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Archiv "Knochenmarkspendersuche Strategien Erfolgsquoten Kosten" (18.02.1994)

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Knochenmarkspendersuche

Strategien Erfolgsquoten Kosten

Eine retrospektive Analyse für 1 012 Patienten

Hellmut Ottinger Markus Grosse-Wilde Armin Schmitz

Hans Grosse-Wilde

D

ie Liste der Erkrankungen, bei deren Behandlung die al- logene Knochenmarktrans- plantation (KMT) eine gesi- cherte Indikation hat, wächst ständig.

Neben malignen Erkrankungen des hämatopoetischen und lymphati- schen Systems sowie aplastischen Er- krankungen des Knochenmarkes sind als weitere Kategorien angeborene Immundefekte, homozygote Hämo- globinopathien sowie eine Vielzahl von Stoffwechsel- und Speicherer- krankungen zu nennen.

Neben der Grundkrankheit des Patienten sind folgende Gesichts- punkte für die Entscheidung wichtig, ob eine allogene KMT durchgeführt werden soll: das Alter des Patienten, sein Allgemeinzustand (Begleiter- krankungen, psychische Belastbar- keit etc.) und die Verfügbarkeit eines ausreichend gewebeverträglichen Markspenders.

Antigendifferenzen zwischen In- dividuen einer Spezies werden Allo- antigene genannt. Sofern Alloantige- ne für die Abstoßung von Transplan- taten relevant sind, spricht man von Gewebeverträglichkeits- oder Histo- kompatibilitätsantigenen. Beim Men- schen werden diese Merkmale von einer Gengruppe kodiert, die auf dem kurzen Arm des Chromosoms 6 liegt, dem sogenannten HLA- Komplex (HLA = Humane Leuko- zyten Antigene). Innerhalb des

Die Suche nach einem allogenen Knochenmarkspender kann in der Kernfamilie, in der erweiterten Fami- lie oder unter nichtverwandten Per- sonen durchgeführt werden. Der an- haltende Geburtenrückgang in Deutschland verlangt bei den rasch anwachsenden Spenderzahlen der in- und ausländischen Register eine Ko- sten-Nutzen-Analyse der drei oben genannten Suchformen. Diese zeigt, daß die Spendersuche im Geschwi- sterkreis und bei Bedarf in der erwei- terten Familie weiterhin Vorrang vor der Suche in der nichtverwandten Be- völkerung haben sollte.

HLA-Komplexes unterscheidet man die Genorte HLA-A, B und C (HLA- Klasse-I-Gene) und die Genorte HLA-DR, DQ und DP (HLA-Klas- se-Il-Gene). Deren Genprodukte, die HLA-Antigene, sind Glykopro- teine, die in der Zytoplasmamem- bran verankert sind. Die große Viel- zahl möglicher HLA-Merkmale in wechselnden Kombinationen be- dingt, daß die meisten Menschen un- tereinander HLA-different, also nicht gewebeverträglich sind.

Nach heutigem Kenntnisstand sind für die immungenetische Spen- derauswahl die HLA-A-, HLA-B-, HLA-DR- und HLA-DQ-Merkmale transplantationsrelevant. Jeder Mensch erbt sowohl vom Vater als

Institut für Immunologie (Direktor: Prof. Dr.

med. Hans Grosse-Wilde), Universitätskli- nikum Essen

auch von der Mutter je einen HLA- A,B,DR,DQ-Merkmalsatz (Haplo- typ). Wegen der kodominanten Ex- pression sind somit insgesamt acht HLA-Merkmale bei der Spenderaus- wahl zu berücksichtigen. Zum Nach- weis der HLA-Merkmale sind heute vier Methoden etabliert:

1. Serologische HLA-Testung:

Mit dieser Technik lassen sich die HLA-A,B,C,DR- und HLA-DQ-An- tigene durch spezifische Antiseren im Lymphozytotoxizitätstest erken- nen.

2. Molekulargenetische HLA- Testung: Hiermit können die HLA- DR,DQ,DP-Genpolymorphismen unter Einsatz der Polymerase-Ket- tenreaktion und sequenzspezifischer Sonden- oder Endonukleasen nach- gewiesen werden.

