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von Eickstedt in der Hirt-Festschrift 1357 ff

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Zum Ramayana Von Wolfgang Pax-Breslau

Bruno Likbich^) hat in seiner kürzHch erschienenen

Schrift über „Die vier indischen ÄSrama's" (Breslau 1936)

S. 32fF. wieder die Aufmerksamkeit auf das Rämäyana ge¬

lenkt. Eine genauere Untersuchung der von ihm gemachten

Andeutungen kann vielleicht zu einem besseren Verständnis

des indischen Epos führen.

Die heute herrschende Anschauung über die Bedeutung

des Rämäyana beruht auf den Untersuchungen von Jacobi

wonach wir darin einen Ackerbaumythus zu sehen haben.

Neuerdings hat Frhr. von Eickstedt in der Hirt-Festschrift

1357 ff. wieder das Rämäyana hauptsächlich von einem

historischen Hintergrunde aus, der Ausbreitung der Arier

nach Süden, verstehen wollen. So anregend seine Ausfüh¬

rungen auch im einzelnen sind, so sind sie doch in keiner

Weise zwingend, schon deshalb nicht, weil E. sich überhaupt

nicht mit den Arbeiten von Jacobi auseinandersetzt, der

ähnliche Gedankengänge von Lassen und Weber mit guten

Gründen widerlegt hat. Aber auch Jacobi's Deutung wirkt

nicht sehr überzeugend. Ganz abgesehen davon, daß die Ver¬

bindung Sitäs mit der Ackerfurche sich nur in den später

hinzugefügten Büchern I und VII findet und ferner die

vedische Vorstellung der Göttin Sitä ,, durch eine breite

Kluft von ihrer Ausgestaltung in der Räma-Sage getrennt"

ist (Winternitz), so berührt dieser Erklärungsversuch wie

auch viele andere nur Einzelheiten, ohne das Hauptmotiv,

1) Herrn Professor Liebich, der vorliegende Studie angeregt und

durch zahlreiche Ratschläge gefördert hat, auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank auszusprechen, ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis.

2) Das Rämäyaiia, Bonn 1893.

(2)

W. Pax, Zum Rftmäyana 617

den Raub und die Befreiung Sitäs, einleuchtend zu erklären*).

Aber gerade hiervon muß eine Deutung ausgehen.

Es gibt nun einen Typus von Märchen, die Krause in

seinem Buche ,,Die Troiaburgen Nordeuropas" (Glogau 1893)

gesammelt hat, in dem eine über alle Maßen schöne Frau

geraubt, von ihrem Entführer in einer festen, schwer zugäng¬

lichen Burg verwahrt und schließlich von einem Helden auf

wunderbare Weise wieder befreit wird, wobei der Räuber

meist sein Leben lassen muß (Brunhild, Ariadne, Helena,

Rotkäppchen usw.). In diesen Rahmen ist das Rämäyana

zweifellos zu stellen, in dem das Leitmotiv, der Raub Sitäs

durch Rävana und ihre Befreiung durch Räma, trotz der

mannigfachsten romantischen Einschübe klar erkennbar ist.

Aber auch bestimmte Einzelzüge kehren in diesen Sagen

immer wieder, wie die Schönheit der Jungfrau, das Un¬

geheuer, die Unzugänglichkeit der Burg, das Zauberroß usw.

Auch hier fmden sich bemerkenswerte Übereinstimmungen

mit dem indischen Epos.

