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Archiv "Die eigene Mutter vermarktet" (29.08.1988)

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ÄRZTEBLATT DEUTSCHES 1111 1 I I

Die eigene Mutter vermarktet

Im Münchner Verlag Herbig läßt Professor Dr. Julius Hackethal, nach eigener Aussage „Publicity- geil" und seit mehr als vierzig Jah- ren Enfant terrible der Ärzte, sein siebtes Buch erscheinen: „Humanes Sterben".

Überraschenderweise enthielt das Schreiben, mit dem zur Vorstel- lung der Neuerscheinung eingeladen wurde, kein einziges Wort zum hochbrisanten Stoff. Vielmehr hieß es dort: „Bereits die Vorankündi- gung sowie die Veröffentlichung er- ster Detail-Informationen hat in der Öffentlichkeit großes Aufsehen er- regt. "

Für diese ungewöhnliche Einen- gung der Inhaltsangabe auf das Spektakuläre ist der Verlag aller- dings kaum zu tadeln. Im Gegenteil.

Denn treffender und schonungsloser hätte er die Persönlichkeitsstruktur seines Autors gar nicht enthüllen können. „Aufsehen erregen": das ist spätestens seit 1964 die Devise des Unruhestifters Hackethal.

Obwohl in regelmäßigen Zeit- abständen mit seinem Troublema- kertum konfrontiert und an seinen abstoßenden Narzißmus gewöhnt, hätte man allerdings erwarten kön- nen, der Eu-Eu-Guru vom Chiem- see werde mit der (noch keines- wegs endgültig erledigten) „Affäre Hermy Eckert" die äußerste Grenze erreicht haben.

Weit gefehlt! Hackethal über- schritt jetzt auch diese Grenze. In bestürzender Hybris propagierte er erneut jenes selbstgebastelte Arzt- bild, das in krassem Gegensatz zu der zweieinhalb Jahrtausende alten Grundregel steht, wonach ein Arzt helfen und heilen soll, aber niemals töten darf. Als Beispiel für die Um- kehrung der bislang gültigen Wert- begriffe führte er die Beendigung des Lebens seiner eigenen Mutter ins Feld — einer 84jährigen, schwer- kranken Frau, die laut Totenschein einen „natürlichen Tod" erlitt, der aber ihr Sohn Julius intravenös Do- lantin verabreicht hatte.

So wie Hackethal eine zwar par- tiell wirksame, bei Überdosierung

und Verallgemeinerung aber patien- tengefährdende Krebs-Therapie und den von ihm geförderten freiwilligen Tod seiner Patientin Hermy Eckert vermarktet hatte, wie er auch bereit gewesen wäre, den Fall der sterbe- bereiten Daniela zu vermarkten, wenn die Karlsruher Ordnungsbe- hörde ihn nur hätte gewähren las- sen, so vermarktet er nun in „Hu- manes Sterben" den Tod seiner ei- genen Mutter. Mittel zum Zweck ist ihm dabei nicht nur das Buch selbst, sondern auch ein Vorabdruck dar- aus in der Illustrierten „Bunte" , der mit dem lächelnden Titelbild des Autors — ein Medikament-Fläsch- chen in der Hand — beginnt.

Rückversicherung

Doch nicht genug mit der text- lichen Zurschaustellung eines leid- vollen Ereignisses. Da mußten auch Bilder her! Flankiert durch Farbfo- tos vom Krankenbett und vom Be- such des Sohnes auf dem Duderstäd- ter Friedhof bringt die „Bunte"

Aufnahmen aus den Schul-, Ausbil- dungs- und Militärjahren des Au- tors, auf denen immer auch die Mut- ter erscheint. Kann es da noch über- raschen, wenn Hackethal versucht, sogar die seelische Bloßlegung als Waffe in seinem Krieg gegen Arzt- kollegen und Richter zu verwenden?

In unmittelbarem Anschluß an sein „Bekenntnis" fragt er den Staatsanwalt: „Habe ich meine Mut- ter getötet?" Und diese Frage kommt nicht von ungefähr. Es ist nicht das erstemal, daß Hackethal sich bei der Justiz direkt zu verge- wissern sucht, wie seine Aktionen dort beurteilt werden, was strafbar ist bzw. straflos bleibt, wie weit er also mit seinen Vorstellungen von

„Mitleidstötung" gehen kann.

Juristisch hochkarätig beraten, durfte Hackethal davon ausgehen, daß die „Mitleidstötung" seiner Mutter zum Zeitpunkt seines „Be- kenntnisses" strafrechtlich verjährt war. Er mußte aber auch gewärti- gen, daß der für Duderstadt zustän-

dige Göttinger Staatsanwalt sein

„Bekenntnis" unverzüglich mit Vorermittlungen wegen Totschlags beantworten würde. Letztlich muß er damit rechnen, daß ein strafrecht- liches Verfahren ein berufsrecht- liches allenfalls aufschieben, es aber nicht überflüssig machen kann. Und vom Berufsgericht wird nicht nur die Tat, sondern die Tat zusammen mit dem Menschen in seiner ganzen Per- sönlichkeit gemeinsam beurteilt.

Zum Stand der Verfahren

Für den Arzt und Autor Hacke- thal heißt das: Was auch immer staatsanwaltliche Ermittlungen er- bringen — das Berufsgericht wird au- ßer von kodifiziertem auch von nicht-kodifiziertem, gleichsam „vor- konstitutionellen" Recht ausgehen müssen. In diesem Geltungsbereich kann aber einem „selbstherrlichen, nur seinem eigenen Gewissen und seinen eigenen Überzeugungen sich verpflichtet fühlenden Arzt" kein rechtsfreier Raum zugebilligt wer- den.

In diesem Sinne und auf dieser Basis hatte das Berufsgericht für die Heilberufe beim Oberlandesgericht München am 4. Februar 1988 nach Artikel 75 des Kammergesetzes be- schlossen: „Das Verfahren wird aus- gesetzt. Die Akten sind der Regie- rung von Oberbayern zur Entschei- dung über den Entzug der Approba- tion vorzulegen."

Noch steht, aus welchen Grün- den auch immer, diese Entscheidung aus. Aber dem besorgten Votum des Präsidenten der Bayerischen Lan- desärztekammer, Professor Dr. Se- wering, das beschuldigende Material gegen Professor Dr. Julius Hacke- thal sei inzwischen „erdrückend"

geworden, wird sich die Zulassungs- behörde wohl kaum noch länger ent- ziehen können. Schließlich reicht die Einschätzung des „Rebellen" , der auf einem Bild im Vorabdruck von

„Humanes Sterben" demonstrativ ein Blatt mit dem Hippokratischen

Eid verbrennt, von der Frage „Hen-

ker oder Heiliger?" bis zu dem

ent- setzten Ausruf eines ehemaligen Mitarbeiters: „Dieser Mensch ist verrückt!" KG Dt. Ärztebl. 85, Heft 34/35, 29. August 1988 (21) A-2337

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