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Archiv "Patientenverfügungen: Würdevolles Lebensende" (14.09.2007)

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A2486 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 37⏐⏐14. September 2007

T H E M E N D E R Z E I T

J

eder Mensch wünscht sich, an seinem Lebensende dem eige- nen Willen entsprechend betreut zu werden, auch im Übergang vom Le- ben zum Tod. In der letzten Zeit ist dieser besondere Lebensabschnitt in die Aufmerksamkeit der Öffentlich- keit geraten, vor allem unter dem Aspekt, dem Sterbenden ein „wür- devolles Lebensende“ zu ermögli- chen und ihm Gelegenheit zu ge- ben, Vorsorge gegen „unerträgliche“

Schmerzen oder unzumutbare thera- peutische Maßnahmen zu treffen, insbesondere beim Verlust seiner Zustimmungsfähigkeit.

Die Patientenverfügung, besser Patientenvorausverfügung, soll den Willen des Patienten einem behan- delnden Arzt derart deutlich ma- chen, dass dieser sich bei seinen Maßnahmen danach richten kann, auch wenn der Patient selbst dazu nicht in der Lage ist. Für die Be- handlung eines Patienten ist in je- dem Fall Voraussetzung, dass der Arzt die Wünsche des Patienten kennt, um dann im Sinne des Patien- ten handeln zu können. In der Regel geschieht dies durch Einwilligung des Patienten in den Behandlungs- plan nach entsprechender Auf- klärung. Allerdings kann der Pati- ent zwar ärztlichen Vorschlägen zu- stimmen, und er muss es auch, um diese wirksam werden zu lassen, er kann aber dem Arzt keine Anwei- sungen geben, weder in Bezug auf dessen Tun noch auf etwaige Unter- lassungen. Das gilt auch für den Fall, dass ein nicht mehr einwilli- gungsfähiger Patient Vorausverfü- gungen für entsprechende Situatio- nen gemacht haben sollte. Zwar ist es für den Arzt auch in solchen Fäl- len wichtig, den Willen des Patien- ten und den Umfang der erforderli- chen Zustimmung zu erkennen, aber auch in diesem Fall greift der Wille des Patienten nicht in die In-

dikation für Maßnahmen ein, die die ärztlich-medizinische Wissen- schaft für solche Situationen vor- sieht. Allerdings kann der Patient ablehnen, was nach den objektiven Befunden indiziert ist, und dem ist auch Folge zu leisten.

Der Arzt darf nur das tun, was in- diziert ist, und muss unterlassen, was nicht indiziert ist, wobei auch eine Indikation zum Unterlassen von Maßnahmen gegeben sein kann. Das trifft dann zu, wenn Maß- nahmen den Verlauf des Leidens nicht ändern können, oder dann, wenn Maßnahmen dem Patienten zwar Beschwerden, aber keine Bes- serung seines Leidens bescheren würden. Unter solchen Bedingun- gen würde eine Indikation zu derar- tigen Maßnahmen nicht gegeben sein, auch wenn diese geeignet sein könnten, die biologischen/physiolo- gischen Prozesse beim Sterbenden noch eine Weile aufrechtzuerhalten, ohne dass etwa das Bewusstsein, oder auch andere Eigenschaften ei- ner „Lebensqualität“ wiedererlangt werden könnten. Sie sind dann auch nicht im eigentlichen Sinn „lebens-

verlängernd“, sondern nur biolo- gisch funktionsverlängernd. Dieser Sachverhalt wird in vielen vorge- druckten Schemata zu Patientenver- fügungen nicht richtig abgebildet, sondern es wird dort sehr verein- facht von „Lebensverlängerung“ ge- sprochen, auch wenn es nur um das Weiterbestehen vegetativer Kreis- lauffunktionen geht.

Kein Arzt kann, durch welche Willensbekundung auch immer, da- zu verpflichtet werden, Handlungen vorzunehmen, die die Grundsätze des ethischen beziehungsweise des medizinisch-wissenschaftlichen ärztlichen Verhaltens ignorieren.

Diese Idealvorstellung wird aller- dings durch das Wissen getrübt, dass in der täglichen Medizin nicht immer alles so ist, wie es sein sollte oder wie es medizinisch indiziert gewesen wäre. Das geschieht gele- gentlich etwa durch Unkenntnis der Wünsche eines nicht zustimmungs- fähigen Patienten. In solchen Fällen kann eine Vorausverfügung des Pa- tienten dienlich sein. Allerdings ist diese Situation tatsächlich nur sel- ten gegeben.

Patienten klammern sich oft an Strohhalme

Es ist allerdings klar, dass eine sol- che Vorausverfügung umso mehr Beachtung finden wird, je präziser sie die entsprechende Situation fo- kussiert. Eine Vorausverfügung, in der es heißt: „Ich wünsche keine in- tensivmedizinischen Maßnahmen“, kann bei einer akuten Herzrhyth- musstörung, die komplikationslos therapiert werden könnte, für den Arzt nicht bindend sein, da die Be- folgung einer solchen Verfügung Beihilfe zum Suizid wäre. Das ist zwar nicht strafbar, aber mit dem ärztlichen Berufsrecht nicht verein- bar. Nur eine Verfügung, die zu der jeweiligen Situation „passt“, wird PATIENTENVERFÜGUNGEN

Würdevolles Lebensende

Plädoyer für eine genaue und situationsgerechte Formulierung des Patientenwunsches

Interpretations- möglichkeiten müssen für den Arzt dann gegeben sein, wenn die Verfügung nicht zweifelsfrei und aktuell eine vor- liegende Situation beschreibt.

