• Keine Ergebnisse gefunden

Wilhelm Leibl : Farbe und Bildgestalt [Einleitung]

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Wilhelm Leibl : Farbe und Bildgestalt [Einleitung]"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Thomas Wiercinski

Mit einer Einleitung von Lorenz Dittmann

WILHELM LEIBL

FARBE UND BILDGESTALT

Wilhelm Leibl transponiert in seinen Werken Helldunkel in Farbigkeit. Er stellt sich damit ein in eine lange Tradition farbgeschichtlicher Entwick- lung im 19. Jahrhundert1, die mit Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge in Deutschland, mit Delacroix’ Chromatismus und Corots Valeur- malerei in Frankreich anhebt, im »Realismus« Constables sich plastisch konsolidiert und im letzten Jahrhundertdrittel in mannigfaltige Facetten sich bricht, bei Menzel, Marees, Liebermann u.a. in je unterschiedlicher Weise. Leibls Besonderheit zeigt sich dabei vornehmlich in der Ausbildung einer Grauskala, einer gestuften Reihe von Schwarz über vielfältig diffe- renzierte Grautöne nach Weiß, einer Skala, in die Buntfarb- und Halb- neutralwerte eingebunden sind. Die Polarität von Dunkel und Licht, kon- stitutiv für die neuzeitliche Helldunkelmalerei, ist darin aufgehoben:

aufgegeben, verwandelt und bewahrt zugleich.

Leibls Methode der Farbgestaltung ist die der Teilung der Farben:

nicht als homogene »koloristische«, nicht als kontinuierlich aus der Dun- kelheit zum Licht auftauchende »luminaristische« Farbe, sondern als in ein- zelne Flecken zerlegte' tritt sie zumeist in seinen Bildern in Erscheinung.

“Chromatisch- wäre die Art der Farbgestaltung aber nicht zu bezeichnen, denn nicht — wie bei Delacroix oder Cezanne — teilen sich die Farbkom- plexe in buntfarbige Elemente, sondern, wie erwähnt, in Abwandlungen der Grauskala. Darin kommt Leibls Farbe der Valeurgestaltung nahe. Zwei Momente kommen bei einer Valeurmalerei zur Geltung:3

»Valeur« meint die »Quantität an hell und dunkel, die in einem Ton enthalten ist«, wie die Definition Eugene Fromentins in seinem erstmals 1876 erschienenen Buch »Les maitres d’autre fois. Belgique-Hollande«

lautet. Ein Farbton, so heißt es hier, ist »unter dem doppelten Gesichts- winkel der Farbe und der Valeurs zu betrachten, so daß es beispielsweise nicht nur gilt, in einem Violett die Quantität von Rot und Blau abzu- schätzen, ...sondern auch der Quantität an Helligkeit oder an Kraft Rech- nung zu tragen, die die Farbe mehr dem Helligkeits- oder dem Dunkel- heitswerte nähert.«

Die Abstimmung der Farben nach ihren Helligkeits- und Dunkelheits-

»valeurs« kann, bei geringer Skalenbreite, einen »Gesamtton« bewirken, der als »gemeinsamer Nenner« aller Gegenstandsfarben im Halblicht erschei- nen kann. Solche Wirkungen von Valeurabstimmung nimmt Leibl aut und verbindet sie mit der Methode der Farbteilung (diese, die durchgehende Stufung der Farbelemente, ist ja mit einer Valeurgestaltung nicht notwen- digerweise verbunden).

Stufung, Farbteilung diente Leibl wie — auf andere Weise — Cezanne der Modellierung, der Darstellung eines plastischen Gehalts aller Bildge- genstände, die gerade deshalb mehr als bloße »Erscheinungen« sind.

»Modeler c’est moduler«, dieser Satz Cezannes gilt weithin auch für die Werke Leibls. »Moduliert« aber werden hier im wesentlichen die Werte der Graureihe als Farben, und Leibl moduliert auch nicht mit Cezanne- scher Logik und Konsequenz, sondern zerreißt, besonders in seinen Frühwerken, bisweilen die Kontinuität der Stufung, um der Dynamik ei- ner farbgewordenen Dunkelheit willen, die in die Bildkörper eindiingen kann.

