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Selbständigkeit, Subsidiarität, Wettbewerb

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Nummer 23 3. August 2000 www.cdu.de

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0 K U M N I 0 N

Selbständigkeit,

Subsidiarität, Wettbewerb

Die drei Elemente der Sozialen Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert

Verpflichtung zur

Nachhaltigkeit ••• mm J

Angela Merkel: Wir müssen Ordnungsrahmen ent- wickeln, die dem Gebot der Nachhaltigkeit entsprechen.

Aus der Rede der Parteivorsitzenden

Angela Merkel anlässlich der BDI-Jahrestagung

am 27. Juni 2000 in Berlin

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Wenn ich heute mit Ihnen über Nachhal- tigkeit diskutieren werde, dann fällt mir ein Satz ein, den ich vor ein paar Tagen gelesen habe: Wer heute „früher" sagt, meint vorletztes Jahr. Was heißt dann erst Zukunft?

„Früher" - das ist für uns inzwischen eine kur- ze Zeit geworden, ich kann das für meine Par- tei sagen, und vielen von Ihnen wird es auch so gehen, dass der Wandel, dass die Verände- rung, die Dynamik, die Geschwindigkeit ei- nes der beherrschenden Elemente unserer Zeit am Anfang des 21. Jahrhunderts ist. Die Halbwertzeit des Wissens wird immer gerin- ger, die Start-Up-Phasen werden immer kür- zer, wir wandeln uns von der Industrie- zur Wissensgesellschaft; Globalisierung, Digita- lisierung bestimmen unsere Wortwahl, neue und alte Ökonomie, das sind die Schlagwor- te, mit denen die Realität beschrieben wird.

Europa wächst zusammen, und wir spüren, dass selbst die Parteienlandschaft sich schnell und unaufhaltsam ändert.

Das alles ist unglaublich spannend. Dass wir in einer solchen Zeit leben können, hal- te ich für eine große Chance. Aber die Frage ist: Wohin führt das? Diese Frage stellen uns natürlich auch viele Menschen: die Men- schen in den Betrieben, aber genauso auch die, die auf die Politiker schauen. Was sind denn die Fixpunkte in einer solchen sich ver- ändernden Welt?

Genau deshalb ist das Thema Nachhal- tigkeit ein spannendes, weil es in einem natürlichen Widerspruch zu dieser Schnel- ligkeit steht. Mancher, der zwei Quartale keine gute Bilanz aufweisen kann, ist ja auch in der Wirtschaft schnell weg vom Fenster.

Da sind wir in der Pol it ik noch geradezu gön- nerhaft; und dann geben ausgerechnet Sie sich für diese Tagung das Thema „Nachhal- tigkeit".

Wir sollten uns für die Diskussion noch einmal darauf besinnen, dass der Begriff der

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Nachhaltigkeit aus der Umweltpolitik kommt. Die große internationale Konferenz von Rio, als sich 1992 zum ersten Mal die Staats- und Regierungschefs aus über 150 Ländern getroffen haben, hatte sich darauf verständigt, dass die Länder dieser Erde trotz wachsender Bedürfnisse, trotz einer wach- senden Zahl von Menschen, die Verantwor- tung dafür tragen, dass zukünftige Genera- tionen gleiche oder bessere Lebenschancen haben als heute. Und deshalb sind wir ge- zwungen, nicht nur in Zeitspannen von Wahlperioden zu denken, deshalb sind Wi*

gezwungen, nicht nur in Aktienkursen zü

denken, sondern deshalb sind wir gezwun- gen, Fixpunkte zu finden, Ordnungsrahmen zu entwickeln, die dem Gebot der Nachhai' tigkeit entsprechen, und darüber auch mit' einander zu streiten.

Was ist der Anspruch der Politik?

Was ist in einer solchen Zeit nun übe'' haupt noch der Anspruch der Politik? Viele Menschen sagen, die Wirtschaft macht so' wieso das, was sie will. Die Märkte eflt' wickeln sich von selbst. Wir als CDU dage' gen glauben, dass die Aufgabe der Polit' nach wie vor darin besteht, den Kräften d#

Marktes einen solchen Ordnungsrahmen &

die Seite zu stellen, der den Entwich lungschancen der Wirtschaft in optima'6

Weise Raum gibt und gleichzeitig dem 0er

bot der Nachhaltigkeit gerecht wird.

