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Archiv "Wie kommen wir weiter im Krankenhaussektor?: Ärzte„schwemme“ — oder Chance optimierter Krankenversorgung" (18.11.1983)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 46 vom 18. November 1983

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Wie kommen wir weiter im Krankenhaussektor?

Ärzte„schwemme" — oder Chance optimierter Krankenversorgung

Gregor Eßer

Eine Revision des noch vor geraumer Zeit als „Jahrhun- dertgesetz" hochgelobten

Krankenhausfinanzierungs gesetzes und des Pflege- satzrechtes steht auf der ge- sundheitspolitischen Tages- ordnung. „Humanität im Hospital" wird lautstark be- schworen. Die anrollende

„Ärzteschwemme" schafft viele zusätzliche Probleme.

Andererseits regiert gerade im Hospital seit langem die

„Rotstift-Aktion". Bettenre- duktion, Verweildauerkür- zung, Personaleinsparun- gen sind an der Tagesord- nung. Der am 1. Januar 1983 in Kraft getretene neue Ta- rifvertrag für Krankenhaus- ärzte hat zwar — auf dem Pa- pier — leichte Verbesserun- gen bei der Bereitschafts- dienstregelung gebracht, doch die nüchterne Alltags- praxis in den Kliniken sieht anders aus. Der Diskus- sionsbeitrag wirft ein Schlaglicht auf die aktuelle problemgeladene Situation.

Seit etwa einem Jahr geht in der Abteilung täglich wenigstens eine Bewerbung um eine ärztliche As- sistentenstelle ein. Der Run auf freie Stellen im Krankenhaus hat begonnen. Der Überhang für die Praxisbewerbung wird in zwei bis drei Jahren entsprechend sein.

Ansturm vieler Ärzte ist die eine Seite, Überlastung der Tätigen in Krankenhaus und Praxis ist zur Zeit aber noch die andere. Ein Ausgleich wird jetzt möglich. Was noch fehlt, ist Bereitschaft zur Ar- beitsteilung, Bereitstellung neuer Planstellen durch die Kranken- hausträger, Kostenanerkennung durch die Krankenkassen und Lei- stungsorientierung in der Kran- kenhausführung seitens der Län- der.

Wie sieht es zur Zeit aus? Nach Schließung kleiner Krankenhaus- abteilungen im näheren und wei- teren Umkreis sind in sämtlichen Krankenhäusern unserer Stadt Betten nur auf „Vorbestellung", bei uns oft zwei bis drei Monate, oder in Notfällen — hier meist auf dem Durchgangsweg der Abstel- lung im Arztzimmer, dem Korridor oder Bad — zu vergeben. Nur um

Feiertage herum und zu Ferien- zeiten sind Betten frei verfügbar.

Auf unseren Stationen stauen sich infolge der täglich kommenden aber nicht kalkulierbaren Akutfäl- le die Operationsbedürftigen. Da fast jeder fünfte Operationsfall ei- ne Krebskrankheit ist, besteht ein großer Anfall langer und schwerer

Operationen. Gelenkeingriffe in der Unfallchirurgie, thoraxchirur- gische Maßnahmen und Gefäß- prothesen fordern ebenfalls ihre Zeit. So werden bei uns in drei Operationssälen zwölf bis acht- zehn Operationen viermal wö- chentlich ausgeführt, unbeachtet der Notfalleingriffe bei Nacht und an den „operationsfreien" Tagen.

Mit chirurgisch endoskopischen Maßnahmen gelingt es, einen be- achtlichen Anteil von Notoperatio- nen zu vermeiden (Ulkusblutung, Varizenblutung, Blutung aus Darmpolypen und Darmkrebs, Bronchialblutung). Für alle Ein- griffe aber werden Ärzte und Schwestern benötigt.

Engpässe

auch im Pflegebereich

Im Pflegebereich besteht noch immer ein Engpaß. Es fehlt die Bereitschaft guter Pflegekräfte, verantwortliche Funktionen zu übernehmen. Dies ist zum Teil auch begründet in der ungenü- genden finanziellen Differenzie- rung und im Zwang, andere füh- ren zu müssen und selbst Vorbild sein zu sollen. Dies geht kaum oh- ne erhöhten Zeitaufwand, der ins- besondere durch die Steuerge- setzgebung keinen Ausgleich im Einkommensbereich findet. Die große Verantwortung und viele Überstunden am Monatsende mit 100 DM „Zubrot" in der Lohntüte

„honoriert" zu erhalten, kann nur deprimieren.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 46 vom 18. November 1983 67

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Ärzte"schwemme''

Probleme der Assistenz- und Oberärzte

Im ärztlichen Bereich war bis vor kurzem eine Auswahl der Assi- stenten in der Chirurgie kaum möglich. Ohne ausländische Kol- legen, oft mit besonderen Fähig- keiten ausgestattet, waren die Stellen gar nicht zu besetzen.

