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Archiv "Antiarrhythmika: Neue Substanzen erweitern das Therapiespektrum" (14.11.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Antiarrhythmika:

Neue Substanzen erweitern das Therapiespektrum

Berndt Lüderitz

Aus der Medizinischen Klinik, Innere Medizin — Kardiologie (Direktor: Professor Dr. med. Berndt Lüderitz) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die Möglichkeiten der antiarrhyth- mischen Therapie bei tachykar- den Rhythmusstörungen sind heute vielfältiger und effektiver, aber auch komplizierter, als noch vor wenigen Jahren. Dies gilt für die Indikation zur Therapie allge- mein, wie für den Entschluß zu ei- nem bestimmten Antiarrhythmi- kum und die Kontrolle der antiar- rhythmischen Behandlung selbst.

Die Arrhythmiebehandlung — in der Klinik ebenso wie in der Pra- xis — gliedert sich in Kausalthera- pie, allgemeine Maßnahmen wie Bettruhe, Sedierung, gegebenen- falls Vagusreiz usw., in medika- mentöse Therapie, elektrische Maßnahmen und gegebenenfalls kardiochirurgische Interventio- nen. Die kausale Behandlung muß dabei naturgemäß auf die Krank- heitsursache ausgerichtet sein, das heißt zum Beispiel Therapie einer koronaren Herzkrankheit, Behandlung einer Myokarditis, Beseitigung einer Glykosidintoxi- kation oder Elektrolytstörung, Normalisierung einer Hyperthy- reose oder Revision eines defek- ten Schrittmachers. Gerade bei

Die antiarrhythmische The- rapie ist heute vielfältiger und wirksamer, aber auch komplizierter als noch vor wenigen Jahren. Dies gilt für die Pharmakotherapie glei- chermaßen wie für elek- trotherapeutische und kar- diochirurgische antiarrhyth- mische Maßnahmen. Auf dem pharmakologischen Sektor ergeben sich Fort- schritte durch neue antiar- rhythmische Wirkstoffe. An- gesichts der erheblichen kardialen und extrakardia- len Nebenwirkungsrate bei der medikamentösen Ar- rhythmiebehandlung ist je- doch eine kritische Abwä- gung vor der Einleitung einer Therapie dringend geboten.

bedrohlichen Arrhythmien kommt es jedoch häufig darauf an, akut, das heißt symptomatisch die Rhythmusstörung zu beseitigen, wozu in erster Linie medikamen- töse und eventuell elektrische Maßnahmen in Frage kommen.

Obwohl die medikamentöse The- rapie von Herzrhythmusstörungen grundsätzlich auch ohne genaue Kenntnis des Wirkungsmechanis- mus der applizierten Antiarrhyth- mika möglich ist, sind doch für die Differentialindikation wie für die Abschätzung von Therapieerfolg und Nebenwirkung zumindest Grundkenntnisse über die zur Verfügung stehenden Substanzen notwendig.

1. Einteilung

der Antiarrhythmika in vier Gruppen

Nach experimentellen Gesichts- punkten lassen sich antiarrhyth- mische Substanzen in vier Grup- pen einteilen (vgl. 9):

Klasse I umfaßt die Wirkstoffe, die eine spezifische Hemmwirkung auf den raschen Natriumeinström besitzen (Tabelle 1). Durch diese Substanzen wird eine Verminde- rung der maximalen Anstiegs- geschwindigkeit des Aktionspo- tentials als Parameter der Erre-

gungsleitungsgeschwindigkeit, Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (35) 3409

(2)

Klassifizierung der Antiarrhythmika

I Direkter Membraneffekt: Abnahme der maximalen Anstiegsgeschwindigkeit (Phase 0)

Depression der diastol. Depolarisation (Phase 4) A Verlängerung des Aktionspotentials:

Chinidin, Procainamid, Disopyramid, Ajmalin, Propafenon B Verkürzung des Aktionspotentials:

Lidocain, Mexiletin, Diphenylhydantoin, Tocainid

C Keine signifikante Wirkung auf die Aktionspotentialdauer:

Lorcainid, Flecainid, Encainid II Sympathikolyse

Betarezeptorenblocker

III Zunahme der Repolarisationsphase Amiodaron

Sotalol

IV Ca-Antagonismus

Verapamil, Gallopamil, Diltiazem Tabelle 1

der diastolischen Depolarisation und der Verlängerung der Refrak- tärzeit (Klasse I A) bewirkt. Das

läßt eine Frequenzabnahme und eine Suppression ektopischer Fo- ci erwarten, da die heterotopen Erregungen vermehrt auf refraktä- res Gewebe treffen. Auch die Be- einflussung von reentry-beding- ten Tachykardien ist möglich, wenn man davon ausgeht, daß diese Antiarrhythmika die Refrak- tärperiode in größerem Ausmaß beeinflussen als die Erregungslei- tungsgeschwindigkeit. Umge- kehrt können insbesondere in hö-

herer Dosierung durch überwie- gende Herabsetzung der Erre- gungsleitung auch Reentry-Phä- nomene begünstigt werden. Ein Charakteristikum der Klasse I B ist die Verstärkung des Kaliumaus- wärtsstroms mit konsekutiver Ver- kürzung der Repolarisation und damit der Aktionspotentialdauer, wobei der letztgenannte Parame- ter stärker beeinflußt wird als die effektive Refraktärperiode.

Aus dieser Wirkung ist die Unter- drückung gekoppelter Extrasysto- len und heterotoper Reizbildun-

gen während der gesamten Po- tentialdauer abzuleiten. Für Di- phenylhydantoin wird darüber hinaus eine zentralnervöse Wir- kung diskutiert. — Substanzen der Klasse I C (Tabelle 1) zeigen keine signifikanten Effekte auf die Ak- tionspotentialdauer.

