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Die eigentliche Blüte Roms setzte jedoch erst nach der erfolgreichen Abwehr der karthagischen Feinde in den beiden puni- schen Kriegen ein (Ende 3

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ROM

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RÖMISCHE BAUKUNST

Stefan M. Holzer unter Mitarbeit von Jasmin Schäfer

Der Aufstieg der Stadt Rom zum Zentrum einer Weltmacht vollzog sich über Jahrhunderte. Das seit dem frühen 5. Jh. v. Chr. republikanisch regierte Rom expandierte vor allem ab dem 4. Jh. v. Chr. schrittweise über die itali- enische Halbinsel und erlangte dabei die Vorherrschaft über die etruski- schen Siedlungsgebiete. Die eigentliche Blüte Roms setzte jedoch erst nach der erfolgreichen Abwehr der karthagischen Feinde in den beiden puni- schen Kriegen ein (Ende 3. Jh. v. Chr.). Ab dem 2. Jh. v. Chr. begann Rom den Mittelmeerraum immer mehr zu dominieren. Mit dem Wechsel zum Kaiserreich unter dem ersten Imperator Octavianus Augustus (63 v. Chr.–

14. n. Chr.) stabilisierte sich das bis dahin entstandene grossflächige Reich.

Die Pax Augusta – der innere Frieden – hielt zwei Jahrhunderte lang an, während derer sich das römische Reich nach aussen durch weitere Gebiets- zugewinne arrondierte. Die frühe Kaiserzeit unter Augustus und der ihm folgenden julisch-claudischen Dynastie (Tiberius, Caligula, Claudius, Nero, bis 68 n. Chr.) sowie jener der flavischen Kaiser (69 – 96 n. Chr.: Vespasian, Titus, Domitian) brachte auch eine bis dahin beispiellose Bautätigkeit und architektonische Blüte mit sich, die sich nahtlos in die Zeit der Adoptivkai- ser (96 – 180 n. Chr.: Nerva, Traian, Hadrian, Antoninus Pius und Marcus Aurelius) fortsetzte (Abb. 1). Im 3. Jahrhundert, der Zeit der sogenannten Soldatenkaiser (z. B. Septimius Severus, reg. 193 – 211 n. Chr.; Caracalla, reg.

211 – 217 n. Chr.), schlitterte das Römische Reich zunächst langsam, dann immer rasanter in tiefe innen- und aussenpolitische Krisen, die ihren bau- lichen Ausdruck unter anderem in der Notwendigkeit eines gewaltigen neuen Befestigungsringes um die Hauptstadt fanden – errichtet unter Kaiser Aurelian im letzten Drittel des 3. Jh. n. Chr. Die übrige Bautätigkeit in Rom und den Provinzen ging in dieser Zeit stark zurück, manche Traditionen

Abb. 1: Das römische Reich in seiner grössten Ausdehnung unter Kaiser Traian (Brockhaus Lexikon 1903)

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der bautechnischen Wissensvermittlung brachen vielleicht sogar ganz ab.

Erst mit der energischen Reform der Herrschaft und Verwaltung unter Kai- ser Diokletian (reg. 284 – 305) konnte die Krise des römischen Reiches eini- germassen bewältigt werden, so dass sich das System wieder etwas stabili- sierte. Unter den spätantiken Herrschern Maxentius und Konstantin d. Gr.

(reg. 306 – 337 n. Chr., bis 312 n. Chr. zusammen mit Maxentius) erlangte Rom noch eine letzte Blüte, die sich ebenfalls in einer reichen Bautätig- keit – nun auch schon in frühchristlichen Sakralbauten (ermöglicht durch das Mailänder Toleranzedikt Konstantins von 313 n. Chr.) – niederschlug, ehe der unaufhaltsame Niedergang und Zerfall des weströmischen Reiches einsetzte und sich nur noch in Ostrom (Konstantinopel, Byzanz, heute Istanbul) eine ungebrochene Kontinuität der Herrschaftsform, Kultur und Architektur des Römischen Reiches halten konnte (dort neuerliche Reichs- reform unter dem oströmischen Kaiser Justinian, ab 379 n. Chr.), während die Westhälfte des Reiches in den Wirren der Völkerwanderungszeit unter- ging und ein zeitweiliges Herrschafts- und Ordnungsvakuum hinterliess, das durch diverse kurzlebige Herrschaften ausgefüllt wurde.

Die erhaltenen römischen Monumente entstammen grösstenteils erst dem 1. Jh. v. Chr. (d. h. der späten Republik) und der Kaiserzeit. Aus der vor- hergehenden Periode sind vor allem einige Heiligtümer in hellenistischem Stil – also nach Vorbild der grossen griechischen Sakralanlagen rund um die Ägäis – zu nennen, allen voran das im 2. Jh. v. Chr. errichtete Terrassen- heiligtum der Fortuna Primigenia in Praeneste (Palestrina), im 1. Jh. v. Chr.

dann dicht gefolgt von den ähnlichen, nur weniger ausgedehnten Heilig- tümern des Jupiter Anxur in Terracina und des Hercules Victor in Tivoli.

Der Sakralbau ist aber in dem erhaltenen Baubestand der Römerzeit bei weitem nicht so prominent vertreten wie bei den vorausgegangenen anti- ken Kulturen, obwohl eine ungleich grössere Zahl von Tempeln errichtet wurde als je zuvor in einer anderen antiken Zivilisation. Das hängt damit zusammen, dass in römischer Zeit dauerhafte Baumaterialien und Kons- truktionen nicht mehr nur dem Sakralbau vorbehalten blieben, sondern auch alle anderen Bereiche des Bauwesens und Bauaufgaben bis hin zum Wohnbau eroberten. In altgriechischer Zeit investierte die Gemeinschaft der Polis alle Kräfte in den Bau der Tempel «für die Ewigkeit» – mit megali- thischen, sorgfältig steinmetzmässig bearbeiteten, mörtel- und fast fugen- los gesetzten Werksteinen. Für alle anderen Bauaufgaben mussten ungleich einfachere Materialien und Konstruktionen genügen: Holz und Bruchstein, allenfalls auch ungebrannte Lehmziegel für die Wohnbauten, Quaderwerk für öffentliche Bauten. In hellenistischer Zeit entstanden zunehmend auch anspruchsvolle Bauten rings um die Agora in der Bautechnik der Tempel, und natürlich waren Grosssteinkonstruktionen aus naheliegenden Grün- den bei Wehrbauten oft zu finden. Das alles war aber nicht zu vergleichen mit der Bautätigkeit unter den Römern.

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Rom – Bauen mit opus caementicium und Backstein

In römischer Zeit wurde das Bauen mit grossen Steinen zunehmend zu einer architektonischen Auszeichnung für die Fassaden besonders bedeu- tender sakraler und öffentlicher Bauwerke – auch als reine Verkleidung –, während die grosse Masse der Konstruktion in ungleich einfacher, schnel- ler und billiger herzustellenden Materialien ausgeführt wurde. Schlüssel zur dauerhaften römischen Bauweise in allen nur denkbaren Bauaufgaben war zunächst der Siegeszug des Mörtels. Mauermörtel hatte in der altägyp- tischen oder altgriechischen Bautechnik eine untergeordnete Rolle gespielt, Mauerwerk war im Verband aus bearbeiteten Steinen oder wenigstens als lagerhaftes mörtelloses Bruchsteinmauerwerk ausgeführt worden. Nun wurde hingegen das Bauen massiver Bauteile aus völlig unbearbeitetem Bruchstein mit einem sehr hohen Mörtelanteil zu einer der wichtigsten Bautechniken überhaupt. Mit dem typischen Mörtel der gesamten histori- schen Baukunst – dem reinen Kalkmörtel – wären allerdings die Konstruk- tionen, die die Römer ausführten, nicht ausführbar gewesen. Kalkmörtel benötigt zu seiner Erhärtung den Zutritt von CO2 aus der Umgebungsluft.

