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P H Y S I K I M A L LTA G

54 Physik Journal 12 (2013) Nr. 10 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Eltern kennen das Problem: Steigt der Nachwuchs auf Brei um, be- steht die Gefahr, dass er sich am heißen Essen den Mund verbrennt.

Findige Hersteller haben da längst Abhilfe geschaffen. Sie bieten Löf- fel an, die sich verfärben, wenn der Brei zu heiß ist. So sehen die Eltern auf einen Blick, ob das Es- sen tatsächlich mundgerecht ist.

Auch Merchandising-Artikel wie Badeenten oder Tassen zeigen sol- che Temperaturabhängigkeiten:

Kommen sie mit heißem Wasser beziehungsweise einem heißen Ge- tränk in Berührung, verändert sich ihre Farbe oder ein Bildmotiv wird sichtbar. Kühlen sie ab, nehmen sie wieder ihr ursprüngliches Aussehen an. Inzwischen gibt es sogar Klei- dung und Möbel, die solche Effekte zeigen.

Hinter dem Phänomen steckt die Thermochromie: Bestimmte Ma- terialien wechseln in Abhängigkeit von der Temperatur ihre Farbe. Bei- spiele für solche Substanzen sind der rote Rubin, der sich beim Erhit- zen grün färbt und beim Abkühlen wieder rot wird, oder Zinkoxid, das bei Raumtemperatur weiß ist und erhitzt gelb wird. Für die industriel- le Anwendung der Thermochromie spielen Rubin und Zinkoxid jedoch keine Rolle, hier setzen die Her- steller entweder auf Flüssigkristalle oder auf Leukofarbstoffe.

Ursachen für das thermochrome Verhalten sind temperaturabhän- gige Veränderungen der Kristall- oder Molekülstruktur geeigneter Substanzen. Im ersten Fall ändert sich die Gitterkonstante und damit

auch das Reflexions- und Beugungsvermögen des Materials. Im zweiten Fall ändert sich das Absorpti-

onsverhalten eines großen Mole- küls, weil einige seiner intramole- kularen Bindungen sich tempera- turabhängig öffnen bzw. schließen.

Bei vielen Substanzen gehen die thermochromen Eigenschaften so- wohl auf die kristalline Struktur als auch auf intramolekulare Vorgänge zurück, etwa bei kristallinen Struk- turen organischer Verbindungen.

Änderungen mit Flüssigkristallen oder Leukofarbstoffen erfassen Flüssigkristalle mit thermochro- men Eigenschaften sind im Prinzip mit Flüssigkristallen in Flachbild- schirmen vergleichbar, sprechen allerdings nicht auf Spannungs- änderungen, sondern auf Tem- peraturänderungen an. Sie lassen sich so fertigen, dass sie als dünne Schichten mit steigender Tempe- ratur jeweils andere Wellenlängen selektiv reflektieren. Über einen ge- wissen Temperaturbereich hinweg durchlaufen solche Materialien also das ganze Spektrum von farblos über rot, gelb, grün und blau – bis sie wiederum farblos werden. Errei- chen lässt sich das zum Beispiel – in Analogie zu spannungsgesteuerten Flüssigkristallen – durch eine ge- ordnete Drehung. Dieser Vorgang ist – wie bei einem Flachbildschirm – reversibel.

Formulierungen geeigneter Flüs- sigkristalle gibt es inzwischen für einen weiten Temperaturbereich von tiefen Minusgraden bis weit über 100 °C. Mit ihnen lassen sich noch Temperaturänderungen von einigen Zehnteln Grad Celsius er- fassen. Diese extreme Empfindlich- keit hat ihren Preis: Die industrielle Herstellung thermochromer Flüs- sigkristalle ist aufwändig und damit teuer. Sehr viel billiger geht es mit Leukofarbstoffen, allerdings sind diese nicht so temperaturempfind- lich, weil ihr Farbumschlag auf ei- ner chemischen Reaktion und einer damit einhergehenden Umbildung der Molekülstruktur beruht. Mit Leukofarbstoffen lassen sich aber immerhin noch Temperaturände- rungen von einigen Grad Celsius nachweisen. Sie sind zudem wider- standsfähiger als Flüssigkristalle.

Bei Leukofarbstoffen handelt es sich um Systeme, deren Moleküle zwei unterschiedliche Formen annehmen können, von denen die eine farblos ist. Hierfür eignen sich prinzipiell viele organische Verbindungen, welche letztlich die richtige ist, hängt von der kon- kreten Anwendung ab. Ein solches thermochromes System besteht aus einem Farbstoff in einem ge- eigneten Lösungsmittel, der mit

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Bestimmte Materialien zeigen einen temperaturabhängigen Farbwechsel. Die Eigenschaften dieser thermo- chromen Systeme macht man sich in ganz verschiedenen Anwendungen zunutze.

