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Archiv "Kanzerogene Substanzen" (13.01.1977)

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Kanzerogene Substanzen

Dietrich Schmäh!

Aus dem Institut für Toxikologie und Chemotherapie (Direktor: Professor Dr. med. Dietrich Schmäh!) am Deutschen Krebsforschungszentrum Haideiberg

Krebserzeugende, kanzerogene Substanzen lassen sich nach ihrem Wirkungscharakter in zwei Gruppen einteilen. Wir können unterscheiden zwischen solchen

~ mit vorwiegend lokaler und an- deren

~ mit resorptiv-systemischer Wir- kung.

Die ersteren erzeugen Malignome am Ort ihrer Applikation, also zum Beispiel auf der Haut, wenn diese mit ihnen in Kontakt kommt, die letz- teren nach Resorption in bestimm- ten Organen oder Organsystemen.

Diese Unterscheidung ist nicht nur aus akademischem Interesse wich- tig, sondern sie hat große praktische Bedeutung, nicht zuletzt, wenn es sich um gutachterliehe Fragen handelt.

Lokale Kanzerogene

Zu den lokalen Kanzerogenen gehö- ren hauptsächlich polyzyklische Aromaten vom Typ des 3,4-Benzpy- rens, ferner Metalle wie zum Beispiel Chromate, Nickel oder Beryllium, schließlich auch Asbest. Die aroma- tischen Kohlenwasserstoffe sind sehr wahrscheinlich die entschei- denden Träger der kanzerogenen Wirkung des Tabakrauches, wenn dieser inhaliert wird und somit ein direkter Kontakt zwischen der Bron- chialschleimhaut und den kanze- rogenen Noxen gegeben ist. Sie sind ferner als die wesentlichen Kanze- rogene in der Luftverunreinigung anzusehen. Schließllich waren (und

sind) sie für die klassischen Teer- und Rußkrebse der Haut verantwort- lich. Metalle und Metallsalze haben -ähnlich wie die Kohlenwasserstof- fe - ihre große Bedeutung bei be- stimmten Berufsgruppen als lnhala- tionskanzerogene (Einatmen metall- haltiger Dämpfe oder Stäube --> lo- kale kanzerogene Wirkung im Atem- trakt), ähnliches gilt für den Asbest, dessen pathognomonischer Tumor das Mesotheliom darstellt. Die ange- führten Beispiele über Kanzerogene mit lokaler Wirkung ließen sich noch vielfach erweitern.

Resorptiv-systemisch wirkende Kanzerogene

Resorptiv-systemisch wirkende Kan- zerogene wurden erstmalig vor mehr als hundert Jahren beschrie- ben, als beobachtet wurde, daß Ar- sen (Arsenik) nach oraler oder aero- gener Aufnahme iatrogene Tumoren auszulösen vermag. Hier sind vor al- lem die Haut, aber auch Lunge und Leber die Zielorgane. Später wurde dies auch bei Winzern beobachtet, die arsenhaltigen Insektiziden aus- gesetzt waren. Weltweit bekannt wurde dieser Wirkungstyp durch die Blasenkrebs erzeugende Wirkung mancher aromatischer Amine (ß- Naphtylamin, Benzidin, 4-Amino-di- phenyl) bei Arbeitern in der Farb- stoffindustrie nach perkutaner, meist aber aerogener Aufnahme.

Diese Tumoren wurden fälschlicher- weise häufig als "Anilin-Krebse" be- zeichnet, denn Anilin selbst ist nicht kanzerogen, sondern einige Deriva- te von ihm. ln neuerer Zeit ist die Bedeutung von Kanzerogenen mit

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ÜBERSICHTSAUFSATZ

Die kanzerogenen Substan- zen lassen sich in solche mit vorwiegend lokaler und in solche mit resorptiv-systemi- scher Wirkung einteilen. Zu den lokalen Kanzerogenen gehören neben Metallen vor allem die aromatischen Koh- lenwasserstoffe. Als Vertreter der resorptiv-systemisch wir- kenden Kanzerogene .gilt zum Beispiel Arsen, hinzu kommen bestimmte Pharmaka und so- genannte natürliche Karzino- gene wie die Stoffwechselpro- dukte einiger Schimmelpilz- arten.

systemischer Wirkung durch zwei weitere Beispiele deutlich demon- striert worden, nämlich

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durch Vinylchlorid, das nach Ein- atmen zu Hämangiosarkomen der Leber führen kann und

f) durch manche Zytostatika, vor- wiegend vom Typ der Alkylantien, die Malignome in verschiedenen Ge- weben (Blase, Atemwege, Knochen- mark) zu induzieren vermögen.