Künftig wird die Auswahl möglich und auch wichtig, da Beharren in der Stellung überwiegen wird und die Begabten gefördert werden sollten. Weiterbildungsplätze für die kurzzeitige Assistenz in der Weiterbildung zum Allgemeinarzt werden schwinden. Dies bedingt eine besondere Problematik.

Schlecht gestellt waren und sind bis heute die Oberärzte in den Krankenhausabteilungen. Sie be- kommen zumeist ein Tarifgehalt als Facharzt. Funktionszulagen gibt es in den meisten Kranken- häusern nicht. Der Oberarzt hat neben dem Abteilungsleiter hohe Verantwortung für alle Bereiche der klinischen Medizin zu tragen.

Er ist in seinem Dienst stets stell- vertretender Klinikleiter. Vergütet wird er seitens der Krankenhaus- träger wie der Assistenzarzt mit Facharztanerkennung. Dies ist ein Anachronismus!

Assistenzärzte haben einen um ei- nen geringen Betrag geringeres Grundgehalt, werden für Nacht- und Wochenenddienste sowie für Notarztwageneinsatz angemes- sen vergütet, ihr Salär liegt damit oft weit über dem Einkommen der Oberärzte. Diese werden für min- destens gleich großen, meist er- heblich größeren Einsatz und ihre große Verantwortung mit gerin- gen Pauschalbeträgen abgefun- den, ich möchte sogar sagen, dis- kriminiert. Wie nimmt es da wun- der, wenn trotz reichen Assisten- tenangebots bislang kaum ein deutscher Oberarzt zu finden ist?

Der Arbeitsanfall in einer voll aus- gelasteten chirurgischen Klinik ist so groß, daß Überstunden unum- gänglich sind. ln den Universitäts- kliniken besteht die Anweisung, Überstunden durch Freizeit abzu-

gelten. Gleiches Bestreben wird seitens der Krankenkassen geäu- ßert.

Wie ich in Schweden erfuhr, erge- ben sich dort aus Urlaubsan- spruch und Überstundenvergü- tung für die Ärzte zusammenhän- gende Arbeitsfreistellungen bis zu fünf Monaten.

Fachpersonal für den Ersatz sol- cher Kollegen, die ihre tarifliche Freizeit nehmen, ist nicht vorhan- den und nicht vorgesehen. Im all- gemeinen Krankenhaus wäre die ärztliche Patientenversorgung be- droht. Sie wirkt sich pflegerisch bereits zeitweilig katastrophal aus, da Schwangerschaften und relativ hoher Personalausfall durch Krankheit sowie Verlänge- rung der Urlaubszeiten bei einer 40-Stunden-Woche bei Pflege- kräften Lücken reißen, die nur notdürftig mit praxisfremden

"Praktikanten" gestopft werden können.

Von den Ärzten wird erwartet, daß sie sich um einen Schwerkranken intensiv bemühen und der Bedro- hung des Patienten entsprechend auch außerhalb ihres Dienstes tä- tig bleiben. Krankheit richtet sich ja weder nach Uhrzeit noch nach Tag und Nacht oder dem Wochen- tag. Dem Arzt soll künftig keine Überstunde mehr bezahlt werden.

Es entwickelt sich somit der Kon- flikt zwischen ethischer Verpflich- tung und Ärgernis über die vor- enthaltene Vergütung. Freizeit- ausgleich ist ja generell nicht möglich. Das Ärgernis wird letzt- lich dominant, da selbst bei ärztli- chem Schichtdienst die persön- liche Bindung in Kontinuität an ei- nen schwierigen Krankheitsfall oft Garant einer Heilung bleiben wird. Somit wiederholt sich das Erfordernis zu Krankheitsfall ge- bundener Überstundenleistung ohne Bezahlung trotz Anspruchs.

Der Stein des Anstoßes wird schließlich so groß, daß zu erwar- ten ist, daß demnächst Sonderlei- stungen rigoros abgelehnt wer- den.

Ich habe es noch nie verstehen können, daß einem Arzt Überstun- den bezahlt werden müssen. Es gehört zu seiner Aufgabenstel- lung, einen Patienten und alle ihm anvertrauten Kranken konsequent ihrem Bedarf und ihrer Krankheit entsprechend zu therapieren und zu kontrollieren.