3. Biochemische HLA-Testung:

Basierend auf der Varianz der Ami- nosäuren-Zusammensetzung lassen sich die unterschiedlichen HLA-A,B- Antigene anhand des isoelektrischen Punktes nach entsprechender elek- trophoretischer Fokussierung dar- stellen.

4. Gemischte Lymphozytenkul- tur: Analog zur Induktion einer GvH (Graft versus host, das heißt Trans- plantat gegen Wirt)-Reaktion in vivo können Differenzen zwischen Spen- der und Empfänger für die HLA- Klasse-Il-Gene, insbesondere für HLA-DR- und DQ-Merkmale, zu ei- ner T-Zellproliferation in vitro füh- ren. Dies wird im sogenannten MLC (Mixed Lymphocyte Culture)-Test überprüft, wobei eine nicht stattfin- dende Zellproliferation (negative MLC-Reaktion) zwischen Spender und Empfänger, abgesichert durch parallel laufende Kulturen mit sicher differenten Probanden, als Hinweis für eine Kompatibilität gewertet wird.

A-420 (36) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994

(2)

Tabelle 1: Eingangscharakteristika der Studienpatienten — n = 1012

Geschlechterverteilung (m:w) 583:429

Alter (Jahre)

Mittelwert 29

Standardabweichung 14,7

Spannbreite 0-55

Ethnische Herkunft

Kaukasier 931 (92%)

davon Deutsche 884 (87%)

Orientalen 73 (7%)

davon Türken 52 (5%)

Andere 8 (<1%)

Diagnosen:

1. Maligne Erkrankungen der Hämatopoese 871 (86,1%) und des lymphatischen Systems

Chronische myeloische Leukämie 269

Akute myeloische Leukämie 267

Akute lympathische Leukämie 198

Hochmaligne Non-Hodgkin Lymphome 49

Myelodysplasie 35

Multiples Myelom (Plasmozytom) 30

Morbus Hodgkin 17

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie 3

Polycythämia vera 3

2. Aplastische Erkrankungen des Knochenmarkes 84 (8,3%)

Schwere aplastische Anämie 76

Fanconi-Anämie 5

Blackfan-Diamond-Syndrom 3

3. Übrige Erkrankungen 57 (5,6%)

Thallassämia major 13

Wiskott-Aldrich-Syndrom 4

Osteopetrose 1

Sonstige 39

MEDIZIN

Bei der Knochenmarkspender- suche sind drei Suchtypen zu unter- scheiden:

1. Die Spendersuche unter den Geschwistern des Patienten, das heißt in der Kernfamilie (englisch:

Core Family Donor Search = CFDS).

2. Die Spendersuche in der er- weiterten Familie, das heißt unter anderen Blutsverwandten als den Geschwistern des Patienten, zum Beispiel Eltern, Kinder, Onkel, Tan- ten etc. (englisch: Extended Family Donor Search = EFDS).

3. Die Spendersuche in nationa- len und ausländischen Registern, das heißt unter nichtverwandten, freiwil- ligen Knochenmarkspendern (eng- lisch: Unrelated Marrow Donor Search = UMDS).

Die vorliegende Studie versucht, durch eine retrospektive Analyse der immungenetischen Spenderauswahl für insgesamt 1012 Patienten mit In- dikationen zur allogenen Knochen- marktransplantation folgende Fra- gen zu klären:

1. Welche Strategien waren bei den drei Typen der Spendersuche leitend?

2. Wie oft verlief die Spendersu- che insgesamt erfolgreich und wel- chen Anteil daran hatten die CFDS, EFDS und UMDS?

3. Wie lang ist die mittlere Suchdauer der UMDS?

4. Ist bei anhaltendem Gebur- tenrückgang in Deutschland und an- gesichts der sich ständig verbessern- den Logistik und Erfolgsquoten der UMDS eine Änderung der Suchstra- tegie notwendig?

5. Welche mittleren Kosten pro Patient fielen bei der CFDS, EFDS und UMDS an?

6. Ist es statthaft, bei einem Pa- tienten mit sehr seltenem HLA-Mu- ster aus Kostengründen a priori eine UMDS zu verweigern oder wegen Er- folglosigkeit abzubrechen?