Klasse II bezieht sich auf Antiar- rhythmika mit Blockierung der Ka- techolaminwirkung auf die Reiz- bildung und Erregungsleitung und umfaßt die Betarezeptoren- blocker. Diese Substanzgruppe ist gekennzeichnet durch eine

spezifische antiadrenerge Wir- kung am Myokardzellverband und zum Teil durch eine (unspezifi- sche) direkte Membranwirkung am Arbeitsmyokard und am spezi- fischen Reizbildungs- bzw. Erre- gungsleitungssystem, die qualita- tiv der Chinidinwirkung vergleich- bar ist.

Klasse III werden Substanzen zu- gerechnet, die zu einer Zunahme der Repolarisationsphase führen, wie das in der Bundesrepublik Deutschland 1982 eingeführte Amiodaron (Cordarex®) sowie der

Betablocker Sotalol (Sotalex®) und das hierzulande nicht han- delsübliche Bretylium.

Klasse IV umfaßt die kardiode- pressiv wirkenden Antiarrhythmi- ka mit spezifischen Hemmwirkun- gen auf den langsamen Natrium- Kalzium-Einstrom. Hierher gehö- ren die sogenannten Kalziumant- agonisten Verapamil (zum Bei- spiel Isoptin®), Gallopamil (Proco- rum®) und Diltiazem (Dilzem®).

Die vorzugsweise bei supraventri- kulären Tachykardien ausgepräg- te Wirkung von Verapamil wird auf die Terminierung kreisender Erre- gungen mit langsamer Impulsfort- leitung sowie auf die Supprimie- rung früh einfallender Erregun- gen aufgrund von Nachpotentia- len bezogen.

Die pharmakologische Beeinflus- sung tachykarder Arrhythmien hat mehrere pathophysiologische An- satzpunkte. Zum einen ist die The- rapie auf die arrhythmieauslösen- den Kausalfaktoren bzw. Grunder- krankungen auszurichten; ein zweiter Behandlungsweg zielt auf die Veränderung arrhythmogener Einflüsse des vegetativen Nerven- systems und dessen Transmitter- stoffen zum Beispiel durch Beta- rezeptorenblocker, Vagomimeti- ka und Vagolytika.

Symptomatisch wirken schließlich die Antiarrhythmika im engeren Sinne, die auf die Beeinflussung der arrhythmogenen elektrophy- siologischen Veränderungen des

Reizbildungs- und Erregungslei- tungssystems ausgerichtet sind.

Die konventionellen Antiarrhyth- mika, die seit Jahren die Grundla- ge der medikamentösen Arrhyth- miebehandlung bilden, sind in Tabelle 2 wiedergegeben, ein- schließlich Indikation, Dosierung und extrakardialer Nebenwirkun- gen. Digitalisglykoside, die nicht den Antifibrillantien im engeren Sinne zugeordnet werden kön- nen, sind nicht aufgeführt. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß insbesondere bei der Tachyar- 3410 (36) Heft 46 vom 14. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Antiarrhythmika

Tremor, Doppelsehen, Psychosen, Leberschädi- gung, Agranulozytose 1-2 x 50 mg tgl.

p. o.

20 mg i. v.

< 300 mg/24 h Supraventrikuläre,

ventrikuläre Extrasystolie, ventrikuläre Tachykardie Aprindin

(Amidonal®)

Mundtrockenheit, Ga- strointestinale Be- schwerden, Sedierung, Cholestase, Miktionsstö- rungen

4-6 x 100 mg tgl.

p. o.

Disopyramid (Rythmodul®, Norpace®, Diso-Duriles®)

Supraventrikuläre, ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre Tachykardie,

Arrhythmieprophylaxe nach Elektrokonversion

Mundtrockenheit, salzi- ger Geschmack, Kopf- schmerzen, GI-Be- schwerden 0,5-1 mg/kg KG 3-5 x 150 mg tgl.

p. o.

Propafenon (Rytmonorm®)

Ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre und ventrikuläre Tachykardie, Präexzitationssyndrome

Konventionelle Antiarrhythmika: Indikation, Dosierung, extrakardiale Nebenwirkungen

Medikamente Indikation Extrakardiale

Nebenwirkungen Dosierung

Akuttherapie Prophylaxe Ajmalin

(Gilurytmal® )

Ventrikuläre Extrasystolie, ventrikuläre Tachykardie

Übelkeit, Kopfschmer- zen, Appetitlosigkeit, Cholestase, Leberschä- digung

< 300 mg/12 h i. v.

25-50 mg i. v.

Prajmaliumbitar- trat

(Neo-Gilurytmal®)

Supraventrikuläre, ventrikuläre Extrasystolie, Rezidivprophylaxe, ventrikuläre Tachykardie

60 mg tgl. p. o. 60 mg tgl. p. o.

Chinidinbisulfat (Chinidin-Duri- lese,

Optochinidin®

ret.)

Supraventrikuläre, ventrikuläre Extrasystolie, supraventrikuläre Tachykardie,

Rezidivprophylaxe nach Regularisierung

Gastrointestinale Be- schwerden, Ohrensau- sen, Synkopen 1 g tgl. p. o.

Diphenyl- hydantoin (Epanutin®, Phenhydan®, Zentropil®)

Ventrikuläre Extrasystolie Kammertachykardie (bei Digitalisintoxikation)

Gingivahyperplasie, Ny- stagmus, Ataxie, Lymph- adenopathie

125 mg i. v. 3 x 100 mg tgl.

p. o.

