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Die megaloblastischen Anämien

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Academic year: 2022

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Megaloblastische Anämien sind Krankheiten, die auf einer Kern- bildungsstörung von Zellen der Hämatopoese mit typischen mor- phologischen Veränderungen beru- hen. Alle Noxen, welche die Synthese stören, können megalo- blastische Veränderungen an Kno- chenmarkzellen hervorrufen. Die wichtigsten Ursachen hierfür sind der Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure (Tabelle 1).

Die dadurch hervorgerufene me- galoblastische „Entartung" besteht hauptsächlich in einer Kernrei- fungsstörung aller drei hämopoe- tischen Systeme — der Erythro-, Granulo- und Megakaryopoese. Da das rote Zellsystem die häufigsten

Teilungen aufweist, stehen seine Veränderungen auch im Vorder- grund.

Die jüngste determinierte Zelle der Erythropoese ist der Pro- erythroblast, der über eine Vorläu- ferzelle aus einer multipotenten Stammzelle hervorgeht. Drei Mito- sen — bei denen sich die DNS des Zellkerns jeweils halbiert — führen zum reifen Normoblasten; sein pyknotischer Kern wird auf nicht geklärte Weise ausgestoßen. Zu- rück bleibt der Retikulozyt, so ge- nannt wegen der in ihm noch ent- haltenen Ribonukleinsäure (RNS), die nach Supravitalfärbung mit Bril-

lantkresylblau zu der netzförmig und granulär angeordneten Sub-

Diagnostik

Enterale Karzinoide im Initialsta- dium imponieren als kleine, vor- wiegend submukös entwickelte

Knötchen von derber Konsistenz.

Metastasen in regionären Lymph- knoten, Peritoneum und Leber sind bisweilen schon sehr früh zu regi- strieren. Andere Organe werden seltener befallen. Jejunum- und Ileumkarzinoide neigen am ehesten zur Metastasenbildung. Die regio- näre Auswucherung wird oft von einer fibrösen Veränderung des Mesenterial- und Beckengewebes begleitet. Typisch für das Karzinoid ist die erhöhte Freisetzung von 5-Hydroxytryptamin aus dem Tu- morgewebe. Die fibrösen Verdik- kungen gelten als Reaktion des Bindegewebes auf diese verstärkte Ausschüttung des 5-Hydroxytrypt- amins. (Wernze, H.: Med. Klin. 67

(1972), 40-45) he

Die Verdachtsdiagnose Prostata- karzinom sollte nicht durch eine transurethrale Resektion gesichert werden. Auf diesem Weg lassen sich nämlich nur die relativ weni- gen Karzinome rechtzeitig erfas- sen, die harnröhrennah zu wuchern beginnen; 85 Prozent der malignen Tumoren können so aber nicht mehr im Frühstadium verifiziert werden. Als Methode der Wahl wird heute die Stanzbiopsie emp- fohlen, mit der Gewebszylinder ge- zielt aus der Prostata entnommen werden können, ohne den Patien- ten zu sehr zu belasten. Die Pars posterior der Prostata, der bevor- zugte Sitz maligner Geschwülste, ist transrektal leicht zu punktieren.

Durch Aspirationsbiopsie gewon- nenes Gewebe ist für den Patholo- gen schwieriger auszuwerten als gestanztes Material. Die zytologi- sche Beurteilung des durch Pro- statamassage gewonnenen Sekrets ist inzwischen in der Diagnostik völlig in den Hintergrund getreten.