91

Originalveröffentlichung in: Czymmek, Götz ; Lenz, Christian (Hrsgg.): Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag : [erscheint anläßlich der Ausstellung "Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag", die von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, ... veranstaltet wird ...], Heidelberg 1994, S. 91-92

(2)

Leibls Maltechnik ist die »Alla-prima-Malerei«, das »Malen naiS in naß in einem Zuge», das den Zweck hatte, »der Farbe die Frische und Reinheit .. und die persönliche Emotionalität und Sensibilität der malerischen

■Handschrift' zu erhalten. ...Im engeren Leibl-Kreis bestand ... das Gesetz, unansehnliche, das heißt farbig unrein wirkende Stellen oder sonst miß- lungene Teile durch Abkratzen oder Abwaschen mit Hilfe von lösendem Terpentinöl bis auf den Grund zu entfernen und neu zu malen, auf kei- nen Fall aber übermalend zu korrigieren...“4

Die Farbe wird so bis ins letzte durchgeformt, sie wird zur Materie, zur Substanz, die nichts anderes verdeckt, von nichts anderem verhüllt wird. Farbe wird zum Aufbau-Element des Bildes. Mit Farbe, mit Farbe allein baut Leibl seine Bilder, auch seine feinmalerischen, an die altdeut- sche Malerei anknüpfenden.

Diese Maltechnik war für Leibl (und seinen Kreis) Kriterium der »Ehr- lichkeit«. »Ehrlichkeit« ist der Zentralbegriff seines Nachdenkens über Kunst5 - und seiner Kunst selbst, wenn auch deren »Ethos« sich darin nicht erschöpfen wird. Die Kraft und Strenge seines Bildbaus, die Einfachheit seiner Motive, das Festgebaute und zugleich spannungsvoll Bewegte seiner Farbgestaltung - sie vertiefen »Ehrlichkeit« zur Wahrhaftigkeit und Wahrheit der Leiblschen Kunst, einer Kunst, die Figuren und Dinge in ihrem »Dasein«

sichtbar werden läßt. Nicht in solch allgemeinen Aussagen erschließen sich die Werke Leibls, sondern nur in der genauesten, eindringlichsten Betrachtung, im langwährenden, gelassenen Schauen. Dafür sollen einige exemplarische, ausführliche, detailorientierte und zugleich um die Erfas- sung der komplexen Bildgestalt bemühte Beschreibungen Hinweise geben.

92

(3)

Anmerkungen

1 Vgl. dazu Ernst Strauss, Zur Frage des Helldunkels bei Delacroix, in: Strauss, Koloritgeschichtliche Untersuchungen zur Malerei seit Giotto und andere Studien, hrsg. von Lorenz Dittmann, München, Ber- lin 1983, S. 135-151. - Lorenz Dittmann, Farbgestaltung und Farbtheorie in der abendländischen Male- rei. Eine Einführung, Darmstadt 1987, S. 261-270 u.ö.

2 Dazu Strauss 1983 (s. Anm. 1), S. 11-26: Zur Wesensbestimmung der Bildfarbe.

3 Vgl. Dittmann 1987 (s. Anm. 1), S. 149, 262, 338/339, 344.

4 Eberhard Ruhmer 1984, S. 58/59.

5 Vgl. Ruhmer 1984, S. 46/47.

106

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

denklichen Zeiten dunkel auf hellem Grunde gemacht werden, lediglich auf das phyfifche Bedürfniß zurückführen; gewiß würde ein Schriftftück oder ein Buch mit weißen Buchf‘taben

Der Engländer Field glaubte entdeckt zu haben, dafs die drei »Grur'1dfarben« Gelb, Roth und Blau (bei gleicher Intenfität) im Flächenverhältnifs von 3 : 5 : 8 die einzig

Rein phyfiologifch betrachtet, wird die Forderung der farbigen Unterbrechung fchon durch die kleiniten wahrnehmbaren Bilder *) erfüllt, d. fobald wir imferc beiden Augen auf

Da aber, wo diefe natürlichen Mittel durch künftliche erfetzt werden, mufs auch die Erfcheinung der erfteren möglichf’t angefirebt werden, fo zwar, dafs die ifochrome Papiertapete

Die Täufchung über die Gefialt follte unter allen Umf’tänden verpönt fein; denn wenn es auch gelingen kann, für die Anficht von einem befiimmten Punkte aus durch Bemalung

Es if’t nun nicht zu verkennen, dafs dadurch der Popularifirung des guten Gefchmackes bis zu einem gewiffen Punkte Vorfchub geleif‘tet werden kann, ganz abgefehen von dem

Nicht die wirklich vollendete Wiedergabe des Originals if’t die Hauptfache, fondern das letztere wird dazu mifsbrauch’t, einer fpeciellen Technik als Folie zu dienen; auch nicht

Die künßlz'cbe Beleuchtung durch Gas, Petroleum oder Kerzen if’t freilich im Stande, die fchönfien Tagesdifpofitionen zu nichte zu machen, nicht blos weil die Gegenllände nun in