DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT GIBT BEKANNT
Bei der Verschreibung des
Antiarrhythmikum Aprindin beachten:
Aprindin ist ein neues An- tiarrhythmikum, das in Belgi- en, Dänemark, den Nieder- landen, in Österreich, Spani- en und seit kurzem auch in der Bundesrepublik unter dem Namen Amidonal® er- hältlich ist.
Das niederländische Zentrum für die Überwachung von Arzneimittel-Nebenwirkungen hat soeben über sechs Fälle von Agranulozytose, darunter zwei mit tödlichem Ausgang, berichtet*), bei denen ein Zu- sammenhang mit der Einnah- me von Aprindin nicht ausge- schlossen werden kann. Seit kurzem liegen auch der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft zwei Berichte über letal verlaufe- ne Agranulozytosen vor, bei denen ebenfalls ein solcher Zusammenhang nicht ausge- schlossen werden kann.
Die Arzneimittelkommis- sion rät im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsamt zur vorsorglichen Überwa- chung des Blutbildes. Der Hersteller hat in die Neuauf- lage seines Ärzteprospektes und der Packungsbeilage be- reits entsprechende Hinweise aufgenom men**).
Im Januar dieses Jahres wur- de aus der Medizinischen Klinik und dem Pathologi-
schen Institut der Universität Marburg über eine Sympto- matik nach Einnahme von Aprindin berichtet***), die ei- ner Virushepatitis ähnlich ist.
Durch einen Reexpositions- versuch konnte ein Zusam- menhang wahrscheinlich ge- macht werden. Inzwischen wurden der Arzneimittelkom- mission sieben Fälle von cholestatischer Hepatose be- richtet, bei denen ein Zusam- menhang mit einer Aprin- din-Behandlung nicht auszu- schließen war.
Die Arzneimittelkommis- sion rät deshalb im Einver- nehmen mit dem Bundesge- sundheitsamt vorsorglich zur Überprüfung der Leberfunk- tion. Der Hersteller hat in der Neuauflage von Ärztepro- spekt und Packungsbeilage entsprechende Hinweise ge- geben.
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bittet um Mitteilung einschlä- giger Beobachtungen.
Präparat:
Aprindin: Amidonal® (Ma- daus), Kapseln, Ampullen
*) Nederl. Tijdschr. Geneesk.
120(36)1549-50(1976)
**) Der Hersteller hat am 30. 7.
1976 die Ärzteschaft hierüber brieflich informiert.
***) Dtsch. Med. Wschr.
101(4)111-113(1976)
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Kassenstreit
um Arzneimittelpackungen
Um den Ausgabenanstieg für Arz- neimittel zu bremsen, forderte der Verband der Angestellten-Kranken- kassen in Siegburg die pharmazeu- tische Industrie auf, ihr Angebot an kleinen, auf das Krankheitsgesche- hen ausgerichteten Packungen zu verstärken. Dies gelte insbesonde- re für die Behandlung von kurzfri- stigen Krankheiten. Überdies sei eine größere Transparenz auf dem Arzneimittelmarkt erforderlich. Au- ßerdem sollten nach Ansicht des Verbandes die ärztlichen Verord- nungen und die Verbrauchsent- wicklung analysiert werden.
Der Bundesverband der Pharma- zeutischen Industrie trat den Be- hauptungen und Forderungen der Ersatzkassen entgegen, die phar- mazeutische Industrie ziehe in zu- nehmendem Maß Kleinpackungen zurück. Der Pharma-Verband berief sich auf eine Auskunft des zentra- len Informationsbüros der Apothe- kerschaft, nach der die aus dem Handel gezogenen Kleinpackungen im wesentlichen solche Präparate beträfen, die zur Behandlung von chronischen Krankheiten bestimmt seien. In solchen Fällen seien grö- ßere Packungen wirtschaftlicher.
Man erinnert sich noch sehr gut der vor einigen Jahren vorgetrage- nen Forderung aus Kassenkreisen, größere Arzneimittelpackungen herzustellen — eine Forderung üb- rigens, die ebenso lauthals vorge- bracht wurde wie jetzt die gegen- teilige. Größere Packungen seien wirtschaftlicher, hieß es damals auch aus „Kassenmund", unter an- derem, weil sie Wiederholungen der Verschreibung ersparen würden.
Sosehr die Kassenärzte auch er- warten, daß alle am Gesundheits- wesen Beteiligten kostenbewußter handeln — und nicht nur die Kas- senärzte allein —, sosehr ist aber auch zu hoffen, daß sich die Ko- stendiskussion nicht in opportuni- stischen PR-Aktionen erschöpft, die wohl vertuschen sollen, daß man nicht selbst, sondern nur am
anderen sparen DÄ
Schweden will
Krankenhausleistungen drastisch beschränken
Um das auch in Schweden immer teurer werdende Krankenhauswe- sen zu entlasten, hat die oberste Gesundheitsbehörde in Stockholm einen Perspektivplan für die achtzi- ger Jahre veröffentlicht, der ei- ne drastische Beschränkung der
Krankenhausleistungen vorsieht.
Statt dessen soll die ambulante Versorgung außerhalb der Kran- kenhäuser verstärkt ausgebaut werden. Die primärärztliche Ver- sorgung soll in erster Linie hospi- talunabhängig in sogenannten me- dizinischen Zentren erfolgen, die mit zwei bis drei Allgemeinärzten besetzt sein sollen. Man beabsich- tigt, die sogenannten Gesundheits- zentren und sozialen Zentren der
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 39 vom 23. September 1976 2419
Die Information:
Bericht und Meinung Schweden
Gemeinden möglichst in denselben Gebäuden unterzubringen, um sie unktional zusammenzufassen, eine Entwicklung, die übrigens auch in den Niederlanden seit einigen Jah- ren im Gange ist.