Unter Luftabschluss erhärtet er nie (daher die Möglichkeit, den Kalkmör- tel jahrelang in Sumpfkalkgruben unter Wasser bis zu seiner Verwendung aufzubewahren). Bei massigen Bauteilen dauert es aufgrund des langsamen CO2-Zutritts durch die Poren sehr lange, bis der Kalkmörtel im Inneren der Konstruktion erhärtet, und unter Wasser funktioniert das Bauen mit reinem Kalkmörtel überhaupt nicht. Der Zufall wollte es nun aber, dass in der zentralen Region des römischen Reiches – der mittelitalienischen Region rings um Rom – ein wichtiger Bestandteil des typischen Mörtels, nämlich der Quarzsand, nur schwer zu bekommen war, da die italienische Halbinsel grossflächig durch vulkanische Ergussgesteine bedeckt ist. Als Ersatz für den Sand machte man den Mörtel daher mit fein zerkleinertem vulkanischem Tuffgestein an, das überall in geringer Entfernung verfüg- bar war. Diese vulkanischen Tuffe – nach einem typischen Herkunftsgebiet

«Puzzolane» genannt – verleihen in der Mischung mit reinem Kalkmörtel diesem die Eigenschaft, auch unter Luftabschluss zu erhärten («hydrau- lischer Mörtel», auch geeignet für den Einsatz unter Wasser). Damit war es nun möglich, auch extrem dickwandige Konstruktionen aus mörtelrei- chem Bruchsteinmauerwerk auszuführen, die überdies nachher wasser- dicht waren und deren Mörtel extrem schnell fest wurde. Das Bruchstein-

Abb. 2: Grabmal der Caecilia Metella, Via Appia, Rom: Mit Werkstein verkleidete Bruchsteinstruktur, Sockel mit Resten einbindender Travertinquader (S.Holzer)

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mauerwerk mit viel Mörtel wird als opus caementicium bezeichnet. (Die sogenannten caementa sind die unbearbeiteten faust- oder kopfgrossen Steinbrocken, die in das Mörtelbett eingelegt oder eingeworfen werden).

Nur vor diesem chemisch-technologischen Hintergrund war die Entwick- lung der römischen Baukunst möglich. Das Bauen mit opus caementicium wird ab dem 2. Jh. v. Chr. in der römischen Baukunst immer wichtiger und dominiert die gesamte kaiserzeitliche Architektur. Wo die Puzzolane fehlten, lernten die Römer auch Ersatzstoffe zu finden (z. B. den ebenfalls vulkanischen Trass von Andernach in Germanien); insbesondere hatten schon die Punier entdeckt, dass Kalkmörtel mit Zusatz von fein gemahle- nen gebrannten Ziegeln ebenfalls «hydraulisch» und wasserfest wurde. Die Technik dieses wegen des Ziegelzusatzes rosafarbenen «cocciopesto» bzw.

opus signinum übernahmen die Römer vor allem bei der Herstellung was- serdichter und wasserfester Putze und Fussböden, also in Wasserleitungen, Thermen und Wasserreservoirs, aber auch auf Terrassen und Flachdächern.

Ein aus weichem Mörtel und unregelmässigen Steinen hergestelltes Mauerwerk ohne ordentlichen Verband kann allerdings nicht ohne weite- res als aufgehende Wand oder gar als Gewölbe aufgeführt werden, sondern benötigt in der Regel eine temporäre formgebende und stützende Schalung.

Das opus caementicium taucht daher anfangs vor allem in Fundamenten (manchmal mit Spuren der Schalung, die vielleicht zugleich als Baugru- benverbau diente) oder in den massiven Baukörpern im Sockel grosser Monumente auf. Schon bald entwickelten die Römer jedoch eine Bautech- nik, bei der das regellose Bruchsteinmauerwerk im Inneren aufgehender Bauteile beidseitig durch eine dünne, aus regelmässigen Steinen gefügte Aussenschale gefasst und zusammengehalten wurde. Aussenschalen (eine Art «verlorener Schalung») und Innenfüllung wuchsen dabei schrittweise und gleichzeitig in die Höhe, d. h. die unregelmässigen Bruchsteinfüllungen wurden in regelmässigen Abständen horizontal abgeglichen, dann wurden wieder die Aussenschalen ein Stück hochgezogen, ausgefüllt usw. Mörtel und Steine wurden abwechselnd und lagenweise eingebracht.

Für die Konstruktion der «verlorenen Aussenschalung» kam natürlich Werksteinmauerwerk in Frage, wie es heute noch an dem aus augusteischer Zeit stammenden Mausoleum der Caecilia Metella an der Via Appia ables- bar ist (Abb. 2). Einzelne Binderquader sicherten die Rückbindung der vor- wiegend aus Läufern gebildeten Aussenschale des Monumentes an die Fül- lung aus opus caementicium. Die Aussenschale besteht aus grossformatigen Travertinblöcken, die Füllung hingegen aus viel leichter zu beschaffenden und zu transportierenden kleinen Bruchstücken vulkanischen Tuffes.

In der Aussenansicht wirken solche Bauten der augusteischen Ära wie reine Werksteinbauten. Auch Zweckbauten wurden in genau dieser Technik ausgeführt und erlangten dadurch einen hohen repräsentativen Anspruch.

Als Beispiel sei die Brücke «Ponte di Augusto» in Narni auf der Via Flami- nia von Rom nach Rimini genannt. Der Bau erforderte nach wie vor den Transport grosser Quader und die sorgfältige steinmetzmässige Bearbei- tung (Abb. 3).

Billiger, schneller und einfacher waren hingegen Bauwerke auszufüh- ren, bei denen auch die Aussenschale aus leicht transportablem Material bestand. Mit unregelmässigen oder nur wenig bearbeiteten Bruchsteinen lässt sich allerdings keine besonders geeignete Aussenschale herstellen, wie die Römer schnell feststellen mussten. Versuche mit diesem sogenannten opus incertum wurden daher schon bald (im 1. Jh. v. Chr.) durch das opus reticulatum abgelöst – eine Konstruktion von Aussenschalen für Bauteile aus opus caementicium, die aus kleinen Steinen quadratischen Querschnitts hergestellt wird, die um 45° gegenüber der Horizontalen gedreht übereck vermauert werden (Abb. 4). Nach aussen zeigen die Steine ihre quadrati-

Abb. 3: Ponte di Augusto, Narni: Werksteinkonstruktion mit Kern aus opus caementicium (S.Holzer)

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sche Sichtfläche, nach hinten laufen die quadratischen Prismen des opus reticulatum hingegen in eine unregelmässige Spitze aus, die die Verzahnung mit dem unregelmässigen Bruchsteinkern des Bauteils unterstützt. Wenn- gleich das diagonal gestellte Quadratraster des opus reticulatum optisch durchaus einen gewissen Reiz aufweisen kann, wurde die Wandfläche doch meist nachher noch verputzt und mit farbigem Dekor oder einer dünnen aufgelegten Marmorschicht verkleidet. Allerdings gibt es auch einzelne Beispiele von polychromem, dekorativem opus reticulatum, das unverputzt sichtbar blieb und somit die endgültige Wandansicht bestimmte. An den Ecken des Bauteils ist ein Verband des opus reticulatum nicht möglich, wes- halb es dort immer durch Werkstein oder Backstein eingefasst wird. Auch der ab und zu erfolgende horizontale Abgleich des Mauerkerns aus opus caementicium geht oft mit einer durchbindenden Schicht aus Kleinqua- dermauerwerk oder Backstein einher, die das opus reticulatum horizontal durchbricht (Abb. 4). Die kleinen Steine des opus reticulatum konnten in standardisierter Grösse in grosser Anzahl auch durch gering qualifizierte Arbeitskräfte, zum Beispiel durch Sklaven oder Hilfsarbeiter aus der in der Kaiserzeit rapide wachsenden ärmsten Schicht der Bevölkerung der Haupt- stadt, hergestellt und versetzt werden, was den Siegeszug dieser Bauweise ermöglichte und das Bauen verbilligte, so dass auch Bauwerke untergeord- neter Bedeutung in dieser Technik ausgeführt wurden.

Neben dem opus caementicium mit Aussenschale aus opus reticulatum war der zweite die römische Baukunst bestimmende Baustoff der gebrannte Ziegel (Backstein). Zwar waren Backsteine schon Jahrhunderte vor den Römern im Osten – zum Beispiel im Zweistromland – in grosser Zahl verwendet worden, doch erst die Römer brachten dieses Baumaterial im 1. Jh. v. Chr. in nennenswertem Umfang in den Mittelmeerraum und nach Europa. Die Blütezeit des römischen Backsteins setzt erst in der Kaiserzeit ein. Bald wurde der Backstein auch alternativ zum opus reticulatum beim

Abb. 4: Ostia: opus reticulatum mit Ziegeldurchschuss als Verkleidung von opus caementicium

(S. Holzer) Abb. 5: Villa Adriana, Tivoli: opus reticulatum als Ver-

kleidung von opus caementicium (S. Holzer)

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Bau der mehrschaligen Wände mit Bruchsteinfüllung verwendet und setzte sich im Laufe des 2. Jh. in dieser Anwendung weitgehend durch. Wer heute Rom besucht und die antiken Ruinen besichtigt, gewinnt daher das Bild einer Backsteinstadt. Dieses ist allerdings nur eingeschränkt richtig, da einerseits der Mauerkern fast immer aus opus caementicium besteht und andererseits die Backstein-Wandflächen fast immer verputzt oder verkleidet waren, wenn man von reinen Zweckbauten wie Wehranlagen oder Aquä- dukten absieht. Die flachen, nur etwa 4 cm starken Ziegelplatten wurden in verschiedenen, meist quadratischen Formaten (bis ca. 60 cm × 60 cm) gestrichen und gebrannt, und dann gegebenenfalls auf die erforderlichen kleineren Grössen gebrochen oder geschnitten. Bei Verkleidung von opus caementicium wurden die Backsteine oft dreieckig gebrochen, um eine gute Verzahnung mit der geschütteten Masse im Inneren der Mauer zu erzielen (Abb. 6 – 7). Die Ziegelherstellung konnte ebenfalls unter massivem Einsatz wenig qualifizierter Arbeiter, z. B. Sklaven,1 durchgeführt werden und fügt sich somit in das Bild der massgeblich auf billigen, unqualifizierten Arbeits- kräften beruhenden römischen Bauwirtschaft gut ein.