Lidocain (Xylocain®)

Ventrikuläre Extrasystolie, Kammertachykardie

Benommenheit, Schwin- del, zentralnervöse Symptome 2-4 mg/min i. v.

50-100 mg i. v.

Mexiletin (Mexitil®)

Ventrikuläre Extrasystolie und Tachykardie

100-250 mg langsam i. v.

2-3 x 200 mg tgl.

p. o.

Zentralnervöse Be- schwerden, Hypoten- sion, GI-Beschwerden

Propranolol (z. B. Dociton®)

Supraventrikuläre Tachykardie,

ventrikuläre Extrasystolie tachysystolisches Vorhof- flimmern

80-120 mg tgl.

P. 0 .

Schwindel, Nausea, Diarrhö

Verapamil (z. B. Isoptin®)

Supraventrikuläre Ext rasysto I ie, supraventrikuläre Tachykardie

3 x 40-80 mg tgl.

p. o.

Hypotonie 5 mg i. v.

Tabelle 2

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (39) 3411

(4)

rhythmia absoluta herzaktive Gly- koside nach wie vor indiziert sind, und zwar aufgrundihrer hemmen- den Wirkung auf die atrioventriku- läre Überleitung (4). Auf die aus- führlichen Darstellungen zu den Kalziumantagonisten und Betare- zeptorenblockern im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT sei hinge- wiesen (2, 7).

der individuellen Situation nach Diagnose, Wirkung, Nebenwir- kung, Pharmakakinetik und po- tentiellem Risiko um die bestmög- lich begründete Differentialthera- pie. Alle handelsüblichen Antiar- rhythmika haben diesbezügliche Vor- und Nachteile. Das "ideale"

Antiarrhythmikum gibt es bislang nicht, und es ist keineswegs si-

Amiodaron (Cordarex®)

Anwendung Indikation

Therapeutischer Bereich (Piasmaspiegel)

Halbwertszeit Wirkungsdauer Elimination Dosierung:

Sättigung Dauertherapie

Nebenwirkungen

Tabelle 3

2. Neuere Antiarrhythmika Die Trennung zwischen konven- tionellen und neueren Antiar- rhythmika ist im Grunde willkür- lich oder zumindest dem Zeitab- lauf unterworfen. Wir verstehen unter den modernen antiarrhyth- mischen Substanzen die in den letzten Jahren in den Handel ge- langten Wirkstoffe, ohne damit ei- ne qualitative Wertung vorneh- men zu wollen.

Insbesondere soll nicht der Ein- druck erweckt werden, moderne bzw. neue Antiarrhythmika seien in jedem Falle "besser" als die seit Jahren handelsüblichen.

Letztlich geht es unter Abwägung

oral (i. v.)

supraventrikuläre, ventrikuläre Tachyarrhythmien

0,9 bis 5,3 ~g/ml

2 bis 4 Wochen 30 bis 45 Tage

(?)

600 bis 1000 mg/die p. o.

200 bis 600 mg/die p. o.

(5 mg/kg langsam i. v. < 450 mg) Kornea-Ablagerungen, Photo- sensibilität, Schilddrüsen-Stoff- wechselstörungen, Lungenfibrose

eher, daß es dies jemals geben wird. Aus Gründen der Ineffizienz und unerwünschter Wirkungen im Einzelfall wurden neue Substan- zen entwickelt, die zwar ihrerseits auch Nebenwirkungen bzw. Wirk- schwächen aufweisen können, aber insgesamt das Spektrum der antiarrhythmischen Einsatzmög- lichkeiten erweitern, so daß in der Nettobetrachtung das Seg- ment der medikamentös therapie- refraktären Rhythmusstörungen vermindert wird. Zu den letzthin in der Bundesrepublik Deutschland in den Handel gebrachten antiar- rhythmischen Pharmaka gehören Amiodaron (Cordarex®), Flecainid (Tambocor®), Lorcainid (Remi- vox® und Tocainid (Xylotocan® . 3412 (40) Heft 46 vom 14. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Daneben gibt es eine Reihe in klinischer Prüfung befindlicher Substanzen (z. B. Encainid und neue Kalziumantagonisten) sowie hierzulande nicht handelsübliche Stoffe (z. B. Ethmozin, Bretylium- Tosylat), auf die hier nicht näher eingegangen werden kann (Ein- zelheiten siehe in 4).

Die "konventionellen" wie die

"modernen" Antiarrhythmika richten sich auf die Behandlung tachykarder Rhythmusstörungen.

Wichtigste Indikationen sind ven- trikuläre Tachyarrhythmien bei koronarer Herzkrankheit, da hier ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem plötzlichen Herztod ge- geben ist. Die medikamentöse Be- handlung bradykarder Arrhyth- mien spielt eine ganz untergeord- nete Rolle, da in diesen Fällen elektrotherapeutische Maßnah- men dominieren (vgl. 4).

2.1. Amiodaron (Cordarex®) Amiodaron (Cordarex®) ist ein An- tiarrhythmikum der Klasse 111 nach Vaughan Williams, das im europä- ischen Ausland bereits seit Jahren handelsüblich ist. Entsprechend umfangreich ist das einschlägige Schrifttum. ln der Bundesrepublik Deutschland wurde die Substanz jedoch erst 1982 in der oralen Applikationsform (Handelsname Cordarex®) eingeführt.

Die Substanz, die seit Jahren als Koronartherapeutikum bei der Angina pectoris als nicht kompeti- tiver Alpha- und Beta-Rezeptoren- hammer eingesetzt wird, zeigte sich als Antiarrhythmikum

..,. bei folgenden Indikationen ef- fektiv: Vorhofflimmern und Vorhof- flattern, paroxysmale supraventri- kuläre Tachykardien (einschließ- lich Präexzitations-Syndrome), be- sonders ventrikuläre Extrasystolie und Kammertachykardie.