(Dhom, G., Hohbach, M.: Münch.

med. Wschr. 114 (1972), 45-54) he

Die megaloblastischen Anämien

Privatdozent Dr. med. Johannes C. F. Schubert und Professor Dr. med. Helmut Martin

Aus dem Zentrum der Inneren Medizin, Abteilung für Hämatologie (Direktor: Professor Dr. med. H. Martin)

der Universität Frankfurt am Main

Mangel an Vitamin B12 oder Folsäure sind die häufigsten Ursachen einer megaloblastischen Anämie. Vitamin 812 kann vom Organismus nicht synthetisiert werden, es muß mit der Nahrung aufgenommen werden. Im allgemeinen enthält die normale Kost ausreichende Mengen an Vitamin B12. Wenn sich trotzdem eine Perniziosa ent- wickelt, liegt meist eine atrophische Gastritis vor; es wird kein Intrinsic factor mehr produziert, die Salzsäuresekretion ist erlo- schen. Der Schilling-Test ist die beste Methode, um eine Resorp- tionsstörung für Vitamin B12 nachzuweisen. Folsäuremangel führt zwar seltener als ein Defizit an Vitamin B12 zu schweren megaloblastischen Anämien, dafür ist er aber häufiger, als allge- mein angenommen wird. Mit Substitution von Vitamin B12 lassen sich alle hämatologischen Befunde der perniziösen Anämie normali- sieren. In den letzten Schwangerschaftsmonaten, in denen der Bedarf an Folsäure sehr hoch ist, sollte sie prophylaktisch, in Kombination mit Eisen, zugeführt werden.

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Abbildung 1 a: Megaloblastennest mit zwei Mitosen

Abbildung 1 b: Megaloblastennest stantia granulofilamentosa „ge-

rinnt"; diese geht bei der weiteren Reifung verloren, und damit ist der reife Erythrozyt entstanden.

Die megaloblastische Erythropoese verhält sich grundsätzlich anders:

Die gestörte DNS-Synthese führt zu Störungen in der Zellteilung mit Hypo- und Hyperploidie, ob- wohl die Zahl der Mitosen gegen- über der normalen Erythropoese erhöht sein kann (Abbildung la).

Darüber hinaus kann es auf jeder Teilungsstufe zum Stillstand sowohl der DNS- als auch der Protein- synthese und schließlich zum Unter- gang der Zellen kommen. Wäh- rend normalerweise nur etwa 15 Prozent der Erythroblasten im Kno- chenmark zugrunde gehen, sind es bei der megaloblastischen Mark- entartung die meisten. Man spricht deshalb von „ineffektiver Erythro- poese". Aus diesen untergegange- nen Zellen stammt auch der größte Teil der im Serum von Perniziosa- kranken stark vermehrten Lactat- Dehydrogenase (LDH)-Aktivität. Die heranreifenden Erythrozyten — die sogenannten Megalozyten — sind minderwertig und haben eine ver- kürzte Überlebenszeit.

In gleicher Weise wie die Erythro- poese ist auch die Granulo- und Megakaryopoese betroffen; mehr oder minder ausgeprägt kann das auch bei allen rasch profilierenden Zellsystemen wie ,der Spermioge- nese, dem Mundhöhlenepithel der Fall sein.

Die Unfähigkeit der Zellen zur Reifeteilung führt zu charakteristi- schen morphologischen Verände- rungen in Knochenmark- und Blut- ausstrich; die Zellen des Knochen- markes behalten einen „unreifen Kern" (Abbildung 1 b). Im Vorder- grund des Markbildes steht die er- heblich gesteigerte Erythropoese;

Zellen vom Typ der Proerythrobla- sten beherrschen das Bild, dazwi- schen findet man Zellen mit noch viel größeren Kernen, die soge- nannten Gigantoblasten (Abbildung 1 c). Reifen die Zellen heran, so werden sie kleiner, ihre Chroma-

tinstruktur bleibt aber locker. Viele Megaloblasten sind mehrkernig (Abbildung 1 d), ihre Mitosen haben abnorm zierliche Chromosomen.

Häufig sieht man aberrierende Chromosomen und Chromosomen- teile, die Vorläufer der sogenann-

ten Howell-Jolly-Körperchen sind (Abbildung 1 e, auch Abbildung 1 b).

In der Granulopoese bleiben die Zel'Ikerne auf der Stufe des Pro- myelozytenkernes stehen. Deswe- gen haben die aus ihnen hervor- gehenden Metamyelozyten und Stabkernigen sehr große Kerne; sie

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werden als Riesenmetamyelozyten und Riesenstabkernige (Abbildung 1 f) bezeichnet. Statt normalerweise zwei bis vier besitzen die Segment- kernigen drei bis sechs oder noch mehr Kernsegmente.

