schließlich direkt oder indirekt auf die Lederhaut wirken. Gegenwärtig wird die Ausschüttung des retinalen Dop- amins als ein mögliches Signal be- trachtet. Dopamin wird, abhängig von der Bildqualität auf der Netzhaut, von einer Gruppe von Zellen der Netz- haut (Amakrinzellen) freigesetzt und wandert relativ langsam (15 bis 20 sec) im Extrazellulärraum von der Netzhaut zum Pigmentepithel, wo es an D2/4-Rezeptoren bindet. Es wäre denkbar, daß die Sättigung dieser Re- zeptoren die Längenwachstumsrate des Auges bestimmt; viele Agonisten und Antagonisten, die auf das Augen- längenwachstum wirken, ändern auch die Freisetzungsrate von Dopamin, so daß deren Wirkung indirekt sein könnte. Gegenwärtig werden jedoch immer noch weitere Substanzen ent- deckt, die die visuelle Kontrolle des Augenlängenwachstums verändern, und es ist noch nicht klar, welche Sub- stanzklassen den besten Wirkungs- grad bei geringsten Nebenwirkungen zeigen. Es ist auch noch nicht klar, warum die Wirkung auf das Längen- wachstum des Auges entfaltet wird.
Ausblick
Experimente an Tiermodellen haben eindeutig gezeigt, daß die Fein- steuerung des Augenlängenwachs- tums über Bildverarbeitung in der Netzhaut erfolgt. Dabei gliedern sich die Steuerungsmechanismen in drei pharmakologisch und bezüglich der
beteiligten Gewebe unterschiedliche Mechanismen (Grafik 7). Da die Er- gebnisse bei weit voneinander ent- fernten Wirbeltierklassen wie Vögeln und Säugern bemerkenswert konsi- stent sind, muß man davon ausgehen, daß eine optische Korrektur auch beim Menschen die Refraktionsent- wicklung beeinflußt. Es scheint ange- raten, beim Lesen oder anderen Ar- beiten mit kurzer Sehdistanz keine volle Korrektur zu verwenden, da dies die Wachstumsregelkreise (zu- mindest im Tiermodell) beschleunigt.
Da andererseits ein schlechtes Netz- hautbild die Deprivationsmyopie be- günstigt, kann deutliche Unterkor- rektur beim Sehen in der Ferne eine negative Wirkung haben. Man muß allerdings auch bedenken, daß Sam- mellinsen (die ja auch einer „Unter- korrektur“ entsprächen) im Tiermo- dell Weitsichtigkeit erzeugen.
Da die Umsetzungsschritte von Bildverarbeitung in Augenlängen- wachstum prinzipiell aufgeklärt wer- den können, besteht hier die Möglich- keit einer medikamentösen Interven- tion. Verschiedene Transmittersyste- me wurden bereits identifiziert, die diese Umsetzung verändern. Es ist zu erwarten, daß in Zukunft auch Phar- maka gefunden werden, die die Ent- wicklung der Kurzsichtigkeit hem- men können.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1997; 94: A-1121–1128 [Heft 17]
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Eine vollständige Literaturliste kann bei den Autoren angefordert werden.
Anschrift für die Verfasser
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Frank Schaeffel Universitäts-Augenklinik
Abteilung für Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie Schleichstraße 12–16
72076 Tübingen
A-1128
M E D I Z I N AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
(44) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 17, 25. April 1997 Im Rahmen der endoskopisch
retrograden Cholangio-Pankreatiko- graphie (ERCP) findet sich ein An- stieg der Pankreasenzyme in bis zu 70 Prozent aller Patienten. Andererseits stellt eine akute Pankreatitis jedoch ein relativ seltenes Ereignis dar.
Um diese Komplikationen zu vermeiden, sind Aprotinin, Gluka- gon, Kalzitonin, Nifedipin, Soma- tostatin und Octreotide eingesetzt worden. Allerdings konnte durch den Einsatz dieser Substanzen kein überzeugendes Ergebnis erzielt wer- den.
Die Autoren führten eine dop- pelblinde Multizenter Studie durch, bei der 30 bis 90 Minuten vor dieser endoskopischen Untersuchung eine Infusion mit einem Gramm Gabexat- mesilat (FOY) für zwölf Stunden an- gelegt wurde. Insgesamt nahmen an der Studie 418 Patienten teil.
Eine Erhöhung der Pankreasen- zyme fand sich bei 66 Prozent. Die Amylasewerte lagen allerdings signi- fikant höher in der Plazebogruppe.
Über abdominelle Beschwerden klag- ten zwölf Patienten in der Gabexat- und 29 in der Plazebogruppe, eine
akute Pankreatitis entwickelten zwei Prozent unter Gabexat und acht Pro- zent unter Plazebo.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die prophylaktische Be- handlung mit Gabexat sich posi- tiv hinsichtlich einer möglichen Pan- kreasschädigung auswirkt. w Cavallini G, Tittobello A, Frulloni L, Masci E, Mariani A, di Francesco V and the Gabexate in Digestive Endoscopy Italian Group: Gabexate for the preven- tion of pancreatic damage related to en- doscopic retrograde cholangiopancrea- tography. N Engl J Med 1996; 339:
919–923.
Cattedra die Gastroenterologia Policlini- co Borgo roma, via delle Menegone, 37134 Verona, Italien.