Mit einem Badethermometer erkennen Eltern sofort, ob die Wassertemperatur für ihren Schützling kindgerecht ist. Je nach Temperatur werden unterschied-

liche Symbole auf dem Streifen sichtbar.

Hinter dem Phänomen steckt die Ther- mochromie.

Abb. 1 Bei diesem Batterietes- ter spricht eine dünne Schicht thermochromer Tinte, die auf einem Leukofarbstoff beruht, auf Wärme durch Fingerkontakt an. Je wärmer die Schicht wird, desto transparenter ist sie.

Duracell O. Dreissigacker

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© 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 12 (2013) Nr. 10 55 einer schwachen Base oder Säure in

Wechselwirkung tritt. Die Tempera- tur bestimmt dann, auf welcher Sei- te des Säure-Base-Gleichgewichts das System sich gerade befindet.

Da es dabei zu einer Umbildung des beteiligten Farbstoffmoleküls kommt, ändert sich das Absorp- tionsverhalten des Systems und damit seine Farbe. Die Reaktion ist reversibel. Mit starken Säuren oder Basen lassen sich aber auch irrever- sible Farbveränderungen erzielen, was ebenfalls für einen Sensor interessant sein kann: zum Beispiel um nachzuweisen, dass ein zu küh- lendes Produkt einer unerwünscht hohen Temperatur ausgesetzt war.

Batterien testen

Eine klassische Anwendung der Thermochromie sind Teststreifen von Primärzellen. Mit ihnen kann der Besitzer einer Batterie schnell feststellen, ob sie noch genügend Energie liefern kann. Dazu legt er jeweils einen Finger auf einen Kon- taktpunkt und beobachtet, ob eine Farbsäule noch ausreichend lang ist (Abb. 1). Ein solcher Batterietester besteht aus einer dünnen Lage elek- trisch leitfähiger Tinte, die entlang eines schmäler werden Streifens aufgebracht ist: Das breite Ende des Streifens markiert den Ladezustand

„gut“, das schmale Ende den Zu- stand „schwach“. Fließt nun durch den Fingerkontakt ein elektrischer Strom durch die leitfähige Tinten- säule, entsteht aufgrund ihres elekt- rischen Widerstands Wärme. Über der elektrisch leitfähigen Schicht ist eine Lage aus gewöhnlicher Tinte aufgedruckt – sie sorgt sozusagen

für das Design. Darüber befindet sich dann als dritte Lage eine dünne Schicht thermochromer Tinte, die auf einem Leukofarbstoff beruht.

Sie spricht auf die Wärme an: Je wärmer diese thermochrome Tin- tenschicht wird, desto höher fällt ihre Transparenz aus. Da der Test- streifen sich zum „schwachen“ En- de hin verjüngt, genügt dort schon ein kleiner elektrischer Strom, um die thermochrome Tinte durchsich- tig werden zu lassen, dagegen ist am „guten“ Ende ein höherer Strom erforderlich.

Eine weitere klassische Anwen- dung der Thermochromie sind Streifenthermometer (Abb. 2). In der Medizin dienen sie als einfache Stirnthermometer, an Aquarien überwachen sie die Wassertempe- ratur, und bei manchen Bierfäs- sern signalisieren sie die richtige Trinktemperatur. Thermolacke wiederum sorgen dafür, dass sich die Oberflächentemperatur von Ge- genständen visualisieren lässt, was zum Beispiel für die Sicherheits- überwachung in der Prozessin- dustrie von Interesse ist. Um die schnelle Kontrolle von Bauteiltem- peraturen geht es auch bei Anwen- dungen der Thermochromie in der Folien- und Papierherstellung:

Wenn tonnenschwere Walzen sich gegeneinander drehen, genügen schon winzige Ungenauigkeiten, dass sich diese unkontrolliert aufheizen. Ein thermochromer Anstrich auf der Walze macht diese gefährliche Erwärmung sichtbar, sodass der Maschinenführer recht- zeitig eingreifen und Schäden an den teuren Bauteilen verhindern

kann. Ähnliche Signalwirkung haben Schrauben, deren Köpfe mit einem thermochromen Anstrich versehen sind: Lockern sich die Schrauben von Stromschienen, steigt der elektrische Widerstand und damit die Temperatur – was dank der lackierten Schrauben- köpfe ohne langes Messen sofort erkennbar ist. Selbst bei Kosmetika finden thermochrome Systeme Verwendung, unter anderem in Skin-Repair-Produkten. Babylöffel und Zaubertasse sind für die Ther- mochromie also nur die Spitze des Eisbergs.

Michael Vogel Abb. 2 Streifenthermometer sind mehr- lagig aufgebaut. Thermochrome Flüssig- kristalle bilden eine der Schichten, um die Temperaturveränderung farblich an- zuzeigen. Für die jeweiligen Temperatur- intervalle werden dabei unterschiedliche Tinten verwendet. Das komplette System ist nur einige hundert Mikrometer dick.

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