Die Schönheit der Jungfrau wird in den wunderbarsten

Farben geschildert. Sie ist stets die schönste im ganzen Lande;

ihre goldenen Haare, an deren Stelle bisweilen der goldene

Stern tritt (Krause 179), sind sonst nirgends in der Welt zu

fmden. Ebenso ist Sitä ,,a wife of sterhng worth in the

world . . . she is in the full bloom of youth, and hath a sym¬

metrical person — a jewel among womankind embellished

with jewels*)". In Rävanas Garten ist sie die schönste aller

Blumen'). Wenn bei der Entführung durch Rävana alle

Blumen und Schmucksachen der Sitä auf die Erde fallen,

die Blumen ihre Köpfe hängen lassen, alle Tiere klagen und

jammern, überhaupt die ganze Natur trauert (III 52), so

erinnert dies einerseits an den Tod von Daphnis und Adonis,

klingt andererseits aber auch an den Winterschlaf im Dorn¬

röschenmärchen und die zahlreichen Idunasagen (Krause

1) H. VOK Glasbkapp, Die Literaturen Indiens, 1929, 88.

2) Dutt, The Rämäyana translated into English Prose, 1892, III 578.

3) So im Kashmiri Rämäyana ed. Grierson, Bibl. Ind. Nr. 253,

Calcutta 1930, im folgenden mit „Grierson" zitiert.

(3)

618 W. Pax, Zum Rämäyana

147 ff.) an. Und wenn umgekehrt Sitä, nachdem sie von Gram

verzehrt, klagend und weinend (V 15, 19, 25, 26 vgl. Krause

126, 135, 150, 162 usw.) bei Rävana gefangen gesessen hatte,

schöner als vorher aus dem Scheiterhaufen sich erhebt

(VI 118, Grierson 54) vergleichbar der Prinzessin in der

Rainaldsage, die „wie die Sonne strahlend" aus dem Turm

hervortritt (Krause 156), so zieht mit ihrer Rückkehr auch

wieder der Frühling in das Land, die Blumen heben wieder

ihre Köpfe, wie es ausführlich im Kashmiri Rämäyana

(Grierson 55) geschildert ist.

Im Gegensatz zu der strahlenden Jungfrau ist ihr Ent¬

führer oft ein Drache oder ein geflügeltes Ungeheuer, meist

dreiköpfig wie der slavische Trojan und der griechische

Geryoneus oder auch zehnköpfig wie Rävana, dem immer

wieder ein neuer Kopf hervorwächst, wenn Räma ihm einen

abgeschossen hat (VI 107 vgl. Krause 222). Den Raub pflegt

er in menschlicher Gestalt auszuführen wie in der Syrithsage,

in der er als altes Weib (Krause 157), oder wie Rävana, der

als Bettelmönch (III 46) auftritt. Häufig erscheint er als

Menschenfresser (Krause 182, 183), besonders deutlich im

Märchen von Rotkäppchen. Auch Rävana droht Sitä zu

fressen, falls sie ihm nicht zu Willen sei (V 22). Naturgemäß

ist es sehr schwer, das Ungeheuer zu töten. Meistens können

diese Tat nur besonders ausgezeichnete mit Orenda versehene

Helden wie z. B. ,, Ungeborene" in den russischen Sagen

(Krause 120) vollführen, oder es sind magische Waffen not¬

wendig wie die Brahma-Waffe, mit der Räma Rävanas Herz

durchbohrt (VI 108). Für einen Teil der Sagen ist es ferner

besonders charakteristisch, daß der Entführer der Jungfrau

gleichzeitig ihr Vater ist (Krause 175 ff.), der seine Tochter

in einen sicheren Gewahrsam bringt, weil ihm geweissagt ist,

falls sie heirate, werde ein Enkel ihn vernichten (Krause 186),

eine Prophezeiung, die auch stets in Erfüllung geht. Eine

treffende Parallele, auf die Liebich 34 aufmerksam gemacht

hat, finden wir hierzu im Rämäyana. Zwar berichtet uns

Valmikis Epos nichts Näheres über die Abstammung Sitäs.