Foto:Photothek

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A2488 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 37⏐⏐14. September 2007

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und kann eine Wirkung entfalten.

Die Vorstellung der Öffentlichkeit, dass eine Vorausverfügung immer und unter allen Bedingungen vom Arzt befolgt werden muss, kann nicht greifen.

Zwar hat jeder Mensch „Verfü- gungsmacht“ über sein Leben, aber der Gebrauch dieser „Verfügungs- macht“ kann gestört sein, wie zum Beispiel bei psychischen Erkran- kungen. Häufig ändern sich auch die Wünsche der Patienten abhängig vom jeweiligen körperlichen Befin- den. Daraus ergibt sich, dass für den Arzt Interpretationsmöglichkeiten dann gegeben sein müssen, wenn die Verfügung nicht zweifelsfrei und aktuell eine vorliegende Situati- on beschreibt.

Bei der gegenwärtigen Diskus- sion fällt auf, dass es vor allem um Verfügungen zur Einschränkung von ärztlichen Maßnahmen am Le- bensende geht, so als ob eine unge- bremste und nicht indizierte thera- peutische Aktivität die Tätigkeit in den Kliniken und Praxen auszeich- nen würde. Häufig ist es jedoch ge- rade so, dass Patienten oder bevoll- mächtigte Angehörige sich an Stroh- halme klammern und fordern, „alles anzuwenden, was möglich ist“.

Gegenwärtig wird die Diskussion jedoch vor allem in der Richtung ge- führt, dass eine Vorausverfügung verhindern soll, dass ein Betroffener gegen seinen Willen „künstlich am Leben“ erhalten wird. Hier muss der Begriff „Leben“ hinterfragt wer- den, denn zu oft wird „Leben“ mit vegetativer Funktion verwechselt.

Dass einem Patienten auch in der Phase seines Ablebens Schmerzen und Leid erspart bleiben sollen, ist allerdings ureigenes Anliegen der ärztlichen Tätigkeit und bräuchte für sich überhaupt keine gesonderte Erwähnung.

Wenn die rechtliche Bindungs- kraft der Patientenverfügung abso- lut angesetzt wird, wie unter ande- rem von der Bundesjustizministerin gefordert, kann sie für den Patienten und den Arzt durchaus gefährlich werden. Im Fall einer nicht auf den tatsächlich vorliegenden Krank- heitsprozess gezielten Verfügung, könnte eine aussichtsreiche Be- handlung unterbleiben müssen,

wollte sich der Arzt nicht dem Vor- wurf des fehlenden Behandlungs- auftrags aussetzen. Auf der anderen Seite könnte dem Arzt sogar unter- lassene Hilfeleistung vorgeworfen werden. Aus all diesen Gründen er- gibt sich, dass es eine uneinge- schränkte Bindung des Arztes an eine pauschale Patientenverfügung nicht geben kann, sondern dass diese lediglich ein zwar wichtiges, aber im Einzelfall zu prüfendes und gegebenenfalls zu hinterfragendes Statement ist.

Schließlich wird noch ein anderer Aspekt der Patientenvorausverfü- gung übersehen. Die Verfügung wird

gegenwärtig vor allem in Richtung der Begrenzung von therapeuti- schen Maßnahmen diskutiert. Wenn aber der Wille des Patienten eine entscheidende Rolle spielt, dann müsste dieser auch verfügen kön- nen, dass bei seiner Betreuung alles, was möglich ist, eingesetzt wird, auch das, was nicht absolut zweck- mäßig ist. Damit stößt der Wille des Patienten jedoch an die Schranken des Sozialgesetzes, mit anderen Worten, ein Patient kann nur in einer Richtung seinen Willen bekunden, in Richtung einer Begrenzung der Therapie, er handelt somit in seiner

„Selbstbestimmung“ in einer Ein- bahnstraße.

Es ist eine unbestreitbare Tatsa- che, dass es Situationen gibt, in de- nen es äußerst wünschenswert ist, den Willen des Patienten nicht nur mutmaßlich zu kennen, und dass es Situationen im Medizinbetrieb gibt, in denen die Dokumentation des Pa- tientenwillens überaus notwendig ist. Es kann jedoch nur eine genaue Beschreibung dessen weiterhelfen, was das Anliegen des Patienten ist, welche Wünsche er wann und unter welchen Bedingungen befolgt ha- ben möchte. Pauschalformulierun- gen dürften die Situation im Anwen-

dungsfall eher erschweren oder un- möglich machen als erleichtern.

Es wäre wünschenswert, wenn sich Anwalts- und Ärztekammern zu Beratungsforen zusammenschlös- sen und gemeinsame Sprechstunden anböten. Eine solche Institution wä- re ein wesentlicher Schritt zur Stär- kung der Patientenautonomie und der Humanität in der Endphase des

Lebens. I

Prof. Dr. med. Peter von Wichert Dir. emer. der Medizinischen Poliklinik der Philipps-Universität Marburg Eppendorfer Landstraße 14, 20249 Hamburg

Häufig ändern sich die Wünsche der Patienten abhängig vom jeweiligen körperlichen Befinden.

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