Patienten und Methoden In die vorliegende Studie einge- schlossen wurden alle Patienten, für die das Institut für Immunologie des Universitätsklinikum Essen im Zeit- raum von Januar 1990 bis Dezember

AKTUELL

1992 auftragsgemäß eine Spendersu- che eingeleitet hatte. Die Suche galt als eingeleitet, sofern im Falle der CFDS oder EFDS die serologischen HLA-Merkmale des Patienten und zumindest eines Angehörigen vorla- gen oder im Falle der UMDS zumin- dest die Rückantwort eines Spender- registers eingegangen war.

Computergestützt wurde eine Datei angelegt, in der die für die Spendersuche der Patienten relevan- ten Parameter unter Einsicht in die Krankenakten erfaßt wurden (Tabel- le 1).

Für die Kostenanalyse wurden alle im Rahmen der Spendersuche erbrachten Leistungen gemäß der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ, Stand 1. Juli 1988) veranschlagt. Im Falle der UMDS bildeten zusätzlich die über die Stefan-Morsch-Stiftung

abgewickelten Finanzierungen der Spendersuchen im Ausland die Grundlage für die Kostenkalkulati- on. Aufgeschlüsselt für die drei Such- typen wurden zum einen unabhängig vom Sucherfolg die durchschnittli- chen Kosten pro Patient und zum an- deren ein Kosteneffektivitäts-Index (Gesamtkosten/Zahl der gewebever- träglichen Spender) ermittelt.

Ergebnisse

Spendersuche im Geschwister- kreis (CFDS):

Eine CFDS wurde für 875 Pa- tienten eingeleitet. Insgesamt stan- den 1825 Geschwister zur Spender- auswahl zur Verfügung (919 Brüder, 906 Schwestern). Obligatorisch wur- Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994 (37) A-421

(3)

den bei den Patienten und Geschwi- stern eine serologische HLA-Klasse- 1-Testung und ein MLC-Test durch- geführt. Für letzteren gingen Blut- proben von 803 Patienten und ihren Geschwistern ein. Beurteilbar war der MLC-Test für 756 (94 Prozent) Patienten. Von den verbleibenden 47 Patienten wurde bei 32 Patienten und deren Geschwistern eine mole- kulargenetische HLA-Klasse-II-Be- stimmung durchgeführt. Für 87 Pa- tienten konnte aus Gründen (progre- diente Grunderkrankung, Auftreten infektiöser Komplikationen etc.), die eine nachfolgende KMT ausschlie- ßen, die CFDS nicht abgeschlossen werden. Insgesamt wurde für 394 Pa- tienten ein ausreichend gewebever- trägliches Geschwister mit den in Ta- belle 2 gelisteten HLA-Konstellatio- nen identifiziert. Für 40,7 Prozent der CFDS-Patienten (356/875) konnte so- mit ein HLA-identischer und für 4,3 Prozent (38/875) ein partiell HLA-kompatibler Geschwisterspen- der identifiziert werden. Die Gesamt- erfolgsquote der CFDS betrug somit 45 Prozent.

Aufgrund des Erbganges der HLA-Merkrnale bestimmte die An- zahl verfügbarer Geschwister ent- scheidend die Erfolgsquote der CFDS. Die mittlere Zahl der pro Pa- tient zur Verfügung stehenden Ge-

Abbildung 1: Vertei- Jung der Geschwister- %

zahlen 50

0 im alten Bundesge- 45 biet 1991 geborene

eheliche Kinder 40

(n = 560 691)

&1 Studienpatienten 35

(n = 1012)

• Patienten mit HlA- 30

kompatiblen Geschwi- 25

sterspendern

(n = 394) 20

15 10

5

0 0 2

schwister betrug in der vorliegenden Studie 2,1 (Spannbreite null bis neun) (Abbildung 1). Hierbei ist zu beachten, daß bei den Patienten für die angestrebte KMT eine Alters- obergrenze von 55 Jahren vorlag.

