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Buluqja.
Von Josef Horoyitz.
Die Forschungen der letzten Jahre haben uns in dem grossen
Märchenbuch des arabischen Orients drei Schichten von Erzählungs-
stoflF unterscheiden gelehrt, an die sich dann noch eine Anzahl von
Geschichten , die unter einander in keinem Zusammenhang stehen,
angesetzt haben. So wesentlich diese Ergebnisse uns über die früher
herrschenden unklaren Vorstellungen hinausgeführt haben, — eine Ent¬
stehungsgeschichte der weltumspannenden Sammlung kann erst ge¬
schrieben werden, wenn die einzelnen Erzählungen, wie das bisher
nur für wenige geschehen ist, besonderer üntersuchung unterzogen
worden sind. Die Geschichte von Bulüqjä, deren Quellen hier
verfolgt werden sollen , steht nach Ton und Inhalt weit von der
überwiegenden Masse der sonstigen Erzählungen ab ; sie gehört dem
Zweige der qisas al-anbijä an, der freilich auch sonst in „Tausend
und eine Nacht" nicht ganz unvertreten geblieben ist.
Die Beschreibung der wunderbaren Fahrten des Bulüqjä ist
jetzt in die Erzählung von Häsib Karlm-ad-din hineingeschachtelt.
Dieser ist der Sohn des weisen Dänijäl, auf den aber die gelehrten
Bücher, die ihm sein Vater hinterlassen hat, keine Anziehungskraft
ausüben ; so entscbliesst sich seine Mutter, die aus ihm gern einen
Schriftgelehrten gemacht hätte, ihn Holzhauer werden zu lassen.
Während er einmal mit seinen Genossen bei der Arbeit ist, entdeckt
er eine Honiggrube ; die übrigen Holzhauer fürchten , dass Häsib
den ganzen Inhalt für sich allein beanspruchen werde und be¬
scbliessen sich seiner durch List zu entledigen: sie lassen ihn an
einem Seile hinab, dass er den Honig herauf befördere und ziehen ihn,
sobald aller Honig oben ist, nicbt wieder hoch, dass er Hungers sterbe.
In der Grube entdeckt er einen Spalt, den er verbreitei-t, und ge¬
langt so in einen Saal, in dem Schlangen hausen. Die Königin der
Schlangen nimmt ihn freundlich auf, lässt sich seine Erlebnisse be¬
richten') und erzählt ihm dann ihr wunderbares Begegnis mit Bulüqjä.
Bulüqjä war ein König der Bann Isräil in Misr, der beim
Durchsuchen der Schatzkammern seines verstorbenen Vaters ein
1) Diese Scene erinnert an eine alinliche in dem altägyptischen Märchen vom „shipwrecked sailor", Flinders-Petrie Egyptian tales, first series S. 88 ff.
Bd. LV. 34
Buch fand , darin das Erscheinen des Propheten Muliammed ver¬
kündigt und seine Persönlichkeit geschildert war. Was er da von
ihm las, erfüllte ihn mit solcher Sehnsucht nach dem Propheten,
dass er Palast und Reich verliess, um ihn zu suchen. Nach längeren
Seefahrten, wobei er auf einer Insel die Schlangenkönigin traf, kam
er nach Jersulem ; dort machte er die Bekanntschaft eines gelehrten
Mannes, der viel in den alten Schriften forschte, des 'AfiFän. Der
hatte gelesen , dass , wer den Siegelring Salomos in seinem Besitz
hätte , Herr über Menschen und Ginn und alle Kreatur sei ; dass
der Ring noch jetzt am Finger Salomos stecke , dessen Leichnam
über sieben Meere fortgetragen worden sei ; über die sieben Meere
könne man nur gelangen , wenn man sich die Füsse mit dem Saft
eines gewissen Krautes einreibe , zu dessen Auffindung man der
Hilfe der Schlangenkönigin bedürfe. 'Affän überredet Bulüqjä mit
ihm zu der Stelle zu pilgern, an der Salomos Leichnam liegt; hätten
sie erst den Ring, so würden ihnen alle Wünsche erfüllt, sie könnten
also auch noch die Sendung Muhammeds erleben. Die Beiden
machen sich also auf den Weg, finden die Schlangenkönigin wieder,
fangen sie und zwingen sie , ihnen das Kraut zu zeigen. Schliess¬
lich gelangen sie zu Salomos Thron ; 'Aflfän versucht den Ring
abzuziehen, wird aber von dem giftigen Hauch einer Schlange
verbrannt. Bulüqjä rettet vor dem gleichen Schicksal nur die
Dazwischenkunft des Engels Gabriel. Obwohl dieser ihm bestätigt,
dass es bis zum Erscheinen Muhammeds noch gute Weile habe,
setzt Bulüqjä seine Fahrt fort. Er bekommt die wunderbarsten
Gebilde des Pflanzen- und Tierreichs zu sehen, schliesslich trifft er
auch auf die Ginn, deren König Saljr ihn freundlich bewirtet, ihm
von dem Ursprung der Ginn erzählt und sonst allerlei verborgene
Weisheit kundthut. Von den Orten, wo die Ginn hausen , gelangt
er an den Berg Qäf und den Magma' al-bahrain und hört die
Engel, MiljäTl und die andem, Alläh und Muhammed lobpreisen.
