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DAS PROBLEM BUDDHISTISCHER LEHRVARIANTEN
m SOGDISCHEN, SAKISCHEN UND UIGURISCHEN
DOKUMENTEN (Resümee)
Von Carsten Colpe, Berlin
Das Referat geht von der Frage aus, ob und inwieweit man beim unterge¬
gangenen Buddhismus Zentralasiens in konfessionskundlicher wie in reli¬
gionsgeographischer Hinsicht von einer eigenen Gestalt sprechen darf.
Bei den sogdischen Texten kann man offenbar von zwei Perioden aus¬
gehen. In der ersten, bis etwa 400 n. Chr., sind sogdisch schreibende bzw.
sprechende Buddhisten direkt von indischer Uberlieferung abhängig.
Diese Periode ist durch Anstöße bestimmt, welche auf die Sogdiane von
Süden her ausgingen und als die letzten Ausläufer der Bewegungen gelten
dürfen, in welche der ostiranische Raum durch den Sakensturm geraten
war. In der zweiten Periode, nach 400 n.Chr., besteht Abhängigkeit von
chinesischer Tradition, die freüich erst um die Wende 7./8. Jahrh. richtig
greifbar wird. Diese Periode ist von der Eroberung Mittelasiens durch die
Chinesen bestimmt. Handelsmöglichkeiten, die sich dadurch ergaben,
brachten Sogdier mit dem chinesich veränderten Buddhismus in Berüh¬
rung. Inhaltliche Aussagen lassen sich nur aus der zweiten Periode
machen. Es sind jedoch Rückschlüsse auf die erste Periode möglich, und
zwar einmal von Namen von Verfassern aus, die früher aus einer zentrala¬
siatischen Sprache ins Chinesische übersetzt haben müssen; zum zweiten
von Fachausdrücken aus, die am ehesten aus dem Sogdischen ins Uigu¬
rische entlehnt worden sind, und bei welchen die den gleichen Weg neh¬
menden manichäischen Ubersetzungen Pate gestanden haben; drittens aus
der Schriftgeschichte. Eigene sogdische Lehrvarianten werden bisher,
anders als in der manichäischen, ähnlich wie in der nestorianischen Über¬
lieferung, in keiner der beiden Perioden erkennbar.
In der sakischen Literatur liegen die Dinge nur streckenweise ähnlich,
z.B; in der Abhängigkeit des altkhotanesischen Materials von der indi¬
schen, des spätkhotanesischen von der chinesischen Überlieferung des
Goldglanz-Sutras. Daneben sind eigenständige Entwicklungen des saki¬
schen Buddhismus nachgewiesen worden (Entstehung und Personifikation
der Leidenschaften, legendäre Stoffe, Naturschilderungen, Erläuterung
von Grundbegriffen). Erweiterung dieses Befundes durch Rückschlüsse
aus uigurischen Übersetzungen aus dem Sakischen, deren Existenz man
auf Grund von Zambasta-Buch Kap. 22 annehmen muß, erscheint auch hier
möglich.
Im alt-westtürkischen und uigurischen Textbestand erscheint das Pro¬
blem komplexer, weil hier aus sechs Sprachen übersetzt worden ist. Die
sanskrit-alttürkischen Glossen- oder Merkwortsammlungen, die sogdisch-
uigurischen Entlehnungen und die sakisch-uigurischen Parallelen bezeu¬
gen keine Selbständigkeit der jeweiligen türkischen Fassung. Hingegen
weist z.B. die uigurische Version der Maitrisimit gegenüber der tochari¬
schen, ihrerseits ohne ältere Grundlage dastehenden Urfassung eine ganze
332 C. Colpe, Das Problem buddhistischer Lehrvarianten
Reihe von Eigenständigkeiten auf. Dasselbe gilt für Übersetzungen aus
dem Chinesischen, in welchem ebenfalls bereits teilweise oder völlige Selb¬
ständigkeit vorgegeben sein kann (Sutra „Achtfacher Anhäufungsglanz").
