POLITIK
Hamburg warb dagegen für sein Konzept, die Menge von „acht Gele- genheiten", die in der Hansestadt seit November 1992 auch für harte Drogen gilt, als Grenze zu setzen.
Das habe die Justiz im Jahr 1993 um 2 000 bis 3 000 Fälle entlastet, sagte die frühere Hamburger und jetzige Berliner Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD).
Der nordrhein-westfälische Ju- stizminister Rolf Krumsiek (SPD) hatte eine Richtlinie vorgelegt, in der als Grenzmengen von Haschisch und Marihuana zehn Gramm, für Heroin, Kokain und Amphetamine 0,5 Gramm festgelegt sind. Für andere Rauschgifte wie LSD und Morphium sind drei Konsumeinheiten, die in et- wa einer Tagesdosis entsprechen, als Richtwert angegeben.
„Übermaßverbot"
Der mecklenburgische Justizmi- nister, Dr. Klaus Gollert, erklärte da- zu: „Die Linie, die jetzt in Nord- rhein-Westfalens Drogenpolitik maßgeblich zu sein scheint, kann für Mecklenburg-Vorpommern aus ver- schiedenen Gründen nicht in Be- tracht kommen. Der Konsum illega- ler Drogen war in der DDR praktisch kein Problem und ist auch heute noch in den neuen Ländern auf ei- nem viel geringeren Niveau als in den alten Ländern." Der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD) bezeichnete Krumsieks Vorschlag rundweg als falsch.
Der Düsseldorfer Vorstoß stieß auch bei zahlreichen Bundespoliti- kern auf Kritik. Wenn sich die „kata- strophale Drogenpolitik" der nord- rhein-westfälischen Regierung durchsetze, seien alle Dämme gebro- chen, sagte der Erste Parlamentari- sche Geschäftsführer der CDU/CSU- Bundestagsfraktion, Dr. Jürgen Rütt- gers. Der Vorsitzende des Bundes- tagsinnenausschusses, Hans Gott- fried Bernrath (SPD), betonte:
„Wenn man den Besitz harter Dro- gen zum Eigenverbrauch ausdrück- lich zuläßt, ist dies nur mit einer ver- stärkten Beratung in Schulen und Ju- gendzentren erreichbar."
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluß klargestellt,
AKTUELL
daß es kein „Recht auf Rausch" gibt.
In den Leitsätzen zum Beschluß heißt es: „Für den Umgang mit Dro- gen gelten die Schranken des Arti- kels 2 Abs.1 Grundgesetz. Ein ,Recht auf Rausch', das diesen Beschrän- kungen entzogen wäre, gibt es nicht."
Die Strafbarkeit des Verbrauchs von Cannabisprodukten wird bestätigt:
„Die zur verfassungsrechtlichen Prü- fung gestellten Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sind mit dem Grundgesetz vereinbar."
Wenn die Schuld als gering an- zusehen ist und kein öffentliches In- teresse besteht, kann jedoch von der Strafverfolgung abgesehen werden.
Das sei beim Umgang mit Cannabis- produkten in der Regel „bei dem ge- legentlichen Eigenverbrauch ohne Fremdgefährdung" der Fall.
„Die Verhängung von Kriminal- strafe gegen Probierer und Gelegen- heitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabisprodukten kann in ih- ren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu unangemessenen und spezi- alpräventiv eher nachteiligen Ergeb- nissen führen, wie etwa einer uner- wünschten Abdrängung in die Dro- genszene und einer Solidarisierung mit ihr", heißt es in den BVG-Leit- sätzen. In diesen Fällen müsse das
„Übermaßverbot" beachtet werden, nach dem Tat und Strafe nicht außer Verhältnis stehen dürfen. Bei einer Fremdgefährdung könnten dagegen eine größere Schuld und ein öffentli- ches Interesse an der Strafverfolgung vorliegen. Die Länder treffe die Pflicht, für eine im wesentlichen ein- heitliche Einstellungspraxis der Staatsanwaltschaften zu sorgen.