Dann tritt er die Rückreise an; auf einer Insel triflft er einen
Jüngling zwischen zwei Gräbern sitzen , 6än^äh , der ihm seine
Geschichte ausführlich erzählt. Als er noch 95 Jahre von Kairo
entfernt ist, begegnet ihm IJidr, der ihn in einem Augenblick nach
seiner Heimat zurückbringt.
Burton') hat bereits darauf hingewiesen, dass die Episode von
der gemeinsamen Fahrt 'Aflfäns und Bulüqjäs auch in der persischen
1) The book of thousand nights and a night V, 310 Anm. 1; bei Payne (IX, 309) heisst es ungeuau „the adventures of Belouqya are taken so far as the main incidents e.\tend bodily from the annals of Tabari". In Dubeux's Übersetzung des persischen Tabari steht die Stelle S. 56, bei Zotenberg I, 60.
In der lithographierten Ausgabo des persischen Textes, die in Cawnpore er¬
schienen ist, fehlt der Passus; ich setze ihn deshalb nach der Gothaer Hand¬
schrift her (einige orthographische Eigentümlichkeiten habe ich geändert) :
Horovitz, Bulüqjä. 521
Übersetzung von Tabaris Cbronik erzählt werde. Merkwürdiger¬
weise ist aber — so weit ich die Litteratur übersehe — gar nicht
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.(♦^äsLj ^.jLl^»^ jiAit j^j L« f^^^ lAÄÄfti'
Bei Tabari wird also die Geschichte als Antwort auf die achtzehnte Frage erzählt, die die Juden an Muhammed stellten, um zu prüfen, ob er der wahre Prophet sei. Die ganze Einleitung zum persischen Tabari ist noch nicht auf ihre Quellen untersucht; so lässt sich auch nicht feststellen, woher Bal'ami oder wer sie sonst eingefügt hat, die Erzählung hat. In den türkischen Qyrq suäl (ed. Zenker 1851) wird S. 57—58 die Frage behandelt: lis^A+itAj ^^UaI.*«
blXÄS t^ykSj aber des Bulüqjä keine Erwähnung getban.
34*
beachtet worden, dass sich die Geschichte von Bulüqjä ihrem ganzen
Inhalt nach, und zwar im Wesentlichen mit „Tausend und einer
Nacht" übereinstimmend, an einer Stelle findet, wo sie zuerst ge¬
sucht werden sollte , in Ta'labis Qisas al anbijä ')• Die Überein¬
stimmung zwischen den beiden Darstellungen erstreckt sich oft
genug auch auf den Wortlaut, namentlich insofern, als chai'akte-
ristische Ausdrücke der einen auch in der anderen beibehalten
werden.