Dafür lesen wir aber im Kashmiri Rämäyana, daß die Nymphe

(4)

W. Pax, Zum RamSyana 619

Mandodäri, die Frau Rävanas, ihm in seiner Abwesenheit

eine Tochter gebiert, deren Horoskop besagt, sie werde einst

den Vater töten und Laikä vernichten. Daraufhin wird das

Kind, mit einem Stein beschwert, in einen Fluß geworfen

(vgl. Danae und Perseus, Krause 187), aber von Janaka

gefunden, der es aufzieht usw. Gerade auf diesen Sagenzug,

der in so auffallender Weise mit dem von Krause unter dem

Motto „Ein Kaiser will seine Tochter heiraten" zusammen¬

gestellten Märchen übereinstimmt, legen wir bei unserer Be¬

weisführung ganz besonderes Gewicht, zumal nach Grierson

XIX diese Legende von Sitäs Abstammung auch sonst sehr

weit verbreitet ist.

Der Sitz des Entführers ist fast uneinnehmbar: er besteht

aus einem labyrinthartigen Zauberschloß mit 9—12 Mauern

(Krause 108, 119, 124, 130 usw.; vgl. die 12 Bastionen bei

Grierson 28, 37), einem Glasberg, -schloß, -insel, oder er ist

von einer Dornenhecke, der Waberlohe usw. umschlossen

(Krause 134 ff.). Entsprechend den in deutschen und sla¬

vischen Märchen vorkommenden Wasserburgen (Krause 134)

ist auch das Schloß Rävanas VI 3 von tiefen Wassergräben

umgeben. Häufig bildet auch das Meer das trennende Hinder¬

nis (Krause 143). Auch Lankä liegt mitten im Meer, so daß

IV 64 die Affen, VI 1 Räma verzweifeln, herüber zu gelangen,

bis auf Sägaras Rat VI 22 eine Brücke gebaut wird. Auf¬

fallend ist, daß diese Burg fast stets im Süden gelegen ist

(vgl. Brunhilds Feuersaal, Krause 182). Auch Hanumat wird

IV 41 nach Süden geschickt und VI 4 bricht Rämas Heer

nach Süden auf. Nach Alberuni (ed. Sachau I 307 f.) erscheint

den Hindus der Süden wegen Lankä von übler Vorbedeutung.

Der Held, der stets in den leuchtendsten Farben geschildert

ist, wird im Kampfe gegen das Ungeheuer bisweilen von

Tieren unterstützt, denen er irgendeinen Gefallen erwiesen

hat, ein Typus, der in den Märchen von den „Tierschwägern"

weit verbreitet ist (Krause 152). Auch Räma versteht es,

sich der Hilfe der Affen- und Bärenstämme zu versichern,

deren General Hanumat ihm die wertvollsten Dienste leistet

(IVff.). Eine große Rolle spielt auch stets das Wunderroß,

(5)

620 W. Pax, Zum Ramayana

das den Helden über alle Hindernisse durch die Luft trägt,

in den Schlachten mitkämpft, Rat erteilt usw. (Krause 117 ff.)

Bisweilen besitzen Held und Ungeheuer ein solches Pferd

(Krause 128), häufig auch nur der Drache allein, durch dessen

Tod der Held in den Besitz des Pferdes gelangt und somit die

Jungfrau aus dem Zauberschloß befreien kann (Krause 119).

Auch Rävana besitzt einen Wunderwagen Puspaka, auf dem

Räma mit Sitä die Heimfahrt antritt (VI 121 ff.). Jedoch hat

dieser die zentrale Bedeutung, die ihm sonst als dem wichtig¬

sten Hilfsmittel bei der Befreiung der Jungfrau zukommt,

im Rämäyana verloren. In vielen Sagen wird schließlich die

Jungfrau von ihrem Befreier verstoßen (Ariadne, Medea) oder

auf harte Proben gestellt, was ja besonders in der Griseldis-

novelle ausgebildet ist (Krause 171). Wie z. B. das Gänse¬

mädchen von ihrem Helden zurückgewiesen wird, weil er mit

einer Hirtin nicht seinen Thron teilen könne (Krause 175),

so auch Sitä von Räma, weil sie die Geliebte des Rävana

gewesen sein könnte (VI 115). Erst nachdem Agni sie un¬

versehrt aus dem brennenden Scheiterhaufen dem Räma

wieder übergeben hat, nimmt dieser sie als Frau an (VI 116).