Kanzerogene Pharmaka

Diese letztere Beobachtung führt uns zu der vor allem für Pharmaka- therapie treibende Ärzte wichtigen Frage der potentiellen kanzeroge- nen Wirkung einiger weniger Phar- maka. ln Tabelle 1 habe ich Medika- mente zusammengestellt, die wir heute als potentiell kanzerogen be- trachten müssen beziehungsweise die als solche diskutiert wurden, heute aber als "entlastet" gelten können. Es versteht sich von selbst, daß potentielle Kanzerogene in der Therapie nur bei vitaler Indikations- stellung eingesetzt werden sollten.

Jeder Arzt sollte aber die Möglich- keit einer iatrogenen Karzinogenase kennen, um Risiko und Nutzen der Therapie gegeneinander abwägen

zu können. I>

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 2

vom 13.

Januar

1977 89

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Arzneimittel gebildetes Nitrosamin

Karzino- Ausbeute der genität Umsetzung Amidopyrin

(Pyramidon) Oxytetracyclin Chlorpromazin Dextro-Propoxyphen Methadon

Methapyrilen Lucanthon Chinacrin Disulfiram Nicethamid Tolazamid Cyclizin Ephedrin Phenmetrazin Methylphenidat Phenacetin

Dimethylnitrosamin Dimethylnitrosamin Dimethylnitrosamin Dimethylnitrosamin Dimethylnitrosamin Dimethylnitrosamin Diäthylnitrosamin Diäthylnitrosamin Diäthylnitrosamin Diäthylnitrosamin N-Nitrosohexa- methylenimin Nitrosopiperazin + Dinitrosopiperazin N-Nitrosoephedrin N-Nitrosophen- metrazin N-Nitrosomethyl- phenidat

N-Nitroso-2-nitro- 4-aethoxy-acetanilid

+ + + hoch + + + mäßig +++ gering + + + gering + + + gering + + + gering + + + mäßig + + + mäßig + + + gering + + + gering + + gering + + gering + + gering

+ + mäßig

mäßig mäßig

? mäßig

Tabelle 1: Arzneimittel, die auf Grund experimenteller Untersuchun- gen oder kasuistischer Mitteilungen als potentielle Karzinogene für den Menschen gelten müssen

Karzinogene Wirkung von Arzneimitteln für den Menschen sicher/wahrscheinlich möglich unwahrscheinlich/nicht

beurteilbar Alkylantien

(Lost-Derivate, Äthylenimine) Arsenik

Diäthylstilböstrol (transplazentar) Procarbazin Streptozotocin

Adriamycin Antimetaboliten Chinolinderivate Chloramphenicol Furium

Griseofulvin halogenierte Paraffine

Hydantoinderivate Lysergide

Nitrofuranderivate Phenacetin Phenylbutazon Tannin (epikutan) Teersalben Thiouracile Urethan

Antibabypille Cantharidin Cyclamat Eisen-Dextran

Hexamethylentetramin IHN

Kaliumperchlorat Laktame

Metronidazol Niridazol

Paraffinöle (oral) Polyvinylpyrrolidon und ähnliche Plasmaexpander Pronethalol

Reserpin Saccharin Safrol

Tannin (orale Gabe)

Tabelle 2: Reaktion einiger Pharmaka mit Nitrit unter „magenähnli- chen" Bedingungen (pH 1-2, 37°C) zu Nitrosaminen

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Kanzerogene Substanzen

Die iatrogene Karzinogenese durch Medikamente hat in den letzten Jah- ren durch zwei bisher wenig be- kannte und daher auch wenig be- achtete Aspekte eine besondere Problematik erfahren.

