Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 108|
Heft 3|
21. Januar 2011 A 69 STREIT UM HAUSARZTVERTRÄGE IN BAYERNSöder versucht sich als Schlichter
Der bayerische Gesundheitsminister will, dass so schnell wie möglich
wieder über Hausarztverträge verhandelt wird. Deshalb hat er am 14. Januar die völlig zerstrittenen Vertragspartner an einen Tisch geholt.
M
edizinische Paartherapie“, ti- telte die „Süddeutsche Zei- tung“, „Söder 21“ spottete in An- spielung auf die Proteste gegen den Neubau des Stuttgarter Hauptbahn- hofs die Opposition im bayerischen Landtag. Denn der bayerische Ge- sundheitsminister, Markus Söder, ver- sucht sich als Schlichter im Streit um die hausarztzentrierte Versor- gung (HzV) im Land. Für den 14.Januar hatte er Vertreter des Bayeri- schen Hausärzteverbands, der Kas- senärztlichen Vereinigung (KV), der Landesärztekammer und der Kran- kenkassen in den Landtag bestellt.
Das Ziel: Trotz des völlig vergifte- ten Klimas zwischen Hausärztever- band und Kassen Verhandlungen über neue HzV-Verträge in Gang zu bringen. Diese sind nötig gewor- den, weil die Kassen Ende Dezem- ber die geltenden Verträge fristlos gekündigt hatten. Sie reagierten damit auf die Bestrebungen des Hausärzteverbands, seine Mitglieder zum kollektiven Ausstieg aus dem KV-System zu bewegen. Der Aus- stieg war allerdings am 22. Dezem- ber in Nürnberg gescheitert. Seither herrscht in Bayern Stillstand, was sicherlich auch auf den zum Teil rüden Umgang der Konfliktparteien miteinander zurückzuführen ist.
Bekenntnis zum System Er setze sich für eine neue Ge- sprächskultur und einen fairen Dia- log ein, bekräftigte Gesundheitsmi- nister Söder zu Beginn seiner Me- diation und ließ keinen Zweifel dar - an, dass er an den Hausarztverträ- gen mit dem Hausärzteverband als privilegiertem Vertragspartner fest- halten will. Dennoch kritisierte er in scharfer Form die inzwischen ge- scheiterten Ausstiegspläne des Ver- bands aus dem KV-System. Das sei ein „schwerer Fehler“ gewesen. Sö-
der stellte zudem klar, dass es „au- ßerhalb des Rechts“ keine Verhand- lungen geben könne und verlangte vom Hausärzteverband ein klares Bekenntnis zum KV-System und eine Absage an jegliche „Arbeits- kampfmaßnahmen“ wie Praxis- schließungen, um Druck auf die Vertragsverhandlungen auszuüben.
Dasselbe forderten die Kranken- kassen. Der Leiter der Landesvertre- tung der Ersatzkassen, Ralf Langejür- gen, sagte an den kommissarischen Vorsitzenden des Hausärzteverban- des, Dr. med. Wolfgang Krombholz, gewandt: „Mir wäre wichtig, noch einmal eine klare Distanzierung vom Systemausstieg aus ihrem Munde zu hören. Das brauchen wir für eine neue Gesprächskultur.“ Der Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern, Helmut Platzer, erklärte:
„Neue Verhandlungen stehen nicht infrage. Es besteht die Pflicht zum Abschluss von Hausarztverträgen.
Die Frage ist, zu welchen Bedin- gungen und mit welchen Partnern.“
Damit dürfte sicher sein, dass sich der Wunsch von Hausärztechef Krombholz nach einer Fortführung der alten Verträge nicht erfüllen wird. Er appellierte im bayerischen Landtag an die Kassen, die Kündi- gung zurückzunehmen: „Wir brau- chen keine neuen Verträge. Wir wollen die alten wiederhaben.“ Im Gegenzug für eine längere Laufzeit hatte der Verband den Kassen vor der Nürnberger Ausstiegsveranstal- tung sogar angeboten, auf zehn Pro- zent des Honorars zu verzichten.
Die Rechtmäßigkeit der Kündigung prüfen zurzeit die Gerichte.
Für die Kassen jedenfalls – das zeigte der moderierte Dialog – wird es ein „weiter so“ nicht geben. Sie ließen durchblicken, dass in künf - tigen Verträgen weniger die Hono- rare als vielmehr inhaltliche und
strukturelle Fragen eine Rolle spie- len werden. So hat die AOK eine Online-Umfrage unter Versicherten und Hausärzten gestartet, um deren Vorstellungen über eine gute haus- arztzentrierte Versorgung zu erfah- ren. „Was wir verhandeln wollen, sind Verbesserungspotenziale über die normale Versorgung hinaus“, betonte AOK-Vorstand Platzer.
Aufgeladene Stimmung Die Systemfrage streifte Sigrid Kö- nig, Vorstand des BKK Landesver- bands Bayern. Zwar bekannte sie sich ausdrücklich zur hausarztzen- trierten Versorgung, stellte aber zu- gleich die privilegierte Stellung des Hausärzteverbands infrage: „Ins So- zialgesetzbuch V passt der Haus- ärzteverband als privatrechtlicher Verband nicht hinein.“
Die teils heftigen Reaktionen der circa 300 anwesenden Hausärzte auf solche Äußerungen zeigten, wie auf- geladen die Stimmung nach wie vor ist. Sie mussten von Landtagspräsi- dentin und Komediatorin Barbara Stamm zur Ordnung gerufen werden.
Der Verbandsvorsitzende Krombholz äußerte dennoch die Hoffnung,
„dass wir hier weiterkommen“. Die Hausarztverträge dienten neben der besseren Patientenversorgung auch dazu, den Beruf für den ärztlichen Nachwuchs wieder attraktiv zu ma- chen. „Der Staat kann es sich nicht leisten, dass jährlich Hunderte Kol- legen ins Ausland gehen und wir keine Praxisnachfolger mehr finden.“
Etwa drei Stunden dauerte der Austausch. Am Ende zeigte sich der Minister zufrieden. Er wisse, dass es emotional noch viel aufzuarbei- ten gebe, aber: „Wir haben die Ba- sis für Gespräche geschaffen.“ Er rechne noch Ende Januar mit der Aufnahme neuer Verhandlungen. ■
Heike Korzilius