Die Herzfrequenz nimmt unter Amiodaron ab. Die effektive Re- fraktärzeit akzessorischer Bahnen wird durch diese Substanz verlän-

(5)

Flecainid (Tambocor®)

Anwendung oral, i. v.

Indikation ventrikuläre Tachyarrhythmien

Therapeutischer Bereich 245 bis 980 ng/ml (im Mittel 631 ng/ml) (Plasmaspiegel)

Halbwertszeit 12 Stunden (i. v.), 14 bis 20 Stunden (p. o.)

Elimination hepatisch (renal)

Dosierung 1 mg/kg (i. v.), 2 x 100 bis 150 mg/d p. o.

Nebenwirkungen Doppelsehen, Schwindel, Kopfschmerz, (extrakardial) Toleranzminderung gegenüber Alkohol

Tocainid (Xylotocan®)

Anwendung oral (i. v.)

Indikation ventrikuläre Extrasystolie und Tachykardie

Therapeutischer Bereich 3 bis 10 lag/m1 (Plasmaspiegel)

Halbwertszeit Elimination Dosierung

ca. 13 Stunden renal (hepatisch)

3 bis 4 x 400 mg/die p. o.

(0,5 mg/kg/Min. i. v. über 15 Minuten) Nebenwirkungen ZNS-Störungen:

(extrakardial) Tremor, Benommenheit, Halluzinationen

Übelkeit

Agranulozytose, LE

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Antiarrhythmika

gert, wobei dieser Effekt auf die antegrade Leitung ausgeprägter ist als auf die retrograde Leitung.

Auch in der Kombination mit an- deren Antiarrhythmika (z. B. Mexi- letin [Mexitil]e) kann Amiodaron bei malignen Kammertachykar- dien wirksam sein. Die volle Wirk- samkeit von Amiodaron setzt ver- zögert ein (nach 4 bis 14 Tagen)

mit einer deutlichen Tendenz zur Kumulation und einer Wirkungs- dauer von bis zu 45 Tagen nach Absetzen der Therapie als Aus- druck einer eingeschränkten Steuerbarkeit der Substanz. Die therapeutische Breite von Amio- daron wird als relativ groß, die kar- diodepressive Wirkung als gering bezeichnet.

Die Dosierung liegt bei intravenö- ser Anwendung bei 5 mg/kg bis zu einer Dosis von 450 mg (langsam zu injizieren; cave Hypotonie). Die orale Sättigungsdosis (in den er- sten zwei Wochen) beträgt 3 bis 5 x 200 mg, die mittlere Erhal- tungsdosis liegt bei 200 (bis 600) mg täglich (Tabelle 3).

Tabelle 5 Tabelle 4

Kontraindikation:

Amiodaron ist kontraindiziert beim Sinusknoten-Syndrom we- gen seiner sympathikolytischen Eigenschaften; fernerhin bei AV- Block II. und III. Grades. Besonde- re Vorsicht ist bei Patienten mit vorbestehenden Schilddrüsenstö- rungen geboten.

Die (nicht seltenen) Nebenwirkun- gen bestehen in: Kornea-Ablage- rungen (bis zu 90 Prozent der be- handelten Patienten), Hyperthy- reose (evtl. nur die Laborparame- ter betreffend), Hypothyreose und Photosensibilität der Haut sowie (prognostisch belasteter) Lungen- fibrosen. — Die klinischen Hyper- thyreosezeichen können unter Amiodarontherapie sehr atypisch sein. So kann z. B. die Tachykar- die fehlen, was vermutlich dem partiell betablockierenden Effekt des Medikamentes zuzuschreiben ist. — Ferner wurde ein Anstieg von Transaminasen und Digoxin- spiegel sowie eine Verstärkung der Marcumarwirkung bei gleich- zeitiger Amiodarontherapie beob- achtet. Zurückhaltung ist geboten mit der gemeinsamen Gabe von Amiodaron und Substanzen der Klasse I A (vgl. 4).

Im Rahmen der Kontrolle einer medikamentösen Arrhyth m iebe- hand lu ng durch programmierte Stimulation konnte bei 6 Patien- ten mit ungenügendem Anspre- chen auf Mexiletin durch Amioda- ron eine ausgeprägte Frequenzer- niedrigung der Tachykardie er- reicht werden. Von einigen Auto- ren wird die Wirksamkeit von Amiodaron so hoch eingeschätzt, daß eine Arrhythmie heute nicht mehr als therapierefraktär be- 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (45) 3413 Ausgabe A

(6)

zeichnet werden kann, sofern sie nicht auf ihr Ansprechen gegen- über Amiodaron geprüft worden ist (vgl. 8).

2.2. Flecainid (Tambocor®) Flecainid ist eine neue lokalanäs- thetische Substanz, die nach den ersten klinischen Erfahrungen günstige antiarrhythmische Wir- kungen in der Behandlung von chronischen ventrikulären Ar- rhythmien bei nur geringfügigen hämedynamischen Nebenwirkun- gen entfaltet (vgl. 1). Das Medika- ment (Handelsname: Tambocor®) · wurde Ende 1982 in der Bundes- republik Deutschland in den Han- del gebracht.