Was bedeutet das aus meiner Sicht für o' Bundesrepublik Deutschland? Unsere P0'1

tik hat den Anspruch, Deutschland zu de' Besten im weltweiten Wettbewerb gehöre' zu lassen. Wir sollten und dürfen uns nie'1

mit Mittelmaß abfinden.

Eine Zeit, in der sich scheinbar alles W»11

delt, ist auch eine Zeit, in der wir uns auf un

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,ere Grundlagen besinnen sollten. Was ver- endet dabei Politik und Ökonomie? Es ist . er Gedanke der Freiheit, denn Demokratie 'st die politische Ordnung der Freiheit, die

°2iale Marktwirtschaft war und ist die öko- nomische Ordnung der Freiheit. Beides ist jj so wertgebunden, beides hängt miteinan-

er zusammen. Ich bin der festen Überzeu-

§Ung, dass die Soziale Marktwirtschaft un-

r den Bedingungen veränderter Märkte eiterentwickelt werden muss, weiterent-

Vlckelt in eine globale Dimension. Und das

e'ßt, dass wir die Soziale Marktwirtschaft

*" einer neuen Sozialen Marktwirtschaft auf

er Grundlage der alten Werte weiterent-

^V|ckeln. Dabei spielt die Nachhaltigkeit mit 'cherheit eine besondere Rolle. In diesem

r°zess hat die Politik ihre Aufgabe, und in

!esem Prozess hat die Wirtschaft ihre Auf- jja°e. Ich will drei Punkte benennen, bei de-

en die CDU hierzu in der Politik Akzente

etzen muss und will.

pT~ — _

Clr»e neue Kultur der Selbständigkeit Wenn wir von der Weiterentwicklung der

0z'alen Marktwirtschaft sprechen, dann ist

^ r °üch der erste Punkt, dass wir die Kultur

e.r Selbständigkeit stärken. Wir brauchen klares Bekenntnis zum Unternehmer, zu jenigen, die bereit sind, in einer sich ver-

dn ernden Welt Risiken auf sich zu nehmen, sich der Verantwortung stellen und die

^ Wege gehen.

di \, e.utscnlar|d ist in Fragen der Selbststän- telf Cit'nvielen Bereichen leider nur im Mit-

grüeld- ßei der Zahl der Unternehmens- fei. Un§en erreichen wir nur das Mittel- dun' be' unserem Bildungs- und Ausbil-

Sa §Ssystem ist es genauso. Wenn ich dies

16 j K " 'Cl1m'rwohl bewusst, dass auch wir

nre Verantwortung getragen haben und

dass auch wir als CDU heute zusätzliche wirtschaftliche Kompetenz erwerben müs- sen. Den Zustand unseres Landes zu verbes- sern, ist nicht irgend eine abstrakte Aufgabe, sondern eine Aufgabe aller Parteien und der Wirtschaft gemeinsam.

Im Bereich des Handwerks ist die Kultur der Selbständigkeit sehr gut entwickelt. Es hapert dagegen im Bereich der intellektuel- len Ausbildung. Hier muss Selbständigkeit als ein erstrebenswertes Ziel erst noch ver- stärkt vermittelt werden. Auch heute ist es noch so, dass viele ein Angestelltenverhält- nis in einem großen Betrieb als das Nonplus- ultra ansehen, obwohl ich glaube, dass wir uns hier bereits in einem Umbruch befinden.

Selbständigsein ist eben auch ein kulturelles Gut. Deshalb müssen wir dazu kommen zu akzeptieren, dass man um des hohen Guts der Selbständigkeit willen auch einmal schei- tern darf und in der Gesellschaft eine zweite Chance bekommt. Das muss unser gemein- sames Anliegen sein.

Beim Lesen des Global Entrepreneurship Monitor-Berichts 1999 ist mir aufgefallen, dass Deutschland interessanterweise auch bei der Zahl der Unternehmungsgründun- gen, die durch Arbeitgeber gefördert wer- den, nur im Mittelfeld liegt. Das heißt also, auch hier gibt es Verbesserungsbedarf.