Wenn man liest, wie Bulüqjä das Buch, das von Muhammeds
Sendung erzählt, auffindet, so wird man an die Auffindung des
„Buches der Lehre" durch den frommen König Josia erinnert; dass
die Erinnerung an diesen thatsächlich bei der Erfindung der Bulaqjä-
Erzählung wirksam gewesen ist, zeigt sich noch in der Passung
bei Ta'labi, wo USia (LxUij!) als Vater des Bulüqjä genannt wird.-)
Im Einzelnen hat bald Ta'labi bald „Tausend und eine Nacht"
genauere Details, und es lässt sich generaliter nicht sagen, dass
die Züge, die nur „Tausend und eine Nacht" kennt, Zeichen jüngeren
Ursprungs an sich trügen. Die Unterschiede zeigen sich nicht im
Gang der Begebenheiten , sondern in den Einzelheiten der Be¬
schreibung der wunderbaren Dinge, die der Held der Erzählung
sieht. Während bei Ta'labi nur gesagt wird, Bulüqjä sei nach dem
Tode des 'Alfön allein weitergezogen und habe die sechs Meere
überschritten (311, 5), werden in „Tausend und einer Nacht" die
Inseln samt den merkwürdigen Geschöpfen , die auf ihnen und im
Meere lebten, ausführlich beschrieben.'*) Einmal zeigt der Vergleich der beiden Darstellungen, dass in „Tausend und einer Nacht" etwas,
das jedenfalls ursprünglich im Texte stand, ausgelassen worden ist:
Bulüqjä sieht vor dem Engel Mlhäil eine Tafel mit einer Inschrift
in weisser und schwarzer Farbe liegen ; auf seine Frage , was auf
der Tafel geschrieben stehe, erhält er keine Antwort, sondern hört
nur, der Engel sei mit der Ordnung des Wechsels von Tag und
Nacht betraut.*) Burton ^) meint, die Tafel sei der lauh al-makfüz ;
bei Ta'labi ") erklärt der Engel selbst die Bedeutung ganz anders :
Cl^lj (öLs Jyw! j-^i i^-l'j^^ ijilxji (^iXj yvj
iCjiiiJ! COj '■''^^ß ^\yMj\ Ci^l^ 131» S.*iilJ! LH^ij '^\yuj\
0«JöjÜ ;_>aÄÄj| j^-i*^^ '^^j ^'-^Jri O^-'^^ _yii>*>-Ji
U>^\ vis y*^»^ j^^: jk*^' er* 4>^' ^l-xAJ! S d^^^ ^Sjä
.y^\
1) ed. Cairo 1298, S. 308—15.
2) ib. 308 unten. Der Name Bulüqjä selbst könnte dann vielleicht aus irr'pbn entstanden sein.
3) ed. Cairo (1311) S. 284—85. 4) ib. S. 289.
5) V, 322 Anm.; ehenso Henning IX, 84 Anm. 6) S. 312.
Horovitz, Bulüqjä. 523
In der Version, die „Tausend und eine Nacht" bietet, sind
namentlich die kosmographischen und eschatologischen Belehrungen,
die in den Rahmen der Erzählung hineingewebt wurden , zahl¬
reicher als bei Ta'labi. Die didaktische Tendenz, die auch in
anderen Bestandteilen von „Tausend und einer Nacht" sich gelegent¬
lich geltend macht, hat veranlasst, dass manche derartige Excurse
aufgenommen worden sind, die mit dem Verlauf der Erzählung
nichts zu thun haben und manchmal sehr an den Haaren herbei¬
gezogen erscheinen. Meist stimmt was über die Ginn und deren
Wohnorte , über Hölle und Engel gelehrt wird , mit dem überein,
was die muhammedanische eschatologische Litteratur darüber zu be¬
richten weiss.') Nur von den ersten Bewohnern des Gahannam,
IJilllt und Milllt 2), oder wie sie bei Ta'labi heissen') Giblit und
Timlit, konnte ich anderwärts keine Erwähnung finden.*)
Dadurch, dass die Geschichte von Bulüqjä in die von Häsib
KarTm ad-din eingeschaltet wurde, sind in „Tausend und einer
Nacht" einige Zusätze erforderlich geworden; namentlich musste
erklärt werden , auf welchem Wege die Schlangenkönigin weitere
Kunde von den Schicksalen des Bulüqjä erhalten konnte.*)
Der Vergleich der beiden Versionen gewährt uns einen wert¬
vollen Einblick in die Art, wie der Redaktor der Geschichte von
Häsib Karim ad-din seine Thätigkeit ausübte. Bei Ta'labi wird
erzählt, wie Bulüqjä bei seiner Heimfahrt auf einer Insel einen
Jüngling traf, Sälih mit Namen, der hier, zwischen den Gräbern
seiner Eltern sitzend, seinen Tod erwartete.*). In „Tausend und
einer Nacht" ") wird Sälih einfach ehminiert, an seiner Stelle Gänsäh
zwischen die beiden Gräber gesetzt und so kann dessen umfang¬
reiche Geschichte sich ansehliessen.