Zum Vergleich ist die Verteilung der Geschwisterzahl der im Jahre 1991 in den alten Bundesländern als ehelich geborenen Kinder dargestellt (Quel- le: Statistisches Bundesamt, Wiesba- den). Es wird daraus offensichtlich, daß die Entwicklung hin zu einer Ein-Kind-Familie fortschreitet mit

Tabelle 2: Immungenetische Empfänger/Spender-Konstellation nach erfolgreicher Spen- dersuche unter den Geschwistern

..,... Empfänger und Spender HLA-identisch 356 HLA-A,B-identisch,

MLC-kompatibel 341

HLA-A,B-identisch,

HLA-DR,DQ(DNA)-identisch,

MLC nicht auswertbar/durchgeführt 15

... Empfänger und Spender partiell HLA-identisch 38 (Konstellation nur bei maligner Grundkrankheit akzeptiert)

Eine HLA-A- oder HLA-B-Differenz,

MLC-kompatibel 20

Eine HLA-A- und eine HLA-B-Subtypdifferenz,

MLC-kompatibel 2

HLA-A,B-identisch,

eine HLA-DR,DQ-Differenz,

MLC nicht kompatibel 7

Patient HLA-A,B,DR,DQ reinerbig Spender HLA-haploidentisch,

MLC in GvH-Richtung kompatibel 9

A-422 (38) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994

r

3 4 5 6 7 8 9

Geschwisterzahl

entsprechend negativer Konsequenz für die CFDS-Erfolgsquote. Von der erhöhten Chance, aufgrund einer großen Geschwisterzahl einen Spen- der zu erhalten, profitieren bereits heute relativ wenige Patienten: Na- hezu zwei Drittel aller im Rahmen dieser Studie identifizierten Spender entstammten einer Zwei- oder Drei- Kinderfamilie, wobei der Patient als erstes Kind gerechnet wurde.

Spendersuche in der erweiterten Familie (EFDS):

Die EFDS wurde für 563 Patien- ten durchgeführt, wobei insgesamt 2154 Verwandte getestet wurden. Bei 426 Patienten ging eine erfolglose CFDS voran; die übrigen Patienten hatten kein verfügbares Geschwister.

Die Eltern der Patienten nehmen in- sofern eine Sonderstellung ein, da sie- so verfügbar- parallel zur CFDS zu- mindest HLA-Klasse-1-getestet wur- den, um die HLA-Haplotypen des Pa- tienten und seiner Geschwister abzu- sichern. Bei der Spendersuche unter den Eltern sind nur die 451 Patienten berücksichtigt, für die kein Geschwi- sterspender gefunden wurde.

Zur Vorbereitung der EFDS er- folgte zunächst die serologische HLA-Klasse-11-Typisierung des Pa- tienten und seiner Eltern sowie ggf.

Geschwister. Aufgrund der HLA- Konstellation beim Patienten wurde versucht, in dem Stammbaumteil (maternal oder paternal) die EFDS

(4)

In GvH-Richtung gewebeverträgliche Familienspender

Art Anzahl HLA- 1 HLA-A- 1 HLA-B- 1 HLA-

identischa Differenz Differenz DIV- Differenz

Gesamt

Eherne 683

Kinder 204

Cousinen/ 554 Cousinsd

Tanten/ 512 Onkel

Halb- 66

geschwister Übrige 135

10 8 6 0

3 10 5 1

3 1 8 0

1 2 5 1

1 0 0 0

0 0 0 0

24 19 12 9 1 0

Gesamt 2154 18 21 24 2 65

Tabelle 3: Art/Anzahl der untersuchten Familienmitglieder und immungenetische Empfän- ger/Spender-Konstellation nach erfolgreicher Spendersuche in der erweiterten Familie

a einschließlich vier Spender für HLA-homozygote Patienten

b seit Mitte 1992 wurden auch Familienspender mit einer HLA-DR,DQ-Differenz zum Patienten ak- zeptiert

c Eltern von Patienten ohne Geschwisterspender

d einschließlich einer Cousine mit einer HLA-A- und einer HLA-B-Subtypdifferenz

Spender durch CFDS

Kein Spender 394/1012 (38,9 %)

450/1012 (44,5 %)

Spender durch UMDS 103/1012 (10,2 %)

Spender durch EFDS 65/1012 (6,4 %) MEDIZIN

voranzutreiben, aus dem der seltene- re HLA-Haplotyp des Patienten ent- stammte, und in der Erwartung, daß der zweite (häufigere) HLA-Haplo- typ durch Einheirat unter den Ver- wandten auftaucht. Die Blutproben der Verwandten wurden für HLA- Klasse-I und -Klasse-II typisiert.