Immissionskarte (16)
Die vorliegende Karte bezieht sich auf den Zeitraum vom 30. Mai bis 3. Juli 1994. Vom 25. Juni bis zum 3. Juli lag Deutschland im Einflußbe- reich von schwül-warmer Mittel- meerluft, die zu Temperaturen von 30 Grad Celsius und mehr führte.
Wegen der geringen Windgeschwin- digkeit waren dadurch die meteoro-
Der Gleichheitsgrundsatz gebie- te es nicht, Alkohol und Nikotin wie Cannabis-Produkte zu behandeln.
Zwar seien die Gefahren durch Alko- holmißbrauch mindestens so groß wie durch Cannabis-Konsum. Der Alkohol habe jedoch eine Vielzahl von Verwendungsmöglichkeiten. Au- ßerdem könne der Gesetzgeber den Genuß von Alkohol nicht effektiv un- terbinden (zum BVG-Beschluß siehe auch Deutsches Ärzteblatt, Heft 19/1994, „Seite eins").
„Diskussion beendet?"
In einer Stellungnahme zu der Entscheidung stellte Bundesgesund- heitsminister Horst Seehofer (CSU) fest, daß vom Gericht die Drogenpo- litik der Bundesregierung voll bestä- tigt worden sei. Schon bisher gebe es 16 verschiedene rechtliche Möglich- keiten für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte, bei geringen Mengen Haschisch-Besitz von Strafe abzuse- hen. Die Drogenpolitik der Bundes- regierung beruhe nicht allein auf dem Strafrecht, sondern „auf den drei gleichgewichtigen Säulen" Prä- vention und Hilfe für Betroffene, Be- kämpfung des Drogenangebots und internationale Zusammenarbeit.
Seehofer ist der Ansicht, mit dem Urteil des Bundesverfassungsge- richts sei die Diskussion um die Frei- gabe von Cannabisprodukten been- det. Auch eine sogenannte liberalere Drogenpolitik wie in den Niederlan- den und der Schweiz verringere das Problem nicht, sondern bewirke eher das Gegenteil. afp/Kli
logischen Voraussetzungen für die Bildung von Ozon gegeben. So konn- ten an verschiedenen Meßstellen entsprechend hohe Spitzenwerte ge- messen werden.
Die höchsten Kurzzeitbelastun- gen wurden in Wörth (379 Mikro- gramm/m3) und Hürth bei Köln (315 Mikrogramm/m3) gemessen. Der
Ozonbelastung im Juni
A-1932 (20) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994
Ozonbelastung in Deutschland im Juni 1994 (Monatsmaximalwerte)
1-120 121-180
■
181-360■
>360Angaben in Mikrogramm/m 3
IllMkeeiße werte
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Grenzwert von 180 Mikrogramm/m 3 wurde an fast allen Stationen über- schritten, der MIK-Richtwert des VDI von 120 Mirkogramm/m3 eben- falls. Die höchsten Monatsmittelwer- te wurden dabei in den Reinluftge- bieten gemessen. Bei der Betrach- tung der Ozonbelastungen dieses Monats macht die Analyse der Mo- natsmittelwerte kaum Sinn, da sich nur in der letzten Woche ausgeprägt Ozon bildete.
Die Immissionskarte bildet des- halb die Monatsmaximal-
werte (1-h-Mittelwerte) für Ozon ab. Diese Werte werden in Deutschland einheitlich in 3,50 Meter Höhe gemessen. Bei der Messung von Ozonwerten ist dies ein relativ prakti- kabler Wert, da die Ozon- belastung mit der Höhe zunimmt Im Umkehr- schluß kann man sagen, daß die Ozonbelastung am Boden am geringsten ist.
Dies läßt sich relativ ein- fach durch die Entstehung erklären: Ozon ist ein Se- kundärschadstoff und ent- steht aus Stickoxiden oder Kohlenwasserstoffen bei Einwirkung von intensiver Sonneneinstrahlung.