Wir brauchen mehr Subsidiarität Wenn ich über den Unternehmer gespro- chen habe, dann spreche ich als Zweites dar- über, dass wir mehr Subsidiarität brauchen.

In einer Welt, die immer internationaler wird, ineiner Welt, die immer globaler wird, ist die Aufforderung zu mehr Subsidiarität eine Grundlage dafür, dass der Bürger seine Verbundenheit mit der eigenen Region, sei- ne Unterscheidbarkeit und sein Verständnis U1D Dokumentation 23/2000 • 3

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von seiner Eigenheit auch weiter leben kann.

An dieser Stelle denke ich auch an Euro- pa. Die CDU führt nicht etwa eine euro- skeptische Diskussion, sondern wir fuhren eine Diskussion über die Architektur des zukünftigen Europas. Ich bin sehr froh, dass inzwischen in großer Breite die Frage 'wer macht was in Europa' als eine wesentliche Frage akzeptiert wird, deren Beantwortung darüber entscheidet, ob dieses Europa ein Europa der Bürger sein wird, und ich sage in diesem Kreise dazu, auch ein Europa der Un- ternehmer sein wird oder nicht.

Viele von Ihnen haben sich über viele De- tails der Richtlinienverhandlungen in den europäischen Ministerräten in den letzten Jahren geärgert. Wie haben wir z.B. um die Richtlinie zur Verminderung und Vermei- dung von Umweltverschmutzung gestritten, eine von hunderten von Richtlinien. Und meine Damen und Herren, wir stoßen immer wieder auf das gleiche konzeptionelle Pro- blem. Das hat damit zu tun, dass die Grenzen des Binnenmarktes bislang nicht klar defi- niert sind. Es ist nicht klar, wie viel Soziales noch unter den Wettbewerb fällt. Es ist nicht klar, wie viel Ökologie noch unter den Wett- bewerb fällt.

Deshalb ist es Aufgabe der Politik zu defi- nieren, welche Entscheidungen auf welcher Ebene in Europa getroffen werden müssen.

Hierzu ist aus unserer Sicht eine klare Kom- petenzverteilung erforderlich, für die wir uns einsetzen. Das hat nichts damit zu tun, dass die CDU die Osterweiterung nun nicht mehr für notwendig hält. Das Gegenteil istderFall. Die EU-Osterweiterung ist für uns eine politische Notwendigkeit, sie ist eine wirtschaftliche Chance, und sie ist ein Gebot der Demokra- tie. Dies sage ich mit besonderer Betonung, denn ich komme aus der früheren DDR und weiß, was es bedeutet, ausgegrenzt, abge- grenzt und abgeschnitten zu sein.

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Wir brauchen ein klares Bekenntnis zum Wettbewerb

Ich nenne als dritten Punkt, neben der Stärkung des Unternehmertums und neben dem Bekenntnis zur Subsidiarität, ein klares Bekenntnis zum Wettbewerb. Meine These lautet: Angesichts der Internationalisierung und Globalisierung werden wir in viel stär- kerem Maße Elemente des Wettbewerbs auch in den gesamten sozialen Bereich und in den Bereich des Arbeits- und Tarifrechts einführen müssen.

Ich will daran erinnern, dass die CDU ge' meinsam mit der FDP die wesentlichen Pr>' vatisierungen in diesem Land in Gang gesetz hat. Dass Herr Eichel im Jahre 2000 eine un- erwartete und erfreuliche Einnahmequelle

UMTS-Lizenzenerschließen kann,das hat et- was damit zu tun, dass der damalige Bundes- postminister Schwarz-Schilling 1989/1990 die Weichen in einem Bereich richtig gestel1

hat, der der Privatisierung dringend bedurft' nämlich dem Bereich der TelekommunikaU' on. Wir haben dies für den Bereich der PoS1,

wir haben dies für den Bereich der Bahn,vVl

haben dies für den Bereich der Elektrizität Wirtschaft durchgesetzt.

