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Archiv "Patient Lenin ein Übermensch?: I. Schlußwort" (13.11.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Patient Lenin

Man merkt die Absicht, und man wird verstimmt — die trüben politi- schen Motive des Herrn Hesse soll- ten auch der Redaktion nicht ent- gangen sein, und mir bleibt zu wün- schen, daß sich das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT zukünftig für derar- tig niveaulose pseudomedizinische Beiträge zu schade sein wird.

Thomas Weinert Medizinalassistent 1 Berlin 21

Lübecker Straße 45

111. Zeugnis von Nonne

Der Aufsatz regte mich zum Nach- denken an, weil ich als damaliger Mitarbeiter von Prof. Pette (Ham- burg-Eppendorf, Schüler von Prof.

Max Nonne) Herrn Prof. Nonne kennenlernte und insbesondere im April/Mai 1949 an einer 14tägigen Arbeitstagung im Hause von Dr.

Evers in Hachen zusammen mit Herrn Prof. Nonne teilnahm (es ging um die multiple Sklerose). Ich war wie Herr Prof. Nonne im Hause von Dr. Evers untergebracht (er wegen Ehrwürdigkeit, ich wegen Geldmangels als junger Assistent).

Dabei ergaben sich abends lange Gespräche.

Prof. Nonne hat bekanntlich 1923 an der Behandlung Lenins in Mos- kau teilgenommen. 1949 hat er mir und anderen ärztlichen Zuhörern über die Behandlung Lenins einge- hend berichtet. Ich erinnere mich an viele Einzelheiten, möchte aber der gebotenen Kürze wegen nur zwei Gesichtspunkte mitteilen.

Ich stellte Herrn Prof. Nonne ver- schiedene Fragen, deren Inhalt sich durch Gerüchte erklärte, die mir als Student zu Ohren gekom- men waren.

0 Litt Lenin an einer syphiliti- schen Hirnerkrankung? Prof. Non- ne hat diese Frage entschieden verneint. Entsprechende Gerüchte entbehrten jeder Grundlage. Es habe sich um eine Hirnarterioskle- rose gehandelt. (Dies ist deshalb besonders wichtig, weil Nonne — Verfasser der bekannten Monogra-

phie „Syphilis und Nervensystem"

— zur damaligen Zeit als europäi- sche, vielleicht weltweit als die Ka- pazität auf dem Gebiet der Hirnlu- es galt).

Haben Sie Lenin zisternal punk- tiert? Auch diese Frage verneinte Nonne und berichtete im einzelnen, daß die zugestandenen Untersu- chungsgänge sehr dürftig waren.

Wer Nonne gekannt hat weiß, daß es sich um einen furchtlosen, kom- promißlos logisch denkenden, lei- denschaftlichen Wissenschaftler gehandelt hat, dessen Worte Ge- wicht haben.

Dr. med. Otto Wullstein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

287 Delmenhorst Lange Straße 85/86

I. Schlußwort

Wir zweifeln natürlich — trotz kom- munistischem Moralkodex im Um- gang mit Kapitalisten, famoser Ly- senko-Genetik, phantastischer Re- generationserscheinungen an des Meisters Mumie, trotz Schaupro- zessen usw. usw. — keinen Augen- blick, daß Aschoff und Hamperl tat- sächlich Lenins Enzephalon und nicht irgendeines unverdächtigen Potemkins aus der zu Vergleichs- zwecken eigens angelegten Hirn- sammlung untersuchten. Es war ja leicht an den Superganglien der dritten Schicht zu identifizieren, auch wenn die Schnitte dem Ver- nehmen nach ziemlich dilettantisch präpariert waren.

Bloß: Wieso vermeldet Hamperl noch in seinem „Werdegang und Lebensweg eines Pathologen"

(Stuttgart — New York 1972, S.

102)• 31 - Lenin hatte ja mehre- re Schlaganfälle erlitten, auch Lues wurde erwogen ... " und nichts von der definitiven Klärung, ge- schweige seiner persönlichen Be- teiligung daran? Demnach wäre Lenin zu allem übrigen ein Hypo- chonder par excellence und die Lues-cerebri-in-vivo-Diagnose des ganzen illustren Gremiums schiere Scharlatanerie.

