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Archiv "Wohin steuert die private Krankenversicherung?" (22.10.1993)

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LITIK LEITARTIKEL

Wohin steuert

die private Krankenversicherung?

In der Diskussion um die Amtli- che Gebührenordnung für Ärzte (GOA) wird vom Verband der priva- ten Krankenversicherung (PKV) eine Untersuchung des Instituts Basys (Beratungsgesellschaft für ange- wandte Systemforschung, Augsburg) ins Feld geführt, die die „Unterschie- de in der Bezahlung ärztlicher Lei- stungen zwischen der privaten und der gesetzlichen Krankenversiche- rung" feststellen sollte.

Kernaussage der Studie ist, daß das Preisniveau in der privaten Kran- kenversicherung um 125,3 Prozent höher liege als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Nach dieser Studie rechnet ein Arzt für je- de ambulante Leistung nach der GOÄ im Durchschnitt 27,55 DM ab, im Gegensatz dazu würde er mit dem EBM als Abrechnungsgrundlage le- diglich 12,23 DM erlösen. Ursache sei das „in der GOÄ deutlich höhere Preisniveau als im EBM". Dabei wur- den „Preisdifferenzen" zwischen et- wa 80 Prozent bei Grundleistungen und rund 400 Prozent bei urologi- schen Leistungen festgestellt. Bezo- gen auf Arztgruppen variierten die Vergütungsunterschiede zwischen 91 Prozent bei den Laborärzten und 154 Prozent bei den Urologen.

PKV-Werbung

Der PKV-Verband verbreitet das Ergebnis dieser Studie mit dem Ziel, das Vergütungsniveau im Be- reich der Privatliquidation in Frage zu stellen und nach unten zu drük- ken. Dies steht im krassen Gegensatz zur Werbung der PKV, mit der sie ih- ren Versicherten eine Luxusmedizin verspricht, die sich in Qualität und Qualifikation (Chefarzt) von den Leistungen der gesetzlichen Kran- kenversicherung abheben soll. Die PKV muß sich daher die Frage stel- len lassen, welche gesundheitspoliti- schen Ziele sie wirklich verfolgt. Will sie ihre Sonderstellung verteidigen,

sägt sie mit dieser Politik an dem Ast, auf dem sie sitzt. Konsequent müßte die PKV in Verfolgung dieser Politik im Zuge der nächsten Stufe der Ge- sundheitsstrukturreform (1995/96) bei einer Einführung von Regel- und Wahlleistungen die Gleichstellung mit den gesetzlichen Krankenkassen anstreben. Für die Ärzte wäre sie dann aber ein Versicherungsträger unter vielen.

Differenzen in der Höhe der Vergütung ärztlicher Leistungen zwi- schen gesetzlicher und privater Kran- kenversicherung bestehen zu Recht.

Sie sind nicht nur, wie in der Studie selbst ausgeführt ist, „durch den er- höhten Verwaltungsaufwand bei Rechnungsstellung und durch das unternehmerische Risiko, das der Arzt trägt" begründet, sondern beru- hen in den völlig unterschiedlichen und unvergleichbaren Rahmenbedin- gungen beider Gebührenordnungen.

Zwischen beiden Gebührenwerken besteht ein rechtssystematischer Un- terschied — in der GKV beinhalten die „Preise" eine Sozialkomponente;

sie bilden sich auf der Grundlage ei- ner Vertragsgebührenordnung unter Budgetbedingungen, die bei steigen- den Arztzahlen zu sinkenden Punkt- werten führen. Bei der GOÄ handelt es sich dagegen um eine staatlich ver- ordnete Gebührentaxe, die die einzel- ne ärztliche Leistung bewertet und vergütet. Hier steht ein System der Ko- stenerstattung dem Sachleistungssy- stem mit Naturalleistungsanspruch gegenüber. Der Patient ist im privat- ärztlichen Bereich Vertragspartner des Arztes und sichert sein Krank- heitsrisiko in einem Vertrag mit einem privaten Krankenversicherungsträger ab. Somit steht dem Solidarbeitrag der GKV ein am Krankheitsrisiko ausge- richteter individueller Versicherungs- beitrag gegenüber. Honorarvertei- lungspunktwert aus budgetierter kas- senärztlicher Gesamtvergütung und Gebührenwert einer Gebührentaxe lassen sich weder systematisch noch in ihrer Höhe vergleichen.