Wir werden ein solches Vorgehen heü[C

ausweiten müssen auf Bereiche auch der so zialen Sicherung. Wenn wir heute über d»

Zukunft der Rente sprechen, dann tun wir dies auch unter dem Motto, dass das priva1

Element der kapitalgedeckten Vorsorge n6' ben dem allgemeinen Umlageverfahre

steht, das ja aus dem Wettbewerb weitge

hend herausgenommen ist, dann tun wir d'e' auch im Wettbewerb verschiedener An'11

genformen. Die Zukunft der sozialen Sie»1

rung wird ohne mehr Wettbewerb nic

möglich sein. Im Übrigen verhandelt *>' CDU konstruktiv über ein dauerhaftes, lafl£

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DOKUMENTATION '

fristiges Rentensystem, das hat nämlich in entscheidendem Maße etwas mit Nachhal- tigkeit zu tun.

Wir brauchen, und ich will es ganz be- sonders für den Bereich des Arbeits- und Ta- ntrechts sagen, in Deutschland eine neue Ba- lance von Chancen und von Risiken. Wer sich dagegen wehrt, wer sagt, der Tarifver- trag der Zukunft muss bleiben wie der Tarif- vertrag der Vergangenheit, der wird in der Zukunft gar keinen Tarifvertrag mehr haben.

Es beunruhigt mich, wenn angesichts der Si- tuation in den neuen Bundesländern viele Unternehmer stolz darauf sind, möglichst überhaupt nirgends mehr gebunden zu sein.

Und anschließend wundern sie sich, dass sie im Lande keine Lobby haben. Wenn in mei- nem eigenen Wahlkreis in Nordvorpom- mern vielleicht noch zehn Unternehmen ei- nen Betriebsrat haben, dann können wir alle Gesetze der Mitbestimmung so lassen, wie sie sind, dann vollzieht sich das tatsächliche Leben entkoppelt von der Politik. Diese Si- tuation wünsche ich mir nicht.

Deshalb muss die Bereitschaft dazu beste- hen, dass angesichts veränderter Verhältnisse

auch wir uns verändern. Im internationalen Wettbewerb verlangt das eine handhabbare Mitbestimmung und kein Aufsatteln, das er- fordert, dass wir im Beschäftigungsförde-

rungsgesetz auch weiter die Befristung von Arbeitsverträgen und wenn notwendig eine verlängerte Befristung akzeptieren. Das heißt, dass im Bereich des Kündigungsschutzes auch diskutiert werden muss, ob anstelle des Kün- digungsschutzes Abfindungen - einvernehm- uch vereinbart zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern - möglich sind. Das heißt aus deiner Sicht, dass die Arbeitnehmerüberlas-

sung eine Verweildauer von 36 statt 12 Mona- ten haben kann. Das heißt, dass wir flexiblere

eschäftigungsverhältnisse brauchen, als wir

es in den 630-Mark-Verhältnissen jetzt haben.

Und das heißt, dass wir überlegen müssen, wie wir Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe so zu- sammenfassen, dass im Niedriglohnbereich wieder wirkliche Anreize zum Arbeiten ent- stehen. Ansonsten werden wir die Probleme nicht lösen.

Wenn ich von Wettbewerb spreche, dann spreche ich auch davon, dass angesichts der nationalen Begrenzung von Politik auch über internationale Wettbewerbsregeln nachgedacht werden muss. Wir sollten in ei- nen intensiven Dialog eintreten überdie Rol- le der Welthandelsorganisation, über die Rolle des internationalen Währungsfonds und über die Rolle der Weltbank.

Die drei Elemente Wettbewerb, Selbst- ändigkeit und Subsidiarität sind für mich we- sentlich bei der Weiterentwicklung einer So- zialen Marktwirtschaft zu einer neuen So- zialen Marktwirtschaft unter veränderten globalisierten Marktbedingungen im 21.

Jahrhundert.