An der Megakaryopoese findet man vor allem eine starke Vermeh- rung der Kernsegmente (Abbildung 1 g). Im Blutausstrich findet man große farbstoffreiche leicht ovale Erythrozyten (Megalozyten) neben Mikrozyten und Poikilozyten, so daß eine Anisozytose augenfällig ist. Hin und wieder begegnet man einem Megaloblasten oder einem Erythrozyten mit Jollykörperchen, hier und da sieht man basophil getüpfelte Erythrozyten. Hyperchro- masie und Polychromasie vervoll- ständigen das Bild. Bei den Leuko- zyten ist eine Leukopenie mit rela- tiver Lymphozytose häufig, es findet sich eine Übersegmentation der Granulozyten. Die Zahl der Throm- bozyten pflegt vermindert zu sein.

Das Heranreifen von Megalozy- ten bei grundsätzlich nicht gestör- ter Hämoglobin-Synthese führt zur Hyperchromie, das heißt der ein- zelne Erythrozyt enthält mehr Hämoglobin als ein normaler Ery- throzyt und der HbE-Wert liegt des- wegen oberhalb von 36 pg.

Vitamin B12 und Folsäure grei- fen an verschiedenen Stellen in die DNS- und Proteinsynthese ein, auf deren Einzelheiten hier nicht eingegangen werden soll.

Ursachen für Mangelzustände Für die Klinik ist die Frage nach den Ursachen eines Vitamin-B12- oder Folsäuremangels wichtig. Da Vitamin B12 vom menschlichen Or- ganismus nicht synthetisiert wer- den kann, muß es mit der Nahrung aufgenommen werden. Es stammt ausschließlich aus tierischen Quel- len (Milch und Milchprodukte, Fleisch und Fleischwaren, Fische, Eier), wobei die übliche Tageskost in unseren Breiten etwa 5,,, g ent- hält.

Das mit der Nahrung aufgenom- mene Vitamin B12 wird im Darm- trakt rasch zerstört. Um es davor zu bewahren wird es durch einen Eiweißkörper, den sogenannten In- trinsic factor geschützt. Er wird in den Parietalzellen der Magen- schleimhaut des Fundusbereiches gebildet; dabei gehen die Salzsäu-

Tabelle 1:

Möglichkeiten einer megalo- blastischen Markentartung

Vitamin-B12-Mangel

a) (ungenügende Zufuhr) b) Resorptionsstörungen

Folsäure-Mangel a) erhöhter Bedarf (Schwangerschaft, Säuglingsalter)

b) Resorptionsstörungen (Antiepileptika,

Alkohol, Ovulationshem- mer)

c) Verwertungsstörungen (Lebererkrankungen, Alkoholabusus)

Gestörte DNS-Synthese a) Zytostatika

b) angeborene Stoffwech- selstörungen

reproduktion und die Menge der Intrinsic-factor-Bildung etwa paral- lel. Das an Intrinsic factor gebun- dene Vitamin B12 wird im distal'en Ileum — etwa den unteren 50 Zenti- metern — resorbiert und ein großer Teil (etwa 1,5 Milligramm) wird in der Leber gespeichert.

Es ist also ein langer Weg, den das Vitamin B12 von der Nahrungs-

aufnahme bis an den Wirkungsort zurücklegen muß; sein Transport kann an verschiedenen Stellen ge- stört sein.

Eine ungenügende Zufuhr mit der Nahrung spielt in unseren Brei- ten so gut wie keine Rolle, sie kommt aber bei ausschließlich ve- getarischer Kost vor.

