70 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 5|
1. Februar 2013M E D I Z I N
Perkutane sonographisch gesteuerte Alkoholinstillation (PEIT) unerwähnt
Drei Anmerkungen seien zur Initiierung prospektiver Studien erlaubt.
Szintigraphie: Die Guidelines der AACE/AME at- testieren ihr lediglich Evidenzniveau IV C (1). Statt ex- pansiv „Basisszintigraphie“ (Strahlenbelastung etwa 45 Röntgen-Thoraxaufnahmen) zu empfehlen (2), wäre der diagnostisch-therapeutische Erkenntnisgewinn zu hinterfragen (1, 3), damit sie nicht „unnötig wie ein Kropf“ ist. Tägliche Praxis lehrt, dass die Szintigraphie die Mehrzahl der sonographisch und operativ darge- stellten Knoten/Karzinome und fokale Autonomien un- ter 1 –1,5 cm nicht visualisiert. Ohne verblindete Studi- en zur Aussagekraft der Szintigraphie sollte ihr großzü- giger Einsatz nicht propagiert werden.
Calcitoninbestimmung: Inwieweit sie bei jeder Knoten- struma (2) oder gezielt bei sonomorphologisch suspekten Schilddrüsenknoten zur Erkennung des sporadischen me- dullären Schilddrüsenkarzinoms erfolgen sollte, wird in Ermangelung prospektiver Studien kontrovers gesehen (1, 3, 4). Generalisierte Bestimmungen bergen wegen labor- technischer Probleme, vieler falschpositiver/-negativer Befunde Risiken und verunsichern betroffene Patienten.
Bestimmung in spezialisierten Schilddrüsen-Ambulanzen mit valider Laboranalytik sowie Expertise in der Befund- einschätzung scheint ein gangbarer Weg (4).
Zur definitiven Therapie fokaler Autonomien findet die perkutane sonographisch gesteuerte Alkoholinstilla- tion (PEIT) keine Erwähnung (1–3). PEIT wurde weltweit bei mehreren Tausend Patienten erfolgreich durchgeführt und ist in interventionellen Zentren ein Routineverfahren. Vorteile sind: schneller Therapieef- fekt auch nach Jodexposition, ambulante preisgünstige Durchführbarkeit, keine operativen Risiken, Narben oder Schilddrüsenunterfunktion; hohe Patientenakzeptanz.
PEIT sollte bei uni-/bifokaler Autonomie als risikoarme Alternative zu Operation/Radiojodtherapie im interdis- ziplinär geführten Aufklärungsgespräch mit jedem Pa- tienten erörtert und als potenziell nebenwirkungsbehaf - tetes Verfahren in Zentren mit hoher Expertise durchge- führt werden (3). DOI: 10.3238/arztebl.2013.0070b
LITERATUR
1. Gharib, H, Papini E, Valcavi R, et al.: American Association of Clinical Endocrinologists and Associazione Medici Endocrinologi. Medical guidelines for clinical practice for the diagnosis and management of thyroid nodules. Endocr Pract 2006; 12: 63–102.
2. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;
109(29–30): 506–16.
3. Braun B: Schilddrüse. In: Braun B, Günther R, Schwerk WB (eds.): Ul- traschalldiagnostik – Lehrbuch und Atlas. ecomed MEDIZIN, Heidel- berg, München, Landsberg, 2010; III–3.1: 1–238.
4. Dietlein M, Wieler H, Schmidt M, Schwab R, Goretzki PE, Schicha H:
Routine measurement of serum calcitonin in patients with nodular thyroid disorders? Nuklearmedizin 2008; 47: 65–72.
Prof. Dr. med. Bernd Braun, Reutlingen, Prof.B.Braun@gmx.de Interessenkonflikt
Prof. Braun erhält Honorare vom Thieme Verlag für einen Buchbeitrag
„Interventioneller Ultraschall“.
Einige Fragen offen
Wieso wird die Volumenverkleinerung durch Kombi- präparate so ausführlich zitiert – wo liegt der Nutzen für den beschwerdefreien Patienten? Wieso wird nicht in erster Linie Jodid empfohlen?
Das Regel-Kontrollintervall wird auf 6 bis 18 Mona- te festgelegt; warum keine sich verlängernden Interval- le? Wie hoch ist die NNS („number needed to screen“) im Hinblick auf abwendbar gefährliche Verläufe?
Unter „Labordiagnostik“ empfehlen Sie die gene- relle Calcitoninbestimmung; unter „Verlaufskontrol- len und Nachsorge“ schreiben Sie: „Neben der Anamneseerhebung und der klinischen Untersu- chung sind eine sonographische Verlaufskontrolle und eine TSH-Bestimmung in der Regel ausrei- chend.“ Also ist offenbar nur bei der Erstkonsultati- on wegen eines Knotens die Calcitoninbestimmung sinnvoll? Oder doch bei jeder Konsultation? Wie wä- re gegebenenfalls die NNS dieser Maßnahme, wie hoch wären die Kosten?
Angesichts der zitierten Prävalenz ginge es hier um ein Fünftel der erwachsenen Bevölkerung! Da reicht es meiner Meinung nach nicht aus, Leitlinien von Fachgesellschaften zu zitieren. Von einem Über- sichtsartikel, der sich an die gesamte Ärzteschaft wendet, darf verlangt werden, dass sich die Empfeh- lungen sich auch mit Aspekten von Nutzen (NNS) und gegebenenfalls Schaden (NNH „number needed to harm“) mindestens kurz auseinander setzen .
DOI: 10.3238/arztebl.2013.0070a
LITERATUR
1. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;
109(29–30): 506–16.
Dr. med. Peer Laubner Facharzt für Allgemeinmedizin, GP Laubner Turner Protz, Büdingen, peer.laubner@t-online.de Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
LITERATUR
1. Reiners C, Geling M, Luster M, Farahati J, Mäder U: Epidemiologie des Schilddrüsenkarzinoms. Onkologe 2005; 11: 11–9.
2. Paschke R, Reiners C, Führer D, Schmid KW, Dralle H, Brabant G:
Empfehlungen und offene Fragen in der Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenknoten – Stellungnahme der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 1831–6.
3. Führer D, Bockisch A, Schmid KW: Euthyroid goiter with and without nodules—diagnosis and treatment. Dtsch Arztebl Int 2012;
109(29–30): 506–16.
Jeannine Schübel, Jeannine.Schuebel@uniklinikum-dresden.de Dr. rer. medic. Karen Voigt,
Prof. Dr. med. Antje Bergmann Interessenkonflikt
Die Autorinnen sind Mitglieder im Autorenteam der DEGAM-Leitlinie
„Schilddrüsenerkrankungen in der Hausarztpraxis“ (in Entstehung)