Wir brauchen Generationen- und Transferbilanzen

Dieser Prozess ist nicht denkbar, wenn wir uns nicht eines Problems ganz bewusst sind, nämlich des Problems, dass wir in einer Ge- sellschaft leben, die nur noch 5 bis 10 Jahre über ausreichend junge Menschen verfügt, die in das Erwerbsleben eintreten und die da- nach unter einem absoluten Mangel an jungen Arbeitskräften leiden wird. Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft, wir leben in ei- ner Gesellschaft, die in den nächsten Jahren sehr bewusst die Chancen nutzen und die Weichen für eine vernünftige Zukunft stellen muss. Deshalb plädiere ich dafür, Generatio- nen- und Transferbilanzen einzuführen. Dies dient dazu, uns einmal zu vergegenwärtigen, wer auf wessen Kosten lebt und wie die Um- UID Dokumentation 23/2000 • 5

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Verteilungsvorgänge in unserer Gesellschaft ablaufen. Ich plädiere dafür, dass wir auf den Lohnabrechnungen sichtbarer machen, wel- che Ausgaben zum Beispiel in die sozialen Si- cherungssysteme hineingehen. Es ist aus mir kaum verständlichen Gründen über Jahre von den Gewerkschaften nicht gewollt worden, dass die Lohnnebenkosten, d.h. die sozialen Sicherungsbeiträge der Arbeitgeber, auf den Gehaltszetteln auftauchen.

Im Jahre 1997 hatten wir insgesamt 1.660 Milliarden Einnahmen. Davon wurden 690 Milliarden aus den sozialen Versicherungs- beiträgen eingenommen, dagegen aber zum Beispiel nur 324 Milliarden aus der Ein- kommensteuer. Dies zeigt, dass jede dritte Mark für die soziale Sicherung in unserem Lande ausgegeben wird. Dieser Anteil wird nicht zu steigern sein. Er müsste eigentlich reduziert werden, wenngleich dies ange- sichts der Herausforderungen im Gesund- heitssystem extrem schwer werden wird.

Aber genau aus diesem Grund war es für uns eine der Ausgangsbedingungen für die Ren- tengespräche mit der Bundesregierung, deutlich zu machen, dass Generationenge- rechtigkeit auch heißt, zukünftige Genera- tionen wenigstens im Umlagevcrfahren nicht stärker zu belasten als die heutige Ge- neration. Das heißt ja nicht, dass sie nicht ins- gesamt stärker belastet werden, denn wir er- warten von den Jüngeren ja zusätzlich noch eine private Vorsorge.

Dies war einer der Gründe, mit der Bun- desregierung Rentengespräche zu beginnen.

Wir haben dabei betont, dass wir parteiüber- greifende Gespräche wollen, weil nach der Regierungsübernahme von Rot-Grün deut- lich wurde, dass die Rentenpolitik in ein völ- liges Chaos hineinschlittert. Wir beteiligen uns an diesen Gesprächen aus Verantwor- tung für die heutigen und die zukünftigen Generationen. Wir haben verlangt und

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durchgesetzt, dass wir uns über einen Zeit- raum der nächsten 30 Jahre unterhalten, das heißt, Verantwortung für die nachfolgenden Generationen zu übernehmen. Dies ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Wir sind uns zwischen Regierung und Opposition mitt- lerweile einig, dass wir private Vorsorge brauchen, das ist ein riesiger Fortschritt. Wir sind uns einig über alle Zahlen, und wir sind uns einig, dass wir Faktoren brauchen, in de- nen sich die veränderte Bevölkerungsent- wicklung widerspiegelt. Erinnern Sie sich daran, wie wir für diesen Ansatz 1998 Schlä- ge von Rot-Grün bekommen haben. Die So- zialdemokraten mussten hier viel Einsicht zugewinnen. Aber dass wir jetzt, nur um den demographischen Faktor zu vermeiden, ei- ne unzulässige Kopplung zwischen privater und umlagefinanzierter Vorsorge im Rah- men eines Ausgleichsfaktors akzeptieren, und anschließend wird gesagt, um des Kon- senses willen müssten wir alles schlucken, das ist dann zuviel verlangt.

Deshalb werden wir weiter um einen ver- nünftigen Weg für die Alters Vorsorge der Zukunft ringen. Es ist dabei besonders wich- tig, auch die zu fördern, die mit Humankapi- tal, um es einmal etwas abstrakt zu sagen, zur Erhaltung der Generationenbilanz beitra- gen. Das sind nämlich die Familien mit Kin- dern. Wenn wir uns die Investitionen für die ältere, die Investitionen für die mittlere und die Investitionen für die junge Generation anschauen, dann ist im Rahmen der Genera- tionenbilanz nach wie vor ein schweres Un- gleichgewicht zu beobachten. Es ist unser al- ler Aufgabe, dieses Ungleichgewicht zu- gunsten der jungen Generation zu verän- dern. Und dazu muss die CDU einen besseren Beitrag leisten als in der Vergan- genheit. Die Sozialhilfe darf eben nicht der Ort sein, an dem Familienpolitik gemacht wird, sondern Familienförderung muss ein

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größerer Schwerpunkt in den Transfers un- serer Gesellschaft werden.