Zeigte sich bei einem potentiel- len Spender HLA-Identität oder eine Konstellation mit nur einer HLA-A- oder HLA-B-Differenz zum Patien- ten, wurde ein MLC-Test durchge- führt. Bei MLC-Kompatibilität folg- ten überwiegend zur Absicherung der Befunde eine biochemische HLA-Klasse-I- und eine molekular- genetische HLA-Klasse-H-Testung.

Die Art und Anzahl der im Rah- men der EFDS untersuchten Ver- wandten sowie die HLA-Konstella- tionen der zum Patienten als ausrei- chend gewebeverträglich eingestuf- ten Spender sind der Tabelle 3 zu ent- nehmen. Es fällt auf, daß die Chance, unter den Verwandten einen geeig- neten Spender zu finden, schnell ab- sinkt, je weiter man sich von der Kernfamilie entfernt. Für die EFDS betrug die Erfolgsquote somit 65/563 (11,5 Prozent). Betrachtet man die Suche unter den Eltern isoliert, er- gibt sich eine Erfolgsquote von 24/451 (5,3 Prozent).

AKTUELL

Abbildung 2: Zusam- menfassung der Suche nach gewebeverträgli- chen Knochenmark- spendern für 1012 Patienten CFDS: Suche im Geschwisterkreis EFDS: Suche in der erweiterten Familie UMDS: Suche in der nichtverwandten Bevölkerung

Spendersuche in der nichtver- wandten Bevölkerung (UMDS):

Im Regelfall wurde dieser Such- typ genutzt, wenn die CFDS oder EFDS erfolglos abgeschlossen wor- den war oder keine Verwandten zur Verfügung standen. Vor dem Start der UMDS wurde vom Patienten die Zustimmung für diesen Suchtyp über den behandelnden Arzt und vom Ko- stenträger eine entsprechende Ko- stenzusage eingeholt. Weiterhin wur- den bei diesen Patienten die serologi- schen Bestimmungen der HLA-Klas- se-I- und -II-Merkmale durchgeführt beziehungsweise wiederholt. Ab 1991

wurden zur Absicherung der HLA- Merkmale zusätzlich die biochemi- sche HLA-Klasse-I- und die moleku- largenetische HLA-Klasse-II-Be- stimmung eingesetzt und die HLA- Phänotypfrequenz des Patienten in der kaukasischen Bevölkerung im In- stitut für Biomathematik und Medizi- nische Statistik, Universität Bonn (Direktor• Prof. Dr. M. P. Baur) be- rechnet.

Für den in dieser Studie analy- sierten Zeitraum ergaben sich fol- gende Zahlen: Insgesamt wurden 222 UMDS-Patienten betreut. Am 1. Ja- nuar 1990 waren 32 Suchen noch ak- tiv, die früher eingeleitet worden wa- ren. Für 190 Patienten wurde im Stu- dienzeitraum die Suche gestartet (58 Patienten im Jahre 1990, 60 Patien- ten 1991 und 72 Patienten 1992). In nationalen und ausländischen Kno- chenmarkspender-Registern werden überwiegend HLA-Klasse-I-, deut- lich seltener HLA-Klasse-I- und -II- typisierte freiwillige Spender geführt.