Hier sollte eine Wende eintreten.

Wegen Kosten im Gesundheits- und Krankenhauswesen sind Überstunden in Zukunft wohl nicht mehr zahlbar. Es könnte wirtschaftlicher sein, statt Über- stundenbezahlung Ersatzperso- nal, somit mehr Personal einzu- stellen. Von einer anrollenden

"Arztschwemme" ist ja landauf, landab die Rede!

Im ärztlichen Bereich sind den- noch mit gewisser Regelmäßig- keit Überstunden erforderlich, da bestimmte Fälle auch nur von ei- nem begrenzten Personenkreis betreut werden können.

Nur eine begrenzte Zahl "kriti- scher Fälle" kann dem mit Notfall- aufgaben betrauten diensthaben- den Arzt übertragen werden.

Nicht jeder Fall kann bei Schicht- wechsel einfach verlassen und übergeben werden. Gleicher Rang bedeutet in der Medizin kei- nesfalls gleiche Qualifikation.

Dies wechselt oft von Fall zu Fall je nach Spezialisierung und Erfah- rung.

Beim Arzt sollte die ethische Hal- tung in der Fürsorge für die ihm anvertrauten Kranken gefördert und ins Bewußtsein gebracht wer- den. Dennoch bleibt heute der be- rechtigte Anspruch auf Vergütung unumgänglicher Mehrbelastun- gen.

~ Ich sehe einen Weg darin, daß die Bereitschaftsdienstvergütung erhalten bliebe, die Überstunden- bezahlung aber ersetzt würde durch einen zehnprozentigen Zu- schlag zum Grundgehalt. Dies ver- setzte überdies den leitenden Arzt und die Oberärzte in die Lage, persönlichen Einsatz des Assi- 68 Heft 46 vom 18. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Ärzte„schwemme"

stenzarztes für die diesem anver- trauten Patienten abverlangen zu können. Für spätere Tätigkeit in leitender Position oder für Praxis- tätigkeit der Ärzte nach Niederlas- sung ist dies sicher außerordent- lich wichtig.

Leistungsorientierung für Stellenplan

und Finanzierung

Der Arbeitsanfall im Krankenhaus ist derzeit zu groß, die notwendi- ge und abverlangte Zahl von Überstunden zu hoch. Es muß hier Entlastung der Ärzte geschaf- fen werden. Sie ist auch möglich geworden, da erstmalig reichlich ärztliche Bewerber für neue Stel- len zur Verfügung stehen. Dem steht aber unser derzeitiges Kran- kenhaussystem blockierend ent- gegen. Die Personalbesetzung richtet sich nach der Bettenzahl und nach dem Götze-Durch- schnitt. Dies ist völlig wirklich- keitsfremd und durch die medizi- nischen Fortschritte seit langem restlos überholt. Der Personal- schlüssel ist noch auf 1969 (!) aus- gerichtet (allenfalls auf die 40-Stunden-Woche 1974 fortge- schrieben worden); er negiert so- mit 14 Jahre Medizinentwicklung und Fortschritt! Die Krankenkas- sen zahlen unter Auswertung der Mitternachtsbestände und Liege- zeiten. Auch dies ist völlig unlo- gisch, da in einem Krankenhaus leichte Krankheitsfälle lange ge- halten werden können, im ande- ren schwere Fälle aus Bettennot früh entlassen werden und beide letztlich gleiche Zahlen aufwei- sen. Kein Industrieunternehmen könnte sich ein derartig manipu- lierbares Grundkonzept in der Bi- lanz leisten.

Die „Anhaltszahlen für die Kran- kenhausverweildauer" der Kran- kenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft sind un- logisch, fachlich nicht vertretbar und behindern durch weitere Bü- rokratisierung den Krankenhaus- betrieb. Wenn Ärzte drei Monate nach Entlassung die Begründung

für bislang dem Krankenhausträ- ger seitens der Kassen vorenthal- tene Zahlungen liefern sollen, so braucht dies Aktenstudium, Zeit und letztlich Phantasie, da Erinne- rung nicht mehr vorhanden.

Notwendig ist die Ausrichtung auf die Leistung, wie das in jedem an- deren Wirtschaftsunternehmen üblich ist. Es müssen Leistungs- kataloge mit Bedarfswerten der Liegedauer, der Personalerforder- nis und des Kostenumfanges er- stellt werden.

