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Archiv "Festlegung des Einheitsbeitragssatzes: Eine falsche Entscheidung" (10.10.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 4110. Oktober 2008 A2125

S E I T E E I N S

D

er Einheitsbeitragssatz der gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) wird im kommenden Jahr mit voraussichtlich 15,5 Prozent deutlich niedriger ausfallen als erwartet. Dies hat der Koalitionsausschuss Anfang Oktober entschieden. Zuvor hatte sich der Schätzerkreis aus Fachleuten des Bundesversiche- rungsamts (BVA), der Krankenkassen und des Bundes- gesundheitsministeriums nach viertägigen Beratungen nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen kön- nen. Während die Regierung und das BVA 15,5 Prozent für ausreichend hielten, beharrten die Kassen auf einem Satz von 15,8 Prozent zur Deckung ihrer Ausgaben.

Die Entscheidung der Koalition, den Beitragssatz ge- gen den Willen der Krankenkassen so niedrig wie mög- lich festzusetzen, ist kurz- und langfristig schlecht für die Gesundheitsversorgung in Deutschland. Kurzfristig deshalb, weil etliche Kassen schon im nächsten Jahr in Liquiditätsschwierigkeiten kommen könnten. Langfris- tig, weil sich die Regierung bei der Festsetzung des Bei- tragssatzes vor allem von politischen Erwägungen hat leiten lassen. So ist es erklärtes Ziel von Schwarz-Rot, die Lohnnebenkosten unter 40 Prozent zu drücken.

Dafür soll nach dem Beschluss des Koalitionsausschus- ses der Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 0,5 Pro- zentpunkte gesenkt werden. Wegen der guten Entwick- lung auf dem Arbeitsmarkt ist dies legitim. Um die Ar- beitgeber zu entlasten, kann man auch den Einheitsbei- tragssatz der Krankenkassen niedrig ansetzen. Nur muss dann der Leistungsumfang der GKV dem engeren fi- nanziellen Rahmen angepasst werden. Geschieht dies nicht, setzt sich die Politik der verdeckten Rationierung auf Kosten der Beschäftigten im Gesundheitswesen fort.

Kurzfristig spürbar könnten die Folgen der Koaliti- onsentscheidung schon im nächsten Jahr werden. Ver- mutlich reicht ein Beitragssatz von 15,5 Prozent nicht aus, um die zusätzlichen Ausgaben der Krankenkassen für den Kliniksektor (plus drei Milliarden Euro) und für Vertragsarzthonorare (plus 2,7 Milliarden Euro) zu decken. Hinzu kommen steigende Ausgaben für Medi- kamente von mindestens 2,4 Milliarden Euro. Weil die Regierung für 2009 eine 100-prozentige Finanzausstat- tung des Gesundheitsfonds gesetzlich zugesichert hat, ist es ihre Aufgabe, Liquiditätsprobleme der Kosten- träger zu verhindern. Doch sie setzt auf das Prinzip Hoffnung.

Denn dass Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) zu- sätzliche Steuermittel in den Fonds pumpt, ist wegen der vorgesehenen staatlichen Hilfsprogramme für die ange- schlagene Finanzwirtschaft unwahrscheinlich. Ein an- deres Szenario wäre, die Regierung arbeitete das Kran- kenhausfinanzierungsgesetz um und dosierte die darin vorgesehene und dringend benötigte Finanzspritze nied- riger. Das aber nach der machtvollen Protestkundgebung von Klinikbeschäftigten Ende September? Die 130 000 Demonstranten sind aus allen Wahlkreisen nach Berlin gekommen, weshalb die Parlamentarier ihr Abstim- mungsverhalten wohl genau überdenken würden.

Am wahrscheinlichsten ist es, dass die Koalition erst einmal gar nichts unternimmt und auf eine positive Ein- nahmesituation der Kassen hofft. Geht die Rechnung nicht auf, bekommen dies die Leistungserbringer und Patienten zu spüren. Kassenvertreter, Krankenhausge- sellschaft und Kassenärztliche Bundesvereinigung war- nen bereits, dass die Kostenträger in Zahlungsschwie- rigkeiten gegenüber Kliniken und Kassenärztlichen Vereinigungen geraten könnten.

Dies würde der Union und SPD mehr schaden als ein etwas höherer Einheitsbeitragssatz – auch weil die Freude der Versicherten über die niedrigen Kassen- beiträge nur kurz währen könnte. Denn muss die Kasse eine Zusatzprämie erheben, zahlt diese der Arbeitneh- mer allein. Setzt die Regierung auch in den kommen- den Jahren aus politischen Erwägungen einen niedrigen Beitragssatz fest, werden bald alle Kassen Zusatzprämi- en verlangen müssen. Dann nützt den Versicherten auch ihr Sonderkündigungsrecht bei Prämienerhebung nichts.

Samir Rabbata Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin

FESTLEGUNG DES EINHEITSBEITRAGSSATZES

Eine falsche Entscheidung

Samir Rabbata

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