Bei diesen Registern wurde ange- fragt, ob HLA-Klasse-I- und -II oder zumindest HLA-Klasse-I-identische Spender zur Verfügung stehen. Bei Vorhandensein von HLA-Klasse-I- identischen Spendern wurden eine Bestimmung der HLA-Klasse-H- Merkmale veranlaßt. Ergab sich da- nach auch für diese Merkmale eine Übereinstimmung, schloß sich vor Ort zur Absicherung der Gewebever- träglichkeit ein MLC-Test zwischen dem Patienten und den potentiellen Spendern sowie eine biochemische HLA-Klasse-I- und eine molekular- genetische HLA-Klasse-II-Analyse an. Für Patienten jenseits des A-424 (40) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994

(5)

UMDS UMDS-Erfolg

190

Gesamt 77 103 62

zu Beginn des Jahres

aktiv

Im Laufe des Jahres

gestartet

Im Laufe des Jahres

beendet

bei Such- start im gleichen Jahr

mittlere Suchdauer (Monate)*

Jahr Gesamt

12 (13,3%) 36 (36,7%) 55 (47,8%)

8 (13,8%) 20 (33,3%) 34 (47,2%) 1990

1991 1992

32 38 43

58 60 72

40 19 18

7,2 6,9 4,8 Tabelle 4: Anzahl der in den Jahren 1990 bis 1992 durchgeführten Spendersuchen in der nichtverwandten Bevölkerung und deren Erfolg

* Arithmetisches Mittel der Suchdauern für Patienten, deren Suchen noch im gleichen Jahr erfolgreich be- endet wurden.

DM

20000

15000

10000

5000

24.350

11.150

2.921 1.315 2 .275

19.170

0

CFDS EFDS UMDS CFDS EFDS UMDS

Durchschnittskosten / Patient Kosteneffektivitäts-Index

35. Lebensjahres wurde eine vollstän- dige HLA-Identität gefordert. Bei Patienten jünger als 35 Jahre wurde beim Spender eine sogenannte HLA- Minordifferenz toleriert, das heißt, ein HLA-A- oder HLA-B-Antigen durfte eine serologische Subtypdiffe- renz aufweisen oder zu einer kreuz- reaktiven Gruppe gehören, oder ein HLA-DR-Antigen durfte bei MLC- Kompatibilität eine nur molekularge- netisch detektierbare Differenz auf- weisen. Tabelle 4 faßt die Entwick- lung und Ergebnisse der UMDS für den untersuchten Zeitraum zusam- men.

Die Gesamterfolgsquote der UMDS lag bei 46,4 Prozent (103/222). Es fällt auf, daß sich die Erfolgsquote in den drei Jahren stei- gerte und die mittlere Suchdauer ver- kürzte. So konnten für fast die Hälfte (47,2 Prozent) der Patienten die im Jahre 1992 gestarteten Spendersu- chen erfolgreich abgeschlossen wer- den. Von den 55 Patienten, für die die UMDS 1992 zum Erfolg führte, hatten 37 Patienten einen Spender, zwölf Patienten zwei Spender, fünf Patienten drei und ein Patient vier geeignete nichtverwandte Spender.

Für Patienten mit einem häufi- gen HLA-Muster (Phänotypfrequenz 1:1000 bis 1:30 000) wurde in nahezu allen Fällen innerhalb weniger Mo- nate ein Spender identifiziert. Be- merkenswert ist, daß für knapp 20 Prozent (5/26) der Patienten mit ei- nem sehr seltenen HLA-Muster (Phänotypfrequenz 1:500 000 bis

Abbildung 3: Darstellung der Durchschnittskosten pro Patient und des Kosteneffektivitäts-Index, auf- geschlüsselt nach den drei Suchtypen

1:>3 000 000) bereits nach dem er- sten Suchlauf oder aber nach einer Suchdauer von mehr als einem Jahr ein geeigneter Spender ausfindig ge- macht werden konnte. Ein extremer Fall war die nach 18 Monaten erfolg- reiche Spendersuche für einen Pa- tienten mit einer HLA-Phänotypfre- quenz von 1:65 000 000.

Vergleich der Erfolgsquoten von CFDS, EFDS und UMDS:

Faßt man die Ergebnisse der drei Suchtypen für die 1012 Studien- patienten zusammen, so ergibt sich bei 562 Patienten mit zumindest ei-

nem gewebeverträglichen Knochen- markspender eine Gesamterfolgs- quote von 55,5 Prozent. Wie aus Ab- bildung 2 ersichtlich, hat nach der CFDS der UMDS-Erfolg quantitativ schon den zweiten Platz erreicht. Er- klärend muß festgehalten werden, daß nur für eine Teilmenge der Stu- dienpatienten wegen der Klinik und der Verfügbarkeit von Familienmit- gliedern die Durchführung und der Abschluß einer EFDS beziehungs- weise UMDS möglich war.

