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Archiv "Götz Sankowsky: Gesundheitsämter — Mittler zwischen Bürger und Politik" (21.05.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Umwelt und Gesundheit

binden, sollten schärfere Anforde- rungen für die Errichtung und den Betrieb von Sondermülldeponien und andere Formen der Abfallbe- seitigung gelten.

Wenn Bodenverunreinigungen entdeckt werden, muß zuerst eine Bestandsaufnahme (Art, Herkunft, Menge und Ausmaß der Verunrei- nigung; hydrogeologische Be- schaffenheit des Fundortes) erfol- gen. Umgehend sollte die örtliche Ärzteschaft von kompetenten Fachleuten über den Vorfall sach- verständig unterrichtet werden, da sich die Patienten in erster Linie an ihre Hausärzte wenden. Hierzu gehören auch medizinisch-toxiko- logische Informationen, damit die Ärzte über diesen Komplex Fakten und Zusammenhänge erfahren.

Zudem sollte die Ärzteschaft infor- miert werden, welche diagnosti- schen Maßnahmen bei ähnlichen Vorfällen angewandt wurden.

Für den Umgang mit den veräng- stigten Patienten gab das Referat Tips: So sollte auf die individuel- len, aber auch auf die anschei- nend irrelevanten Beschwerden eingegangen werden, gegebenen- falls durch spezielle Diagnosever- fahren oder Expositionsmessun- gen. Die Ärzte sollten weder baga- tellisieren noch dramatisieren.

Wenn Fragen der Patienten nicht beantwortet werden können, emp- fiehlt das Referat, dies offen zuzu- geben. Eine Risikoanalyse ist al- lerdings nur durch zum Teil län- gerfristige Studien möglich. Sie bedarf der interdisziplinären Zu- sammenarbeit mit Toxikologen, Chemikern, Ernährungswissen- schaftlern, Hydrogeologen und anderen Experten.

Nicht vergessen werden sollte bei der Diskussion, daß wir in unse- rem Leben immer kanzerogenen Noxen (Sonne, natürliche Radio- aktivität, ubiquitäre Substanzen) ausgesetzt sind. Trotzdem, so Au- rands Referat, muß aufgrund des ärztlichen Vorsorgeprinzips alles unternommen werden, um unnöti- ge Expositionen zu vermeiden. jv

Harald Feldmann

Störfaktor Lärm oft freiwillig

in Kauf genommen

Über den Lärm als Umwelteinfluß referierte Prof. Dr. Harald Feld- mann, Direktor der HNO-Universi- tätsklinik Münster. Er definiert:

„Lärm ist unerwünschter Schall, der durch seine Art, Stärke oder Dauer belästigend oder gar ge- sundheitsschädlich wirkt". Die Be-

Professor Dr. Harald Feldmann, Mün- ster, referierte über den Lärm als „Um- weltverschmutzung" besonderer Art

tonung liegt dabei auf dem Wort

„unerwünscht". Dies gilt für fast alle Arten der Schallrezeption: Die Alarmwirkung eines Geräusches ist erwünscht, aber sie führt zu Verärgerung, wenn sie überflüssig ist — Türenschlagen oder Tiefflie- ger als Beispiel. Der Informations- zweck des Schalles bedeutet zwar die Aufrechterhaltung des Kontak- tes mit der Umwelt, aber bei höhe- rer Lautstärke wird daraus wieder- um eine Belästigung; sie führt zu Aggressionen gegen den Verursa- cher, der seinerseits diesen Lärm als lustvoll erwünscht empfinden

mag — Beispiel möge die Party sein. Schließlich ist der Schall Mit- tel der sprachlichen Verständi- gung. Lärm aber stört sie.

In der Natur gibt es, sagte Prof.

Feldmann, keinen Schall, der die Schmerzgrenze des menschlichen Gehörs erreicht. Gefährliche Schallstärken werden fast aus- schließlich nur im technischen, im Arbeitsbereich erzeugt. Es sei aber nicht wahr, daß die Berufs- krankheit Lärmschwerhörigkeit in den letzten Jahren erheblich zuge- nommen habe — es handelt sich hier um ein statistisches Artefakt, hervorgerufen durch die Erweite- rung des Anerkennungsumfangs im Jahre 1961. Etwa drei Millionen Menschen sind hohem Arbeits- lärm ausgesetzt, nur ein Prozent von ihnen entwickeln Hörschäden.

Darüber hinaus gebe es jedoch keinen unfreiwillig zu ertragenden Lärm, der Gehörschäden verursa- chen könnte. Größer als die der beruflich Hörgeschädigten sei in der ärztlichen Praxis die Zahl de- rer, die sich freiwillig gesundheits- gefährdenden Lärmintensitäten ausgesetzt haben, insbesondere die von Jugendlichen; dazu kom- men Gehörschäden durch Jagd- und Sportschießen oder durch Knallkörper.

Nichtsdestoweniger: Lärm der täglichen Umwelt ist, so Prof.

Feldmann, zwar nicht hörschädi- gend, aber er ist ein „Störfaktor ersten Ranges", also eine Umwelt- verschmutzung mit psychischen und vegetativen Effekten. bt

Götz Sankowsky

Gesundheitsämter — Mittler zwischen Bürger und Politik

Ein Praktiker des Umweltschutzes faßte schließlich die Aufgaben des Arztes auf diesem Gebiet zusam- men: Senatsrat Dr. Götz San- kowsky, Abteilungsleiter beim Ge- sundheits- und Sozialsenator in 1510 (26) Heft 21 vom 21. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Umwelt und Gesundheit

Berlin. Er forderte die in der Praxis oder im Krankenhaus tätigen Ärzte auf, Fragen oder Sorgen der Pa- tienten wegen möglicherweise umweltbedingter Gesundheits- schäden nicht pauschal zu vernei- nen. Dies führe weniger zur Beru- higung der Patienten als vielmehr zur Hinwendung zu weniger kom- petenten Personen oder Institutio- nen, zur Abkehr vom Arzt.