Die wichtigste Störung betrifft die Intrinsic-factor-Produktion. Die häufigste Ursache hierfür ist die atrophische Gastritis, durch welche die Bildungsstätten für den Intrin- sic factor verlorengehen. Die atro- phische Gastritis ist die Ursache für die wichtigste megaloblastische Anämie, die Perniziosa. Bei der

„Umbaugastritis" handelt es sich um einen chronisch entzündlichen Prozeß mit lymphoplasmazellulärer Infiltration, der zur Atrophie der Magenschleimhaut führt. In ihrem Gefolge kommt es zum Verlust der Intrinsic-factor-Produktion, zum Er- löschen der Salzsäuresekretion und zum Ausfall der Fermentproduktion (Achylia gastrica), wobei für klini- sche Belange bei Verdacht einer perniziösen Anämie der Nachweis der Anacidität genügt.

Die Ursache der atrophischen Ga- stritis ist die Bildung von Auto- antikörpern gegen die Parietalzel- len, die man im Serum von mehr als 90 Prozent der Patienten mit Per- niziosa nachweisen kann. Mögli- cherweise ist hierin auch die Ur- sache der nicht seltenen Beteili- gung der Schleimhaut, der Mund- höhle, der Zunge und des Ösopha- gus zu sehen, was zu Hunterscher Glossitis und zum Plummer-Vinson- Syndrom führen kann.

Im Verlauf der Krankheit entwik- keln allerdings nicht alle Patienten Antikörper gegen Intrinsic factor, die die Bindung des Vitamin B12 an den Intrinsic factor oder die Re- sorption des Intrinsic-factor-B12- Komplexes verhindern.

Andere Ursachen einer B"-Re- sorptionsstörung sind seltener. Ge- legentlich wird die Resorptionsstät- te durch Darmanastomosen oder

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Abbildung 1 c: Gigantoblast

Abbildung 1 d: Mehrkerniger Megaloblast mit Howell-Jollyschen Körperchen Fisteln umgangen. Bei der Sprue

und anderen Krankheiten mit Mal- absorption kann auch die Resorp- tion von Vitamin B12 betroffen sein.

Das gilt natürlich in besonderem Maße für pathologische Prozesse im unteren Ileum, wie die Ileitis terminalis. Eine Dünndarmdiverti- kulose kann zu abnormer Bak- terienbesiedlung, besonders mit E. Coli, führen, mit bakterieller Zer- störung großer Mengen von Vit- amin B12.

Hierher gehört auch der Befall mit dem Fischbandwurm, Diphyl- lobotrium latum, der in Finnland ziemlich verbreitet ist. Siedelt sich der Wurm in den oberen Dünn- darmabschnitten an, „frißt" er sei- nem Wirt das Vitamin B12 weg, be- vor es an die Resorptionsstätte ge- langt. Nur einer von 3000 Wurm- trägern entwickelt jedoch eine me- galoblastische Anämie. Natürlich können operative Eingriffe am Ma- gen — Magenresektion und Ga- strektomie — zum Verlust der Bil- dungsstätten des Intrinsic factors führen; meist vergeht aber eine Reihe von Jahren, bevor sich eine megaloblastische Anämie manife- stiert (Tabelle 2).

Diagnostische Methoden

Der Nachweis einer B12-Resorp- tionsstörung ist heute mit Hilfe von radioaktiv markiertem Vitamin

B12 im Schilling-Test möglich, und zwar auch dann, wenn eine voraus- gegangene Behandlung die mor- phologisch faßbaren Befunde ein- schließlich der Markbefunde besei- tigt hat. Viele der gebräuchlichen Polyvitaminpräparate enthalten Vit- amin B12 und Folsäure; eine nur geringe Resorption genügt, um die morphologischen megaloblasti- schen Veränderungen zu beseiti- gen oder deren Deutung sehr zu erschweren.

Der Schilling-Test wird wie folgt ausgeführt: 0,5 bis 1,0 yCi mit

57Co markiertem Vitamin B12 werden oral gegeben. Um ein eventuelles Vitamin-B12-Defizit abzusättigen, werden 1000 yg nicht markiertes Vit-

amin B12 parenteral verabfolgt. Das überschüssige Vitamin B12 - auch das gegebenenfalls resorbierte markierte Vitamin B12 - wird zum größten Teil innerhalb von 24 Stun- den mit dem Urin ausgeschieden.