Tierexperimentelle Untersuchun- gen zeigen, daß ventrikuläre Dys- rhythmien bei ausgedehnten transmuralen Infarkten durch Ga- be von Flecainid um 80 bis 90 Pro- zent reduziert, in Einzelfällen so- gar vollständig beseitigt werden. Die deutliche Verminderung der ventrikulären Ektopien betrifft ins- besondere auch ventrikuläre Sal- ven und R- auf T-Phänomene. Die positiven antiarrhythmischen und antifibrillatorischen Wirkungen von Flecainid sind jedoch nur bei den Arrhythmien des Nekrosesta- diums nachweisbar, während die frühen Arrhythmien, speziell Kam- merflimmern, in den ersten Minu- ten der akuten Ischämie nicht ver- hindert werden. Die Änderungen der Hämedynamik und Kontraktili- tät unter Flecainid sind auch am Infarktherzen nicht schwerwie- gend.

Klinisch ließ sich die Wirksamkeit von Flecainid bei ventrikulären Tachyarrhythmien in kontrollier- ten Studien nachweisen. - Die günstige Pharmakakinetik legte eine zweimalige Tageseinzelgabe nahe (200 bis 600 mg Flecainid- acetat/die per os); die derzeitige Dosisempfehlung bezieht sich auf 2 x 100 bis 150 mg täglich p. o.

Die wirksame Therapie war von ei- ner Verlängerung der PR-, QRS- und QTc-lntervalle begleitet. Die

Plasmahalbwertszeit lag im Mittel bei 20,3 Stunden, der effektive Plasmaspiegel der Substanz bei 631 ng/ml im Mittel. Der Wirkungs- eintritt ist nach oraler Therapie in 2 bis 3 Stunden zu erwarten (vgl.

Tabelle 4).

Kardiale Nebenwirkungen bezie- hen sich auf mögliche ventrikulä- re Tachyarrhythmien bis hin zum Kammerflimmern auf der mut- maßlichen Grundlage einer QT- Verlängerung bzw. inhomogenen ventrikulären Repolarisation.

Für die intravenöse Anwendung wird eine Initialdosis v.on 1 mg/kg empfohlen. Die Gesamtdosis von 2 mg/kg sollte nicht überschritten werden. Auch eine anschließende Dauerinfusion kann vorteilhaft sein: 0,05 mg/kg/min für 20 bis 60 Minuten oder 0,025 mg/kg/min für 2 bis 3 Stunden. Auch Flecainid ist negativ inotrop.

..,. Kontraindikation:

Das Medikament sollte nicht ge- geben werden bei Herzinsuffi- zienz und Hypotonie, fernerhin beim Sinusknoten-Syndrom und vorbestehenden intrakardialen Leitungsstörungen, insbesondere beim QT-Syndrom.

Die Elimination erfolgt renal und hepatisch. Über Arzneimittelinter- aktionen mit Flecainid ist bislang noch keine gültige Aussage mög- lich. Indikationsmäßig kommt Fle- cainid vor allem bei ventrikulären Rhythmusstörungen im Rahmen einer koronaren Herzkrankheit - einschließlich des akuten Infarkts - sowie bei anderweitig therapie- resistenten ventrikulären Arrhyth- mien in Frage. Weitere klinische Erfahrungen bleiben abzuwarten (vgl. 1, 4).

2.3. Lorcainid (Remivox®) Lorcainid ist ein neueres Antiar- rhythmikum vom lokalanästheti- schen Typ. ln klinisch-experimen- tellen Studien erwies sich Lorcai- 3414 (46) Heft 46 vom 14. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

nid als wirksam in der Behandlung von ventrikulären Rhythmusstö- rungen. Die Erfahrungen hinsicht- lich supraventrikulärer Rhythmus- störungen sind uneinheitlich und begrenzt. Vorhofflimmern läßt sich durch Lorcainid nicht wirk- sam beeinflussen. Die klinische Einführung dieses neuen Antiar- rhythmikums erfolgte 1981 (Han- delsname: Remivox®).

Mit intrakardialen Ableitungen wird am Patienten unter Lorcai- nideinfluß eine Zunahme der spontanen Sinusfrequenz bei weitgehender Konstanz von Si- nusknotenerholungszeit und si- nuatrialer Leitungszeit beobach- tet. Beim Sinusknoten-Syndrom führt Lorcainid allerdings zu einer Verlängerung der maximalen Si- nusknotenerholu ngszeit. Fu nktio- nelle und effektive Refraktärzeit des rechten Vorhofs zeigen keine Änderungen unter Lorcainid. Die Erregungsleitung im AV-Knoten wird praktisch nicht beeinflußt.

Die H-Q-, QRS- und QT-Dauer - gemessen bei identischen Stimu- lationsfrequenzen - nehmen un- ter Lorcainideinfluß signifikant zu. Damit wird deutlich, daß Lorcainid überwiegend eine Leitungsverzö- gerung am spezifischen ventriku- lären Erregungsleitungssystem bewirkt. Beim Sinusknoten-Syn- drom kann es zu einer ausgepräg- ten Depression der Sinusknoten- Generatorfunktion kommen (ver- gleiche 5).

Bei dem Präexzitations-Syndrom führt Lorcainid zu einer Leitungs- verzögerung der akzessorischen Bahn und kann bei Reentry-Ta- chykardien therapeutisch wirk- sam sein. Die Wirkung ist jedoch im Vergleich zu Ajmalin (Giluryt- mal®) geringer ausgeprägt. Die In- dikation für Lorcainid kann also bei ventrikulären (evtl. auch su- praventriku lären) Extrasystolen und Tachykardien gegeben sein, fernerhin bei Reentry-Tachykar- dien im Rahmen eines WPW-Syn- droms. Der Wirkungseintritt ist 5 bis 10 Minuten nach intravenöser Gabe und 30 bis 60 Minuten nach oraler Applikation zu erwarten.

t>

(7)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Unvermeidbare Risiken ..

in der Behandlung von Herzrhythmusstorungen Ineffizienz der antiarrhythmischen Therapie

(medikamentös; elektrotherapeutisch) Kardiale und extrakardiale Nebenwirkungen

(z. B. Sinusknotendepression, anticholinerge Nebenwirkungen) Verstärkung der Herzrhythmusstörung . (Akzeleration einer Tachykardie; Degeneration zu Kammerfl1mmern)

Arzneimittelinteraktionen . .