Ansonsten scheint das Psychokli- ma des Moskauer Hirnforschungs- Instituts wissenschaftlicher Red- lichkeit nicht gerade zuträglich ge- wesen zu sein: Hamperl zufolge

„verkündet" Vogt den „Assozia- tionsathleten" und sein Elite-Enze- phalon, weil er die Sowjetpression nicht verkraftet, und unterwirft sich seinem Posten zuliebe beflissen einem Examen in dialektischem Materialismus (ebd. S. 104). Wenn Vogt wirklich sine bona fide die anatomische Verklärung zelebriert, dann kann man über dieses Kapitel die Akten schließen.

Dagegen ist das Plazet zur Lues von seiten des Patienten wie der gesamten Equipe — Frau, Schwe- ster, ärztlicher Bruder, Sowjetfüh- rung einschließlich Stalin, Trotzki, Mediziner Semaschko und russi- schen Ärzten — jedenfalls nicht mehr aus der Welt zu schaffen.

Über die kollektive Luophobie, ihre historische, soziologische, religiö- se und politische Pathogenese kann ich mich hier nicht äußern.

In puncto Lenin ist die Sache ein- fach — er persönlich prophezeit seine „Paralyse", nicht „Läh- mung", während in Übereinstim- mung damit die öffentliche Mei- nung Rußlands nur ihn und keinen anderen, zeitweise viel prominente- ren bzw. verhaßteren Führer

—Trotzki, Dsershinski, Sinowjew, Swerdlow, Radek, Mme. Kollontai, Stalin usw. — der Syphilis bezich- tigt (George Popoff, „Ich sah die Revolutionäre", Bern 1967, S. 170 u. a. 0.; Nikolaus von Sementow- ski-Kurilo — persönliche Mittei- lung).

Schließlich besteht auch darin gar nicht der neuropsychiatrische Eklat: Die zerebralen Krampfanfäl- le bei hereditärer Belastung, Hirn- schrumpfprozeß, Hypertypisierung usw. usw. sind die Pointe. Und daß man einen Anfallskranken mit Kampfer traktiert.

Zu der „Kritik"

des Herrn Weinert

Anscheinend hat er seines Mei- sters „Materialismus und Empirio-

3206 Heft 46 vom 13. November 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Patient Lenin

kritizismus" diagonal studiert.

Denn worin besteht die — übrigens ständig wiedergekäute — Quintes- senz dieses philosophisch aufgeta- kelten Pamphlets wider die „Floh- knacker" und „Fideisten" vom Schlage eines Helmholtz oder Mach, dem Vorläufer Einsteins?

„Das Psychische, das Bewußtsein usw., ist das höchste Produkt der Materie (d. h. des Physischen), es ist eine Funktion jenes besonders komplizierten Stückes Materie, das als Gehirn des Menschen bezeich- net wird." (Lenin-Werke, Bd. 14, S.

226 u. a. 0.)

Na, und was wird ein krankes Hirn produzieren? Richtig, ein krankes Bewußtsein, mein Lieber, ein kran- kes. Daß freilich Bewußtsein nicht gleichbedeutend ist mit Intelligenz, muß der Mediziner Weinert noch lernen. Deshalb kann der zerebrale Frühinvalide Lenin ein derartiges Elaborat verfassen, obwohl er laut eigenem Eingeständnis „nicht bele- sen" in der Philosophie (Lenin- Briefe, Bd. II, S. 138 und 142) erst sechs Jahre später den Marxismus nach eingehender Beschäftigung mit Hegel richtig kapiert. (Lenin- Werke, Bd. 38, S. 170)

Die sophistische Intelligenz bleibt bei ihm weitgehend intakt und ge- deiht zu jener gerissenen Bauern- schläue, welche einerseits wütend gegen die Kleinbesitzer geifert und ein demonstrativ karges Regie- rungschef-Salär für sich fordert (6000 Rubel p. a. — Lenin-Briefe V, S. 75/76), nebenbei aber 4,7 Millio- nen ins eigene Säckel kassiert.