Hier stellt sich die unendlich schvrierige Aufgabe, die uigurischen an Hand
der meist genaueren tibetischen Parallelübersetzungen zu kontrollieren
bzw. in ihrer Eigenart zu bewerten. Tibetisch-türkische Beziehungen mit
XJbersetzertätigkeit bestehen erst seit dem 8. Jahrh. Die tibetischen Bud¬
dhica aus Turfan, wohl 9. Jahrh., haben mit diesen Beziehungen nichts zu
tun. Hingegen setzt das uigurische Schrifttum aus Dunhuang (seit dem
11. Jahrh.) Texte des ausgebildeten Lamaismus voraus, und auch diesem
gegenüber sind die uigurischen Veränderungen besonders aufschlußreich
(z.B. in Ordnung und Bedeutung der Bardos in der Totenliteratur). Da es
außerdem türkische Turfantexte gibt, die ganz originär verfaßt worden zu
sein scheinen oder bis zu selbständiger Kommentierung gehende Para¬
phrasen enthalten (Wahrnehmungslehre), darf man im türkischen Bud¬
dhismus von mehr als einer Renaissance des (indischen) Buddhismus,
nämlich von einer (oder vielleicht sogar von zwei) bodenständigen Weiter¬
entwicklungen sprechen.
Die sogdische Überlieferung beschränkt sich also auf Weitertradierung
und Vermittlung zwischen West und Ost in beiden Richtungen. Die
sakische hat an der letzteren teil und bildet daneben Eigenständiges aus.
Die alttürkische Überlieferung stellt eine komplexe Variante dar, welche
aus Sunune des Voraufgehenden und Weiterentwicklungen besteht. Es
stellt sich die Aufgabe, für diese beiden Endgestalten buddhologisch-kon-
fessionskundliche Namen zu fmden, welche über die Bezeichnungen nach
Regionen und Sprachen hinausgehen und trotz der Ungleichzeitigkeit den
Namen von Schulen analog sind, die bis heute bestehen blieben oder erst in
der Neuzeit entstanden.
FACHGRUPPE 10:
TURKOLOGIE UND ZENTRALASIEN
Leitung: Heinz Halm, Tübingen
DERWISCHSCHEICHE ALS PUBLIZISTEN:
EIN BLICK IN DIE TÜRKISCHE RELIGIÖSE PRESSE
ZWISCHEN 1908 UND 1925*)
Von Klaus Kreiser, München
Natürlich läßt sich ohne Kenntnis der zeitgenössischen Publizistik kein
einziger Gesichtspunkt der jüngeren türkischen Geschichte angemessen
behandeln. Sinnfälligerweise ist das Titelblatt von Hilmi Ziya Ülke ns
Türkiye'de ^agdas dü^ünce tarihi (2. Aufl. 1979) mit den Abbildungen wich¬
tiger Periodika aus der osmanischen und frührepublikaiüschen Epoche
(wie Hürriyet, Ictihad und Insan, aber auch von dem hier zu behandelnden
Mihräb) geschmückt. Ülken hat in seinem Werk nachdrücklich auf die
Bedeutung der Zeitschriftenliteratur hingewiesen und, in manchen Kapi¬
teln fast ausschließlich, aus ihr geschöpft. Trotz ungünstiger Arbeitsbedin¬
gungen sind in jüngster Zeit einige weitere große Monographien entstan¬
den, die ohne diese Quellengruppe nicht vorstellbar wären. Ich hebe die
* Folgende Abkürzungen werden verwendet:
Albayrak, SDOU: Sadik Albayeak: Son devir Osmardi Ulemasi. C. 1-5. Istanbul 1980-1981.
AMK: Ankara, Milli Kütüphane.
EAÜ: Erzurum, Atatürk Üniversitesi.
EHTSY: Eski Harfli Türkge Süreli Yayinlar Toplu Katalogu (Müli Kütüphane
yayinlan).
iAK: Istanbul, Atatürk Kitapligi.
IstAns: Re^at Ekrem Kogu: Istanbul Ansiklopedisi.
Kara : Mustafa Kara : Din, hayat, sanat agisindan tekkeler ve zaviyeler. Erw. 2. Aufl.
Istanbul 1980.
Özege: M. Seyfettin Özege: Eski harflerle basilmi§ Türk<;e Eserler Katalogu.
C. 1-5. Istanbul 1971-1982.
TA: Türk Ansiklopedisi.
TDEA: Türk Düi ve Edebiyati Ansiklopedisi.
TÜB: Tübingen, Universitätsbibliothek.
ÜLKEN, TQDT: HiLMi Ziya Ülken: Türkiye'de gagda^ düfünce tarihi. 2. Aufl.
Istanbul 1979.