Liegt die Ausscheidung im Urin un- ter fünf Prozent der oral verab-

reichten Testdosis, so liegt eine Resorptionsstörung für Vitamin B12

vor.

Wiederholt man den Test mit zu- sätzlicher oraler Gabe von In trinsic factor und erhält man da- nach eine normale Ausscheidung mit dem Urin (zehn bi's 40 Prozent

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4111111h.

Abbildung 1 e: Riesenstabkerniger, Riesenmetamyelozyten, Megaloblasten und Megalozyt mit Howell-Jollyschen Körperchen

der verabfolgten Testdosis) liegt eine Perniziosa vor, normalisiert sich das Ergebnis nicht, muß man nach einer anderen Ursache für die Resorptionsstörung suchen.

Die Perniziosa

Gleichgültig, welche der genann- ten Ursachen den Vitamin-112- Mangel herbeiführte, das klinische

Bild ähnelt sich so weitgehend, daß nur das der perniziösen Anämie ge- schildert werden soll.

Die Krankheit befällt hauptsäch- lich die weiße Rasse. Beide Ge- schlechter sind etwa gleich häufig betroffen. In der Kindheit ist das Leiden extrem selten. Ab dem vier- ten Lebensjahrzehnt tritt es öfter auf und nimmt dann auch von Jahr- zehnt zu Jahrzehnt an Häufigkeit zu.

Die Symptomatik wird durch die atrophische Gastritis, die mega- loblastische Markentartung und deren Folgen sowie durch degene-

rative Veränderungen im Bereich des Zentralnervensystems be- stimmt. Da Salzsäure, die bekannt- lich bei Perniziosakranken fehlt, die Nahrung keimarm macht, können sich Bakterien in den oberen Dünn- darmabschnitten, ja sogar im Duo- denum und im Magen ansiedeln.

Klagen über Beschwerden von sei- ten des Magen-Darm-Kanals — wie Inappetenz, Abneigung gegen Fleisch und Fleischwaren, Brennen

in der Magengegend, Neigung zu Erbrechen und Durchfall, manchmal auch im Wechsel mit Verstopfung werden relativ häufig beobachtet.

Zungenveränderungen mit Hunter- scher Glossitis und das Pl'ummer- Vinson-Syndrom findet man selte- ner.

Im Vordergrund des klinischen Bil- des stehen meist die Folgen der megaloblastischen Markentartung.

Schleichend stellen sich Leistungs- schwäche, zunehmende Blässe und eigentümlich strohgelbes Hautkolo- rit, Kurzatmigkeit und Kältegefühl in den Extremitäten ein. Diese Be- schwerden sind Ausdruck einer

meist hochgradigen Anämie. Die Lebenszeit der minderwertigen Ery- throzyten ist verkürzt, es besteht eine leichte Hyperbilirubinämie und Hypersiderämie und gelegentlich auch ein tastbarer Milztumor; die dekompensierte Perniziosa trägt hämolytische Züge.

Noch ungeklärt ist der Mechanis- mus, durch den ein Vitamin-B12- Mangel zu degenerativen Verände- rungen am Zentralnervensystem führt. Man nennt diese Erkrankung

„funikuläre Spinalerkrankung": Sie wird durch typische Veränderungen der weißen Substanz, vorwiegend der Hinterstränge, seltener der Vor- der- und Seitenstränge ausgelöst.

Zunächst sind die Markscheiden von kleineren, und allmählich zu- sammenfließenden Zerfallshöhlen betroffen, später auch die Achsen- zylinder.

Die funikuläre Spinalerkrankung führt zunächst zu vieldeutigen im weiteren Verlauf aber charakteristi- schen Symptomen. Es treten Par- ästhesien, Störungen der Tiefensen- sibilität sowie eine motorische Schwäche auf. Untersucht man sub- til genug, sind neurologische Zei- chen bei nahezu neun Zehnteln der Perniziosakranken nachzuweisen.

Sie können bis zu einem Jahr be- stehen, bevor man hämatologisch die Diagnose stellen kann.