Backstein und opus caementicium ermöglichten schliesslich auch die wichtigste Errungenschaft der römischen Baukunst, die Kunst des Wöl- bens. Neben dem Bogen aus keilförmig geschnittenen Werksteinen konnte sich das auf einer Schalung aus horizontalen Lagen von opus caementi- cium geschüttete flächenhafte Gewölbe etablieren. Auch diese Errungen- schaft war nur möglich dank des schnell abbindenden Puzzolan-Mörtels der Römer, der überdies die für reine Bruchstein-Gewölbe erforderlichen hohen Festigkeiten erreichte. Die geschütteten Massen der Gewölbe wur- den oft durch Backsteinrippen eingefasst und verstärkt.

Der Sakralbau

Die Völker der italienischen Halbinsel – an erste Stelle sind die Etrus- ker zu nennen – hatten eine ganz andere Auffassung vom Sakralbau als die Griechen. Während der griechische Peripteraltempel mit seiner rings umlaufenden Ringhalle sich von allen Seiten gleichartig als plastischer Kör- per präsentiert, sind die etruskischen Tempel und Grabmonumente auf die Ansicht von der Eingangsseite hin konzipiert. Sie erheben sich auf einem mehr oder weniger hohen Sockel, der an der Frontseite durch eine Frei- treppe erschlossen wird. Dem gleichen Schema entsprach auch der Tempel der kapitolinischen Trias (Iuppiter, Iuno, Minerva) auf dem Kapitolshügel in Rom. Wie bei den frühen griechischen Tempeln, so waren auch bei den italischen Völkern die wichtigsten Baumaterialen der Tempel zunächst Holz, Bruchstein und Terrakotta, doch setzte wie in Griechenland ein Prozess der Versteinerung ein – allerdings viel später als im griechischen Raum. Aus dem Holzbau blieben lange die weiträumigen Säulenstellungen erhalten. Auch gab es Tempel mit steinernen Säulen, hölzernem Gebälk.

Ab dem 2. Jh. v. Chr. entstanden jedoch zahlreiche ganz aus Stein errichtete Tempel, die sich dann auch in den Proportionen des Steinbaus immer mehr dem griechischen Vorbild näherten.

Die ältesten noch heute als weitgehend intakte Bauwerke vorhandenen römischen Tempel stammen aus der späten Republik. Zu den besterhalte- nen Exemplaren gehört der sogenannte «Tempel der Fortuna Virilis» auf dem Forum Boarium in Rom, erbaut um 75 v. Chr. (Abb. 8). Das kleine Tempelchen, das eigentlich dem Gott Portunus geweiht war – angesichts des benachbarten Flusshafens eine naheliegende Widmung –, ist ein gera- dezu idealtypisches Beispiel des römischen Tempels. Das Bauwerk erhebt sich auf einem mehr als 3 m hohen Sockel (Podium) und wird durch eine der Frontseite vorgelagerte (heute rekonstruierte) Freitreppe erschlossen.

Abb. 6: Verwendung dreieckig gebrochener Ziegel im opus testaceum (S. Holzer)

Abb. 7: Baiae: Verwendung von abgerundeten dreiecki- gen Ziegeln zur Herstellung einer Säule (J. Schäfer)

1Keineswegs alle Sklaven waren jedoch niedrig qualifiziert.

Das wäre eine Fehleinschätzung.

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Die Cella des Tempels wird durch eine 4 × 7 Säulen umfassende «Ringhalle»

umschlossen, die aber nur auf der Frontseite in der Tiefe von 2 Jochen eine echte «Halle» ist und an den übrigen Teilen des Tempels lediglich als Blendarchitektur auf die Wände der Cella aufgesetzt ist. Diese Transfor- mation des griechischen Ringhallentempels in einem «Pseudoperipteros»

entspricht der frontalen Ausrichtung des traditionellen italischen (etruski- schen) Tempels. Typisch für die Zeit der späten Republik sind die Baumate- rialien des Tempels: Das Podium besteht inwendig aus opus caementicium, während die «Ringhalle» durch eine Fundamentmauer aus grossen Tuff- quadern gestützt wird. Nach aussen ist das Podium durch eine dünne Tra- vertinschicht verkleidet («Orthostaten», also hochkant gestellt dünne Stein- platten). Der Oberbau besteht mit Ausnahme der Freisäulen und der Ecken der Cella ebenfalls aus Tuffquadern. Diese waren so stuckiert, dass sie mit den aus Travertin hergestellten übrigen Bauteilen eine Einheit bildeten. Der Tempel blieb wohl aufgrund des Fehlens wertvoller, zur Ausraubung ein- ladender Marmorbauteile lange fast unversehrt erhalten, bis er schliesslich im Frühmittelalter in eine Kirche umgewandelt wurde, was sein weiteres Überleben sicherte. Im frühen 19. Jahrhundert wurde er unter Giuseppe Valadier durch Freilegen der inzwischen in eine Wand eingemauerten Frei- säulen und Ergänzung der beschädigten Kapitelle durch Anstuckierung in ein geradezu modellhaftes Beispiel eines römisch-ionischen Tempels zurückrestauriert.

In der Zeit des Augustus erfuhr die römische Architektur durch die ver- breitete Verwendung von Marmor als Baustoff für Säulen und Wandverklei- dungen eine deutliche Steigerung des repräsentativen Anspruchs. Augustus wird der Ausspruch zugeschrieben, er habe eine «Lehmziegelstadt vorge- funden und eine Marmorstadt zurückgelassen» (marmoream se reliquere quam latericiam accepisset). Der Marmor kam zunächst aus Griechenland, ehe auch in Carrara (Luni) in Italien reiche Vorkommen dieses Gesteins entdeckt und erschlossen wurden. Ein Beispiel für die Marmor-Architektur im Tempelbau sind der Tempel des Mars Ultor auf dem Forum des Augus- tus, ein Tempel mit achtsäuliger Front, dessen Ringhalle auch seitlich der Cella fortgesetzt ist, jedoch an eine hohe Brandmauer auf der Rückseite des Temepls bzw. des Forums anläuft, so dass der Tempel nur von der Frontseite her seine Wirkung entfalten kann (peripteros sine postico). Aus Marmor bestand auch der Tempel des Apollo Sosianus neben dem Marcellustheater.

Einen fast perfekten Eindruck von einem anspruchsvollen «Marmortem- pel» in der Provinz bietet der ebenfalls als Pseudoperipteros gestaltete, 6 × 12

«Säulen» umfassende, aus lokalem Kalkstein errichtete Tempel in Nîmes, der eine drei Joche tiefe Vorhalle, ansonsten aber wiederum eine nur auf die Cellawände aufgeblendete Halbsäulengliederung aufweist. Dank der guten Erhaltung und einer Restaurierung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellt sich auch dieser Bau heute als Modell eines römischen Tempels dar (Abb. 9).

In der Entwicklung der Kaiserzeit wurde der Pseudoperipteros häufig durch einen reinen «Prostylos-Tempel» ersetzt, d. h. die Ringhalle wurde an den Cellaaussenwänden auch nicht mehr als Halbsäulengliederung vor- getäuscht, sondern gleich ganz weggelassen. Nur an der Frontseite gibt es dann noch eine Vorhalle von zwei oder drei Jochen Tiefe, so an dem sehr gut erhaltenen (allerdings nach Kriegszerstörung im II. Weltkrieg wieder- hergestellten) Augustus-Tempel in Pola (Istrien). Ein sehr gutes Beispiel für einen solchen Tempel ist der Tempel des Antoninus Pius und der Faus- tina auf dem Forum in Rom. Dieser Tempel des Kaiserkults ist ebenfalls ein reiner Prostylos mit einer sechssäuligen Front und einer drei Joche tiefen Vorhalle. Wie schon am Tempel der Fortuna Virilis besteht auch hier das Mauerwerk der Cella aus Tuffgestein (sog. «peperino», ein grünlicher Tuff

Abb. 8: Römische Podiumstempel – Pseudoperipteros:

Tempel der Fortuna Virilis in Rom (S. Holzer)

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mit schwarzen Obisidian-Einschlüssen), das Gebälk jedoch aus Marmor.