Transplazentare Karzinogenese Der eine betrifft die Möglichkeit der transplazentaren Karzinogenese, der vorgeburtlichen Krebsverursa- chung. Aus zahlreichen Experimen- ten an verschiedenen Tierarten (Mäuse, Ratten, Hamster, Kanin- chen, Hund) war schon seit einiger Zeit bekannt, daß manche Kanze- rogene, die einmalig in vergleichs- weise geringen Dosen während der Gravidität gegeben wurden, nach zunächst normaler Geburt bei den Nachkommen im späteren Leben in hohem Prozentsatz zu Malignomen führten. Dabei entstanden haupt- sächlich Tumoren im zentralen und peripheren Nervensystem, Wilms- Tumoren sowie Mammakarzinome.

Die Bedeutung dieser Befunde für die Ätiologie des Krebses bei Kin- dern liegt auf der Hand, zumal die beiden erstgenannten Tumortypen etwa 30 Prozent der Tumoren bei Kindern ausmachen. Wir haben im eigenen Institut inzwischen Anhalts- punkte dafür, daß möglicherweise auch „Alterskrebse" bereits pränatal angelegt worden sein können.

Die im Experiment gemachten Be- obachtungen zur transplazentaren Karzinogenese konnten inzwischen im Grundsatz auch für den Men- schen nachgewiesen werden. In den USA wurde nämlich beobachtet, daß bei jungen Mädchen ein sehr selte- ner Tumortyp, ein Adenokarzinom der Vagina, das üblicherweise nur bei alten Frauen vorzukommen pflegte, dann gehäuft auftritt, wenn die Mütter dieser Mädchen während der Schwangerschaft zur Abortpro- phylaxe in hohen Dosen das synthe- tische Östrogen 4,4'-dioxy-a, ß-diä- thylstilben appliziert bekommen hat- ten. An einem Zusammenhang zwi- schen dieser (pränatalen) Medika- tion und dem späteren Auftreten der Scheidenkarzinome wird von ameri- kanischen Epidemiologen nicht ge- zweifelt. Abschließend sei zu diesem

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Art des Nah- Verbindung '4/kg Autoren rungsmittel

Frankfurter Dimethylnitros- 0 bis 84 Wassermann, A. E.,

Würstchen amin u. Ma.: Food Cos-

met. Toxicol. 10 (1972) 681 Roher Fisch Dimethylnitros- 0 bis 4 Fazio, T., u. Ma.:

amin Agr. Food Chem. 19

(1971) 250 Crosby, N. T., u.

Ma.: Nature 238 (1972) 342 Geräucherter Dimethylnitros- 4 bis 26 Fazio, T., u. Ma.:

Fisch mit Nitrat amin Agr. Food Chem. 19

oder Nitrit (1971) 250

behandelt

Gebackener Fisch Dimethylnitros- 1 bis 9 Crosby, N. T., u. Ma.:

amin Nature 238 (1972)

342 Käse (Dänish

Blue, Gouda, Tilsiter, Ziegen- milchkäse Salami

Schinkenspeck, Rauchfleisch, Pfefferschinken roh und gebraten

Dimethylnitros- 1 bis 4 amin

Dimethylnitros- 10 bis 80 amin

Dimethylnitros- 1 bis 60 amin

N-Nitrosopiperidin 4 bis 67 N-Nitroso- 1 bis 78 pyrrolidin

Crosby, N. T., u.

Ma.: Nature 238 (1972) 342

Sen, N. P.: Food Cosmet. Toxicol. 10 (1972) 219

Eisenbrand, G., u.

Ma.: Abstr. 4th IARC Meeting an Anal. & Formation of N-Nitroso Comp., Tallinn, Oct. 1975, IARC Sci publ. im Druck Tabelle 3: Gehalt an Dimethylnitrosamin, N-Nitrosopiperidin und N-Nitrosopyrrolidin in verschiedenen Lebensmitteln

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Kanzerogene Substanzen

Themenkomplex gesagt, daß wir über die hohe Empfindlichkeit von fötalen Geweben im Vergleich zu postnatalen überrascht waren; der entsprechende Faktor liegt bei 50- 100.