..,. Untersuchungen des staatlichen schwedischen Rationalisierungsin- stituts (SPRI) haben ergeben, daß heute noch zu viel Bagatellfälle die überaus teuren Krankenhaus- betten blockieren und die Polikli- nikkosten für Patienten im Ver- gleich zur ambulanten Versorgung außerhalb der Krankenhäuser überdurchschnittlich hoch liegen.
Über den "Umkehrtrend" in der schwedischen Gesundheitspolitik, über den forcierten Ausbau der
Arztkontakte in Millionen
20+=+~=+=+~=+:,...~~Gesamt
15 ~ i
I I
1 ambulante
J...t-~1';~' ~~Versorgung
10 /'"" ~" in Hospitälern,
~...1 .-a~ an medizinischen 5 +rw-"-t-~-t--!-+-+--+----1 Zentren
I
i1972 74 76 78
Trend der ambulanten ärztlichen Ver- sorgung in Schweden
ambulanten Versorgung und die deutliche Abkehr von einer traditio- nell krankenhauszentrierten Medi- zin in Schweden, über die Kosten und die staatlichen Perspektivplä- ne, über die Präventivmedizin und die psychiatrische Versorgung so- wie über die Reform im Bereich der Privatpraxis informiert eine im November erscheinende Studie des Zentralinstituts für die kassen- ärztliche Versorgung in der Bun- desrepublik Deutschland mit dem Titel "Ärztliche Versorgung in Schweden - Erfahrungsbericht und Auswertung zwei er Studienreisen".
Die Schrift (61 Seiten) ist in der Heftreihe des Zentralinstituts (Heft 7/1976) erschienen; sie kann beim Zentralinstitut für die kassenärzt- liche 'Versorgung, Haedenkamp- straße 5, 5000 Köln 41, bezogen
werden. DÄ
AUS DEN BUNDESLÄNDERN
SCHLESWIG-HOLSTEIN
Praktisches Jahr läßt sich hier durchführen
Die Voraussetzungen zur Ablei- stung des praktischen Jahres der Medizinstudenten nach der neuen Approbationsordnung werden in Schleswig-Holstein geschaffen.
Wie Kultusminister Professor Braun mitteilte, hat sich die Medizi- nische Hochschule Lübeck bereit erklärt, ihre Studenten während des praktischen Jahres selbst aus- zubilden.
Dagegen reicht die Kapazität des Kieler Klinikums dafür nicht aus.
Deshalb werden je 60 Ausbildungs- plätze für innere Medizin und für Chirurgie in anderen Kliniken ge- sucht. Zur Zeit laufen Verhandlun- gen mit dem Städtischen Kranken- haus und dem DRK-Krankenhaus Kiel, dem Zweckverbandskranken- haus ltzehoe und der Diakonissen- anstalt in Flensburg.
Da die Ausbildung je Fachrichtung nur vier Monate dauert, werden insgesamt 180 Studenten ihr prakti- sches Jahr außerhalb der Universi- tätskliniken ableisten müssen. Um den akademischen Lehrkranken- häusern ihren Aufwand zu vergü- ten, hat die Landesregierung für die Jahre 1978 bis 1980 je 500 000
DM eingeplant. yn
BERLIN
Ein "Krisenzentrum"
für mißhandelte Frauen
Als erstes Bundesland eröffnet Berlin ein "Krisenzentrum für miß- handelte Frauen", das als Modell betrachtet und vom Bund und von Berlin im Verhältnis 80 zu 20 Pro- zent finanziert wird. Das "Krisen- zentrum für mißhandelte Frauen"
wird als Modellvorhaben in den er- sten drei Jahren von Wissenschaft- lern begleitet, die vom Bundesmini- sterium für Familie, Jugend und Gesundheit beauftragt werden. Et-
2420 Heft 39 vom 23. September 1976 DEUTSCHES ARZTEBLATT
wa 70 Prozent der öffentlichen Mittel in Höhe von 450 000 DM für das Jahr 1977 sind für das Betreu- ungspersonal vorgesehen. Die Ko- sten für den täglichen Lebensun- terhalt der Frauen und ihrer Kinder sollen von den Frauen selbst auf- gebracht und im Falle der Bedürf- tigkeit aus Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bestritten
werden. zel
BADEN-WÜRTTEMBERG
Neues Berufsbild:
Der Medizin-Techniker
An der Medizinisch-Technischen Akademie in Eßlingen hat zum er- stenmal eine zweijährige Ausbil- dung zum "Medizin-Techniker" be- gonnen.
in diesem neuen Beruf sollen ge- eignete Praktiker aus der Metall- oder Elektrobranche - Vorausset- zung für die Ausbildung ist eine mindestens zweijährige Berufspra- xis als Facharbeiter - einmal mit der Technologie in Praxis und Krankenhaus umgehen, insbeson- dere aber auch die kostspieligen technischen Geräte im Kranken- haus warten und reparieren. Au- ßerdem läßt sich erwarten, daß sich auch die Herstellerindustrie für den "Medizin-Techniker" inter- essieren wird.
Die Ausbildung in Eßlingen erfolgt nach Ausbildungsplänen, die mit dem Kultusministerium von Baden- Württemberg abgestimmt wurden, und sie endet mit einer unter staat- licher Aufsicht durchgeführten Prü- fung. Für den ersten Lehrgang mel- deten sich 800 Bewerber, von de- nen nur 40 berücksichtigt werden konnten (Auch eine Form des Nu- _merus clausus; das Ausmaß ist
noch viel krasser als in den akade- mischen Berufen!).
Für 1977 ist die Kapazität schon fast ausgebucht, und sogar für das Jahr 1978 liegen bereits Anmeldun-
gen vor. us