Die Freisäulen dieses Tempels sind Monolithe und bestehen aus einem schwarz-weiss gestreiften Marmor («cipollino», d. h. «Zwiebelstein»). Die zunehmende Verwendung von farbigen Steinen (sog. «Buntmarmore», d. h.

polierfähige, bunte Hartgesteine) und die Wiederaufnahme des Bauens mit monolithischen Säulen sind ein Charakteristikum der fortgeschrittenen Kaiserzeit des 2. Jahrhunderts n. Chr. Damit die Farbigkeit des Steins bes- ser zur Geltung kommt, verzichtete man auf die Kannelierung der Säulen- schäfte, die stattdessen poliert wurden. Auch Wände und Fussböden wur- den nun mit dünnen Marmorscheiben verkleidet, sogar in intarsienartiger Form (opus sectile). Bei den meisten römischen Monumenten sind diese Marmorbauteile heute freilich verschwunden, weil es sich teilweise um weit hergeschaffte äusserst wertvolle Materialien handelte,2 die auch nachfol- gende Generationen gerne in ihren repräsentativen Bauten verwendeten, andererseits reiner Kalkmarmor ein hervorragender Ausgangsstoff für die Kalkbrennerei für Mörtel war. Als Musterbeispiel eines noch fast gänzlich mit der originalen Buntmarmorausstattung erhaltenen Bauwerks kann man auf das Pantheon in Rom verweisen, das als überkuppelter Rundbau aller- dings aus der typischen Bauform des römischen Tempels völlig herausfällt.

Rundtempel mit einer rings umlaufenden Säulenhalle sind allerdings ein charakteristisches Element der römischen Tempelarchitektur. Schon aus republikanischer und augusteischer Zeit sind zahlreiche Bauten dieser Art bekannt, zum Beispiel einer der Tempel auf dem Largo Argentina in Rom, der Vestatempel auf dem Forum und der Rundtempel des Herkules am Forum Boarium am Tiberufer, neben dem bereits genannten Tempel der Fortuna Virilis. Ein sehr gut erhaltener und überdies früher (Anf.

1. Jh. v. Chr.) Rundtempel befindet sich in Tivoli (Abb. 10). Das aus Traver-

Abb. 9: Maison Carrée, Nîmes(S. Holzer)

2 Rosa Granit kam von Assuan, grauer vom Mons Claudianus in Ägypten. Ebenfalls aus Ägypten, vom Mons Porphyrites, stammt der purpurrote Porphyr. Der sogenannte «grüne Porphyr»

oder «verde antico», ein besonders selten in grossen Stücken zu gewinnender Stein (eigentlich ein Serpentin), kam von der südlichen Peloponnes-Halbinsel. Der gelbe Marmor aus Tunesien wird auch «giallo antico» genannt. Weisser Marmor kam aus Griechenland und von Luni (Carrara), der grauweiss gestreifte Cipollino von Euböa. Alle diese Gesteine sind ausgesprochene Hartgesteine, schwer zu bearbeiten, aber polierfähig.

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tin bestehende Bauwerk erhebt sich wie die anderen Tempel ebenfalls auf einem hohen Podium. Die Kapitelle seiner korinthischen Ordnung entspre- chen nicht dem griechischen Idealtypus, sondern einer italischen Sonder- form. Spätestens ab der augusteischen Zeit sind die römischen korinthi- schen Säulen allerdings streng am griechischen Vorbild orientiert.

Der römische Tempel erfüllte ganz andere Aufgaben als der griechische.

Neben der eigentlichen sakralen Nutzung diente er auch für Versammlun- gen und politische Geschäfte. Die Cella des Tempels beherbergte daher nicht nur das Kultbild, sondern war oft auch prachtvoll mit Marmor und Säulenstellungen ausgestattet, um für alle möglichen Nutzungen einen würdigen Rahmen abzugeben. Die enge Verflechtung des römischen Tem- pels mit der Politik fand in den Tempeln des Kults der vergöttlichten Kaiser einen Höhepunkt.

Der Erhaltungszustand römischer Tempel ist oft schlechter als der ande- rer römischer Gebäude, so dass die relativ wenigen gut erhaltenen Tempel kein korrektes Abbild von der ursprünglich gewaltigen Zahl von Tempeln mehr abgeben. Die vergleichsweise radikale Zerstörung der Tempel liegt – neben der Zerstörung aus religiösen Gründen – vor allem an der Ver- wendung von Bauteilen aus Marmor und anderen bunten Steinen, die in späteren Zeiten besonders stark zur Ausraubung lockten. Als «Spolien»

(geraubte und wiederverwendete Werkstücke) gingen römische Bauteile in unzählige spätere Bauten ein und halfen mit, deren Rang und Anspruch zu unterstreichen. Andererseits sicherten solche Spolien oft die gute Erhaltung der wiederverwendeten Bauteile in neuem Kontext und boten späteren Epochen ausgezeichnetes Anschauungsmaterial zu der grossen Varianten- breite der altrömischen Ornamentik und des Bauschmucks.

Abb. 10: Rundtempel, Tivoli (S. Holzer)

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Gebäude für Schauspiele aller Art

Besondere Bedeutung gewannen in römischer Zeit die Bauwerke für Schauspiele aller Art. Eine lange, weit in die Republik zurückreichende Tra- dition hatte in der Hauptstadt das Wagenrennen, das in einer natürlichen, langgezogenen Geländemulde zwischen dem Palatinhügel und dem Aven- tinhügel stattfand. Mit geringem Aufwand konnten hier Sitzreihen für die Zuschauer installiert werden, die dem Sportwettkampf beiwohnten. Aus dieser provisorischen Einrichtung wurde später die grösste Wagenrenn- bahn des Reiches, der Circus Maximus. Ähnlich gut an das Gelände ange- passt waren auch die ersten Amphitheater, ovale Bauwerke für Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe. Gute Beispiele findet man heute noch in Pompei, Sutri und Trier. Auch vom altgriechischen Theater kennt man die perfekte Einfügung in einen passenden Berghang, zum Beispiel in Epidauros oder Syrakus.

Spätestens mit dem Beginn der Kaiserzeit wurden allerdings die Gebäude für Schauspiele aller Art immer aufwendiger auch zu völlig ebener Erde errichtet (Vorbild war das schon im 1. Jh. v. Chr. errichtete Theater des Pompeius auf dem Marsfeld in Rom). Die Sitzreihen mussten dann durch Gewölbekonstruktionen gestützt werden, wozu die Bauweise mit opus cae- menticium die Möglichkeit bot. Die Aussenfassaden dieser gewölbten Stütz- konstruktionen wurden durch übereinandergestellte Bogengänge gebildet.

Sie ermöglichten es den Besuchern, bequem auf den verschiedenen Ebe- nen des Theaters zu ihren jeweiligen Plätzen im Zuschauerraum (cavea) zu gelangen. Überhaupt verbesserte die Anlage der Theater auf gewölbten Rängen die Erschliessung dramatisch. Am Kolosseum in Rom, dem unter Vespasianus und Titus errichteten grössten Amphitheater überhaupt, kann man noch heute über jeder Bogenöffnung des Erdgeschosses die entspre- chende Nummer des Eingangs sehen, die es dem Besucher erlaubte, sei- nen Sitzplatz schnellstmöglich zu finden. Auch nach Ende der Vorstellung machten es die zahlreichen Ausgänge (Vomitorien) leicht, ganz rasch wie-

Abb. 11: Superposition der Säulenordnung an der Aussenfassade des Kolosseum in Rom (S. Holzer)

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der nach. Ganz oben auf der cavea lief auf der Innenseite des Theaters eine Säulenhalle (summa cavea) um, die es ermöglichte, das ganze Theater von oben im Überblick zu erfassen. Sonnensegel, die über die cavea gespannt wurden, sorgten für den nötigen Schatten. Die vielen gewölbten Kammern und Gänge der Unterkonstruktion der Sitzreihen wurden auch an diverse Händler und Dienstleistende vermietet, die für alle übrigen Annehmlich- keiten bei einer Aufführung sorgten.

Theater, Amphitheater und Circus mit ihren gewölbten Substruktionen sind diejenigen Bautypen, an denen das für die römische Architektur und Bautechnik charakteristische Motiv der Bogenstellung mit aufgeblende- ter Säulengliederung besonders prominent auftritt. Die Aussenfassaden der Theaterbauten wurden in Werkstein ausgeführt, wenngleich oft in einer betont «unfertigen» Gestaltung als Bossenmauerwerk (Sichtseiten nur grob bearbeitet). Damit wehrte man den Vorwurf ab, unnötigen Auf- wand für eine blosse Lustbarkeit verschwendet zu haben, und unterstrich doch gleichzeitig den repräsentativen Anspruch des Schauspielgebäudes.

