Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 1–2|
6. Januar 2014 A 15 KRANKENHAUSLEISTUNGENPreisunterschiede kaum erklärbar
Eine Studie hat die Ursachen der unterschiedlichen Preisniveaus für Krankenhausleistungen in den Bundesländern untersucht: Zwei Drittel der Variationen sind auf historisch bedingte, ökonomisch nicht begründbare Unterschiede zurückzuführen.
U
m die unterschiedlich hohen Preise für Krankenhausleis- tungen in den Bundesländern zu verstehen, lohnt ein Blick auf die Einführung des DRG-Systems in Deutschland 2004: Mit der Umstel- lung der Krankenhausvergütung auf diagnosebezogene Fallpauschalen (Diagnosis Related Groups, DRG) wurde damals für jede DRG ein re- lativer Preis (Relativgewicht) fest- gesetzt. Für jedes Krankenhaus wurde dann aus dem bisherigen Budget und der Summe aller Rela- tivgewichte der erbrachten Leistun- gen (Casemix) ein Preisniveau ab- geleitet. Dieser krankenhausindivi- duelle Basisfallwert multipliziert mit dem jeweiligen Relativgewicht ergab den Pauschalpreis, den das Krankenhaus für eine DRG von den Krankenkassen erhielt.Die krankenhausindividuellen Basisfallwerte variierten erheblich – und somit auch die Preise für ei- gentlich gleiche Leistungen. In der Folge wurden die Basisfallwerte aneinander angeglichen in Rich- tung eines einheitlichen Landesba- sisfallwerts (LBFW). Seit 2010 gel- ten einheitliche Basisfallwerte in den Bundesländern. Die Höhe des LBFW verhandeln die Landesver- bände der Krankenkassen und die Landeskrankenhausgesellschaften jährlich für das nächste Jahr.
Von 2010 bis 2014 werden die LBFW nun schrittweise an einen bundesweiten Basisfallwertkorridor angeglichen. Die Grenzen dieses Korridors liegen bei plus 2,5 Pro- zent und minus 1,25 Prozent um ei- nen Bundesbasisfallwert, der von Kassen und Krankenhausgesell- schaft auf Bundesebene verhandelt wird. Dabei ist für die LBFW, die über der Korridorgrenze liegen, ei- ne maximale Absenkung um 0,3 Prozent möglich. 2014 beträgt der Bundesbasisfallwert 3 157 Euro.
Um Erkenntnisse darüber zu er- halten, ob die abweichenden Preis- niveaus für Krankenhausleistungen in den Ländern wegen unterschied- licher Versorgungs- und Kosten- strukturen weiterhin gerechtfertigt sind, hatte das Bundesgesundheits- ministerium beim Rheinisch-West- fälischen Institut für Wirtschaftsfor- schung (RWI) ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt.
Danach kann die Variation in den LBFW im Untersuchungsjahr 2007 nur zu 22 Prozent durch unter- schiedliche Kostenniveaus und an- dere Faktoren wie die Höhe der In- vestitionsfördermittel erklärt wer- den. Zusätzliche Erlöskomponen- ten, besonderes Verhandlungsge- schick, Qualitätsunterschiede oder besondere Krankenhaus-/Bundes- landstrukturen spielten hingegen keine Rolle: „Insofern ist davon auszugehen, dass mindestens zwei Drittel der Variation der LBFW auf historisch vorhandene, jedoch öko-
nomisch nicht begründbare Unter- schiede zurückzuführen sein müs- sen“, schlussfolgern die Wissen- schaftler. Die Variation der LBFW habe von 17,1 Prozent im Jahr 2005 auf 7,9 Prozent im Jahr 2013 zwar deutlich abgenommen, sie bestehe aber auch 2013 in relevanter Grö- ßenordnung fort (Grafik).
Der Arbeitsgruppe Gesundheit hat die RWI-Studie offenbar wäh- rend der Koalitionsverhandlungen bereits vorgelegen, als sie das Kapi- tel „Krankenhausversorgung“ für den schwarz-roten Koalitionsver- trag formulierte. So hat sich die neue Bundesregierung explizit vor- genommen, die nicht begründbaren Preisunterschiede für Krankenhaus- leistungen aufzuheben. Die Bund- Länder-Gruppe wird deshalb aufge- rufen, auf Basis des RWI-Gutach- tens entsprechende Eckpunkte zu erarbeiten. 2016 soll dann ein neues Gesetz in Kraft treten.
Das klingt einfacher, als es ist.
Denn eine weitere Angleichung der Landesbasisfallwerte, womöglich hin zu einem Bundesbasisfallwert, kann nicht angegangen werden, ohne die Höhe der Investitionsfördermit- tel in den Ländern zu betrachten.
Krankenhäuser mit mehr Investiti- onsfördermitteln können nämlich über Investitionen ihren Kranken- hausbetrieb effizienter gestalten und müssen weniger investive Mit- tel aus den DRG-Erlösen abziehen.
Beides führt zu niedrigeren Kran- kenhauspreisen in den betreffenden Bundesländern. Am Ende hängt also alles mit allem zusammen: der einheitliche Bundesbasisfallwert, die Investitionsfinanzierung und damit letztlich auch die Kranken- hausplanung. Auf Bundesgesund- heitsminister Hermann Gröhe (CDU) wartet in der Bund-Länder- Gruppe eine Herkulesaufgabe.
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Jens Flintrop GRAFIK
Gleiche Leistung, anderer Preis:
2013 galt in Schleswig-Holstein mit 3 012 Euro der niedrigste Landes- basisfallwert, in Rheinland Pfalz mit 3 251 Euro der höchste.
Abweichung der LBFW vom kleinsten Wert 2013
Rheinland-Pfalz Saarland Baden-Württemberg Bremen Hamburg Bayern Hessen Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Mecklenburg-Vorpommern Sachsen-Anhalt Berlin Thüringen Brandenburg Sachsen Schleswig-Holstein
7,9 % 4,6 % 3,4 % 3,1 % 3,1 % 2,9 % 1,8 % 0,8 % 0,3 % 0,3 % 0,2 % 0,1 % 0,1 % 0,0 % 0,0 % 0,0 %
Quelle: Eigene Berechnungen, AOK-Bundesverband (2013)