Kostenanalyse:

Basierend auf den Kostensätzen der GOÄ und den über die Stefan- Morsch-Stiftung abgewickelten Rech- nungen wurden für die drei Suchtypen unabhängig vom Suchausgang die im Mittel pro Patient anfallenden Kosten berechnet. Zusätzlich wurde ein Ko- steneffektivitäts-Index für jeden Suchtyp ermittelt, das heißt die pro Suchtyp insgesamt aufgebrachte Geldmenge wurde durch die Anzahl der gewebeverträglichen Spender di- vidiert. Die Ergebnisse sind graphisch in Abbildung 3 dargestellt.

Danach erweist sich die CFDS mit mittleren Kosten von 1315 DM pro Patient mit Abstand am billig- sten, gefolgt von der EFDS mit 2275 DM, während die UMDS mit 11 150 DM am kostspieligsten ist. Für den Effektivitäts-Index nähert sich der Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994 (41) A-425

(6)

MEDIZIN

Kostenbetrag für eine erfolgreiche EFDS mit 19 170 DM dem der er- folgreichen UMDS mit 24 350 DM, da im Rahmen der EFDS 2154 Ver- wandte HLA-Klasse-I und -Klasse-II getestet werden mußten, um letztlich 65 geeignete Spender ausfindig zu machen.

Diskussion

Der erfolgreiche Ausgang einer allogenen Knochenmarktransplanta- tion hängt von zahlreichen Variablen ab. Neben der Grunderkrankung des Patienten und der Phase, in der sich seine Erkrankung befindet, sowie dem Alter des Patienten und der Er- fahrung des Transplantationsteams in der Behandlung von allfälligen Komplikationen (Infekte, akute und chronische GvH-Reaktion und ande- re), ist das Auffinden eines ausrei- chend gewebeverträglichen Mark- spenders entscheidend.

Die Gewebeverträglichkeit und damit die Chance für das Gelingen der Transplantation hängt vom Grad der Übereinstimmung in den trans- plantationsrelevanten HLA-Antige- nen zwischen Patient und Spender ab (3). Die bisherige klinische Erfah- rung zeigt, daß Transplantationen mit einem HLA-kompatiblen ver- wandten Spender deutlich höhere Erfolgsraten als die mit einem nicht- verwandten Spender haben (2, 4).

Dies deutet darauf hin, daß neben den HLA-Antigenen noch weitere vererbbare Merkmale Einfluß auf den Transplantationsausgang haben.

Für die Spendersuche ergibt sich somit die Strategie, zunächst unter den Geschwistern des Patienten, so- dann in der erweiterten Familie und erst dann in der unverwandten Be- völkerung zu suchen. Diese Reihen- folge wird auch durch den Zeitdruck nahegelegt, unter dem die Spender- suche im allgemeinen steht. Wäh- rend der Abschluß der CFDS im Re- gelfall nur einige Wochen in An- spruch nimmt, dauern wegen logisti- scher Probleme EFDS und UMDS auch in günstigen Fällen zumeist Mo- nate. Da die Erfolgsquote der EFDS jedoch rasch absinkt, je weiter man sich von der Kernfamilie des Patien- ten entfernt, ist es in besonders

AKTUELL

dringlichen Fällen durchaus sinnvoll, eine UMDS parallel zur EFDS durchzuführen. Die dargelegte Ko- stenanalysen für CFDS, EFDS und UMDS sprechen ebenfalls zugunsten dieser Reihenfolge.

Für die CFDS werden in der Li- teratur Erfolgsquoten von 30 bis 35 Prozent und für die EFDS von etwa fünf Prozent angegeben (2, 4). In der vorliegenden Studie lag die Erfolgs- quote der CFDS mit 38,9 Prozent deutlich höher; gleiches gilt für die EFDS mit 6,4 Prozent. Die Akzep- tanz von partiell HLA-kompatiblen Familienspendern für Patienten mit maligner Grundkrankheit ist als wahrscheinlichste Erklärung für die hohen Erfolgsquoten der vorliegen- den Studie anzusehen. Amerikani- sche Studien (1, 5) über den Trans- plantationserfolg bei Patienten mit partiell HLA-identischen Familien- spendern sowie die Erfahrungen der Klinik für Knochenmarktransplanta- tion, Universitätsklinikum Essen, stützen die hier dargelegten Kriteri- en der Spenderauswahl.