Die Arkaden sind aus grossen Werksteinblöcken gefügt; die Stockwerke werden durch Gesimse voneinander getrennt. Die vorgelegte Blendarchi- tektur aus Halbsäulen interpretiert das zunächst rein technisch bedingte Übereinander der Arkaden als mehrstöckige Säulenhalle und verleiht ihr damit demonstrativ architektonische Würde. Hier kommt mehr als sonst irgendwo die später in der Frühen Neuzeit so wichtig genommene Super- position der Säulenordnungen (dorisch-ionisch-korinthisch) zur Geltung, zum Beispiel am Kolosseum in Rom (Abb. 11).

Die verschiedenen Typen der Bauten für unterschiedliche Schauspiele sind voneinander zu trennen. Schon erwähnt wurde der Circus, in dem Wagenrennen veranstaltet wurden (Abb. 12). Er hat eine langgezogene rechteckige Form. Die beiden sich gegenüberliegenden Sitztribünen sind an einer der Schmalseiten durch eine halbkreisförmige Rundung mitein- ander verbunden, während am gegenüberliegenden Ende des Circus die

Abb. 12: Circus mit spina in Tyre, Libanon (J. Schäfer)

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Startbuden für die Gespanne angeordnet waren. Die Längsachse des Cir- cus bezeichnete eine niedrige Mauer, die spina, die den «Mittelstreifen» der Rennbahn bildete. Sie wurde oft durch Obelisken und andere Objekte ver- ziert. Circusanlagen gehörten nicht nur der Öffentlichkeit, sondern waren oft auch Bestandteil besonders wichtiger privater (z. B. kaiserlicher) Villen.

In Rom zeichnet sich noch heute der Circus der Domitian im Stadtgrund- riss ab; er bildet heute die Piazza Navona.

Mit der griechischen Tradition des Theaters hat das römische Äquiva- lent nur bedingt Gemeinsamkeiten. Sowohl im griechischen als auch im römischen Kulturkreis war das Theater ursprünglich stark mit religiösen Funktionen verbunden. Die Aufführungen selbst waren an religiöse Fest- tage gebunden, und die gespielten Theaterstücke hatten kultischen Charak- ter. Diese kultische Funktion wurde jedoch im römischen Theater offenbar im Laufe der Zeit schwächer, und der Charakter des Theaterschauspiels als profanes Spektakel nahm zu. Im Gegensatz zum griechischen Theater ist das römische Theater ein ringsum geschlossener Bau, d. h. die offene Seite des Sitzreihenhalbrunds wird durch ein massives, hohes Bühnengebäude verschlossen, das keinen Ein- oder Ausblick gestattet. Die Orchestra des griechischen Theaters, also der runde Platz zu Füssen der Sitzreihen, wird in römischer Zeit zu einem Halbrund. Über die Orchestra zogen im Verlauf der Stücke ganze Prozessionen und sonstige Massenschauspiele. Hinter der Orchestra erhebt sich die eigentliche Bühne, die auch mit Kulissen ausge- stattet ist. Oftmals finden sich im Kellergeschoss der Theater Gänge, die nur mit der Inszenierung von Bühneneffekten (Vorhang, Falltüren, Aufzüge usw.) in Verbindung gebracht werden können. Die Rückwand der Bühne (scaenae frons) wurde beim römischen Theater durch eine mehrstöckige Stellung von Freisäulen gegliedert, die auch unabhängig von den jewei- ligen Kulissen und Requisiten des aufgeführten Stückes die Würde und Bedeutung des Theaters unterstrich. Die Bühnenfassade des Theaters war ein architektonisches Element, an dem farbige Steinsorten und sonstiger Prunk bevorzugt zum Einsatz kamen; in der Kaiserzeit wurden ähnliche Gestaltungen auch auf Schaufassaden anderer Bautypen übertragen, wie man z. B. beim Markttor von Milet oder bei der Bibliothek in Ephesos beob- achten kann. Ganz freistehend erhob sich in Rom eine «Theaterfassade»

als Hintergrund der Wasserspiele des Septizodiums zu Füssen des Palatins, ein Bauwerk, das als Ruine noch in der Renaissancezeit grosse Beachtung fand und ein Vorbild für neue Bauwerke abgab. Zu den bedeutendsten und

Abb. 13: Taormina, Sizilien (S. Holzer)

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anschaulichsten noch erhaltenen römischen Theatern in Europa gehören jene von Rom (Theater des Marcellus), Orange (Südfrankreich, ausnahms- weise mit dem gesamten Bühnenhaus erhalten), Taormina (Abb. 13) und Catania (Sizilien, beide durch Umbau altgriechischer Theater entstanden, mit Ruine des Bühnenhauses in Taormina), Arles, Mérida (mit weitge- hend rekonstruierter Bühnenwand) und Avenches sowie Augusta Raurica (Schweiz). Besonders gut erhalten sind ausserdem verschiedene römische Theater in Nordafrika und im östlichen Mittelmeerraum wie beispielsweise das Südtheater im jordanischen Gerasa (Abb. 14).

Das Amphitheater, also das quasi durch Zusammenfügen zweier hal- brunder Theater entstandene «Doppeltheater», diente spezifisch den Tier- hetzen und Gladiatorenkämpfen, einer Volksbelustigung, die im 1. Jh. v. Chr.

aufkam und besonders zur Kaiserzeit weite Verbreitung fand. Eine Bühne wurde hier nicht benötigt. Die ersten Gladiatorenspiele und Tierhetzen fan- den noch auf dem Forum oder an anderen offenen Plätzen statt. Die Orche- stra des Theaters wurde im Amphitheater zur ovalen Arena (der Name lei- tet sich von der Sandbedeckung dieser Fläche ab). Kellerräume dienten der sicheren Verwahrung der wilden Tiere und sonstigen Einrichtungen zur Vorbereitung der Kämpfe. Im 1. Jh. n. Chr. entstanden in allen wichtigeren Städten der italienischen Halbinseln und des westlichen Mittelmeerraums solche Amphitheater. Neben dem bereits erwähnten Kolosseum (Abb. 15) in Rom (dem amphitheatrum flavium), das im 3. Jahrhundert nach einem Brand umfangreich renoviert wurde, sind insbesondere die heute noch gut erhaltenen Amphitheater von Verona, Pompei, Sutri, Capua, Pula (Istrien), Arles und Nîmes (Südfrankreich), Saintes (Südwestfrankreich), Mérida (Spanien) sowie Avanches (Waadt) und Trier (Deutschland) zu nennen.

Öffentliche Bauten

Das politische und wirtschaftliche Leben der römischen Städte spielte sich zu einem grossen Teil auf Marktplätzen (Fora) und in den diese umschliessenden Säulenhallen (porticus) ab. Der ringsum von Säulenhal- len umzogene Platz ist eines der Leitmotive der römischen Architektur und unterscheidet sich deutlich von der griechischen Agora, an die zwar auch Säulenhallen angrenzen (Stoen), die aber meist freistehende Einzelbauten bleiben und den Platz nicht komplett umringen. Die streng symmetrische Organisation der Säulenhöfe und Fora setzte sich schon bei den ersten

Abb. 14: Gerasa, Jordanien (J. Schäfer) Abb. 15: Kolosseum in Rom (S. Holzer)

