A-1380 (8) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997
ropäische Bewußtsein an ein personales Gottesverständnis gebunden ist. Die ethischen Wurzeln der modernen na- turwissenschaftlichen, tiefen- psychologisch-anthropologi- schen Denktraditionen sind in ihrem Kern zutiefst religi- onsfeindlich beziehungsweise bejahen allenfalls eine ab- strakte philosophische Trans- zendenz. Dennoch waren es eher naturwissenschaftlich orientierte Ärzte von hohem Rang, wie Kurt Goldstein, die sich der Würde und wis- senschaftlicher beziehungs- weise ideologischer Unan- tastbarkeit des personalen Subjektes bewußt blieben.
Dies getreu der Maxime Max Plancks: „Sich über das Er- forschbare freuen und das Unerforschliche still zu ver- ehren“; eine „regulative Idee“, die zusammen mit der Maxime des Rabanus-Mau- rus: „Niemand ist vollkom- men im Wissen, der nicht vollkommen in der Liebe ist“
Wissenschaft vor ihrem Mißbrauch schützt.
Dr. med. Reinhard Baden, Diakonie Stetten e.V., Schloßberg 2, 71394 Kernen
Labormedizin
Zu dem Beitrag „Laboratoriumsmedi- zin: Im Sog der Kommerzialisierung“
von Prof. Dr. med. Michael Krieg in Heft 14/1997:
Weg in die Selbstän- digkeit abgeschnitten
Der Psychologe Dörner hat aufgezeigt, daß menschli- ches Handeln dann mißlingt, wenn die Kompetenz fehlt (fehlende Datensammlung und -evaluierung), in Kausal- ketten und nicht in Kausal- netzen gedacht und exponen- tielle Entwicklungen und Fernwirkungen mißachtet werden. All diese Punkte scheinen bei den gesellschaft- lichen und politischen Vorga- ben für die Labormedizin nicht berücksichtigt worden zu sein. Durch die ohne Ana- lyse der Wirtschaftlichkeit von Laborparametern vehe- ment vorangetriebene Spar-
politik wurden die meisten Laboratorien in Deutschland zu einer klassischen Strategie der freien Wirtschaft getrie- ben: Erhöhung der Stückzahl zur Kompensation der gerin- ger werdenden möglichen Überschüsse in Großlabora- torien und Ersatz qualifizier- ter Kräfte durch Anlernkräf- te. Dieses ist nicht vereinbar mit der gewünschten indivi- duellen ärztlichen Betreuung und Qualität von Analyseer- gebnissen. Auch Normen wie ISO 9 000 oder EN 45 001 werden hier keinen Qualitäts- gewinn bringen.
Diese Situation macht es jungen Laborärzten unmög- lich, Laboratorien mit genü- gender Kapazität zu gründen oder bestehende Laboratori- en zu übernehmen. Der Ka- pitalbedarf ist zu groß. Nur noch mehr finanzkräftige Trägergesellschaften können die nötigen finanziellen Mit- tel aufbringen. Finanzielle Überlegungen werden die Priorität vor ärztlichem Han- deln haben.
Somit wird jungen, enga- gierten Labormedizinern der Weg in die Selbständigkeit abgeschnitten, ihnen bleiben noch die Arbeitsmöglich- keiten als angestellte Ärzte in Krankenhauslaboratorien oder quasi angestellte Labor- mediziner in Großlabora- torien. Diese Entwicklung wird die Attraktivität der La- bormedizin für kompetente und engagierte Nachwuchs- kräfte deutlich senken. Es ist zu befürchten, daß Laborme- dizin ein Mangelberuf wird und eine ausreichende Ver- sorgung der Bevölkerung nicht gewährleistet ist.
Eine weitere Fernwir- kung ergibt sich aus der Wei- tergabe des Kostendrucks an die Diagnostikindustrie. Nur wenige Firmen mit einer schmaler werdenden Dia- gnostikpalette werden unter Freisetzung einer großen Mitarbeiterzahl bestehen können. Bereits jetzt werden diese Auswirkungen deut- lich.
Dr. med. Dipl.-Biol. Roland Werk, Theaterstraße 12, 97070 Würzburg
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