Stickstoffmonoxid, das aus dem Auspuff an Fahrzeu- gen emittiert, wird erst auf dem „Weg nach oben" zu Stickstoffdioxid umgewan- delt, einem der erwähnten Vorläuferstoffe von Ozon.
Bei anderen Luftschad- stoffen besteht eine leicht veränderte Abhängigkeit der Schadstoffmenge von der Meßhöhe. So hat Bernd Heits vom nieder- sächsischen Landesamt für Ökologie in einer Meß-
reihe an Verkehrsstationen festge- stellt, daß die Immissionen bei Stick- oxiden in 1,50 Meter Höhe etwa 15 Prozent höher sind als in 3,50 Meter Höhe.
Zurück zur Karte: Die Ozonspit- zenwerte sind für die Betrachtung der gesundheitsschädlichen Bewer- tung wichtig. Die höchsten Ozonkon- zentrationen werden im allgemeinen
AKTUELL
während sommerlicher Schönwetter- perioden gemessen. Dabei treten die Maximalwerte (1-h-Mittelwert) vor- wiegend gegen Mittag, am frühen Nachmittag (städtischer Bereich) oder am Nachmittag beziehungswei- se frühen Abend (ländlicher Be- reich) auf. Nach Erreichen des Spit- zenwertes bleibt die Belastung durch Ozon noch für etwa 6 bis 8 Stunden auf einem Niveau, das etwa 80 Pro- zent des Maximalwertes entspricht.
Dieses ausgeprägte „Plateauverhal-
ten" ist allerdings eher typisch für ländliche Stationen, da in der Stadt ein steilerer Anstieg und ein steilerer Abfall zu bemerken ist (vgl. hierzu auch die Erläuterungen in den Hef- ten 19 und 28-29/1993).
Die gesundheitsschädigende Ozonwirkung ergibt sich aus der ge- ringen Wasserlöslichkeit des Reizga- ses, das „lungengängig" ist, bis in den
terminalen Respirationstrakt (Alveo- larbereich) vordringt und dort zu 90 Prozent reosorbiert wird. Die Ver- stärkung entzündlicher und allergi- scher Gewebsreaktionen begründet sich im wesentlichen durch den Oxi- dantienüberschuß durch von außen zugeführte Sauerstoffradikale. Es liegt auf der Hand, daß vorgeschädig- te Personen nicht nur mit einer (vor- übergehenden) überschießenden, entzündlichen Abwehrreaktion rea- gieren können, sondern darüber hin- aus auch eine Verstärkung der in diesem Zusammen- hang typischen bronchia- len Hyperaktivität aufwei- sen. Dieser Akutmecha- nismus, der unter den Be- dingungen von Hyperven- tilation und Anstrengung schon bei Maximalwerten zwischen 120 und 180 Mi- krogramm/m3 auftreten kann, ist durch zahlreiche Studien hinreichend be- legt. Andererseits reagie- ren Normalpersonen bei kurzfristigen Maximalbe- lastungen selbst bis zu 300 Mikrogramm/m3 nicht re- gelhaft mit bronchopulmo- nalen Symptomen. Wegen der großen individuellen Unterschiede im Reakti- onsverhalten gibt es hier- für freilich keine „Sicher- heitsgarantie".
In bezug auf die Lang- zeitwirkung gibt es bis jetzt überhaupt keinen Hinweis dafür, daß Ozon eine kar- zinogene Wirkung zu- kommt Die Senatskom- mission der Deutschen Forschungsgesellschaft zur Prüfung gesundheits- schädlicher Arbeitsstoffe hat deshalb das Ozon zwar als gesundheitsschädlich eingestuft, aber nicht in die Liste der karzinogenverdächtigen Substanzen aufgenommen.
Prof. Dr. med. Heyo Eckel Prof. Dr. med. Ulrich Hüttemann Dr. rer. nat. Claus Rink
Rückfragen an: Dr. Claus Rink, c/o Georisk GmbH, Schloß Tümich, 50169 Kerpen, Tel 0 22 37/6 12 22.
Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 28/29, 18. Juli 1994 (21) A-1933