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planmässig angelegten Markplätzen in Rom durch. Cäsar errichtete am Platz der Bürgerversammlung (comitium) in Rom ein eigenes Forum, das axial auf den Tempel der Venus Genetrix, der Beschützerin seiner Familie, ausgerichtet war. Hinter den Kolonnaden verbargen sich allerlei öffentliche Hallen, Märkte und eine Basilika. Dem Vorbild von Cäsars Forum folgten später das Augustusforum mit dem Tempel des Mars Ultor, das Friedensfo- rum (forum pacis) des Vespasian (mit einer Gartenanlage in der Mitte), das aus einer schmalen Strassendurchfahrt in das Stadtviertel Subura entstan- dene Nerva-Forum mit dem Tempel des Nerva (wegen der Durchfahrts- funktion auch Forum Transitorium genannt), sowie schliesslich das alle bisherigen Dimensionen übertreffende Forum Traians (Abb. 16). Letzteres betrat man durch einen Bogen, der auf einen grossen, durch Säulenhallen gerahmten Platz führte, in dessen Mitte das Reiterdenkmal Traians auf- ragte. Den Hintergrund des Platzes schloss die quergelagerte Basilica Ulpia ab, eine fünfschiffige Säulenhalle mit überhöhtem Mittelschiff, das auf allen Seiten von doppelstöckigen Säulenstellungen umgeben war (Abb. 16). Im ersten Stock konnte man in dieser Basilika rings um den Hauptraum her- umgehen, jedoch nicht in ihn hinuntersehen, da eine hohe Brüstung dies verhinderte. Man konnte aber den Ausblick auf das Forum mit der Reit- erstatue geniessen und ebenso die Reliefs der Traianssäule betrachten, die sich direkt hinter der Basilika erhob. An den Schmalseiten schlossen grosse Apsiden die Basilika ab. Diese Bereiche dienten für Amtshandlungen wie Gerichtsprozesse und waren durch die durchgeführten Säulenstellungen etwas vom Mittelschiff abgetrennt. Durchschritt man die Basilika quer zu ihrer Achse, kam man in einen kleinen Hof, in dessen Mitte sich die Trai- anssäule erhob, das Denkmal für die militärischen Leistungen Traians und zugleich dessen Grabstätte. Die spiralig die Säule umziehenden Reliefbän- der mit ihren Kriegsberichten konnte man auch von zwei symmetrisch zur Längsachse der Gesamtanlage aus angeordneten Bibliotheken aus betrach- ten. Den Abschluss der Anlage bildete der Tempel für den vergöttlichten Kaiser Traian. Die riesige Basilica Ulpia mit ihrem mehr als 20 m breiten Mittelschiff sollte später zu einem der Vorbilder für den frühchristlichen Kultbau werden, obwohl sie mit ihrer fehlenden Ausrichtung auf eine Apsis auch deutliche Unterschiede zur christlichen Basilika aufweist. Im Grundsatz kam aber der Leitgedanke einer römischen Basilika – ein gros- ser gedeckter, gut beleuchteter Versammlungsraum – den Bedürfnissen der frühen christlichen Gemeinden nach einem nach aussen abgeschirmten

Abb. 16: Basilica Ulpia (Canina 1848)

Abb. 17: Kaiserfora in Rom (Ward-Perkins 1979)

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Versammlungsraum entgegen.

Die übrigen Basiliken in Rom hatten mit der Basilica Ulpia meist das überhöhte, gut belichtete Mittelschiff gemeinsam. Die Schiffe waren teils- durch Bogenstellungen anstelle von Säulenreihen voneinander getrennt.

Aussen schlossen sich an die Längsseite der Basiliken die für die römische Architektur so typischen Reihen kleiner, einräumiger Ladengeschäfte an.

Auf den anderen Seiten des Gebäudes waren Basiliken wie die Basilica Iulia und die Basilica Aemilia auf dem Forum jedoch nach aussen nicht durch geschlossene Wände begrenzt wie die Basilica Ulpia, sondern durch offene Arkaden. Die Basiliken waren multifunktionale Gebäude, die Nutzungen zu staatlichen Amtshandlungen und privaten Geschäften überschnitten sich und fanden wohl auch gleichzeitig statt. Der öffentliche Vollzug poli- tischer und rechtlicher Angelegenheiten gehört zu den Charakteristika der römischen Kultur.

Thermen

Mit der Einrichtung der ersten Fernwasserleitungen zur Versorgung Roms unter Agrippa (1. Jh. v. Chr.) waren prinzipiell die Voraussetzungen für den unglaublichen Siegeszug des öffentlichen Badewesens in der Haupt- stadt gelegt, der schnell auch auf die entferntesten Provinzen ausstrahlte.

Kaum eine römische Siedlung, ja kaum ein Militärlager gab es, die nicht mit öffentlichen Badeanlagen ausgestattet gewesen wären.3 Wo es ging, benutzten die Römer gerne natürliche heisse Quellen (so in Baiae oder in Badenweiler), um die Hallenbäder («Thermen») mit dem warmen Nass zu versorgen. In der Regel aber sorgten aufwendige Heizanlagen für den gewünschten Badekomfort.

Im Standardfall umfassten römische Thermen mindestens eine Raum- folge aus Umkleideraum (apodyterium, 1), Kaltbaderaum (frigidarium, 2 mit einem Badebecken, alveus), einen Übergangsraum mittlerer Tem- peratur (tepidarium, 3) und einem Heissbad (caldarium, 4 oft mit einem

auf einem Sockel aufgestellten grossen Waschbecken (labrum). In Anleh- 3 Ein Beispiel sind die gut erhaltenen Bäder des kleinen römi- schen Provinzstädtchens Iuliomagus in Schleitheim SH.

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Abb. 18: Stabianer Thermen in Pompei, Doppelbad für Männer und Frauen (Overbeck 1884)

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nung an die «Gymnasien» der griechischen (ostmediterranen) Welt, also die grossen Sportplätze für athletische Übungen und Ballspiele, trat zu den reinen Baderäumen in den römischen Thermen bald ebenfalls ein durch Säulenhallen gerahmter Sportplatz (palaestra, 5) zum normalen Raumpro- gramm dazu, oft kombiniert mit einem grossen Freischwimmbecken (nata- tio oder piscina, 6). Die ältesten gut erhaltenen Thermenanlagen, die bis ins 2. Jh. v. Chr. zurückreichen, finden sich in Pompei (Abb. 18). Sie sind wie Wohnhäuser in normale Hausblöcke (insulae) integriert und meist rings herum durch Ladenlokale oder kleine Werkstätten von Handwerken und Dienstleistern umgeben, treten also nicht repräsentativ in Erscheinung.

Durch einen kleinen Eingang kam man zunächst in die palaestra. Von dort aus hatte man Zugang zu der Raumfolge apodyterium – frigidarium – tepidarium – caldarium. In dieser linearen Abfolge waren die Räume der frühen Thermenanlagen – etwa in Pompei – auch angeordnet (Abb. 19, a-d). Bei den Thermen republikanischer und frühkaiserlicher Zeit ist meist die Raumfolge doppelt vorhanden, da damals noch geschlechtergetrennt gebadet wurde. Das Männerbad war allerdings meist reicher ausgestattet und grosszügiger angelegt als das Frauenbad. Von Anfang an waren Ther- men Bauwerke, die fast ganz in Massivbauweise errichtet wurden. Hölzerne Dachwerke oder Fachwerkwände wären schon allein wegen der ständig vorhandenen Feuchtigkeit zu kurzlebig gewesen. Die ältesten Thermen- anlagen weisen meist tonnengewölbte Räume oder überkuppelte Säle auf kreisförmigem Grundriss auf und empfangen nur wenig Licht durch kleine lichtschachtartige Fensteröffnungen. Die sollte sich aber bald ändern. Die Thermenanlagen der Kaiserzeit sind meist grosszügig durch riesenhafte Fenster belichtet. Ausserdem verstand man es später ausgezeichnet, für die Erwärmung der Heissräume auch die natürliche Sonneneinstrahlung zu nutzen, indem man das caldarium als aus der Flucht hervortretenden, nach Süden orientierten Baukörper anordnete.

Thermenanlagen bestehen nicht nur aus den öffentlich zugänglichen Bereichen, sondern erfordern umfangreiche technische Infrastruktur:

Wasserzuleitung, Wasserspeicherung, Abwasserableitung, Antransport und Lagerung von Brennmaterial (wohl vorwiegend Holzkohle), Heizkes- sel und Feuerungsanlagen für die Wasser- und Raumheizung, aber auch Lokale für Aufpasser, technischen Dienst usw. Im Laufe des 1. Jh. v. Chr.

und ganz besonders in der Kaiserzeit kamen zu den primären Räumen der Hauptraumfolge noch weitere hinzu: Saunaartige Schwitzräume (laco- nicum oder sudatorium), ganze Folgen von Tepidarien unterschiedlicher Temperatur, Einzelbäder mit Wannen, Entspannungsräume und Bibliothe- ken sowie Räume für Versammlungen und Reden.