Wir sehen, daß nicht nur im Hauptmotiv, sondern auch

in einer Anzahl von Einzelzügen, die für sich genommen keine

große Bedeutung hätten, die aber in ihrer Gesamtheit im

Zusammenhang mit dem Ganzen doch erheblich ins Gewicht

fallen, das Rämäyana mit dem von Krause behandelten

Märchentypus übereinstimmt.

Mit diesen Sagen hat nun ferner Krause die unter den

Namen Troiaburg, Babylon, Jerusalem*) bekannten laby¬

rinthartigen Burgen und Steinsetzungen in Verbindung ge¬

bracht, die sich besonders in Skandinavien und Norddeutsch-

1) Die Etymologie des Wortes Troiaburg, das als Bezeichnung für

diese Labyrinthe nach Fbanz (Mitt. Anthrop. Ges. Wien 63, 1933,

186ff.) überwiegt, ist nicht recht klar. Hoops (Reallex. d. germ. Alter- tumskd. IV 365) läßt es in den Zeiten der Volksbücher über den troja¬

nischen Krieg entstanden sein, Kbause 11, 274 deutet es als ,,Umwal-

lung, Umhüllung, Umkreisung"; ähnlich bringt es Fbanz 207 mit

truare „sich herumtummeln" zusammen. Jedenfalls scheint der Aus¬

druck schon frühzeitig auf das sagenhafte Troia bezogen worden zu sein.

(6)

W. Pax, Zum Rämäyana 621

land fmden, zu denen aber das Labyrinth auf Kreta ebenso

gehört wie die Darstellung auf der alten etruskischen Vase

von Tragliatella. Diese Anlagen mit ihren 9—12 Windungen

entsprechen dem vielfach mit 9—12 Mauern umfaßten Ge¬

fängnis der Jungfrau. Liebich hat nun S. 33 darauf hin¬

gewiesen, daß Alberuni bei der Schilderung von Lankä ein

solches Labyrinth, das die Festung von Rävana darstellen

soll, abbildet. Da nach Liebich auch sonst die Labyrinth¬

idee in Indien nicht unbekannt ist, können wir Alberunis

Angaben ruhig vertrauen. Die Übereinstimmung dieses La¬

byrinths mit den Troiaburgen Nordeuropas ist wirklich

überraschend.

Aus den bisherigen Darlegungen ergibt sich klar, daß all

diesen Sagen ein gemeinsamer Grundgedanke eigen ist, und

es ist ebenso deutlich, daß es sich hierbei um einen Natur¬

mythus handeln muß, wie u. a. das Vergehen und Wieder¬

aufleben der Natur u. a. m. zur Genüge beweisen. Es ist nur

die Frage, welcher Art dieser Mythus gewesen ist. Am ein¬

leuchtendsten scheint mir noch immer die Erklärung Krause's

zu sein, der sich neuerdings auch Lechler (5000 Jahre Deutsch¬

land 1936, 139) angeschlossen hat, wonach es sich um den

Raub und die Befreiung der Sonnenjungfrau handelt, während

die Windungen des Labyrinths die Schleifenwege repräsen¬

tieren, auf denen die Sonne im Herbst verschwindet und im

Frühjahr wieder hervorkommt (Krause 182). Wenn Franz 207

an die Befreiung einer Fruchtbarkeitsgöttin, F. A. van Schel-

TEMA (Die Kunst unserer Vorzeit 1936, 46 ff.) an eine heilige

Ehe zwischen Himmel und Erde denken, so lassen sich diese

Ansichten ganz gut mit der von uns oben vorgetragenen ver¬

einigen. Denn wie mit Recht Vogt (Festschrift für Weinhold

1896, 214) hervorhebt, ist im Jahreszeitenmythus Sonnen¬

mythus und Vegetationsmythus eng miteinander verbunden.