Vergütungsunterschiede müssen sich zwangsläufig aufgrund der un- terschiedlichen Rahmenbedingungen ergeben; sie sind auch darin begrün- det, daß die Privatpatienten auf- grund der Werbung und des Lei- stungsangebots ihrer Versicherung eine höhere Erwartungshaltung an die Leistungen des Arztes haben. In einer Studie der Central Krankenver- sicherung wird bestätigt, daß etwa zwei Drittel aller Ärzte bei Privatpa- tienten eine aufwendigere Behand- lung durchführen als bei Kassenpa- tienten. Dies ist begründet weniger in der Qualität der medizinischen Be- handlung als in der Therapiefreiheit, dem erhöhten Zeitaufwand für Pri- vatpatienten und speziellen Behand- lungsterminen. Als Gründe für den Abschluß einer privaten Krankenver- sicherung werden von den Versicher- ten neben finanziellen Vorteilen in hohem Maße Leistungsvorteile ge- nannt, dabei vor allem die freie Arzt- wahl und das umfangreichere Lei- stungsspektrum. Fast drei Viertel der Versicherten würden zur Aufrechter- haltung der Leistungen sogar Bei- tragserhöhungen in Kauf nehmen.

Bei einer Angleichung der ärztli- chen Honorare — und damit des Lei- stungsspektrums — an das Niveau der GKV würde sich die Besonderheit des Status Privatpatient nur noch auf die komfortablere Unterbringung im Krankenhaus reduzieren.

Eine Fülle von Fehlern Die PKV verfolgt mit der Basys- Studie nicht nur fragwürdige Ziele, sondern bedient sich dazu auch noch eines qualitativ schlechten Instru- mentariums Der alleinige Vergleich mit der Durchschnittshonorierung im GKV-Bereich ist fehlerhaft. So wird der Vergleich mit der E-GO unter- schlagen. Dort betrug der Punktwert 1992 mehr als 11 Pfennig. Außer acht gelassen wird außerdem, daß in der Privatabrechnung fast 10 Prozent der Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993 (17) A1-2745

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Liquidationssumme nicht beige- bracht werden kann.

In der Basys-Studie wird be- hauptet, daß nur ambulante Leistun- gen miteinander verglichen wurden.

Tatsächlich sind jedoch im Katalog der herangezogenen Leistungen bei- spielsweise auch die radikale Frostat- ektomie und die Alloarthroplastik des Hüftgelenkes enthalten. Man zei- ge uns, wo dies ambulant erbracht wird.

Zudem wurden bei der Gegen- überstellung von GOÄ- und EBM- Positionen erhebliche Fehler ge- macht:

~ Die "einfache Untersu-

chung" nach Nr. 1 GOÄ wurde nicht, wie es richtig wäre, der Nr. 4 des EBM gegenübergestellt. Statt einer

"Preisdifferenz" von 9,90 DM beträgt diese dann nur noch 6,82 DM.

~ Die im Vergleich zum EBM restriktiveren Ausschlußbestimmun- gen der GOÄ (zum Beispiel bei Nr.

1b) werden durch die direkte Gegen- überstellung einzelner Gebühren- ordnungspositionen nicht berück- sichtigt.

~ Bestimmte, gut bewertete Positionen des EBM tauchen in der Basys-Studie überhaupt nicht auf, zum Beispiel die Nrn. 11 bis 13 und 278/279. Hier wird unterschlagen, daß der EBM gerade bei für die am- bulante Versorgung wichtigen Lei- stungen im Vergütungsniveau höher liegt.

~ Nr. 400 GOÄ (Bestimmung der BSG, einschließlich Blutentnah- me) wurde der Nr. 3550 des EBM (Bestimmung der BSG) zugeordnet.

In der EBM-Nr. ist jedoch die Blut- entnahme nicht enthalten; rechnet man diese heraus, so ergibt sich statt der von "Basys" angeführten Relati- on 12,92 DM (GOÄ) zu 2,61 DM (EBM) das tatsächliche Verhältnis 4,95 DM zu 2,70 DM.

~ Der vollständige Blutstatus nach Nr. 4205 GOÄ wurde der Nr.

3843 des EBM gegenübergestellt.

Dabei ließ man außer acht, daß Nr.

4205 GOÄ stets minderungspflichtig ist, wodurch sich die "Preisdifferenz"

um etwa 100 Prozent ermäßigt. Diese Beispiele ließen sich beliebig fortset- zen.