Nachhaltigkeit wird in allen Politikbereichen gebraucht Nachhaltigkeit muss für die sozialen Si- cherungssysteme angestrebt werden, und dies verlangt auch ein Denken in langen Fri- sten. Das gilt ebenso für Wissenschaft, Bil- dung und Forschung. Ich glaube, dass die wissenschaftlichen Entwicklungen die wirt- schaftlichen und die gesellschaftlichen Ent- wicklungen heutzutage in einem Maße be- stimmen, wie wires noch nie in der Mensch- heitsgeschichte gekannt haben. Wer die Ver- bindung zwischen Wissenschaft, Forschung

und Entwicklung nicht sieht und nicht dafür die notwendigen vernetzten Strukturen schafft, wird nicht damit rechnen können, dass Deutschland einen führenden Platz in der Wirtschaftsentvvicklung erreicht. Ich finde es hoch interessant, wie der BDI ge- meinsam mit den Wissenschaftsorganisatio- nen inzwischen dieses vernetzte Denken ausprobiert und programmatisch umsetzt.

Hierauf sollte die Politik Bezug nehmen.

Lassen Sie mich zum Schluss zwei Bei- spiele sagen, bei denen ich der festen Über-

zeugung bin, dass die Pol itik der jetzigen Re- gierung mit Nachhaltigkeit nichts zu tun hat.

Das eine ist die Ökosteuer. Sie ist eine Steu-

ei\ die die Verhältnisse im Rentensystem

verschleiert, das heißt, Generationenbilan-

zen erschwert, weil sie die steuerlichen Zu- schüsse in dieses System weit über die ver-

S|cherungsfremden Leistungen hinaus er- weitert. Und sie ist eine Steuer, die auch nach uen Einnahmeplanungcn des Bundesfinanz- ministers keinerlei ökologische Lenkungs- wirkung enthält, weil er mit konstanten Ein-

nahmen rechnet.

Diese Steuer führt außerdem zu abwegi- gen Verzerrungen in der Sozialpolitik, weil die Familien natürlicherweise geschwächt werden, im Verhältnis zu Kinderlosen, da ja nur die Erwerbstätigen entlastet werden. Sie führt zu abwegigen ökologischen Folgerun- gen, weil zum Beispiel das Bahnfahren im Verhältnis zum Fliegen teurer wird. Das heißt, die Wettbewerbssituation zwischen Bahn und Flugzeug entwickelt sich genau in die entgegengesetzte Richtung, von der Herr Trittin behaupten würde, dass er es wollte.

Bei dieser Art von Effekten, gekoppelt noch dazu mit befristeten Ausnahmerege- lungen für die energieintensiven Branchen der Wirtschaft in der EU, die natürlich eines Tages als unerwünschte Beihilfe angesehen werden, ist diese Steuer in ihrer Anlage zum Untergang verurteilt. Ich sage damit nicht, dass die Besteuerung von Ressourcen im eu- ropäischen Maßstab, sei es in der Mehrwert- steuer, sei es über andere Mechanismen, nicht ein denkenswertes und lobenswertes Ziel sei.

Abschließend ein zweites Beispiel, der Ausstieg aus der Kernenergie. Ich habe sehr wohl die gesellschaftlichen Auseinanderset- zungen um die Kernenergie im Blick. Ich kann sogar verstehen, dass sich die Energie- versorgungsunternehmen, die die Kernkraft- werke betreiben, unter den gegenwärtigen po- litischen Verhältnissen zu dieser Abmachung haben treiben lassen, weil die Drohung eines Ausstiegsgesetzes noch verheerender gewe- sen ist. Dass aber nachhaltiges politisches Handeln hinter dem Ausstieg aus der Kern- energie steckt, das kann man absolut nicht sa- gen. Dieser Ausstieg ist eine ideologische Vorgabe, die zu einer Abmachung zwischen zwei Beteiligten, nämlich einer politischen Koalition und den Betreibern von Kernkraft- werken führt, die eine Abmachung zu Lasten Dritter ist. Sie besteht in der Vernichtung von

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Volksvermögen und Wissen, sie denkt nicht an die Zukunft, was die Alternativen in der Energieversorgung anbelangt.

