nach unterschiedlich langen zeitlichen Intervallen durch entsprechend ausge- bildeten Nachwuchs beendet wird.
Dies ist keine gute Organisationsform –insbesondere deswegen nicht, weil die zunehmende Ökonomisierung in der Medizin auf die Dauer nicht zwei ähnlich vorgehende Arbeitsbereiche erlaubt. Eine optimale Nutzung der Ressourcen mit einem gemeinsamen Gerätepark und einem gemeinsamen Rufdienst der Ärzte und des Pflege- personals ist mehr denn je geboten.
Klinik für interdisziplinäre Endoskopie
In dieser Ausgabe des Deutschen Ärz- teblatts erscheinen zwei Beiträge zum Thema „Endoskopische Therapie der oberen gastrointestinalen Blutungen“
aus dem Universitätsklinikum Ham- burg-Eppendorf und dem Krankenhaus
Sankt Adolf-Stift, Reinbek. In Ham- burg wurden auf Vorschlag der jeweili- gen Klinikdirektoren die Arbeitsberei- che Endoskopie der Medizinischen Kli- nik und die Abteilung für chirurgische Endoskopie vereint. Nach einjähriger Probezeit, während der die Vor- und Nachteile einer solchen Fusion sorgfäl- tig beobachtet wurden, wurde die „Kli- nik für Interdisziplinäre Endoskopie“
im Sommer 1999 eingerichtet, in der In- ternisten und Chirurgen interdiszi- plinär zusammenarbeiten. Der Direk- tor ist Chirurg, sein stellvertretender Leiter ist Oberarzt der Medizinischen Klinik. Welches sind neben den besse- ren ökonomischen Voraussetzungen die Vorteile einer solchen Fusion?
Fusion verbessert Weiterbildung
Ohne Zweifel die bessere Weiterbil- dung angehender Gastroenterologen, Internisten und endoskopisch tätiger Chirurgen. Aufgrund der hohen Fall- zahlen und des größeren Spektrums der Untersuchungen und Interventio- nen – zurzeit etwa 15 000 Patienten jährlich – werden Indikationsstellung, eventuelle Komplikationen aber auch die Möglichkeiten der modernen En- doskopie besser erlernt. Die dauerhaf- te Supervision aller Untersucher durch erfahrene Endoskopiker bei in- terdisziplinärer Betreuung durch Chirurgen und Gastroenterologen op- timiert die Patientenbetreuung. Hohe Fallzahlen schaffen bessere Voraus- setzungen für die wissenschaftliche Arbeit der Klinik.
Die interdisziplinäre klinische Tätigkeit setzt Respekt und Achtung gegenüber der Leistung des anderen voraus. Sind diese Eigenschaften nicht vorhanden, werden solche Projekte scheitern. Die gelegentlich kritisch geäußerte Auffassung, der eine oder
andere „gäbe etwas auf von seinem Fachgebiet“, ist nicht sehr weitsichtig.
Universitätskliniken der Zukunft wer- den sich mehr denn je darauf besinnen müssen, exzellente Bedingungen für erfolgreiche Forschung zu schaffen bei gleichzeitiger optimaler klinischer Weiterbildung. Die molekulare Medi- zin mit ihrem rasanten Fortschritt er- fordert es, und ökonomische gesund- heitspolitische Maßnahmen, gerade auch an deutschen Universitätsklini- ken, erzwingen es geradezu. Es ist nicht nur möglich, sondern notwendig, dass auch in anderen Bereichen der Medizin die Patientenbetreuung fach- übergreifend betrieben wird. Ein klas- sisches Beispiel hierfür ist die Onkolo- gie. Die „Klinik für Interdisziplinäre Endoskopie“ in Hamburg arbeitet er- folgreich und wird dies auch in der Zu- kunft tun. Ähnliche Einrichtungen auch an anderen deutschen Univer- sitätskliniken werden folgen – je eher desto besser.
❚Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 2001; 98: A 603 [Heft 10]
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Heiner Greten
Direktor der Medizinischen Kernklinik und Poliklinik Universitätsklinikum Eppendorf
Martinistraße 52 20246 Hamburg
E-Mail: greten@uke.uni-hamburg.de