Die Parästhesien äußern sich als

„Ameisenlaufen" und Kältegefühl bevorzugt an Händen und Füßen.

Störungen der Tiefensensibilität lassen sich als Verlust des Vibra- tionsgefühls leicht durch eine auf einem Knochen aufgesetzte, tief ge- stimmte Stimmgabel nachweisen.

Motorische Ausfälle äußern sich häufig nur als Schwäche besonders in den Beinen oder als Reflexdiffe- renzen. Es kann aber auch zu spa- stischer Parese ja zu Querschnitts- bildern kommen. Gestörte Tiefen- sensibilität zusammen mit motori- schen Störungen können das Bild der Tabes imitieren.

Ein kleiner Teil der Kranken weist neben neurologischen Symptomen auch psychische Veränderungen

(6)

Jak

Abbildung 1 f: Riesenstabkernige und Megaloblast mit Entkernungsanomalie

Abbildung 1 g: Megakaryozyt mit übersegmentiertem Kern auf, deren Symptomenbreite von

leichter Verstimmung bis zu schwe- rer Psychose reichen kann.

Der Folsäuremangel spielt als Ur- sache einer schweren megalobla- stischen Anämie nicht die Rolle wie der Mangel an Vitamin B12.

Folsäuremangel ist aber sicherlich häufiger, als gemeinhin angenom- men wird. Ihn nachzuweisen ist nicht ganz einfach.

Der Bedarf an Folsäure schwankt zwischen 100 und 200 ug/Tag und liegt in unseren Breiten in einer durchschnittlichen Tageskost vor.

Folsäure kommt in den meisten Nahrungsmitteln vor, den größten Gehalt weist Leber (auch in zube- reitetem Zustand) auf. Die Resorp- tion erfolgt im Jejunum, auch in tie- feren Dünndarmabschnitten. Die klinisch wichtigsten Ursachen eines Folsäuremangels sind ein zu gerin- ges Angebot besonders in Zeiten erhöhten Bedarfs, wobei in erster Linie die Schwangerschaft zu nen- nen ist (Tabelle 3) sowie die Wir- kung bestimmter Medikamente (Antiepileptika, Folsäureantagoni- sten) und Lebererkrankungen.

In der Schwangerschaft reicht das Folsäureangebot der Nahrung im allgemeinen nicht aus; fünf bis zehn Prozent der Schwangeren ent- wickeln eine megaloblastische Anämie. Auch in den ersten fünf Lebensmonaten ist der Folsäure- bedarf sehr hoch. Wenn ein Säug- ling falsch ernährt wird, kann daher eine megaloblastische Anämie ent- stehen. Ein typisches Beispiel dafür ist die in Krisenzeiten nicht so sel- tene Ziegenmilchanämie; Ziegen- milch enthält nämlich nur etwa zehn Prozent der Folsäuremenge von Mutter- oder Kuhmilch.

Antiepileptika — im wesentlichen Hydantoine und Tremidonpräpara- te — können zu einem Folsäure- mangel führen, wobei der Mecha- nismus nicht geklärt ist; wahr- scheinlich spielt eine behinderte Resorption eine Rolle. Neuerdings ist auch bekanntgeworden, daß Ovulationshemmer Folsäuremangel provozieren können. Ohne die Wir-

kung der genannten Medikamente zu beeinträchtigen, kann man dem Folsäuremangel durch Substitution begegnen.

Das gilt allerdings nicht für Fol- säureantagonisten, die man thera- peutisch einsetzt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Zytostatika.

Auch bei Lebererkrankungen, die zu Folsäuremangel und makro- zytärer Anämie führen können, ist der Mechanismus nicht geklärt;

Alkoholabusus scheint eine Rolle zu spielen. Andere Ursachen megaloblastischer Anämien besit- zen nur eine ganz untergeordnete Bedeutung.

