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Archiv "Gesundheit von Jungen und Männern: Die Leiden des starken Geschlechts" (17.06.2011)

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tal Health Hospital 2009 und 2010 zwei Fortbildungen durchgeführt.

Einerseits wurden die Grundlagen der differenzierten Indikationsstel- lung für Therapien erörtert und an- dererseits die Zusammenarbeit mit dem psychosozialen Versorgungsbe- reich gestärkt.

Eine Fallgeschichte (Kasten) zeigt die enge Verbindung von affektiven und Angststörungen im Rahmen multipler psychosozialer Belastungssituationen. Medikation ist hier – wie sonst auch in der Psychiatrie – nur dann sinnvoll, wenn sie in einen generellen psychothera- peutischen Interventionsplan ein - gebettet wird, der insbesondere die familiären Verpflichtungen und Sorgen des Patienten sowie seine Stellung in der Familie thematisiert.

Das kulturelle Umfeld berücksichtigen

Durch eine fundierte Ausbildung angehender Ärztinnen und Ärzte und eine verstärkte Bereitschaft zur Kooperation mit den psychosozia- len Beratern kann es gelingen, die vielfältigen Traumatisierungen und sozialen Konflikte, die das Afgha- nistan von heute kennzeichnen, zu thematisieren und damit einen Bei- trag zu Frieden und Versöhnung zu leisten. Eine gute Differenzialdia - gnostik, die das kulturelle Umfeld berücksichtigt, führt zu einer psy- chosozialen Beratungsarbeit. Diese kann helfen, dass die Menschen zu einem Leben zurückkehren, in dem sie wieder selbst Verantwortung übernehmen können. Damit trägt das Gesundheitssystem dazu bei, dass die Familie als Selbsthilfe - system gestützt wird und über die Versorgung der akut psychisch Kranken hinaus ein Beitrag zur Etablierung einer toleranten und viel - fältigen Gesellschaft geleistet wird.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2011; 108(24): A 1366–8

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Andreas Heinz Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, andreas.heinz@charite.de

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2411

S

ind Männer Gesundheitsmuf- fel? Nein, meinen Experten.

Zwar seien Jungen und Männer in der Regel weniger körper- und er- nährungsbewusst, neigten eher zu Risikoverhalten und nähmen medi- zinische Angebote weniger in An- spruch als das weibliche Ge- schlecht. Dennoch trügen eine Rei- he anderer Faktoren mit dazu bei, dass die Lebenserwartung der deut- schen Männer noch immer circa fünf Jahre unter der der Frauen liegt. In erster Linie seien es

„krankmachende“ Lebensumstände und fehlende geschlechtsspezifi- sche Gesundheits- und Beratungs- angebote, so das zentrale Fazit des ersten Männergesundheitsberichts.

Der Bericht geht auf die Initiative zweier Stiftungen zurück, der Stif- tung Männergesundheit und der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit. Zwar hatte die Bundes - regierung bereits im Jahr 2001 einen

gesundheitlichen Bericht zur Situa - tion der Frauen in Deutschland vor - gelegt. Mit einem eigenen Männer - gesundheitsbericht kann sie bislang allerdings nicht aufwarten, will dies aber noch in diesem Jahr nachholen.

Ein lange vernachlässigtes Forschungsfeld

„Um die Gesundheit der männli- chen Bevölkerung zu verbessern, sind umfassende strukturelle Verän- derungen erforderlich“, forderte Dr.

rer. soc. Reinhard Winter vom Sozi- alwissenschaftlichen Institut Tübin- gen (Sowit) bei einer Diskussions- veranstaltung zum Thema Jungen- und Männergesundheit in der evan- gelischen Akademie Bad Boll. Das Thema Männergesundheit dürfe da- her nicht nur aus der Sicht der Me- dizin, sondern müsse auch unter so- zialen, kulturellen und historischen Aspekten beleuchtet werden.

GESUNDHEIT VON JUNGEN UND MÄNNERN

Die Leiden des starken Geschlechts

Die Verbesserung der Gesundheit von Männern und Jungen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, meinen die Autoren des ersten Männergesundheitsberichts.

Fotos: Caro

A 1368

T H E M E N D E R Z E I T

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Die Defizite fingen bereits bei der Betreuung männlicher Kinder und Jugendlicher an, sagte Gunter Neu- bauer von Sowit. „Der Wissens- und Forschungsstand über die spezifi- schen gesundheitlichen Probleme von Jungen ist flach“, kritisierte der Pädagoge. Die meisten Ansätze be- schäftigten sich mit einem Vergleich zwischen dem Gesundheitszustand und -verhalten von Jungen und Mäd- chen. „Es gibt hingegen nur wenige Anregungen für eine geschlechts- spezifische Gesundheitsförderung und Prävention.“

Gleichwohl seien Jungen sehr viel häufiger als Mädchen unfall- und suizidgefährdet, ergänzte Win- ter. Unfälle und Selbstmorde seien mit 57 Prozent die häufigste Todes- ursache der 15- bis 20-Jährigen.

Selbst über alle Altersgruppen hin- weg gerechnet betrage das Verhält- nis erfolgreicher Suizide zwischen Männern und Frauen drei zu eins, verdeutlichte Dr. Matthias Stiehler vom Institut für Erwachsenenbil- dung und Gesundheitswissenschaft in Dresden. „Dabei wird die hohe Komorbidität zwischen typisch männlichen psychischen Erkrankun- gen wie Depressionen und antisozia- len Persönlichkeitsstörungen und der Neigung zur Suizidalität oft ver- kannt“, bemängelte der Diplom- Theologe – und das, obwohl die ge- sundheitlichen Unterschiede zwi- schen Männern und Frauen bei den psychischen Erkrankungen beson- ders ausgeprägt seien. Während man Frauen jedoch zugestehe, Opfer ge- sellschaftlicher Umstände zu sein, heiße es bei Männern noch immer häufig, „sie sind selbst dran schuld“.