Ta'labi giebt in dem unvollständigen Isnäd, der die qissat
1) Zu al-ard al-bairtä (Alf laila I. c. 286,23) vgl. Öazzäli, ad-durra al- fähira ed. Gautier S. 58; zu den Schilderungen der sieben Stufen der Hölle (ib. 287, 11—26) vgl Muhammedanische Eschatologie ed. Wolff, S. 88 (arab.).
Ruling, Beiträge zur Eschatologie des Islam, S. 27 ff. und S. 62. Sonst findet man über die Engel einiges, manchmal mit Stellen unserer Geschichte wörtlich übereinstimmende bei Qazwini, Kosmographie ed. Wüstenfeld I, 55 ff.; über die siqq ibid. S. 370 f. — Kur in „Tausend und einer Kacht" findet sich der Passus über die Grundlagen der Erde, der — wie Chauvin, la recension egyptienne des mille et une nuits S. 17 gezeigt hat •— auf Wahb Ibn Munabbih zurück¬
geht. — Beachtenswert ist die tendenziöse Hervorhebung einer theologischen
Schulmeinung, die diejenigen, die das am Freitag vornehmen, mit den
(j\_jJi\^ auf eine Stufe stellt (Alf laila 1. c. 290,3). Kawawi, MinhBg (ed.
V. d. Berg) I, 174 bezeichnet es als sunna.
2) 287, 27.
3) 311, 20.
4) Burton X, 130 glaubt hier zoroastrischen Vorstellungen auf der Spur zu sein.
5) 319, 24.
6) 314 unten.
7) 291 unten.
BulQqja einleitet, an, woher er die Geschichte hat'): yi\ Ljj+i>l
|.bLw »JJ! lVjx. »oLi,.~Lj t^jj^ »-JJ! tXxc iXi-^ yCj
^^jLut^'ü!; in dem Berhner Codex Sprenger 1008 2), der ebenfalls
die Geschichte des Bulüqjä enthält, heisst der Erzähler : Muhamraad
Ibn Abi Bakr Ibn 'Abdalläh al Hauzaqi. Richtig heisst er Abü
Bakr Muhammad Ibn 'Abdallah al Gauzaqi, nach äauzaq in der
Gegend von Nisäpür so genannt.') Er hat eine Anzahl von Schriften
über Hadit und Fiqh verfasst*) und ist im Jahre 388 im Alter
von 82 Jahren gestorben. 'Abdalläh Ibn Salläm, auf den in letzter
Instanz die Erzählung von Bulüqjä zurückgeführt wird, gehört zu
den medinischen Genossen des Propheten. Nach seinem eigenen
Bericht*) will er unmittelbar nach Muhammeds Ankunft in Medina
seinen jüdischen Glauben mit dem Isläm vertauscht haben; nach
anderen Nachrichten , die für schlecht bezeugt erklärt werden *),
hätte er erst zwei Jahre vor Muhammeds Tode zu der neuen Lehre
sich bekannt. Seinen früheren Namen Husain änderte Muhammed
in 'Abdallah. Später war er ein Parteigänger 'Utmäns und suchte
dessen Mörder von ihrem Vorhaben abzubringen.