Ich bin sicher, daß in den meisten Krankenhäusern noch eine we- sentliche Reduktion der Betten- zahl möglich wäre, wenn nicht be- fürchtet werden müßte, daß I> dem Krankenhaus mit Kürzung der Liegedauer Existenzschwie- rigkeiten drohen,

I> eine Personalkürzung vorge- nommen wird, obwohl kürzere Liegezeiten erhöhten Personal- aufwand bedingen, da ja fast nur noch Akutfälle behandelt werden, I> die Kostenerstattung verwei- gert wird, da die Kosten mit kürze- rer Liegedauer je Behandlungstag wesentlich steigen (global werden sie durch Betten- und Zeiteinspa- rung deutlich geringer).

Bei der Ermittlung von krankheits- fall-bezogenen Leistungskatalo- gen im Krankenhaussektor ist es notwendig, mit der Bearbeitung die Fachgesellschaften der ein- zelnen medizinischen Fachrich- tungen zu beauftragen und später in Kommissionen, gebildet aus Vertretern der medizinischen Fachbereiche, der Krankenkas- sen, der Krankenhausverbände, der Landesbehörden und der Kommunen den endgültigen Ka- talog zu erstellen und ihn in regel- mäßigen Zeitabständen zu korri- gieren. Wichtig ist, einzukalkulie- ren, daß oft Begleiterkrankungen und besondere Umstände Plan- werte relativieren. Kommen in ein Operationsprogramm drei Notfäl- le, müssen drei Regeloperationen

vom Operationsplan abgesetzt und aufgeschoben werden. So er- geben sich bei Absetzen des Pa- tienten am Freitag mindestens drei Wartetage, mehr noch, ist am Montag der erforderliche Opera- teur wegen anderer Aufgaben nicht verfügbar.

Auch in der Finanzierung des Krankenhausbetriebes sind wir an einer „Schallgrenze" angelangt.

72 bis mehr als 75 Prozent der lau- fenden Betriebskosten sind Per- sonalkosten. Ein Teil hiervon ist zurückzuführen auf die Bürokrati- sierung der Krankenhausbe- triebe. Dies rückgängig zu ma- chen, gelingt wohl nicht mehr. Er- forderlich ist aber, weiteres Aus- wuchern des Schriftwechsels zu vermeiden. Schon heute hinter- läßt jeder Patient ein Aktenbuch und erfordert drei Archivplätze (Verwaltung, Röntgenbilder, Kran- kenakte).

Kostenbeteiligung für Kranke?

Die Gesamtsozialabgaben in der Bundesrepublik Deutschland sind hoch, eine kontinuierliche Anhe- bung der Abgaben der Bürger für die Krankenversicherung ist nicht denkbar.

In unserem System zahlen stets die Gesunden für die Kranken.

Wäre es nicht logisch, die Kran- ken mit in die Pflicht zu nehmen?

Die Aussage: „Ich habe so lange Krankenkassenbeiträge gezahlt, jetzt soll die Krankenkasse auch einmal für mich bezahlen" ist falsch. Die allgemeinen Kranken- kassen sparen die Gelder nicht an. Sie decken ja nicht mehr den Zukunftsbedarf, sondern nur den Tagesbedarf.

Von einer zu ermittelnden Ein- kommensgrenze an sollte der Kranke der Krankenkasse — nicht dem Krankenhaus — erstattungs- pflichtig sein für einen bestimm- ten Tagesbetrag bei stationärem Krankenhausaufenthalt. Dies för- dert erfahrungsgemäß den Entlas- 70 Heft 46 vom 18. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ärzte„schwemme"

sungswillen der Patienten und führt zur Kürzung der Liegedauer, damit zu einer Entlastung der Krankenkassen und aller Versi- cherten.

Der Eigenanteil sollte für die er- sten Tage gering gehalten wer- den, etwa bei 10 DM, vom 13. Be- handlungstage an aber auf einen höheren Betrag, etwa 20 DM ge- steigert werden. Hier ist zu unter- stellen, daß mit der Übernahme der Versorgung der Kranken durch das Krankenhaus auch eine Einsparung im häuslichen Be- reich gegeben ist.

Mit Altenheimen sollte hier ein Ausgleich gefunden werden. Ge- wiß trifft eine Einsparung nicht zu, wenn in einer kinderreichen Fami- lie die Mutter der Krankenhausbe- handlung bedarf. Härtefälle soll- ten entlastet werden.

Die Eintreibung der Selbstbeteili- gung darf keinesfalls dem Kran- kenhausträger angelastet werden.

Er ist für die medizinische und pflegerische Betreuung von Kran- ken zuständig und kann hier keine Druckmittel anwenden oder gar um geringe Beträge prozessieren.

Die Eigenbeiträge sollten im Lohnabzug mit den übrigen Kran- kenkassenanteilen der Sozialab- gaben abgeführt werden.