Sankowsky berichtete über einen Arbeitskreis für Umweltmedizin der Ärztekammer Berlin. Dieser stößt dort auf besonders günstige

Senatsrat Dr. Götz Sankowsky, Berlin, beschrieb die vielfältigen Aufgaben des Arztes im Umweltschutz

Bedingungen, weil kompetente Ansprechpartner vorhanden sind:

das Umweltbundesamt, die ein- schlägigen Institute des Bundes- gesundheitsamtes, das Hygiene- Institut der Freien Universität und eine — da eine Mittelinstanz fehlt — konzentrierte Gesundheitsverwal- tung. Den Ärzten in den Gesund- heitsverwaltungen und -ämtern fallen, so Dr. SankoWsky, im Schwerpunkt die ärztlichen Um- weltaufgaben zu. Hier aber gibt es eine unmittelbare Möglichkeit zu politischer Wirkung, weil die Ge- sundheitsämter in die (sonst

manchmal als lästig empfundene) Verwaltungsstruktur eingebunden sind, damit aber auch den Zugang zu den Kommunalpolitikern und die Möglichkeit zur Durchsetzung ärztlicher Konzepte auf politischer Ebene haben. Eine personell und sachlich gut ausgestattete Ge- sundheitsverwaltung kann in der Lage sein, „als Mittler zum Bürger zwischen Verharmlosung und Hy- sterie beim Umweltschutz zu wir- ken, epidemiologisch einwand- freie Forschungsarbeiten zu un- terstützen und unter anderem den Wert von Schadstoff-Minimie- rungsprogrammen aus der politi- schen Öffentlichkeit richtig einzu- schätzen". bt

Diskussion

Umweltmedizin ist fachübergreifend und vielseitig

Die Diskussion der sechs Referate und der Anträge war anfangs eine eigenartige Mischung aus Emo- tion und Polemik einerseits und sachlichen Beiträgen andererseits

— selbst innerhalb einzelner Bei- träge. So Dr. Helmut Becker (Ber- lin): Ich hätte mir diesen Tages- ordnungspunkt nicht als Fachse- minar vorgestellt. Man hätte viel- mehr „den Status der Umweltme- dizin selbstkritisch herausarbei- ten" sollen. Dr. Bernd Köppl (Ber- lin): Man hätte über die vorhande- nen gesicherten Erkenntnisse sprechen müssen und darüber, daß daraus keine entsprechenden Maßnahmen abgeleitet werden.

Und Dr. Huber (ebenfalls Berlin, Leiter eines Gesundheitsamtes):

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein umweltmedizinisches Ent- wicklungsland.

Ein Delegierter aus Westfalen-Lip- pe gab seine praktischen Erfah- rungen wieder: Zum Einzugsbe- reich seiner psychiatrischen Pra- xis in Dortmund gehört eine Wohnanlage auf dem belasteten

Grund einer früheren Kokerei, und er erlebe bei den Patienten aus diesem Bereich ein großes Maß an seelischer Dekompensation. Ursa- che sei nicht die Konfrontation mit der Gefahr, sondern die ständigen Auseinandersetzungen mit Behör- den und deren mangelhafte Infor- mation oder gar Desinformation.

Diese Belastung könnte durch of- fene und ehrliche Auskünfte ver- mieden werden. Dies war ein Mo- tiv, das in der allgemeinen Debatte mehrfach wiederkehrte, auch im Zusammenhang mit dem Atomun- glück von Tschernobyl. Und der Berliner Gesundheitsamtsleiter trug ebenfalls praktische Erfah-

rungen bei: Sein an sich gut aus- gestattetes Amt könne die Aufga- be der Lebensmittelüberwachung noch immer erst zu fünfzig Pro- zent erfüllen. Er habe die Stelle ei- nes Umweltbeauftragten ausge- schrieben: Es meldeten sich 50 Bewerber, aber unter ihnen war kein Arzt.

Liegt das daran, daß Umweltmedi- zin in der Aus-, Weiter- und Fort- bildung zu kurz kommt? Verschie- dene Diskussionsbeiträge und An- träge gingen dieser Frage nach.

An den Hochschulen sei das Fach Umwelthygiene schwach vertre- ten, es fehle deshalb auch den Studenten die Motivation, sich da- für zu interessieren, hieß es. Ein Antrag, an allen Universitäten die Einrichtung von Lehrstühlen für Umweltmedizin zu fordern, verfiel allerdings deutlich der Ablehnung.

Auch der Vorschlag, die Umwelt- hygiene möglichst jetzt noch in die Approbationsordnung und da- mit in das Medizinstudium einzu- bringen, kam nicht durch. Dr. Jörg Dietrich Hoppe, Vorsitzender des Marburger Bundes, wies darauf hin, daß zum einen ein Mehr an Befrachtung des Studiums auch irgendwo eine „Entfrachtung" er- fordere, und außerdem sei Um- weltmedizin weit fachübergrei- fend: Strahlenheilkunde und inne- re Medizin seien ebenso beteiligt wie HNO, Psychiatrie und andere Disziplinen.

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 21 vom 21. Mai 1986 (27) 1511

Referenzen

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