98 DIE PTA IN DER APOTHEKE | September 2015 | www.pta-aktuell.de
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ass der Wechsel zwi-schen hell und dunkel, also Tag und Nacht, unseren Lebensrhyth- mus entscheidend beeinflusst, steht außer Frage. Die meisten von uns sind tagsüber wach und schlafen nachts. Damit werden auch eine ganze Reihe weiterer Körperfunk- tionen reguliert: So sinken nachts Körpertemperatur und Blutdruck, die Herzfrequenz verlangsamt sich und der Stoffwechsel läuft auf Spar- flamme. Von zahlreichen Hormonen ist bekannt, dass ihre Ausschüttung tageszeitlich schwankt – die bekann- testen sind vermutlich Melatonin und Kortisol. Grundsätzlich dient
die Nacht der Regeneration. Zentral gesteuert wird die zirkadiane Rhyth- mik von einem inneren Uhrwerk, das beim Menschen im Gehirn im Hypothalamus, genauer gesagt im Nucleus suprachiasmaticus (SCN) lokalisiert ist. Aber auch jede ein- zelne Zelle und damit jedes Organ besitzt eine eigene Uhr, die alle vom SCN synchronisiert werden. Dieser produziert seinen eigenen endoge- nen Rhythmus, der etwas mehr als 24 Stunden dauert. Durch äußere Zeit- geber – besonders das Licht – wird er immer wieder aufs Neue auf den Tag-Nacht-Rhythmus genau einge- stellt. Es kommt zu Problemen und Schlafstörungen, wenn innere Uhr
und äußere Zeitgeber nicht mehr zueinander passen. So brauchen wir bei einem Jetlag mehrere Tage, bis sich die innere Uhr dem am Zielort herrschenden Tag-Nacht-Rhyth- mus angepasst hat. Bis dahin sind wir zu unpassenden Zeiten müde beziehungsweise schlaflos. Vermin- derte Fitness und Denkvermögen, Stimmungsschwankungen und gastrointestinale Störungen können dazukommen. Ernster wird es bei Menschen, die dauerhaft im Schicht- dienst arbeiten. Es ist bekannt, dass sie – neben Schlafstörungen – häu- figer an Herz-Kreislauf-Symptomen, Übergewicht und Typ-2-Diabetes leiden. Ein möglicher Zusammen- hang zwischen bestimmten Formen der Schichtarbeit und bestimmten Krebsarten wird diskutiert. Aber nicht nur Menschen, auch Tiere und Pflanzen reagieren auf Licht und fol- gen einem Tag-Nacht-Rhythmus.
Das Gleichgewicht ganzer Ökosys- teme hängt von den fein aufeinan- der abgestimmten Aktivitäts- und Ruhezeiten verschiedener Tierarten ab. So begegnen sich manche Arten – beispielsweise tag- und nachtaktive Tiere – nie. Für andere dagegen ist es essenziell, dass ihre Beutetiere zur gleichen Zeit aktiv sind wie sie selbst.
Pflanzen benötigen den Tag-Nach- Rhythmus für die Fotosynthese.
Lichtverschmutzung Seit Erfin- dung der Elektrizität wird die Nacht immer heller. Vor allem in den gro- ßen Ballungsräumen wird es nachts gar nicht mehr richtig dunkel. Von hier sind in klaren Nächten besten-
PRAXIS SCHLAF – TEIL 8
Es werde Licht!
Vielfach wird es nachts nicht mehr richtig dunkel – vor allem in den
Ballungsräumen. Ob und welche Folgen das für unseren Schlaf und unsere Gesundheit hat, ist noch unerforscht.
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falls noch einzelne hellere Sterne zu erkennen. Sternenfreunde schla- gen Alarm, dass weltweit Millionen Kinder von ihrem Wohnort aus die Milchstraße nicht mehr sehen kön- nen. Nicht umsonst bauen Astro- nomen ihre Teleskope in möglichst abgelegene und dunkle Gegenden.