(z. B. Digoxin - Chinidin; Digoxin- Amiod~ron; Warfann-Natnum- Amiodaron; Amiodaron- chinidinartige Ant1arrhythm1ka)

Tabelle 6 a

Vermeidbare Risiken

in der Behandlung von Herzrhythmusstörungen

1. Fehldiagnosen .

a) Verkennung des Grundleidens (z. B. Hyperthyreose, Hypokall- ämie, Schrittmacherfunktionsstörung)

b) Differentialdiagnose, ventrikuläre vs. supraventrikuläre Extrasy- stolie bzw. Tachykardie

c) Differentialdiagnose, tachysystolisches Vorhofflimmern vs. Reen- try-Tachykardie (WPW)

2. Nichtbeachtung von absoluten und relativen Kontraindikationen

a). ,Sinusknotensyndrom (betr. praktisch alle Antiarrhythmika) b) Obstruktive Lungenerkrankungen (Betarezeptorenblocker) c) Prostatahypertrophie (Disopyramid)

d) Blutbildschädigung (Procainamid, Ajmalin, Ajmalinbitartrat, Phe- nytoin, Chinidin, Propranolol, Lidocain, Disopyramid, Aprindin) e) Präexzitationssyndrom (Digitalis)

f) Niereninsuffizienz (Betablocker, Chinidin, Disopyramid, Glykosi-

de, Procainamid) .

g) QT-Syndrom (leitungsverlängernde Antiarrhythmika u. a.) h) Schwangerschaft (Spartein)

3. Vernachlässigung von Nebenwirkungen

a) Leberschädigung (Ajmalinbitartrat, Aprindin, DPH) b) Herzinsuffizienz (Disopyramid; übrige Antiarrhythmika) c) Blutbildschäden (Diphenylhydantoin, Aprindin u. a.) d) LE-Symptomatik (Procainamid, Tocainid)

e) Schilddrüsenfunktionsstörungen (Amiodaron) 4. Unerlaubte Antiarrhythmika-Kombinationen

a) Verapamil und Betarezeptorenblocker (Sinusknoten, AV-Leitung) b) Disopyramid-Chinidin (ventrikuläre Leitungsverzögerung) c) Disopyramid-Aprindin (ventrikuläre Leitungsverzögerung) d) Amiodaron-chinidinartige Antiarrhythmika

Tabelle 6 b

Antiarrhyth m i ka

..,.. Nebenwirkungen

Unter den Nebenwirkungen er- scheinen bei intravenöser Gabe (dosisabhängig) Schwindel, Par- ästhesien und Übelkeit erwäh- nenswert. Nach oraler Gabe ist das Auftreten von Alpträumen nicht selten. Die kardiodepressi- ven Eigenschaften scheinen ge- ring ausgeprägt zu sein.

Aufgrund der bisherigen Erfah- rungen kann Lorcainid in beson- deren Fällen (anderweitige Thera- pieresistenz) eine Alternative zu den bekannten Antiarrhythmika sein. Wegen der zentralnervösen Nebenwirkungen ist die Verbrei- tung der Substanz jedoch insge- samt gering.

2.4. Tocainid (Xylotocan®) Tocainid, ein Amin-Analogon des Lidocains, ist ein neues, oral und parenteral anwendbares Antiar- rhythmikum, das in oraler Form im Februar 1982 in der Bundesrepu- blik Deutschland in den Handel kam (Xylotocan®). Die Substanz besitzt im Gegensatz zu Lidocain aufgrund ihrer primären Amin- struktur eine niedrige hepatische Clearance, hohe systemische Bio- verfügbarkeit sowie eine lange Halbwertszeit. Diese pharmakaki- netischen Charakteristika bestim- men seine orale Wirksamkeit.

Erste Ergebnisse klinischer Stu- dien belegen die Wirksamkeit von Tocainid bei der Therapie ventri- kulärer Arrhythmien. Der thera- peutische Plasmaspiegel liegt zwischen 3 und 10 j.tg/ml und wird durch Gaben von 400 bis 600 mg (alle 8 Stunden) erreicht (Tabelle 5). Verschiedene Autoren berich- teten über die signifikante Abnah- me ventrikulärer Extrasystolen bei unterschiedlichen kardialen Grunderkrankungen, einschließ- lich koronarer Herzkrankheit und abgelaufenem Myokardinfarkt (vgl. 4). Auch in einzelnen Fällen von Reentry-Tachykardien hat sich Tocainid als wirksam erwie- sen (parenterale Applikation). [>