Die Rolle der Medizin wird überschätzt

Gravierende Geschlechtsunterschiede gibt es auch bei der Aufmerksam- keitsdefizit und Hyperaktivitätsstö- rung (ADHS). ADHS betreffe Jun- gen im Alter zwischen zehn und 15 Jahren weitaus häufiger als gleich- altrige Mädchen, sagte Neubauer.

„Allerdings beschränken sich fast 80 Prozent aller Behandlungen auf die Gabe von Medikamenten.“

Sinnvoller sei hingegen eine Kom- bination aus Ergo-, Psycho- und medizinischer Therapie.

Die Rolle der Medizin werde mit Blick auf die Lebenserwartung zudem grundsätzlich überschätzt, meinte Prof. Dr. Martin Dinges vom Institut für Geschichte der Medizin in Stuttgart. „Für die gewonnenen Lebensjahre der letzten drei Jahr- zehnte des 20. Jahrhunderts liegt der Beitrag der Medizin nur bei einem Viertel“, betonte der Medizinhistori- ker. „Der Rest hat ganz andere Ursa- chen.“ So sei die abnehmende Diffe- renz bei der Lebenserwartung von Männern und Frauen auch ein „Er- folg“ der Frauenbewegung. Hatten Frauen Mitte der 80er Jahre noch ei- ne fast sieben Jahre höhere Lebens- erwartung, sind es mittlerweile nur noch etwa fünfeinhalb Jahre. Ledig- lich ein Jahr davon sei genetisch be- dingt, so Dinges.

Die zunehmende berufliche Be- lastung von Frauen und die Tat - sache, dass immer mehr Mädchen und Frauen gesundheitsschädigendes Verhalten, wie Rauchen und Trinken zeigten, seien wesentliche Gründe für die abnehmende Differenz in den Lebenserwartungen. „Die Verände- rungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und des Risikoverhal- tens von männlichen und weiblichen Jugendlichen dürften die Unter- schiede weiter abschleifen“, war sich Dinges sicher. Hinzu komme, dass die Jungengesundheit weniger ein Genderproblem als vielmehr ein Unterschichtenphänomen und ein Problem der Wohlstandsverwahrlo- sung sei. Hier müsse die Gesund- heitsförderung, sei es in Schulen oder durch spezielle Jugendgesund- heitstage gezielter ansetzen. Diese Meinung teilte auch der Pädiater Dr. med. Bernhard Stier aus Butz- bach. „Über Aufklärungsbroschü- ren, selbst wenn sie in verschiede- nen Sprachen vorliegen, erreichen Sie Migranten zum Beispiel kaum.“

Der Arzt stellt immer wieder fest, dass die Inanspruchnahme me- dizinischer Leistungen bis zur Pu- bertät bei Jungen und Mädchen gleichermaßen verteilt ist. „Danach nutzen Mädchen ärztliche Angebo- te deutlich häufiger als Jungen.“

Dadurch dass die meisten Mädchen in der Geschlechtsreife regelmäßig zum Frauenarzt gingen, seien sie auch später besser für Vorsorge-

und andere medizinische Leistun- gen erreichbar. Männer würden ge- sundheitliche Probleme dagegen meist erst um das 50. Lebensjahr herum verstärkt wahrnehmen.

Folglich liege der Anteil der Frau- en in den Arztpraxen im Schnitt bei 60 Prozent, während Männer nur etwa 40 Prozent der Patienten aus- machten. „Rechnet man den weib - lichen Bevölkerungsanteil und den spezifischen gynäkologischen Be- darf heraus, haben Frauen immer noch einen Vorsprung von zwölf Prozent“, verdeutlichte Dinges.

Beziehungsarbeit ist wichtig

Männliche Heranwachsende gingen vornehmlich zur J1 und zu Impfun- gen zum Arzt sowie mit akuten Pro- blemen, wie Infekten, Verletzungen oder orthopädischen Problemen, berichtete Stier. Psychosoziale Stö- rungen und Probleme mit den Ge- schlechtsorganen spielten zwar auch eine Rolle, würden von den Jugendlichen oft aber nicht themati- siert. „Wenn ein Junge in die Praxis kommt und über Bauchschmerzen klagt, ist es ein Kunstfehler, den Genitalbereich nicht mit zu untersu- chen“, betonte Stier. Ferner solle der Arzt eine Untersuchung immer dazu nutzen, eine Beziehung zu sei- nem jungen Patienten aufzubauen, um im Gespräch auch etwaige nicht medizinisch bedingte Probleme in Erfahrung zu bringen. Jungen, die beispielsweise unter einer geringen Körpergröße, Unsicherheiten im Umgang mit dem anderen Ge- schlecht oder Mobbing in der Schu- le litten, gäben dies oft nicht spon- tan zu, sondern versteckten es hin- ter bestimmten Beschwerden.

Grundsätzlich sind sich die Ex- perten darüber einig, dass Jungen und Männer durchaus für Angebote der Gesundheitsvor- und -fürsorge erreichbar sind. Diese müssten al- lerdings speziell auf deren spezi - fische Verhaltensweisen und Be- dürfnisse angepasst werden. Neben den Ärzten seien hier auch die Poli- tik sowie andere gesellschaftliche Gruppen, Kindergärten, Schulen und Einrichtungen, zum Beispiel der Ju- gendhilfe, stärker gefordert. ■ Petra Spielberg

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 24

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17. Juni 2011 A 1369

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