Die wichtigsten technischen Einrichtungen der Thermen betreffen natürlich selbstverständlich die Wasserzu- und -ableitung sowie die Hei- zung. Die ersten Thermen, die auf ein paar Dutzend gleichzeitig Badende ausgelegt waren, kamen noch mit relativ kleinen Wasservorratsbehältern und Heizkesseln aus. Spätere Thermen verfügten über riesige, zisternen- artige, halb unterirdische Wasserreservoirs, wie sie an den Caracallather- men in Rom und bei den Traiansthermen in Gestalt der sogenannten «Sette Sale» noch erhalten sind. Es handelt sich um ausgedehnte gewölbte Raum- reihen, die an Boden und Wand mit wasserdichtem Putz aus opus signinum ausgekleidet sind. Die Heizung der Räumlichkeiten erfolgte durch das sogenannte Hypokaustensystem (Fussbodenheizung). Dazu wird zwischen Rohfussboden und Ausbaufussboden ein bis zu 1 m hoher Zwischenraum geschaffen, in den die heissen Verbrennungsgase eingeleitet werden. Die Konstruktion des Hypokaustens beruht auf einem regelmässigen Raster kleiner Türmchen (suspensurae) aus quadratischen oder runden Back- steinplatten. Diese tragen die grossen (meist 2 × 2 Fuss messenden), dün-

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nen Backsteinplatten der Fussbodenunterkonstruktion. Auf diese Schicht wird ggf. noch eine zweite Schicht von Backsteinplatten aufgebracht, dann eine dicke Mörtelschicht und schliesslich der endgültige Fussboden aus Mosaik oder Marmorplatten. (Abb. 19)Die Heizgase verlassen diesen Hohl- raum durch die Wandverkleidung. Zwischen Wandoberfläche und inne- rer Verkleidung wurden zu diesem Zweck tönerne Röhren rechteckigen Querschnitts (tubuli) vertikal angeordnet. Alternativ konnten auch flache Ziegelplatten mit kleinen Füsschen an den Ecken (tegulae mammatae) an der Wand angebracht werden, die nur einen schmalen, wenige Zentimeter dicken Luftspalt zwischen Rohwand und Verkleidung bildeten.

Die Bedienung der Hypokaustenanlage erfolgte durch Heizgänge im Sockelgeschoss der Thermen. Diese Heizgänge zogen sich an den beheizten Räumen entlang und waren durch Feuerstellen (praefurnium, 7) mit den Hypokausten der einzelnen Räume verbunden (Abb. 20). Aus Gründen der Ökonomie und des Wärmehaushaltes waren die beheizten Räume meist relativ dicht aneinandergedrängt, auch oft an der Sonnenseite des Bades angeordnet .

Mit den Thermen des Agrippa auf dem Marsfeld in Rom setzte ein Pro- zess der Monumentalisierung und der systematischen Organisation der Thermenanlagen ein. Dieser Prozess setzte sich mit den grossen Thermen der Kaiserzeit fort. Die ersten, in den Dimensionen noch vergleichsweise bescheidenen Kaiserthermen wurden unter Nero auf dem Marsfeld und unter Titus am Rand des Oppius-Hügel errichtet. Von beiden existieren nur geringe Reste, sie sind vor allem aus Bauaufnahmen der Renaissan- cezeit bekannt. In gewaltigen Dimensionen folgten dann die Thermen des Traian – in direkter Nachbarschaft der Titusthermen – weiter die Caracal- lathermen am Abhang des Aventins, die Diokletiansthermen beim heuti- gen Hauptbahnhof von Rom im Osten der antiken Stadt, und schliesslich die Konstantinsthermen am Abhang des Quirinalshügels – letztere schon wieder in bescheideneren Dimensionen.

Abb. 19: Apodyterium, frigidarium und caldarium der Stabianer Thermen in Pompei (J.Schäfer) a

b

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Die Kaiserthermen (Abb. 22) konnten hunderten, wenn nicht tausen- den von Besuchern gleichzeitig das Bad, die Entspannung und den Sport ermöglichen. In den entwickelten Anlagen nahm das eigentliche Bade- gebäude das Zentrum eines riesigen Hofes mit parkähnlicher Gestaltung ein. Das Badegebäude selbst – nun nicht mehr auf geschlechtergetrenntes Baden eingerichtet – entwickelte sich also als monumentaler freistehender Baukomplex im Freiraum des grossen Hofes. Auf der Mittelachse sind bei den Kaiserthermen die Hauptsäle frigidarium, tepidarium und caldarium angeordnet, letzteres meist ungefähr Richtung Süden orientiert und mit grossen, verglasten Fenstern versehen. Den Kern der Anlage bildete meist das frigidarium, das sich von einem reinen Baderaum in einen allgemeinen Prunksaal, Aufenthaltsraum und zentralen Verteiler der ganzen Raumfolge entwickelte. Der Gang durch das Bad folgte nun nicht mehr der strengen linearen Abfolge, sondern ein Thermenbesuch vollzog sich eher auf einem Rundkurs und konnte auch Abkürzungen, Umwege in Spezialabteilungen oder Abstecher enthalten. Dafür konzentrierte die streng achsensymmetri- sche Anlage architektonisch die bedeutendsten Räume auf der Mittelachse.

Der Besuch des Bades auf dem Standardweg entsprach oft einer stetigen Steigerung des Raumerlebnisses. Das frigidarium war bei den Kaiserther- men ein dreijochiger, kreuzgewölbter Raum mit seitlichen, quer zur Achse des Hauptraums tonnengewölbten Nebenräumen. Die Belichtung erfolgte durch riesige halbkreisförmige Fenster in den Schildwänden der Kreuzge- wölbe des Mittelschiffs. Die tonnengewölbten Seitenräume enthielten die Wasserbecken und waren durch freie Säulenstellungen vom Hauptraum abgeschirmt. Die Kreuzgewölbe des Hauptraums ruhten dem Schein nach auf riesigen monolithischen Säulen.

Die Caracallathermen wurden in der extrem kurzen Bauzeit von nur vier Jahren 212 – 16 errichtet, eine logistische Meisterleistung. Möglich war dies durch den massiven Einsatz mehrschaliger Mauern mit Kern aus opus cae- menticium und Verkleidung aus opus testaceum, durch Verwendung regio-

Abb. 20: Hypokausten-Heizung der Villa dei Quintili, Rom (S. Holzer) Abb. 21: Heizgang mit Praefurnium in der Villa Adriana, Tivoli (S. Holzer)

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Abb. 22: Grundrisse der Kaiserthermen: Traiansthermen (oben) (Bertotti-Scamozzi 1790) und Caracallathermen in Rom (unten) (Blouet 1830)

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naler Materialien (Backstein, Kalk, Puzzolane, Tuff) und verkehrsgünstige Lage der Thermen am Rande des Siedlungsgebietes an einer grossen, kurz zuvor errichteten neuen, überbreiten Strasse sowie in der Nähe zum Tiber und seinen Häfen. Lediglich für die Innenverkleidung der Säle wurden aus repräsentativen Gründen Buntmarmore aus dem ganzen Mittelmeerraum herangeschafft. Die Fussböden bestanden aus Mosaiken (vor allem in den Farben rot, grün und gelb) oder aus opus sectile, die Wandverkleidungen aus Stuck oder aus Inkrustationen mit Marmorplatten. Auch die durchwegs in opus caementicium hergestellten Gewölbe waren dekoriert, und zwar mit Kassetten und farbig bemaltem Stuck. Die natatio der Caracallathermen war in die Abschlussmauern des zentralen Badegebäudes eingebunden; ihr war im Bereich des Freischwimmbeckens eine Säulenfassade in Art einer scaene frons vorgelegt, während das Badegebäude als Ganzes nach aussen hin recht geschlossen und blockhaft wirkte.

Einen Eindruck von der Konstruktion und dem Erscheinungsbild eines spätkaiserzeitlichen frigidariums vermitteln noch zwei Bauwerke. Einerseits wurde die gut erhaltene Ruine des frigidariums der Diokletiansthermen im 16. Jahrhundert – angeblich nach Entwurf Michelangelos – soweit wieder- hergerichtet, dass das ehemalige frigidarium nunmehr als Kirche «Santa Maria degli Angeli» eines neu gegründeten Kartäuserklosters benützt wer- den konnte (Abb. 23). Sein heutiges Erscheinungsbild erhielt es in einer zweiten Restaurierungs- und Umbaukampagne unter Luigi Vanvitelli im 18. Jahrhundert. Da die kolossalen Säulen hier erhalten sind und auch das fast 25 m spannende Kreuzgewölbe aus opus caementicium noch steht, ver- mittelt die Kirche ein beeindruckendes Bild des ehemaligen Thermensaals.

Bei den Diokletiansthermen wendete sich die natatio nach draussen, zum grossen Hof hin, und sie lag direkt vor der einer scaene frons ähnelnden Fassade des zentralen Baukomplexes.