Der Bundeskanzler hat gesagt, wer aus- steigt, muss auch wissen, wo er einsteigt.

Ich habe über den Einstieg in eine neue En- ergieversorgung wenig gelesen, dafür viel vom Ausstieg. Wer um die 15 Reaktoren in Russland vom Typ Tschernobyl weiß und sich mutwillig abkoppelt von der Ausbil- dung des Nachwuchses bei Kernphysikern und Sicherheitstechnikern in Deutschland, wer unsere zentrale geographische Lage kennt, der handelt aus meiner Sicht verant- wortungslos und mit Sicherheit nicht nach- haltig»

Neue Anforderungen an die Politik Die Konsolidierung des Bundeshaushal- tes ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit, Haus- haltskonsolidierung alleinc reicht aber mit Sicherheit nicht aus, um Deutschland einen führenden Platz in der Wirtschaftsentwick- lung zu garantieren. Die Politik muss einen Ordnungsrahmen schaffen, und zwar im Geist der Sozialen Marktwirtschaft. Sie hat die Aufgabe, die Starken stark zu machen, damit den Schwächeren in der Gesellschaft auch weitergeholfen werden kann.

Im übrigen glaube ich, dass wir in Zukunft eine stärkere Vernetzung aller Lebens- und Arbeitsbereiche brauchen. Eines der großen Probleme der Politik besteht darin, dass sie sich an die Geschwindigkeiten der Verände- rung inder Weltanpassen muss. Dastehen wir mit unseren herkömmlichen Abläufen vorei- ner großen Aufgabe. Wenn Geschwindigkeit heute das bestimmende Ziel sein soll, dann müssen sich auch die politischen Abläufe der Zukunft an Schnelligkeit festmachen. Wenn ein Gerichtsverfahren fünf Jahre nach Been- digung der Existenz eines Betriebes zu Ende ist, nützt der Rechtsstaat denen, die betroffen sind, überhaupt nicht.

Und dabei ist und bleibt es wichtig, die Menschen mitzunehmen. Dies ist eine Auf- gabe für die Politik und dies heißt, dass wir komplizierte Sachverhalte in verständlicher Sprache ausdrücken müssen. Die CDU ist bis 2002 in der Opposition. Wir begreifen die Opposition als Aufforderung und Notwen- digkeit, im Interesse der Menschen kon- struktiv um Vorschläge zu ringen. Deshalb bedanke ich mich für die Möglichkeit, hier vor Ihnen zu sprechen. Behalten Sie im Kopf: Wir arbeiten hart, wir suchen das Ge- spräch mit Ihnen. Zögern Sie nicht mit Kri- tik, aber trauen Sie uns auch etwas zu. Denn wir werden auch als Opposition verantwor- tungsvoll für Deutschland handeln. UP

UNION IN DEUTSCHLAND - Informationsdienst der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Für den Inhalt verantwortlich: Axel König, Redaktion: Ernst-Jörg Nettper. Klingelhöferstrafie 8. /07<V.5 Berlin, Telefon 10JO) 22070-J70. e-mail: einsi.neiiper@cdit.de. Verlag: Union Betriebs GmbH. Egermannstraße 2. 5JJ59 Rheinbach. Tel. 102226) 802-0, Telefax 102226) 802-11IIJJJ. Vertrieb: Tel. (02226) 802-12J. Verlagsleitung: Hemd Profittlich. Bankverbindung: Sparkasse Bonn. Konto Nr. 75I0I8J (BLZ J80 500 00). Postbank Köln Nr. 1937 95-504IB12J70 100 50). Abonnements- preis jährlich 60.- DM. Einzelpreis 1.60 DM. Herstellung: Vereinigte Verlagsanstalten GmbH, Düsseldorf.

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