Auf letzteren weisen im Rämäyana neben der Schilderung

von der Geburt und dem Tode der Sitä der Name Sitä =

„Ackerfurche", die Darstellung des Vergehens und Wieder¬

auflebens der Natur und schließlich die im 7. Buche erwähnte

Geburt der Zwillinge KuSa und Lava, wobei das Zwillings-

Zeitsctuiftd. DUG. Bd. 90(NeueFolgeBd. IB) 11

(7)

622 W. Pax, Zum RämSyana

motiv*) in bemerkenswerter Weise mit dem von Vogt be¬

handelten Thaleiamärchen übereinstimmt. Diese Züge spielen

aber im Rämäyana nur eine untergeordnete Rolle. In unserem

Typus überwiegt vielmehr ganz deutlich der Sonnenmythus*).

Einen kurzen Blick müssen wir noch schließlich auf die

zahlreichen mit den Troiaburgen eng zusammenhängenden

Reigentänze (Troiaspiel, Schwert- und Labyrinthtänze) wer¬

fen, wobei häufig die Jungfrauenbefreiung mimisch dar¬

gestellt wurde, indem der Chor den Bannkreis bildete, den

der Held durchbrechen muß (van Scheltema 49 f.). Da es

sich hierbei um einen Kreistanz handelt, so sind diese Tänze

den weit verbreiteten Umwandlungsriten') zuzurechnen, die

gerade in Indien, wie die Arbeiten von Simpson (The buddhist

praying wheel 1896) und Hillebrandt (Circumambulatio in

Festschrift zur Jahrhundertfeier der Univ. Breslau 1911) ge¬

zeigt haben, besonders in Übung sind. Vor allem zur Zeit der

großen Naturfeste — es sei nur an den Reigen um das Jo¬

hannisfeuer erinnert — finden derartige Kreistänze statt, die

vielfach in bemerkenswerter Weise mit dem Sonnenlauf in

Beziehung gesetzt werden (Krause 31, 213). So heißt es z. B.

bei Lucian de salt. 17 von den Indern, daß sie die Sonne mit

einem Tanze begrüßen, der die Bewegung des Himmel¬

gestirnes nachahmen sollte. Da ferner bei der Angabe der

Richtung, in der die Umwandlung geübt wird, sich häufig die

Bezeichnungen „sonnenläufig" und „gegen die Sonne"*)

finden und außerdem gerade die Ausdrücke für die Circumam¬

bulatio auch vielfach für den Lauf der Gestirne verwendet

1) Vgl. auch die interessanten Abweichungen bei Gbibrson 41 A. 1.

2) Gegen van Scheltema spricht vor allem das Motiv der Ver¬

stoßung der Sonnenjungfrau, wodurch es also erst gar nicht zu der Ver¬

bindung zwischen Himmel und Erde kommt.

3) In meiner demnächst erscheinenden Schrift über die Geschichte

des Wortes amphipolos werden alle den Umgang betreffenden Fragen

ausführlich erörtert werden.

4) AV 10, 5, 37 süryasyävrtam anvävarte dahsinäman vävrtam. Wei¬

tere Belege bei Bloomfield, Vedic Variants 1027 s. v. süryasyävrtam.

Vgl. die keltische Ausdrucksweise deasul „mit der Sonne", cartuasul ,, gegen die Sonne".

(8)

W. Pax, Zum Rämäyana 623

werden*), so haben eine Anzahl Forscher*) die Umwandlung

für eine Nachahmung des Laufes der Sonne erklärt, die be¬

sonders zur Zeit der Sonnenwende einer Stärkung bedarf.

Wenn auch das Problem viel komplizierter ist und sicher noch

viele andere Motive bei der Ausbildung der Circumambulatio

mitgewirkt haben werden, so scheint doch die Nachahmung

des Sonnenlaufes hieran in hervorragendem Maße beteiligt

gewesen zu sein, zumal Koch S. 193 jüngst in glänzender

Weise die dem lat. lustrare seit ältester Zeit innewohnenden

Bedeutungen „beleuchten" und ,, umkreisen" unter Hinweis

auf den Sonnenlauf zu einer Einheit gebracht hat.