Pharmakoreaktionen im Magen Der zweite Aspekt bei der iatrogenen Karzinogenese, der vordringlich weiterer intensiver Bearbeitung be- darf, liegt in dem Befund, daß beim Zusammentreffen von Aminen mit Nitrit im sauren Milieu des Magens hochkanzerogene Nitrosamine oder Nitrosamide entstehen können (Ta- belle 2). Das für die Praxis wichtigste Beispiel ist das Aminopyrin. Nicht zuletzt wegen der möglichen Nitro- sierbarkeit dieses Produktes und der Freisetzung extrem kanzerogen wirksamer N-Nitroso-Verbindungen sowie der möglichen Nephrotoxizi- tät ist Aminopyrin in den USA und England heute nicht mehr im Ge- brauch. Von praktischer Bedeutung ist, daß die Nitrosierungsreaktion im Magen durch Ascorbinsäure ge- hemmt werden kann.

Selbstverständlich können auch Amine nichtmedikamentöser Her- kunft beim Zusammentreffen mit Ni- trit im Magen oder anderen Medien zu karzinogenen N-Nitrosoverbin- dungen führen. Folglich wurden Ni- trosamine — wenn auch in kleineren Mengen — in einer Vielzahl von Le- bensmitteln nachgewiesen (Tabelle 3). Da Nitrit im Speichel vorkommt und Amine zwangsläufig mit der Nahrung aufgenommen werden, können sich wahrscheinlich „phy- siologischerweise" ständig kleinste Mengen von kanzerogenen N-Nitro- soverbindungen in unserem Körper bilden. Ob diese kleinen Dosen von Kanzerogenen für die Krebsentste- hung von Bedeutung sind, ist noch nicht endgültig entschieden; es ist jedoch wahrscheinlich, daß sich auch kleinste Dosen sowohl lokal wie auch systemisch wirkender Kar- zinogene praktisch verlustlos in ih- rer Wirkung addieren, wenn die Or- ganotropie der verschiedenen Sub- stanzen die gleiche ist. Da wir damit zu rechnen haben, daß während des

Lebens eine Vielzahl von Kanze- rogenen auf den Menschen einwir- ken, sollte künftig dem Problem der Kombinationswirkungen („Synkarzi- nogenese") erhöhte Aufmerksam- keit geschenkt werden.

„Natürliche" Karzinogene

Während man früher der Meinung war, Karzinogene seien obligat Ab-

fallprodukte unseres Industriezeital- ters, weiß man heute, daß es auch eine Vielzahl „natürlicher" Karzino- gene gibt (Tabelle 4). Dieser Befund ist an sich nicht überraschend, ken- nen wir doch in der Natur auch sonst extrem toxische Substanzen. Als be- sonders gefährlich müssen manche Stoffwechselprodukte einiger Schimmelpilzarten gelten (zum Bei- spiel Aflatoxine), die sich an einem

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 2 vom 13. Januar 1977 91

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Krebserzeugende Wirkung natürlicher Karzinogene beim Menschen sicher/wahrscheinlich möglich nicht beurteilbar Aflatoxine

Arsenik Asbest Betelnüsse Cycas circinalis Pteris aquilina Pyrrolizidinalkaloide Streptozotocin Tabak

Actinomycine Äthionin Griseofulvin Luteoskyrin Tannine (epikutan) Thioharnstoff

Calamusöle

Candida parapsilosis Ciaviceps purpura Cumarin

Elaiomycin

Encephalortos Hildebrandt Krameria ixina

Phorbol Protoanemonin Safrol

Sanguinarin Sterigmatocystin Tabelle 4: Naturstoffe, die auf Grund epidemiologischer Studien, kasuistischer Mitteilungen oder tierexperimenteller Untersuchun- gen als potentielle Karzinogene für den Menschen gelten müssen Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin

Kanzerogene Substanzen

breiten Spektrum verschiedener Tierarten bereits in sehr geringen Dosen als stark kanzerogen erwie- sen haben, und zwar auch bei trans- plazentarer Verabreichung.

Schwierigkeiten der ätiologischen Fährtensuche

Die kanzerogene Wirkung chemi- scher Substanzen zeichnet sich meist durch eine lange Induktions- oder Latenzzeit aus, die beim Men- schen viele Jahre bis Jahrzehnte be- tragen kann. Es handelt sich also um eine extrem chronische Giftwirkung.

Dieser Umstand erschwert die ätio- logische Fährtensuche natürlich un- gemein, da die verantwortlichen No- xen eben vor langer Zeit eingewirkt haben können, ohne daß dies dem Patienten oder dem Anamnese erhe- benden Arzt bewußt sein konnte.