Natürlich kann die Geschichte in der Form, in der wir sie
jetzt lesen , nicht so alt sein ; dass sie aber in ihren Grundzügen
auf den medinischen „Genossen* zurückgehe, scheint mir sehr wohl
möglich. Es liegt kein Grund vor, den Isnäd zu bezweifeln und
positiver sprechen psychologische Erwägungen dafür, dass die
Geschichte aus den Kreisen jüdischer Konvertiten stamme'), die
einen königlichen Vorgänger aus ihrem eigenen Stamme wohl
brauchen konnten. Dazu kommt, dass 'Abdallah Ibn Salläm selbst
— nach seinem eigenen Bericht^) — seinen früheren Glaubens¬
genossen zugerufen hat: Ihr wisst, dass Muhammad der Gesandte
Gottes ist; Ihr findet ihn bei Euch in der Taurät namentlich er¬
wähnt und beschrieben.")
1) 308 unten.
2) Vgl. Ahlwardt, Catalog, Band VIII, 8. 13, No. 8970. Die Geschichte ist in fugam vacui auf die letzten Seiten dieser Handschrift geschrieben. Im Wesentlichen stimmt der Text mit Ta'labi überein, aber es finden sich zahl¬
reiche kleine Varianteu.
3) Vgl. Jlqüt II, löl und Tabaqät al hufi'Iz XIII, 15, wo er fölschlich al-öazraqT heisst. Die richtige Form hat z. B. Ta'labT 8. 102 unten.
4) Hä^ Haifa I, 230, II, 544. 628, III, 412, V, 370. 543.
5) Ibn Biibn 353.
6) Ibn Hagar, Isäba II, 780; vgl. femer über ihn Usd al gSba III, 176, KawawT, Biographical dictionary 347.
7) Vgl. Chauvin 8. 13. 14.
8) Ibn Hisim 353 unten.
9) Als es sich darum handelte festzustellen, welche Strafe anf Ehebruch stehe, zwingt 'Abdallah die ahbSr einzugestehen, dass Muhammeds Entscheidung mit der Bestimmung der Tanrit übereinstimme (Ibn Hisäm 395); in einer anderen Verston nimmt Ibn Sürijja 'Abdallahs Stelle (Sprenger III, 37 Anm.) ein.
Horovitz, Bulüqjä. 525
Neuerdings hat Chauvin auf eine Anzahl jüdischer Elemente
in unserer Geschichte aufmerksam gemacht und sie als „conte
nettement juif) bezeichnet. Sie treten in der That so klar zu
Tage, dass der jüdische Ursprung der Geschichte gar nicht ver¬
kannt werden kann. Preilich, für das, was Chauvin beweisen will,
dass der zweite Redaktor von „Tausend und eine Nacht', der selbst
mehrere Erzählungen erfunden habe und für dessen Art die Ge¬
schichte von Bulüqjä besonders charakteristisch sei, ein jüdischer
Konvertit gewesen sei, kann diese Geschichte durchaus nicht heran¬
gezogen werden; wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, war
die Erzählung von den Fahrten des Bulüqjä, in der islämischen
Litteratur längst bekannt, als der „zweite Redaktor" der ägyptischen
Recension von „Tausend und eine Nacht" in Thätigkeit trat.
Burton will in unserer Geschichte eine ganze Anzahl von ur¬
sprünglich zoroastrischen Vorstellungen nachweisen.^) Mir scheinen
mehrere seiner Gleichsetzungen recht zweifelhaft; aber selbst wenn
sie alle sich als richtig erweisen sollten, so würden sie für parsischen
Ursprung der Geschichte nichts beweisen. Denn wie die talmudiscbe
Litteratur zeigt, sind die Juden im Sassanidenreich mit vielen Vor¬
stellungen und Sagengestalten des Parsismus vertraut geworden
und manches davon ist dann durch jüdische Vermittelung in den
Islam übergegangen. Ferner gehören — wie bereits oben bemerkt
— namentlich die eschatologischen Partieen unserer Geschichte
nicht der ursprünglichen Form an, wie sie etwa im siebenten Jahr¬
hundert erzählt worden sein mas.o
Ausser als Bestandteil von „Tausend und einer Nacht'") ist
die Geschichte von Häsib Karim ad-Dln als selbständige Schrift
in drei Handschriften der Berliner Bibliothek*) erhalten. Im cod.
