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Archiv "FEUILLETON: Die Musik und ihre Mittler" (13.11.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FEUILLETON

S

pätestens seit der Präsenta- tion der neuen CD-Laser- Schallplatten liegt eine gro- ße Schar von Musikfreunden endgültig im Technikfieber. Je- denfalls die professionellen Mu- sikliebhaber, die in Hochglanz- fachblättern schier außer sich geraten, wenn es gilt, die silber- ne Scheibe zu rühmen. Und da- bei ist der Eiertanz um die so op- timale Klangqualität der Com- pact Disc nur der vorläufige Ab- schluß eines Weges, der durch sehr viele Stationen wie „Ste- reo", „Quadra", „Dolby", „High- End", „Aktiv-Boxen" oder „Dy- namic Damping" und so weiter gesäumt ist.

Halten wir fest: Die Entwicklung der elektroakustischen Medien ist für uns Musikliebhaber ein Geschenk des Himmels. Mußte man sich in früheren Zeiten mit schäbigen Transpositionen oder Klavierauszügen zufriedenge- ben, wenn man einen klingen- den Eindruck von der Eroica ha- ben wollte und nicht das Glück hatte, eine Aufführung mit ei- nem Orchester hören zu kön- nen, so verfügen wir heutzutage über ein überaus reichliches Re- pertoire an Musikstücken aus al- len Jahrhunderten. In hervorra- genden Einspielungen, mit ver- schiedenen Interpreten. Ein un- ter musikalischen Gesichts- punkten paradiesischer Zu- stand. Das ist ernst gemeint.

Warum dennoch die eingangs geäußerte Skepsis? Einfach deshalb, weil ich mich des Ein- drucks nicht erwehren kann, daß sich bei vielen Musikfreunden mit der zunehmenden Begeiste- rung für die technischen Mög- lichkeiten Einstellungen aufge- baut haben, welche die ur- sprünglichen Ziele des Musik- konsums: das Hören, Erleben und Verstehen eher blockieren.

Da führt mir beispielsweise ein Kollege seine neue Anlage vor.

Er schiebt eine Compact Disc mit dem Tripelkonzert von Beet- hoven ein, verweist dabei wort-

Die Musik ihre Mittler und

Trotz HiFi-Fieber soll der Musik

eine Chance bleiben

reich auf das überaus praktische

„Handling", und dann geht's los.

Absolut rauschfrei, erklärt er, mit db-Eigenschaften, die nur das digitale Zeitalter ermöglicht.

Und dann diese Boxen, welch eine Dynamik! Zugegeben: das Thema kommt tatsächlich pia- nissimo wie aus dem Nichts.

Und dennoch bin ich, nachdem wir diese ersten zwei Minuten zur Demonstration fünfmal an- gehört haben, ziemlich frust- riert. Wie ist es möglich, denke ich bei mir, daß ein Mensch, der etliche akademische Monatsge- hälter in musikalische Technik investiert, auf die Musik selbst geradezu stumpf reagiert?

Natürlich, er wolle mir seine An- lage vorführen und nicht die Mu- sik. Man braucht ja wirklich nicht zu „wissen", daß dieser Anfangsteil des Tripelkonzerts, den er mir vorgespielt hat, zu den interessantesten Beispielen einer dramatisierenden Überlei- tung zwischen Haupt- und Sei- tenthema gehört, daß diese Technik in der Wiener Klassik zwar gang und gäbe war, in die- ser dynamischen Form aller- dings weit herausragt. Wissen also, in dem Sinne, daß man ein Referat darüber schreiben könnte, braucht man das alles nicht. Aber spüren kann man es.

Durch wiederholtes und bewuß- tes Hören, das auch der Musik selbst eine Chance gibt! Indem man ihr bewußt zuhört und beim Stichwort Dynamik nicht nur an Dezibel und Endverstärker

denkt, sondern an Beethoven.

Und an die Schauer, die einem bei solchen Stellen den Rücken herunterlaufen, wenn man sich der Musik auch wirklich über- läßt!

Wer in dieser Weise die Musik hört, erlebt und genießt, der weiß auch, daß die Technik nur eine zwar wichtige — sie macht alles erst möglich —, vom Stand- punkt des Erlebens aber auch sekundäre Mittlerrolle spielt.

Denn für den bewußten Aktiv- Hörer „wirkt" ein gutes Musik- stück selbst dann, wenn er es im Radio über Mittelwelle hören muß. Weil die Wirkung der Mu- sik immer noch von der Musik selbst ausgeht! Und wenn schon von Mittlern gesprochen wird, sollte unser Wahrnehmungssy- stem dann auch nicht vergessen werden. Es steht nämlich zwi- schen dem technisch provozier- ten akustischen Reiz und unse- rem inneren Erleben.

Diesem System verdanken wir beispielsweise auch die schlaue Einrichtung, daß wir beim Mu- sikgenuß das Ticken der Zim- meruhr nicht hören. Das Selek- tionsprinzip macht es genauso auch möglich, daß man her- kömmliche Schallplatten, die halt dann und wann einen Knackser von sich geben oder ein mehr oder weniger sanftes Rumpeln, durchaus ohne nen- nenswerte ästhetische Einbu- ßen genießen kann.

Doch wer auf diese Weise hört, also musikfremd, der wird selbst bei der neuen CD sein Haar in der Suppe finden. Weil man dort zwar die Palette alter Nebenge- räusche nicht mehr ertragen muß, wohl aber solche, die durch die technische Raffinesse erst eingefangen werden: das Brummen des Dirigenten, das Umdrehen der Notenblätter, das Zähneknirschen des Solisten.

Ich warte auf den Tag, an dem uns Mozart wirklich geräusch- und menschenfrei angeboten wird. Stefan Schaub Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 46 vom 13. November 1985 (87) 3461

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