Die Folgerungen, die sich aus dem Gesagten ergeben, sind

sehr weitreichend. Denn wenn der Kern des Rämäyana einen

alten Sonnenmythus darstellt, und wenn wir dies in Be¬

ziehung setzen mit den auch sonst in Indien so deutlich greif¬

baren Resten alten Sonnenkultes (cf. das Schaukeln am

Mahävratafest, der Kampf des Südra und des Ärya um ein

rundes Fell, das dreimalige Herumfahren eines Wagens oder

Rades bei der Neuanlegung des Feuers, vgl. Clemen, Reli¬

gionsgeschichte Europas 175 f. — beachte bes. auch den

Kult der Usas') —, so können wir aus all dem mit großer

Sicherheit Rückschlüsse auf die Urheimat der Arier ziehen.

Denn diese kann ja dann nur in einer Gegend gelegen haben,

in der die Sonne als großer Segenspender gilt, dessen zeit¬

weiliges Verschwinden die Menschen in große Angst versetzt.

1) So auch die in Indien geläufigen Termini für den Umgang pari-i, pari-gam, pari-car. Vgl. RV III 58, 8 rdlho . . . pdri dyiiväprthiot yäti sadyälf,; cf. I 115, 3; AV 6, 8, 3. AV 6, 12, 1: pdri dyämiva suryo 'hinäm jänimägamam. RV 5, 47, 4: tridhätavah parama asya gdvo divds caranti

pdri sadyö dntän; cf. X 114,10. Von großer Bedeutung ist es, daß zu

den ältesten mit -cara zusammengesetzten Kompositis divicara AV

19, 9, 7 gehört. — Lat. Parallelen bei Koch, Gestirnverehrung im alten Italien, 1933, 26.

2) Hii.LEBRANDT 7; V. Negelein, Weltanschauung des indogermani¬

schen Asiens, 1924, 82, 121, 131; ZU 6, 1928, 28ff. Vor allem Clemen, C. Religionsgeschichte Europas 1, 1926, 175ff.; Der Islam 10, 1920,165;

Neue Jahrb. f. Wiss. und Jugendbildung 2, 1926, 21.

3) Oldenberg, Rel. d. Veda 241.

(9)

624 W. Pax, Zum Rämäyana

und die daher die verschiedenartigsten Riten anwenden, um

möghchst bald seiner Segnungen wieder teilhaftig zu werden.

Diese Gegend kann aber nur Nordeuropa gewesen sein, auf

keinen Fall aber ein südliches Land, in dem neben dem Segen

auch der Schrecken vor dem Himmelsgestirn deutlich in Er¬

scheinung tritt*) (Krause, Tuiskoland 102). Dieser Gegensatz

zwischen Norden und Süden, der auch sprachlich dadurch

charakterisiert wird, daß die Sonne in allen germanischen

Sprachen als weiblich, in den klassischen Sprachen dagegen

als männlich aufgefaßt wird (Krause 176, Liebich 32), ist

also hierbei stark in Rechnung zu ziehen*).

Das Rämäyana gehört also zu einem Mythus, dessen Kern

wir unbedingt als gemeinindogermanisch ansprechen müssen,

dessen märchenhafte Ausgestaltung aber zum größten Teil

natürlich der dichterischen Phantasie der Einzelvölker ent¬

sprang, die aber gemäß des gegebenen Grundmotivs vielfach

Gleiches oder Ähnliches schuf. Manche aus der Urzeit ererbten

Züge mögen durch die neue Umgebung, in die das betreffende

Volk auf seinen Wanderungen gelangt war, einen neuen Auf¬

trieb erfahren haben und besonders ausgestaltet worden sein.