~ Bei der Berechnung wurde außer acht gelassen, daß der Abrech-

•·•••••;

LEITARTIKEL I KOMMENTAR

nungszeitraum im privatärztlichen Bereich nicht dem Quartal des GKV- Bereiches entspricht.

~ Außerdem ist die Daten- grundlage von etwa 20 000 ambulan- ten Rechnungen gerade bei speziel- leren Leistungspositionen in ihrer Aussagefähigkeit zu bezweifeln; zum Beispiel wurden für die Urologie nur 490 Liquidationen herangezogen, die

"Preisdifferenz" wurde auf der Basis von nur 4 (!) Leistungspositionen be- rechnet (darunter radikale Frostat- ektomie und ESWL)!

Die Beispiele zeigen, daß - un- abhängig vom fragwürdigen Grund- ansatz eines solchen Vergleichs - auch die von der PKV gewählte Me- thode unzulänglich ist. Wenn über- haupt, hätte man für einen "Preisver- gleich" Fallkonstellationen gegen- überstellen müssen. Statt dessen wird

Zivilschutz

durch die gewählte Methode und die darin enthaltenen Fehler die "Preis- differenz" kräftig nach oben manipu- liert. Dadurch könnte sich der PKV- Verband dem Vorwurf aussetzen, für das gewünschte Ziel des Gutachtens diese Manipulation bewußt in Kauf genommen zu haben.

Der PKV-Verband sollte, an- statt in der Öffentlichkeit mit unsau- berem Material die Leistungsfähig- keit und Daseinsberechtigung der privaten Krankenversicherungsträger in Frage zu stellen, die Zusammenar- beit mit der Ärzteschaft suchen, um die ohne Zweifel auch im PKV-Be- reich bestehenden Finanzierungspro- bleme zu lösen.

Dr. med. Karsten Vilmar,

Präsident der Bundesärztekammer

11 Vertretbares Maß 11

Da hat man jahrzehntelang ge- stritten. Wir sind zu schlecht auf ei- nen Verteidigungsfall vorbereitet, sagten die einen. Zivilschutz ist Au- genwischerei, sagten die anderen, im Atomkrieg gibt es keinen Schutz mehr. Gegenfrage der ersteren: Wie viele Atomkriege gab es denn in der Welt seit 1945? Und dagegen: wie viele "konventionelle" Kriege? Und die dritten: Dient Zivilschutz nicht auch dem Katastrophenschutz? Wie sind wir denn gegen Chemie- oder Atomunfälle

a

la Tschernobyl gerü- stet? (Jeder weiß es, aber keiner ge- steht es: schlecht.)

Jetzt ist der "Kalte Krieg" zu En- de - er war eine merkwürdige Epo- che, nämlich vier Jahrzehnte gegen- seitiger Bedrohung mit Atomwaffen, und gleichzeitig vierJahrzehnteeines merkwürdigerweise haltbaren

"Gleichgewichts des Schreckens"; ei- ne Sicherheit, die wir jetzt nicht mehr haben -, und nun soll plötzlich alles Bisherige übertrieben gewesen sein.

Eine "grundlegende Neugestaltung"

des Zivil- und Katastrophenschutzes verlangt ein Landesstaatssekretär.

Der bisherige "perfektionistische Standard" müsse auf das " in ande- ren Industriestaaten übliche und heute ausreichende Maß" herunter- gefahren werden. Daß er damit Geld sparen will, kommt - .etwas ver- schämt - erst später.

So will er zum Beispiel auf die ständige Funktionsfähigkeit von Be- helfskrankenhäusern verzichten, die Bevorratung von Sanitätsmaterial re- duzieren, die Aufklärung der Bevöl- kerung abschaffen und den Bau pri- vater Hausschutzräume nicht mehr fördern.

Der Mann muß sich fragen las- sen: Wo in Deutschland war denn bisher ein "perfektionistischer Stan- dard" verwirklicht? Hat er eine Ah- nung von dem, was "andere Indu- striestaaten" tun (etwa die Schweiz, Großbritannien)? Für wie viele Pro- zent der Bevölkerung hat er denn Schutzräume für den Fall eines gro- ßen Unfalls in einem Kernkraftwerk?

Sieht er wirklich in der "geänderten sicherheitspolitischen Lage erhebli- che Einsparungsmöglichkeiten"? Ist er wirklich so naiv? Günter Burkart A1-2746 (18) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 42, 22. Oktober 1993

Referenzen

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