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (49) 3415

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Von Kuck und Mitarbeitern wurde in einer Doppelblindstudie die Wirkung von Tocainid bei 12 Pa- tienten mit ventrikulären Arrhyth- mien untersucht. Die tägliche Do- sis lag zwischen 400 bis 600 mg al- le 8 Stunden. Im gesamten Patien- tenkollektiv nahm die ventrikuläre Extrasystoliehäufigkeit, analysiert mit Hilfe eines ambulanten 24stündigen Langzeit-EKGs, durchschnittlich um 70 Prozent ab. Bei 4 von 9 Patienten konnte der Schweregrad der ventrikulä- ren Extrasystolie, bezogen auf die Klassifizierung nach Lown, um mindestens eine Funktionsklasse gebessert werden. Eine Korrela- tion zwischen der antiarrhythmi- schen Wirksamkeit und dem To- cainidplasmaspiegel, der zwi- schen 4,1 und 9,9 !-1-g/ml schwank- te, konnte nicht festgestellt wer- den. Vier Patienten hatten Neben- wirkungen in Form von zentral- nervösen Störungen, die aber nicht zum Absetzen der Tocainid- therapie führten (vgl. 4). An Ne- benwirkungen wurde neben Tre- mor und Schwindelzuständen auch über einen Fall von tocainid- induziertem Lupus erythemato- des berichtet. Auch über die Ak- zeleration von Kammertachykar- dien (Kammerflimmern) nach To- cainidmedikation ist berichtet worden.

Indikation: Tocainid kann als wirk- same Alternative in der Mono- oder Kombinationstherapie ven- trikulärer Extrasystolen und Ta- chykardien angesehen werden.

Weitere klinische Erfahrungen er- scheinen jedoch notwendig.

3. Kombinationsbehandlung

Bezüglich der Kombinations- therapie mit Antiarrhythmika ist zu betonen, daß grundsätzlich Sub- stanzen derselben Wirkungsklas- se wegen der zu gewärtigenden Verstärkung der Nebenwirkungen nicht miteinander kombiniert wer- den sollen (z. B. Chinidin [z. B.

Chinidin-Duriles®] mit Disopyra- mid [z. B. Rythmodui®J). Auch die Kombination von Amiodaron mit

chinidinartigen Substanzen kann nicht empfohlen werden. Ande- rerseits kann es durchaus sinnvoll sein, Substanzen der Klasse I A mit Mexiletin (Mexitil®) oder auch mit Betarezeptorenblockern zu kombinieren. Von der gemeinsa- men Verabreichung von Betablok- kern mit Kalziumantagonisten vom Typ des Verapamils (z. B.

lsoptin®) oder Diltiazems (Dil- zem®) muß wegen der (gemeinsa- men) depressiven Eigenschaften auf AV-Überleitung und Sinuskno- ten abgeraten werden.

4. Hämodynamik

...,. Praktisch alle klinisch-relevan- ten konventionellen wie moder- nen Antiarrhythmika wirken nega- tiv inotrop. Diese Effekte sind, do- sisabhängig, bei den einzelnen Pharmaka unterschiedlich ausge- prägt. Ob die negative lnotropie klinisch überhaupt in Erschei- nung tritt, hängt wesentlich von der funktionellen Ausgangssitua- tion des Myokards ab. Beim kon- traktionsgestörten Herzen fällt die negativ inotrope Wirkung kaum ins Gewicht. Auch beim insuffi- zienten Organ wird die negativ inotrope Wirkung häufig über- schätzt. Grundsätzlich ist im Ein- zelfall zu prüfen, inwieweit durch den jeweiligen antiarrhythmi- schen Effekt und damit durch die diesbezügliche hämedynamische Verbesserung die negativ inotro- pe Eigenwirkung eines Pharma- kons wieder ausgeglichen wird.

5. Risiken

der Arrhythmiebehandlung

Unter den typischen Risiken bei der Behandlung von Herzrhyth- musstörungen sind vermeidbare und unvermeidbare zu unter- scheiden. Unumgängliche Risiken in der Arrhythmiebehandlung er- wachsen aus der noch lückenhaf- ten Kenntnis von Pharmakakinetik und Pharmakadynamik sowie dem unvollständigen Wissen über den Wirkungsmechanismus und die Entstehung von Nebenwirkun-

gen (Tabelle 6 a). Andererseits gibt es eine Reihe von Risiken, die unter Berücksichtigung des heuti- gen Kenntnisstandes über die Wirkungsweise von Antiarrhythmi- ka vermeidbar sind (Tabelle 6 b).

Die Gabe inadäquater Antiarrhyth- mika sollte bei sorgfältiger Diffe- rentialdiagnose vermeidbar sein. Nach Möglichkeit sollte nicht grundsätzlich ein sogenanntes Antiarrhythmikum der ersten Wahl verwendet werden, sondern - wo immer möglich - der Differential- therapie der Vorzug gegeben wer- den. Bei ausreichender Kenntnis der verwendeten antiarrhythmi- schen Substanzen unter Berück- sichtigung von Indikation, Kon- traindikation und Nebenwirkun- gen könnten die vermeidbaren Ri- siken in der Arrhythmiebehand- lung mithin auf ein Minimum zu reduzieren sein.

6. Klinische Schlußfolgerungen

Angesichts der nicht unbeträcht- lichen kardialen und extrakardia- len Nebenwirkungen antiarrhyth- mischer Pharmaka erscheint heu- te eine kritische, den Einzelfall ab- wägende Haltung vor der Thera- pieeinleitung dringend geboten.

...,. Eine wirksame und dauerhafte Beherrschung von Herzrhythmus- störungen setzt ein. sorgfältiges differentialtherapeutisches Vor- gehen voraus. An erster Stelle steht die Behandlung des Grund- leidens. Die symptomatische The- rapie von kardialen Arrhythmien gliedert sich in medikamentöse Behand Iu ng, elektrotherapeuti- sche Maßnahmen (Defibrillation, elektrischer Schrittmacher) und antiarrhythmische Kardiochirur- gie.