Hinsichtlich der aufgewendeten Laborkosten pro gewebeverträgli- chen Spender erweist sich die CFDS als der mit Abstand günstigste Such- typ. Dagegen sind die EFDS und die UMDS erheblich teurer. Es kann je- doch wegen der anhaltend niedrigen Geburtenrate prognostiziert werden, daß in den kommenden Jahren der Anteil an Familienspendern in Deutschland zurückgehen wird.

Bei Fehlen eines Familienspen- ders sollte die UMDS verstärkt ge- nutzt werden, um möglichst vielen Patienten mit Indikation zur alloge- nen Knochenmarktransplantation diese Heilmaßnahme zu ermögli- chen. Nach unseren Erfahrungen verläuft die UMDS zunehmend er- folgreicher. Mit einer Erfolgsquote von etwa 60 Prozent kann in den kommenden Jahren durchaus ge- rechnet werden, da auf nationaler Ebene der Aufbau eines Verbundre- gisters die Zahl von derzeit 250 000 Spendern erreicht, sich die Koopera- tion mit anderen Registern in Euro- pa erfolgreich etabliert hat und in zu- nehmendem Maße auch Spender des National Marrow Donor Program (NMDP) in den USA (derzeitige Spenderzahl über 1 000 000) für Pa-

tienten in Deutschland verfügbar werden. Weiterhin erscheint es nicht gerechtfertigt, aus Kostengründen ei- nem Patienten die UMDS mit Hin- weis auf seinen sehr seltenen HLA- Phänotyp zu verweigern oder diese nach einigen erfolglosen Suchläufen abzubrechen Immerhin konnte für knapp 20 Prozent solcher Patienten ein ausreichend gewebeverträglicher Markspender gefunden werden.

Die mittlere Suchdauer der UMDS hat sich zwar in den letzten Jahren deutlich verkürzt, ist mit der- zeit nahezu fünf Monaten aber im- mer noch unbefriedigend lang. Nach unseren Erfahrungen verursacht die Realisierung der HLA-Klasse-II-Te- stung von HLA-Klasse-I-kompatib- len Spendern die größte Zeitverzöge- rung. Im Umkehrschluß ließe sich die Suchdauer durch einen höheren An- teil der Spender mit bekanntem HLA-Klasse-II-Muster erheblich verkürzen.

Deutsches Arzteblatt

91 (1994) A-420-426 [Heft 7]

Literatur

1. Anasetti, C.; A. Deborah, P. G. Beatty, et al.: Effect of HLA compatibility an engraf- ment of bone marrow transplants in pa- tients with leukemia or lymphoma. N. Engl.

J. Med. (1989) 320: 197-204

2. Beatty, P. G.; R. A. Clift, E. M. Mickelson, et al.: Marrow transplantation form related donors other than HLA-identical siblings.

N. Engl. J. Med. (1985) 313: 765-771 3. Hansen, J. A.; C. Anasetti, E. W. Peters-

dorf, et al.: The status of clinical marrow transplantation and current issues in donor matching. In: HLA 1991 (Eds. K. Tsujii, M.

Aizawa, T. Sasazuki), Oxford University Press (1992) Volume II, S. 13-19

4. McGlave, P.; G. Bartsch, C. Anasetti, et al.:

Unrelated donor marrow transplantation therapy for chronic myelogenous leukemia:

Initial experience of the National Marrow Donor Program. Blood (1983) 81: 543-550 5. Powels, R. L.; H. E. M. Kay, H. M. Clink, et

al.: Mismatched family donors for bone marrow transplantation as treatment for acute leukaemia. Lancet (1983) i: 612-615

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. H. Grosse-Wilde Direktor des Instituts für Immunologie

Universitätsklinikum Essen Virchowstraße 171

45122 Essen

A-426 (42) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 7, 18. Februar 1994

Referenzen

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