Wie hell die Städte leuchten, er- kennt man auf nächtlichen Satelli- tenaufnahmen der Erde. Man sieht es auch, wenn man nachts auf eine Großstadt zufährt: Schon von wei- tem ist die Lichtglocke, unter der sie liegt, nicht zu übersehen. Lichtver- schmutzung beschreibt die Tatsache, dass das natürliche (geringe) nächt- liche Licht durch künstliches Licht überstrahlt und damit „verschmutzt“
wird. Experten unterscheiden dabei zwei Arten von Strahlung: Ers- tens die Strahlung, die direkt von den Lichtquellen ausgeht, also
von Straßenlaternen, Werbetafeln, Schaufensterbeleuchtung, Gebäu- deanstrahlung, Lichtern in privaten Wohnungen und Autoscheinwer- fern. Und zweitens den sogenannten Sky Glow, bei dem diese Strahlung durch feinste Schwebeteilchen in der Luft vielfach reflektiert wird. Neu- traler als das Wort Lichtverschmut- zung ist das von Wissenschaftlern genutzte „Artificial Light At Night“
(künstliches Licht in der Nacht, ALAN). Studien gehen davon aus, dass zwischen zehn und 20 Prozent der Erdoberfläche davon betroffen sind – Tendenz mit etwa sechs Pro- zent Zunahme pro Jahr deutlich stei- gend. Abgesehen davon, dass ALAN
die Nacht an sich aufhellt, ist auch das Spektrum des ausgesendeten Lichts von Bedeutung. Auch wenn hier die Bandbreite stark variiert, so zeigt sich insgesamt doch ein Trend zu weißeren Lichtarten.
Jahr des Lichts Die UNESCO hat dieses Jahr zum Internationalen Jahr des Lichts ausgerufen. Es geht um wissenschaftliche Fragestellungen rund um das Licht und seine An- wendungen, die Technologie und kulturelle Aspekte. Alles mehr als berechtigte Schwerpunkte, keine Frage. Einer lautet auch „Licht in der Natur“, aber im Sinne von fas- zinierenden Nordlichtern und ande- ren optischen Phänomenen. Doch potenzielle Nebenwirkungen von zu viel Licht, wenn es eigentlich dunkel sein sollte? Sie kommen nur ganz am Rande vor.
Interdisziplinäre Forschung In Deutschland hat vor einigen Jahren der Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ begonnen, die Auswirkun- gen der Erhellung der Nacht durch künstliches Licht zu untersuchen, denn bislang ist darüber kaum etwas bekannt. Eines der Projekte beschäf- tigt sich mit der Rolle von Melatonin in diesem Zusammenhang. Norma- lerweise wird es nur während der Dunkelheit synthetisiert und macht uns müde, Helligkeit unterdrückt die Produktion. Ist der Unterschied zwischen hell und dunkel nicht mehr so deutlich, so könnte auch das Me- latonin-Signal schwächer ausfallen, so die Hypothese, und damit die
Synchronisierung des SCN mit der Umwelt sowie die aller Uhren im Körper miteinander leiden. Dass verschiedene Tierarten durch künst- liches Licht beeinflusst werden kön- nen, steht außer Frage. Stichwort Insekten: Statt Futter zu suchen und sich fortzupflanzen, vergeuden viele ihre Energie, indem sie nachts um Lichtquellen herumfliegen, nicht selten bis zum Tod durch Erschöp- fung. Einer Hochrechnung zufolge sterben in Deutschland während der dreimonatigen sommerlichen Flugperiode fast 100 Milliarden In- sekten allein an Straßenlaternen.
Ob und welche Folgen dieses Mas- sensterben mittel- und langfristig für das gesamte Ökosystem haben könnte, ist noch nicht erforscht.
Immerhin nehmen Insekten eine wichtige Position in der Nahrungs- kette ein, zudem sind sie für die Be-
stäubung zahlreicher Pflanzenarten essenziell. Auch für zahlreiche an- dere Tierarten ist bekannt, dass sie durch künstliches Licht beeinflusst werden. Forschung und Wissen über die genauen Zusammenhänge bilden die Voraussetzung dafür, für die Zukunft Beleuchtungskonzepte mit möglichst geringen negativen Folgen für Mensch und Umwelt zu entwickeln. ■
Dr. Anne Benckendorff, Medizinjournalistin
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