(Lenin-Werke, Erg.-Band, 1917- 1923, S. 483).

Unser aufgestörter Leninist wird's zwar nicht schlucken — nichtsde- stoweniger sind seine Verbalinjuri- en vergnügliche Stichworte für ab- schließende Feststellung: Letzten

Endes besteht die Absicht meiner Lenin-Skizze nicht darin, dem adli- gen Bourgeoisie-Abkömmlung am psychiatrischen Zeuge zu flicken.

Sie soll vielmehr exemplarisch den bis in die medizinische Wissen- schaft reichenden politischen Feti- schismus, einschließlich Infantili-

sierung der Massen, erhellen. Sie soll im Kontrast zum Diamat die

„pathische Dialektik" der Historie, die „Geschichte in der Klinik"

(Heinrich Mann) und jene „lex alie- nationis" präsentieren, welche die

„Dinge für uns" (Engels) zu „Din- gen an sich" entstellt.

Voilä die „trüben politischen Mo- tive" Weinerts. Unter sotanen Aspekten nahm denn auch meine erste Pathographie „Anfallsleiden und Psychose Loyolas" (Nerven- arzt, 38, 3, 1967, S. 102 bis 107), des Gründers der Societas Jesu (1490 bis 1556) — in der DDR mit Beifall quittiert — ins neuropsy- chiatrische Visier. Der magische Überbau seines Hirnleidens persi- stiert 400 Jahre — wie lange noch Lenins, von dem Trotzki vor seiner bolschewistischen Metanoia nach 1913 ein später gern verleugnetes Porträt entwirft: „Wie ein unsinni- ger Teufelsspuk mutet einen das

Im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT vom 14. August, Heft 33/1975, Seite 2319, werden kritische Anmerkun- gen zur Kosten-Nutzen-Analyse der Grippeschutzimpfungen gemacht.

Da der Vorspann dieses Beitrages die Effizienzmessung in den Verei- nigten Staaten hervorhebt, sei auf einen Beitrag im „Niedersächsi- schen Ärzteblatt" (6) unter der Überschrift „Influenzaimpfung:

Empfehlungen des öffentlichen Ge- sundheitsdienstes in den USA" ver- wiesen. In diesem wird festgestellt, daß „die Verantwortlichen folgende Einschränkungen berücksichtigen sollten, bevor Impfmaßnahmen er- griffen werden: Schwierigkeiten bei der Vorhersage von Influenzaepi- demien, Veränderlichkeit der Wirk-

gemeine Gezänk an, das Lenin, Meister in diesen Dingen, dieser berufsmäßige Ausbeuter jeglicher Rückständigkeit in der russischen Arbeiterbewegung, systematisch schürt." (Stalin-Werke, Bd. 10, S.

150)?

III. Quoad Nonne

Kurz nach seiner Rückkehr aus Moskau lehnte Nonne die Lues kei- neswegs ab. Befragt, woran Lenin gelitten habe, erwiderte er: „ und dabei weiß hierzulande doch jeder Arzt, zu welcher Art von Hirn- erkrankungen ich immer geholt werde." Warum er später seine Meinung änderte ... ?

Dr. med. Günter Hesse Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

75 Karlsruhe

Hans-Thoma-Straße 15a

samkeit des Grippeimpfstoffes, Ko- sten und Verfügbarkeit von Impf- stoffen".

An erster Stelle sind in dieser Auf- zählung die „Schwierigkeiten bei der Vorhersage von Influenzaepi- demien" genannt. Vorrangig be- deutet das Schwierigkeiten bei der Vorhersage des zu erwartenden epidemischen Stammes; Beispiel:

die komplizierte Situation der Influ- enzavarianten 1975 — die WHO empfiehlt zur Aufnahme in die diesjährigen Vakzinen statt eines voraussichtlichen epidemischen Stammes ausdrücklich zwei Vakzi- nestämme (1). Da der Erfolg der Schutzimpfung — als Veränderlich- keit der Wirksamkeit oben genannt

Effizienzmessung

bei Influenzaschutzimpfung

Anmerkungen zum Thema Kosten-Nutzen-Analyse

Günter Köhler

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 46 vom 13. November 1975 3207

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