Wenn z. B. im Rämäyana das Motiv der Tierfreundschaft

einen so breiten Raum einnimmt, so werden die nach Eick¬

stedt 376 bis heute in Indien auftretenden Affen- und Bären¬

clans nicht ohne Einfluß gewesen sein.

Selbstverständlich sind im Laufe der Zeit mannigfache

Verschiebungen und Überschichtungen im Rämäyana ein¬

getreten. Wie auch in der weiteren Entwicklung einer Sage

die gleichen Motive unabhängig voneinander bei verschie¬

denen Völkern entstehen können, zeigt Printz (Festschr. f.

Jacobi 1926,103 ff.), wonach im Rämäyana wie in der Helena¬

sage die Version aufkam, ein Trugbild sei von dem Ungeheuer

1) Es ist daher auch völlig falsch, wenn Franz 207 glaubt, der

„ganze Vorstellungskomplex der Troiaburgen sei von Südeuropa nach

dem Norden gelangt".

2) Beachte aber auch die wertvollen Ausführungen von Alois

Closs (Schönere Zukunft 1935, 725), der vor einer Überschätzung des

Sonnenkultes ausdrücklich warnt.

(10)

W. Pax, Zum Rämäyana 625

geraubt worden, die wirkliebe Jungfrau befinde sich im

Schutze einer Gottheit, die sie nach Besiegung des Ent¬

führers dem Helden wiedergebe. Aber das weitere Schicksal

des Epos interessiert uns hier nicht. Uns kam es nur darauf

an, den Kern der Sage herauszuschälen und somit auch von

literarhistorischer Seite aus einen kleinen Beitrag zur „Ur¬

heimatsfrage" zu liefern.

4 1

(11)

Tasgir al-Gam'*) Von Johann Fück-Frankfurt

Unsere arabischen Grammatiken, die die verwickelte

Formbildung des Deminutivums (tasgir) mehr oder weniger

ausführlich darstellen*), beschränken sich bei der Behandlung

seiner Gebrauchsweisen darauf, neben der eigentlichen ,, Ver¬

kleinerung" die Verwendung des Deminutivs als Ausdruck

der Zärtlichkeit (yä bunayya ,,o mein Söhnchen"), der Ver¬

achtung (so in den Namen der Pseudopropheten Musailima

und Tulaiha, die eigentlich Maslama und Talha hießen), und

der Hervorhebung (ta'zlm, z. B. duwaihiya ,,ein großes

Unglück") zu verzeichnen'). Dagegen ist, soweit ich sehe,

nirgends eine Bedeutungsnuance erwähnt, die sich aus der

Deminutivbildung der Kollektiva und insbesondere der

Wenigkeitsplurale ergibt. Diesem Deminutiv des Plurals

(tasgir al-gam') sind die folgenden Ausführungen gewidmet.

Niemand wird bezweifeln, daß durch das Deminutivum

eines Quasiplurals (sibh al-gam') eine Verkleinerung der

Anzahl der dadurch bezeichneten Lebewesen ausgedrückt

wird: guu^aim Völkchen (zu qaum), ruhait Grüppchen (zu raht),

ubailah eine kleine Kamelherde (zu ibil), gunaimah eine kleine

1) Dem folgenden Aufsatz ist es zustatten gekommen, daß ich das

liier behandelte Problem mit Herrn Geheimrat A. Fischer besprechen konnte. Er hat mir eine Reihe von Hinweisen, Nachträgen und kritischen Bemerkungen zur Verfügung gestellt, die ich gehörigen Orts angeführt

habe. Es sei mir gestattet, Herrn Geheimrat Fischer auch an dieser

Stelle meinen herzlichen Dank auszusprechen.

2) z. B. Wright, A Grammar of the Arabic Language^ I 166 — 175;

P. Caspari, Arabische Grammatik^ 119 — 125; S. de Sacy, Grammaire arabe^ I 309-316.

3) z. B. Wright a. a. O. 166 I).

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