Für die privaten Krankenversiche- rungen täte sich hier gewiß eine neue Abdeckungsmöglichkeit dieser Kosten auf, gegebenenfalls auch für die gesetzlichen Kran- kenkassen ähnlich wie für die Lohnfortzahlung im Krankheits- falle.

Gedanken über die

ambulante Krankenversorgung Die Zahl der niedergelassenen Ärzte hat zugenommen. In der Sprechstunde aber finden sich täglich oft 60 bis 80 Patienten.

Dies ist für die Sorgfalt in der Dia- gnostik und Therapie nicht förder- lich. Es wäre erstrebenswert, daß

dem Patienten in seinem Krank- heitskomplex ausreichend Zeit gewidmet werden könnte. Psychi- sche Auswirkungen, familiäre Be- lastung, Aufklärung über erforder- liche Maßnahmen müßten mehr Berücksichtigung finden.

Die wirtschaftliche Existenzmög- lichkeit der Ärzte ist bei einer Neuorientierung unabdingbare Voraussetzung. Es läßt sich aus den Zahlungen der Krankenkas- sen und den Einkommensverhält- nissen der niedergelassenen Ärz- te keine wesentliche Aufteilungs- möglichkeit der Patienten auf mehr Ärzte ableiten.

Eine Praxiseinrichtung kostet heute zwischen 180 000 DM und 300 000 DM je nach Fachgebiet, wesentlich mehr für Radiologie, Nuklearmedizin und Dialyse. Hier- für müssen Gelder aufgenommen werden. Es wird Personal und Raum benötigt.

Die laufenden Kosten für eine Arztpraxis betrugen 1978 im Durchschnitt 112 000 DM für All- gemeinärzte, 167 000 DM für die übrigen Gebietsärzte. Die Kosten sind nur anteilmäßig zu reduzie- ren in Gemeinschaftspraxen für Allgemeinärzte. (vgl. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 50/1981). Es ist zweckmäßig, eine gemeinsame Apparatenutzung anzustreben.

Dies allein aber reicht nicht.

Zeitaufwandsgebühr für Patienten

Der Anspruch der Patienten und der Angehörigen an die Zeit der Ärzte wächst. Sie sind besser vor- orientiert und heute diskussions- freudiger. Hierfür sollten die Pa- tienten selber aufkommen.

Der heutige Aufklärungsumfang und die Orientierungsbedürftig- keit sind so groß, daß doppelter Zeitaufwand gegenüber 1970 si- cher gegeben ist. Dies muß zur Beschränkung der Patientenzahl führen, wenn die Versorgung ad- äquat sein soll. Da dies wirtschaft-

liche Konsequenz hat, muß hier der Ausgleich gefunden werden.

Eine Zeitaufwandsgebühr auch bei mehrmaliger Beratung wäre hier indiziert. Wieder ist hier die Erhöhung der Krankenkassenbei- träge ein problematischer Weg.

Realistischer und praktikabler wä- re die unmittelbare Belastung der Fordernden. Eine zusätzliche Ei- genaufwendung je Konsultation mit einer Grundgebühr von der- zeit etwa 8 DM, steigerungsfähig je nach Zeitaufwand, wäre ein gangbarer Weg, um die Bereit- schaft der Ärzte zur Beschrän- kung der Patientenzahl, zur Ver- mehrung der Arztzulassungen und zur geforderten Zeitnahme für die Patienten zu mehren.

Diese Vorschläge sind sicherlich keine Patentrezepte für die Ände- rung der Krankenversorgung. Ich bin auch überzeugt, daß andere mehr berufen sind, über die Pro- blematik nachzudenken und Vor- schläge zu unterbreiten. Sicher ist, daß vor allem die Ärzte selbst Initiative ergreifen und Lösungs- möglichkeiten darlegen müssen.

Zu jeder Zeit finden sich bei gro- ßen drängenden Problemen Kräf- te, denen eine Lösung möglich ist.

Es geht mir keinesfalls um den

„Stein des Weisen", allein um die Problemlösung.

Die Probleme sind lösbar. Wir alle, Ärzte, Ärzteverbände, Kranken- hausträger, Krankenhausverwal- ter, Krankenkassenleiter, Landes- und Kommunalbeamte sind auf- gerufen, Vorschläge zu unterbrei- ten. Kritik hilft nicht, wenn nicht positive Anregungen mitgereicht werden.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Gregor Eßer Chefarzt der Chirurgischen Klinik Krankenhaus Maria Hilf GmbH Sandradstraße 43

4050 Mönchengladbach 1 72 Heft 46 vom 18. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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