Weiter erschweren die bereits ange- deuteten Probleme der „Synkarzi- nogenese" das Erkennen kausaler Zusammenhänge. Nur in besonders gelagerten Fällen, wie zum Beispiel

„Berufskrebs" oder beim Bronchial- krebs (Inhalation von Tabakrauch, Luftverunreinigung), stehen wir be- züglich der Ätiologie auf vergleichs- weise sicherem Boden. Erhebliche Fortschritte sind hier von der Epide- miologie und der geographischen Pathologie zu erwarten, da über das

Zusammentragen von Massenbeob- achtungen hinaus Hinweise auf Ur- sache und Wirkung gegeben werden könnten, die dann experimentell zu bestätigen oder zu verneinen wären.

Von großer Wichtigkeit erscheint aber nicht zuletzt eine genaue Anamneseerhebung bei Krebskran- ken zu sein, die im Einzelfall wichti- ge Hinweise auf ätiologische Fakto- ren erbringen könnte.

„Genotoxische" Substanzen Wir haben bisher nur sehr schemati- sierend und summarisch von eini- gen kanzerogenen Substanzen ge- sprochen und dabei die wichtigsten Reaktionspartner, nämlich die tieri- schen Zellen, Organe und Organsy- steme nicht erwähnt. Dies soll an dieser Stelle abschließend nur inso- weit geschehen, als es zum Ver- ständnis der Wirkung von Kanze- rogenen wichtig erscheint. Bei die- sen Verbindungen handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um

„genotoxische" Substanzen, die die Erbstrukturen somatischer Zellen ähnlich wie bei Mutationen irreversi- bel zu ändern vermögen. Mit der Än- derung geht meist ein Verlust der angestammten Funktion einher.

Neuere Untersuchungen haben vor allem am Beispiel kanzerogener aro- matischer Polyzyklen, aromatischer Amine und N-Nitrosoverbindungen

ergeben, daß die meisten Kanze- rogene im Organismus metaboli- schen Veränderungen unterworfen werden müssen, um zu ihrer eigent- lichen „Wirkform" zu kommen.

Diese Metabolisierung kann bei vie- len Tierarten und auch beim Men- schen identisch ablaufen, sie kann aber auch — von Substanz zu Sub- stanz verschieden — speziesspezifi- schen qualitativen und quantitativen Unterschieden unterliegen. Sogar innerhalb einer Spezies sind quanti- tativ bedeutsame individuelle Varia- tionen möglich. Damit gewinnt erst- malig der bisher amorphe Begriff der „Disposition" umrissene Kontu- ren, denn die genetisch vorgegebe- ne Fähigkeit zur metabolischen Um- wandlung mancher Kanzerogene in ihrer „Wirkform" könnte wesentlich mit zur individuellen Krebsgefähr- dung beitragen.

Literatur

Bauer, K. H.: Das Krebsproblem, Springer Ver- lag, Berlin, Heidelberg. New York, 1963 - Bo- govski, P., und Walker, E. A.: N-Nitroso-Com- pounds in the Environment, IARC Sci. Publ.

No. 9, Lyon, 1975 - IARC Int. Techn. Rep. 75/

001, Report of a working group on epidemiolo- gical studies on vinyl chloride exposed people, Lyon, 1975 - Ivankovic, S. Praenatale Carcino- genese, Handbuch Allg. Path. 6 (1975) 941- 1002, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York - Preussmann, R.: Chemische Carcinoge- ne in der menschlichen Umwelt, Handbuch Allg. Path. 6 (1975) 421-594, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York - Schmähl, D.:

Entstehung, Wachstum und Chemotherapie maligner Tumoren, 2. Aufl., Editio Cantor, Au- lendorf (1970) - Schmähl, D., Thomas, C., und Auer, R.: latrogene Carcinogenesis, Springer Verlag, Berlin, Heidelberg New York (1977) im Druck - Schmähl, D.: Combinations effects in chemical carcinogenesis, Experimental re- sults, Oncology, 33, 73-77 (1976) - Ts'o, P. 0.

P., und DiPaola, J. A.: Chemical Carcinogene- sis, M. C. Decker, Inc., New York, 1974.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Dietrich Schmähl

Deutsches Krebsforschungszentrum Institut für Toxikologie

und Chemotherapie Im Neuenheimer Feld 280 6900 Heidelberg 1

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