(7)

Tabelle 2: Serumgehalt an Vitamin 13121

Normalpersonen Kranke mit

perniziöser Anämie Gastrektomierte Patienten mit Resektion nach Billroth

„Vegans" (extreme Vegetariersekte)

Anzahl 223 320 12 22 14

Vitamin B12 im Serum

(,u mg/ml) 356 ± 12,3

38± 1,1 66 ± 0,7 87± 7,7 75± 5,9

*) Nach R. Grasbeck, Advances Clin. Chem. 3, 299 (1960h

Auftreten einer megalo- blastischen Anämie Substitution

(täglich)

Tabelle 3: Häufigkeit megaloblastischer Anämie mit und ohne Substitution von Folsäure beziehungsweise Eisen (3599 Schwangere) nach Willoughby und Glasgow

Gruppe I 11 111 IV

V

keine Eisen

Eisen + 100 ,ug Folsäure Eisen + 300 iug Folsäure Eisen + 450 yg Folsäure

3,49/0 1,4%

0,7%

0,3%

0,3%

Für die Praxis gilt es also, die Diagnose einer megaloblastischen Anämie zu sichern und zu klären, ob ihr ein Vitamin-B12- oder ein Folsäuremangef zugrunde liegt.

Oberstes Prinzip muß dabei sein, eine perniziöse Anämie zu erken- nen, die unbehandelt zum Tode führt. Mit Vitamin-B12-Substitution ist sie klinisch zu heilen.

Therapie

Alle hämatologischen Befunde der perniziösen Anämie lassen sich durch Vitamin B12 normalisieren, neurologische Komplikationen ver- hindern oder — wenn Erscheinun- gen funikulärer Spinalerkrankung vorhanden sind — zumindest bes- sern.

Zweckmäßigerweise geht man so vor, daß man für einige Tage jeweils 15 bis 30 y Vitamin B12

intramuskulär injiziert bis sich die Blutwerte normalisiert haben. Frü- her Indikator des Behandl'ungser- folges ist die nach vier bis fünf Tagen auftretende Retikulozyten- krise.

Von da ab geht man auf eine Dauerbehandlung mit 30 y Vitamin

B12 in vierwöchigen Abständen in- tramuskulär über. Bestehen bei Be- handlungsbeginn bereits Zeichen einer funikulären Spinalerkrankung, sollte man über lange Zeit mit min- destens 30 y täglich parenteral be- handeln. Höhere Tagesdosen ha- ben keinen Sinn.

Folgt man diesen Richtlinien, so kommt es nie wieder zu einer Dekompensation der Perniziosa, außerdem beugt man der Entwick- lung neurologischer Komplikatio- nen so am sichersten vor. Die Le- benserwartung eines Perniziosa- kranken ist dann auch nicht schlechter als die anderer gleich- altriger Menschen. Das gilt aller- dings mit einer Einschränkung:

Perniziosa-Patienten erkranken häufiger an Magenkarzinom als der Durchschnitt der Bevölkerung. Ent- wickelt sich trotz ausreichender Substitution eine Anämie oder stel-

len sich andere hinweisende Sym- ptome ein, sollte man an diese Komplikation frühzeitig denken.

Da in fast jedem Fall mit Schwin- den der megaloblastischen Anämie ein Eisenmangel manifest wird, ist bei diesen Patienten noch eine Eisentherapie anzuschließen. Die Folgen der Anazidität sollten durch Salzsäuresubstitution kompensiert werden.

Ebenso wie die Perniziosa müs- sen auch die anderen Vitamin- B12-Mangel-Anämien mit Substitu- tion behandelt werden, da es nur ausnahmsweise gelingen dürfte, die Ursachen zu beseitigen. Während

B12 parenteral zugeführt werden

sollte, kann man Folsäure in der Regel oral verabreichen.

In den letzten Schwangerschafts- monaten sollten grundsätzlich pro- phylaktisch Folsäure sowie Eisen zugeführt werden. In dieser Zeit- spanne besteht unseres Erachtens die einzige sinnvolle Indikation für Folsäure-Eisen-Kombinations- präparate.

Literatur bei den Verfassern

6000 Frankfurt am Main 70 Ludwig-Rehn-Straße 40

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