Ein weiteres wichtiges Monument, das die beeindruckende Grösse der Thermensäle auch heute noch zu vermitteln vermag, ist die Ruine der soge- nannten Maxentius- oder Konstantinsbasilika an der Via Sacra zwischen Velia und Forum Romanum in Rom (Abb. 24). Dieses Bauwerk entspricht in seiner Disposition exakt einem frigidarium, nur erweitert durch zwei Apsiden, eine am Ende des Mittelschiffs und eine am Ende des mittleren tonnengewölbten Seitenraums. Da das frigidarium sich in eine multifunk- tionale Halle entwickelt hatte, war die direkte Übernahme seiner Bauform für die Bauaufgabe «Basilika» möglich. In konstantinischer Zeit nahm die Apsis des Mittelschiffs der Maxentiusbasilika eine Kolossalstatue des Kaisers auf, während für die typischen Amtshandlungen einer Basilika die zweite Apsis errichtet wurde und das Gebäude überdies quer zu sei- ner eigentlichen Hauptachse durch die mittlere Seitenkapelle erschlossen wurde, mittels eines eigens vorgelegten viersäuligen porticus an der Via Sacra. Die Anlage ist bis auf die drei grossen Tonnengewölbe der Nordost- seite stark zerstört. Diese drei Tonnengewölbe, deren Spannweite fast jene des Mittelschiffs des Petersdoms erreicht, bildeten für die spätere Architek- turgeschichte ein Vorbild von ungeheurer Anziehungskraft. In einzelnen Kassetten der drei Tonnengewölbe sowie auch in den Kassetten der Apsi- den des benachbarten, zu gleicher Zeit renovierten Tempels der Venus und Roma finden sich umfangreiche Reste der Stuckausstattung, die eine Vor- stellung von der gleichartigen Gewölbedekoration der grossen Kaiserther- men vermitteln.

Von den Konstantinsthermen blieben keine nennenswerten Überreste erhalten, so dass wir sie nur aus renaissancezeitlichen Bauaufnahmen kennen. Jedenfalls waren sie deutlich kleiner als die Thermen Traians, Caracallas und des Diokletian. Auch in den Provinzen wurden jedoch in konstantinischer Zeit noch Thermen nach Vorlage der hauptstädtischen

Abb. 23: Frigidarium der Diokletiansthermen, heute Kirche Santa Maria degli Angeli (S. Holzer)

Abb. 24: Kassettiertes Tonnengewölbe der Maxentiusba- silika (S. Holzer)

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Kaiserthermen errichtet, so in der zeitweiligen kaiserlichen Residenzstadt Trier. Die dortigen Konstantinsthermen folgten ganz ähnlichen Prinzipen des Entwurfs und waren sicher ebenfalls reich ausgestattet.

Die Caracallathermen wurden in den 1820er Jahren erstmals aus genuin archäologischem und architekturhistorischem Interesse erforscht und teil- weise ausgegraben. Die Resultate dieser Forschungen wurden von dem französischen Architekten und Prix-de-Rome-Gewinner Guillaume Abel Blouet 1830 in ziemlich guten Bauaufnahmen publiziert (Abb. 25). Aus- serdem ergänzte Blouet die Bauwerke zeichnerisch zum Originalzustand.

Diese weithin beachtete Publikation sowie die graphisch extrem anspre- chenden Perspektiven der 1890 durch Edmond Paulin veröffentlichten zeichnerischen (nicht immer sehr gut am Bestand orientierten) Rekonst- ruktion der Diokletiansthermen machten weite Kreise auf die römischen Badeanlagen aufmerksam. Diese führte zu einer späten, doch sehr interes- santen Rezeption der Kaiserthermen in der Architektur des frühen 20. Jahr- hunderts. Insbesondere sind einige Bahnhöfe zu nennen, zu allererst die Philadelphia Station in New York. Der streng symmetrische Grundriss dieses 1910 vollendeten Innenstadtbahnhofes nimmt eine Hauptwartehalle ins Zentrum, die ganz demonstrativ auf die Frigidarien der Caracalla- und Diokletiansthermen zurückgreift, mit einer dreijochigen, durch kassettierte Kreuzgewölbe überdeckten Halle, deren Gewölbe scheinbar auf riesigen monolithischen Säulen stehen. Diese vielbeachtete Bahnhofsanlage inspi- rierte noch die Bahnhöfe von Mailand und Stuttgart. Die zentrale Rolle der Frigidariensäle mutierte in diesen Bahnhöfen zur zentralen Verteilerhalle

Abb. 25: Rekonstruktion des frigidariums der Caracallathermen (Blouet 1830)

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für die Bahnsteige und sonstigen Funktionsräume des Bahnhofes.

Die Anlage der römischen Stadt

Schon in altgriechischer Zeit wurden Städte – insbesondere Neugrün- dungen in Kolonien – auf Grundlage eines rechteckigen Strassenrasters angelegt, das die Siedlungsfläche in gleichmässige Grundstücke zerlegte.

Diese als «hippodamisches System» bekannt gewordene Stadtstruktur (zurückgeführt auf Hippodamos von Milet im 5. Jh. v. Chr., jedoch viel weiter in die griechische Geschichte zurückreichend), die den Städtebau des Hellenismus weithin dominierte, erfreute sich auch in römischer Zeit grosser Beliebtheit. Die Römer übernahmen die rechtwinklige Anlage der Stadt und die Erschliessung durch einige wenige Hauptachsen auch für ihre Militärlager. Das standardisierte, im ganzen Reich überall gleich angelegte Militärlager mit seinen genau festgelegten Plätzen und Funktionen für die Truppen bot dem einzelnen Soldaten einen vertrauten Rahmen und ermöglichte im Ernstfall eine schnelle Orientierung. Die breite Querachse der via principalis teilt das Lager in einen schmalen Vorderabschnitt und einen breiteren Hinterabschnitt. Die Längsachse der via praetoria führt vom Haupteingangstor direkt zum Gebäude des Kommandanten (praeto- rium) und zum Lagerheiligtum. Zivile Anlagen wie Thermen und Theater- bauten siedelten sich an den Ausfallstrassen ausserhalb der Wehrmauer an.

Derselben Grundordnung entspricht die Anlage der römischen Koloni- alstädte. Die rechtwinklige Strassenführung bot auch hier eine schnelle Ori- entierung und lieferte ausserdem direkt die Grundstücksaufteilung in sog.

insulae (Häuserblöcke). An der Kreuzung der meist näherungsweise in Ost- West Richtung führenden Hauptstrasse decumanus und der rechtwinklig dazu verlaufenden Hauptquerstrasse cardo entstand das Zentrum der Stadt mit dem forum. Obwohl sich dieses Schema im römischen Reich verbrei- tete, wurde bei der Anlage der Städte stets auch das Gelände mit einbezogen und auf allerhand spezifische Randbedingungen Rücksicht genommen, so dass eine «ideale» Stadtanlage nach dem beschriebenen Schema nirgends wirklich existiert. Das Grundprinzip ist aber fast überall erkennbar.

Viele Städte zeugen auch heute noch von einer Entstehung in römischer Zeit und haben ihr Grundschema in die heutige Stadtstruktur überliefert.

Das rasterförmige Muster der einstigen Bebauung ist beispielsweise in Lucca und in Verona auch im heutigen Stadtbild noch ablesbar. Auch die ehemaligen rechtwinkligen Hauptachsen mit den fora haben sich in ihrer Form überliefert und zeugen auch heute noch in beiden Städten von der einstigen Platzsituation. Die durchgängig besiedelten Städte wurden aller- dings von den nachfolgenden Generationen nach ihren Wünschen über- baut und verändert.

Das von späteren Umformungen unbeeinflusste Bild einer römischen Provinzstadt bietet die beim Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. verschüttete Stadt Pompei am Golf von Neapel, die heute als Ruinenstadt besichtig wer- den kann (Abb. 26). Pompei war bis ins 6. Jh. v. Chr. eine oskische Siedlung, bevor es unter griechischen und später unter etruskischen Einfluss kam. Der Kern dieser Siedlung zeichnet sich noch im Süden des Stadtplateaus durch ein vergleichsweise unregelmässiges Strassennetz mit zentralem Achsen- kreuz ab, das ehemals von einem ovalen Festungswall umschlossen war. Im Schnittpunkt von cardo und decumanus entwickelte sich später das forum.

Im Jahr 421 v. Chr. eroberten die Samniten die Stadt und erweiterten sie erst nach Norden und in einer späteren Phase nach Osten. Als Handels- und Hafenstadt profitierte Pompei von der Nachbarschaft zum römischen Herr- schaftsgebiet, was zu einer starken Bautätigkeit führte. Die im 2. Jh. v. Chr.

entstandenen Bauten wie das forum triangolare, das forum civile mit seinen

Abbildung

Abb. 1:  Das römische Reich in seiner grössten Ausdehnung unter Kaiser Traian (Brockhaus  Lexikon 1903)
Abb. 2:  Grabmal der Caecilia Metella, Via Appia, Rom: Mit Werkstein verkleidete Bruchsteinstruktur, Sockel mit Resten einbindender Travertinquader  (S.Holzer)
Abb. 3:  Ponte di Augusto, Narni: Werksteinkonstruktion  mit Kern aus opus caementicium (S.Holzer)
Abb. 4:  Ostia: opus reticulatum mit Ziegeldurchschuss als Verkleidung von opus caementicium
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