Auf dem pharmakologischen Sek- tor ergeben sich Fortschritte durch neue antiarrhythmische Wirkstoffe, wie Amiodaron (Cor- darex®), Flecainid (Tambocor®), Toxcainid (Xylotocan®) sowie den Betarezeptorenblocker Sotalol 3416 (50) Heft 46 vom 14. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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(Sotalex®), dem auch repolarisa- tionsverlängernde Eigenschaften zukommen.

..,.. Aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Elektrotherapie konzentrieren sich auf die Weiter- entwicklung von konventionellen Schrittmachern mit einem größe- ren Indikationsspektrum ("physio- logische" Schrittmachersysteme, zunehmende Lebensdauer der Aggregate, kleinere Schrittma- cherabmessungen etc.), auf die Implantation antitachykarder Schrittmachersysteme einschließ- lich intrakardialer Kardioverter/

Defibrillator-Funktion und die His- Bündel-Ablation:

I> Bei der perkutanen nichtope-

rativen Unterbrechung des His- Bündels durch Kathetertechnik handelt es sich um ein relativ komplikationsarmes Verfahren, das als therapeutischer Fortschritt in Fällen medikamentöser Thera- pieresistenz von bestimmten su- praventrikulären Tachykardien angesehen werden kann (verglei- che 3).

Makrelen-Diät:

Wirkung auf Serumlipide und Blutdruck

Bei Grönland-Eskimos ist eine sehr niedrige lnzidenz kardiavas- kulärer Erkrankungen bekannt, bedingt durch günstige Lipid- und Lipoproteinspiegel sowie verlän- gerte Blutungszeit infolge herab- gesetzter P lättche nagg regat io ns- neigung. Als Ursache hierfür gilt die vermehrte diätetische Zufuhr von n-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren (wichtigster Vertre- ter: Eicosapentaenoi/Säu re EPA/C20,5n-3). Untersucht wurde der Einfluß einer EPA-reichen Diät (Makrelen, tägliche EPA~Zufuhr

2,2 Gramm) im Vergleich zu einer relativ EPA-armen Diät (Heringe, tägliche EPA-Zufuhr 1,0 Gramm)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

..,.. Ein weiteres neues und erfolg- versprechendes Gebiet stellt die antiarrhythmische Herzchirurgie dar, die in speziellen medikamen- tös und elektrisch therapierefrak- tären Fällen in Frage kommt:

Durchtrennung akzessorischer Leitungsbahnen bei Präexzita- tionssyndrom, umkreisende ende- kardiale Ventrikulotomie bzw. en- dokardiale Resektion arrhythmo- genen Gewebes bei ventrikulären Tachyarrhythmien, gegebenen- falls kombiniert mit Aneurysmek- tomie und/oder aortakoronarer Bypass-Operation.

Auf der Grundlage einer patho- physiologisch begründeten Diffe- rentialtherapie dürfte es ange- sichts der dargestellten Fort- schritte in der Arrhythmiebehand- lung zukünftig möglich sein, den Anteil therapieresistenter Herz- rhythmusstörungen wesentlich zu verringern.

Literatur

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auf Serumlipide und Blutdruck bei 15 freiwilligen Probanden.

Nach einer 14tägigen Makrelen- diät waren Serum-Triglyzeride, Gesamt-Cholesterin und Lezithin-

Cholesterin-Azyltransferase-Akti- vität signifikant erniedrigt, drei Monate später lagen die Werte wieder im ursprünglichen Be- reich. LDL, Cholesterin und post- heparinlipolytische Aktivität blie- ben unverändert. Unter Heringsdi- ät fand sich lediglich eine signifi- kante Erniedrigung der Lezithin- Cholesterin-Azyltransferase-Akti- vität. Systolischer und diastoli- scher Blutdruck lagen nach der Makrelendiät signifikant niedri- ger, die Blutdruckerniedrigung nach Heringsdiät war nicht signi- fikant. Nur nach Makrelendiät ließen sich signifikant ernied- rigte Plasma-Noradrenalinspiegel

Antiarrhyth m i ka

sten bei koronarer Herzerkrankung: Wir- kungsmechanismen IJnd therapeutische Mög- lichkeiten. Deutsch. Arztebl. 80, Heft 21 (1983) - (3) Lüde ritz, B.: Alternative bei bedrohlichen Vorhofrhythmusstörungen: Unterbrechung des His-Bündels mit Kathetertechnik. Deutsch.

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Anschrift des Verfassers: Professor Dr. med.

Berndt Lüderitz Medizinische Klinik

Innere Medizin-Kardiologie der Universität Sonn Sigmund-Freud-Straße 25 5300 Bonn 1

FÜR SIE GELESEN

nachweisen. Ursache hierfür ist möglicherweise eine vermehrte Bildung von Prostaglandinen der Dreierserie aus EPA, die wie PGE2 über einen negativen Feedback- mechanismus die Transmitterfrai- satzung blocken könnten. Der günstige Effekt der Makrelendiät auf Blutdruck, Serumlipide und- hier nicht untersucht - Plättchen- aggregation scheint von Wichtig- keit bei der Arteriosklerose-Pro- phylaxe zu sein. Die Autoren for- dern Langzeitstudien mit Fischdi- äten, auch bei Hypertonikern und Patienten mit Hyperlipoprotein-

ämie. gus

Literatur

Singer, P.; Jaeger, W.; Wirth, M.; Voigt, S.;

Naumann, E.; Zimontkowski, S.; Hajdu, 1.; Goe- dicke, W.: Lipid and blood pressure-lowering effect of mackerel die! in man, Atherosclerosis 49 (1983) 99-108- Centrallnstitute for Cardio- vascular Research, Academy of Seiences of the G.D.R., DDR-1115 Berlin-Buch

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 46 vom 14. November 1984 (53) 3417

Referenzen

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