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Archiv "Die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung GbR (ÄZQ)" (20.08.1999)

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Normative Aussagen

Prinzipiell sind medizinische Leitlinien für das ärztliche Handeln aus sozialrechtlicher Sicht als werten- de, normative Aussagen zu interpre- tieren. Wie Prof. Dr. jur. Robert Francke, Universität Bremen, bei der 6. Leitlinienkonferenz der AWMF be- richtete, sind aus der Sicht der Juri- sten Leitlinien generelle und abstrak- te Regeln für ärztliche Tätigkeiten im Sinne von komplexen Aussagen für klar definierte Behandlungssituatio- nen. Leitlinien sind deshalb nicht nur ausschließlich ein System von natur- wissenschaftlichen Eigengesetzlich- keiten und Handlungsempfehlungen, sondern sie haben auch stets normati- ven und wertenden Charakter. Leitli- nien treffen deshalb Handlungsemp- fehlungen und Ableitungen aus empi- rischen, wissenschaftlich gesicherten Grundlagen. Sie basieren in der Regel auf Wirksamkeitsbeurteilungen sowie auf Risikoabwägungen und Nutzen- kalkülen. Allerdings müssen wirt- schaftliche Überlegungen stets hinter der medizinischen Zielsetzung zu- rückstehen. Leitlinien bedeuten die Festlegung von Orientierungsmarken und Handlungskorridoren, die ein

„gutes ärztliches Handeln“ nach dem jeweils anerkannten aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft er- möglichen sollen. Prinzipiell sollen und dürfen nach dem Verständnis der Fachgesellschaften bei der Entwick- lung von Leitlinien wirtschaftliche Überlegungen nicht inhaltliche As- pekte dominieren. Leitlinien sollen die Entscheidung des Arztes unter-

stützen, mithin Handlungsalternati- ven und einen begrenzten Handlungs- spielraum aufzeigen und vorgeben, aber keine Festlegung nach Standards programmieren.

Nach Darlegung von Prof. Dr. jur.

Dieter Hart, Universität Bremen, die- nen Leitlinien auch und in erster Linie der Qualitätssicherung des ärztlichen Handelns und mithin auch dem Pati- entenschutz. „Sie sind institutionelle Festsetzungen von methodischen und sachlichen Standards ärztlichen Han- delns, die in einem geordneten Ver- fahren zustande gekommen sind.“

Im Kanon von Richtlinien, Emp- fehlungen und Leitlinien gibt es fol- gende Abstufung und Verbindlich- keitsgrade: Richtlinien müssen, Leitli- nien sollen, Empfehlungen können befolgt werden. Leitlinien sind in der Regel für den Arzt nicht verbindlich, sie müssen aber im Regelfall befolgt werden. In begründeten Ausnahme- fällen kann und muß jedoch von Leit- linien und Standards abgewichen wer- den. Dies erfordert die Beurteilung des jeweiligen individuellen Krank- heitsgeschehens.

Standards und Leitlinien sind bei der Beurteilung und rechtlichen Überprüfung von Behandlungsfeh- lern (sogenannte Kunstfehler) rele- vant. Kann sich der Arzt auf die Ein- haltung von Leitlinien berufen, so ist er im Streitfall meist auf der sicheren Seite. Er kann dann in der Regel nachweisen, daß er die erforderliche Sorgfalt beachtet und medizinische Standarderkenntnisse angewandt hat (good practice) – jeweils unter Würdi- gung der individuellen Situation des

Patienten und dessen Erkrankungszu- standes.

Arzthaftungsrechtlich haben me- dizinische Leitlinien eine sogenannte Rationalisierungsfunktion für gericht- liche Sachverständige. Auf der Basis von Leitlinien könne der Sachverstän- dige ein ärztlich-institutionelles Urteil und nicht nur ein individuelles Urteil abgeben. Dies könne für die Sicherung der Qualität juristischer Urteile vor- teilhaft sein, so Professor Hart.

Ständige Aktualisierung

Leitlinien müssen ständig aktua- lisiert werden. Sie müssen deshalb mit einem relativ kurzen zeitlichen Ver- fallsdatum versehen sein. Leitlinien bedürfen der ständigen Evaluation anhand von Standards, abgeleitet aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen.

Die Abweichung vom anerkann- ten Standard ist grundsätzlich ein Be- handlungsfehler, die Abweichung von einer Leitlinie allerdings nur dann, wenn sie dem Standard entspricht.

Haftungsrechlich behindert eine Leit- linie deshalb den wissenschaftlichen Fortschritt prinzipiell nicht, faktisch kann sie jedoch eine gewisse Behar- rungswirkung ausüben. Andererseits kann sie den Patienten, der sich auf die Einhaltung von Leitlinien beruft, zur vollständigen Ausschöpfung sei- nes Leistungsanspruches animieren.

Oftmals widersprüchliche und parallele Leitlinien verfehlen die Ra- tionalisierungsfunktion und führen zu Beurteilungsuneinheitlichkeiten so- wie -unsicherheiten. Konkurrierende und deshalb die Intransparenz för- dernde Leitlinien sind ein Indiz für ei- nen fehlenden Standard. Prinzipiell gilt dann die Empfehlung, daß die wirksamere und risikoärmere Be- handlung jeweils vorzuziehen ist. Ist ein solches Urteil nicht eindeutig zu begründen, so wird dem Patienten haf- tungsrechtlich Aufklärung geschuldet.

Standards und Leitlinien sind nicht ausschließlich ein rechtliches, sondern vielmehr auch ein essentielles medizi- nisches Problem. In der Regel schul- det der Arzt dem Patienten im Be- handlungsvertrag die jeweils notwen- dige Sorgfaltspflicht und ein kunstge- rechtes Handeln. Dr. Harald Clade A-2074 (26) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 33, 20. August 1999

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Die Ärztliche Zentralstelle Qualitätssicherung GbR (ÄZQ), 50931 Köln, Aachener Straße 233-237, wurde 1995 von Bundesärztekammer (BÄK) und Kas- senärztlicher Bundesvereinigung (KBV), beide Köln, als gemeinsame Einrichtung zur Beratung und Unterstützung auf dem Gebiet der Qualitätssicherung (QS) der ärztlichen Berufsausübung gegründet. Sie bereitet QS-Empfehlungen/Regelungen von BÄK/KBV fachlich vor und unterstützt Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen bei QS-Maßnahmen. Insbesondere ist die ÄZQ bei der Beurteilung und Vorbereitung von ärztlichen Leitlinien und Richtlinien tätig. Sie wurde 1998 mit der Durchführung des Leitlinien-Clearingverfahrens von BÄK und KBV in Kooperation mit den GKV-Spitzenverbänden der Deutschen Krankenhausgesell- schaft e.V. beauftragt (vgl. auch „Bekanntgaben“ in diesem Heft). Die ÄZQ unter- hält den Leitlinien-Informationsdienst der Selbstverwaltungskörperschaften (http://www.leitlinien.de) und kooperiert mit wissenschaftlichen Institutionen im In- und Ausland (AWMF, Deutsches Cochrane-Zentrum, US-Agency for Health Care Policy and Research, Schottisches Leitlinien-Netzwerk SIGN, ANAES in Pa- ris u. a.). Vorsitzende der ÄZQ sind der Präsident der BÄK und der Erste Vorsit- zende der KBV. Die ÄZQ hat eine Geschäftsstelle in Köln (E-Mail: azq@dgn.de). N

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