Pet. 290 weicht die Einleitung von dem Text in „Tausend und
einer Nacht" ganz ab; wie Ahlwardt, der ihren Inhalt angiebt, be¬
merkt , findet sich die gleiche Einleitung am Anfang des Romans
von Hamza aqrän, wird also von dort hierher geraten sein. Inhalt¬
lich, vielfach auch im Wortlaut, stimmt die Geschichte im weiteren
Verlauf mit dem gedruckten Text überein ; manche unwesentlichen
Züge fehlen, Einzelheiten, namentlich in den Schilderungen der
Meerwunder , sind viel minutiöser ausgeführt , auch Verse werden
eingefügt. Die Sprache weist zahlreiche Vulgarismen auf.
1) S. 16 ff., man beachte auch vor allem die wichtige Kolle, die der Ring Salomos hier wie in der jüdischen Legende spielt. Übrigens sind die meisten Erzählungen in „Tausend und einer Nacht", in denen Juden die Hauptrolle spielen, jüdiscben Ursprungs.
2) X, 129.
3) Wo sie sich nur in den Handschriften späteren Datums fiudet, wie die Zusammenstellungen bei Chauvin, Bibliographie arabe zeigen; die Texte der Buläqer und der Macnaghtenschen Ausgaben sind identisch, die Breslauer Aus¬
gabe hat die Geschichte nicht.
4) Vgl. Ahlwardt VIU, 12 ff.
Anzeigen.
Beiträge zur Assyriologie und vergleichenden semitischen
Sprachwissenschaft, herausgegeben von Friedrich Delitzsch
und Paul Haupt 2. Band, 2. und 3. Heft (= S. 274
bis 645) Leipzig (Hinricbs) 1892 u. 1893; 3. Band (4 Hefte,
589 S.), Leipzig 1895—1898.»)
Dieses von mir in Bd. 46 der „Zeitscbrift" angekündigte Unter¬
nehmen ist seither in erfreulicher Weise fortgeschritten , so dass
nun bereits drei stattliche Bände fertig vorliegen. Da ich dort
versprochen, auch über den Inhalt der weiteren Hefte (Bd. II, 2 ff.)
Bericht zu erstatten, so ist es nun höchste Zeit, diese Zusage ein¬
zulösen. Das uns in denselben gebotene Material ist erstaunlich
reichhaltig, ja geht in gewisser Hinsicht über den Rahmen des
ursprünglichen Programmes hinaus. Wfihrend ich damals beklagte,
dass das sumerische gar nicht vertreten sei (welche Lücke unterdes
einigermaassen von den Herausgebern ausgefüllt wurde), so ist nun
durch die Herbeiziebung auch rein arabischer Publikationen und
Aufsätze des guten zu viel gethan. Denn welcher Arabist wird
sich deshalb, weil im 3. Bande (S. 1—59) ein Traktat Ibn Gauzi's
über den Hadith und (S. 561—587) ein Aufsatz von Mr. Williams
über den in Nord-Marokko gesprochenen Dialekt abgedruckt ist,
das teuere , doch ganz andere Gebiete umfassende Sammelwerk
anschaffen? Und umgekehrt wird jeder Assyriolog und Semitist
sich darüber beklagen, dass in den, von manchem unter ihnen mit
grossen Opfern erworbenen „Beiträgen" fast 100 Seiten stehen, die
in ein ihnen ganz fremdes Gebiet gehören. Brockelmann's treff¬
hche Ausgabe von Ibn Gauzi's Kitäb al- Wafä fi fadä'il al-Mustafä
(6. Jahrh. der H.) würde wo anders viel besser ihren Zweck erfüllt
haben, beispielsweise gleich in unserer „Zeitschrift".
Von geographisch-historischen Abhandlungen ist vor allem her¬
vorzuheben die ausführliche Monographie über den „Untergang
Ninivehs" (111,87—188) von Obei-st a. D. Adolf Billerb eck
und Dr. Alfr. Jeremias (mit drei Karten), die dadurch, dass
1) Mit besonders eingehender Berücksichtigung des wichtigen Aufsatzes
Ton Franz Praetorius (11,312—341) „Über die hamitischen Sprachen Ost¬
afrika's".