D
as Universitätsklinikum und die Medizinische Fakultät in Heidelberg bauen derzeit ei- nen Forschungsschwerpunkt Allgemeinmedizin auf, den das Bundesministerium für Bil- dung und Forschung über drei Jahre mit 1,7 Millionen Euro unterstützt. Dieser Schwer- punkt ist der einzige in Süd- deutschland, weitere werden an den Universitäten Göttin- gen und Kiel etabliert.„Wir möchten ein partner- schaftliches Netzwerk mit den Hausarztpraxen der Rhein- Neckar-Region aufbauen und die Qualität der hausärztlichen Versorgung verbessern“, er- klärte Prof. Dr. Joachim Szec- senyi, Leiter der Sektion All- gemeinmedizin und Versor- gungsforschung am Univer- sitätsklinikum in Heidelberg.
Der Schwerpunkt solle auch dazu beitragen,die Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Kliniken besser aufeinan- der abzustimmen.
Obwohl der Gesetzgeber den Hausärzten eine Schlüs- selposition als Lotsen im Ge- sundheitswesen zuweist, ist die allgemeinmedizinische For- schung in Deutschland im Vergleich zu anderen euro- päischen Ländern unterent- wickelt. Nur neun der 36 Me- dizinischen Fakultäten, so Szecsenyi, hätten eine Abtei- lung für Allgemeinmedizin.
In Heidelberg habe die Allge- meinmedizin aber schon seit
langem einen wichtigen Stel- lenwert. „Seit vielen Jahren hospitieren unsere Studenten bereits in den vorklinischen Semestern bei Hausärzten“, sagte Prof. Dr. Dr. h. c. Hans- Günther Sonntag, Dekan der Medizinischen Fakultät. In- zwischen nehmen rund 200 Lehrpraxen an dem Hospita- tionsprogramm der vorklini- schen und klinischen Seme- ster teil. Die Lehrpraxen sol- len die Basis für ein Netzwerk sein, mit dem verschiedene Forschungsprojekte umge- setzt werden sollen. Zunächst soll im Projekt CONTENT eine Datenbank angelegt
werden, die eine Analyse der allgemeinmedizinischen Ver- sorgung erlaubt. Neben der Häufigkeit der Erkrankun- gen werden darin die Anlässe für den Arztbesuch erfasst.
Auch der Zusammenhang mit den Ergebnissen der Bera- tung und der medizinischen Leistungen, die vom Arzt ver- anlasst werden, soll doku- mentiert werden.
Im Heidelberger Netzwerk wird künftig die „Internation- al Classification of Primary Care“ (ICPC) eingesetzt. Die- ses System wurde von der Weltgesellschaft für Allge- meinmedizin speziell für die Erfassung von Erkrankungen der hausärztlichen Versor- gung entwickelt und erlaubt eine realitätsnahe Beschrei- bung von Behandlungsver- läufen und -ergebnissen.
ICPC ist vielfältig im europäi- schen Ausland erprobt wor- den. In der dreijährigen Pro- jektphase soll es in Heidel- berg etabliert werden, um nach einer Evaluation in der zweiten Phase auch Daten zum Gesundheitszustand und der Lebensqualität der Pati- enten sowie der Versorgungs- qualität zu erfassen. JM A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 530. Januar 2004 AA221
Akupunktur
Großstudie bestätigt Wirkung
W
ährend der Gemeinsame Bundes- ausschuss (GBA) bisher die Auf- nahme der Akupunktur in den Lei- stungskatalog der Gesetzlichen Kran- kenversicherung abgelehnt hat, könnte er demnächst seine Meinung ändern.Grund dafür ist eine große randomi- sierte Akupunktur-Studie. Im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) ha- ben Wissenschaftler der Charité Berlin innerhalb der letzten drei Jahre bei 200 000 Patienten die Wirksamkeit der Methode untersucht. Vorläufiges Er- gebnis: Akupunktur ist in der Routine- versorgung wirksam und sicher. „Drei von vier Patienten mit Kopfschmerzen oder Lumbalsyndrom ging es auch noch sechs Monate nach der Behand-
lung deutlich besser“, erklärte Prof.
Stefan N.Willich bei einer Pressekonfe- renz in Berlin. Noch höher hätte die Rate bei Arthroseschmerzen (85 Pro- zent), Asthma/allergischer Rhinitis (82 Prozent) und Dysmenorrhö (85 Pro- zent) gelegen, so der Projektleiter und Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsöko- nomie der Charité Berlin. Die Neben- wirkungen, meist kleinere Blutergüsse, seien hingegen zu vernachlässigen.
D
ie Studie, an der sich noch 13 weite- re Krankenkassen sowie 10 000 für Akupunktur qualifizierte Ärzte beteili- gen, besteht aus drei methodisch unter- schiedlichen Studienteilen. Kernstück ist eine teilrandomisierte, kontrollierte Studie zum Vergleich der Routinever- sorgung und Akupunktur bei 50 000 Patienten (zwei Drittel davon Frauen).Dabei zeigte sich bei allen genannten Diagnosen eine hochsignifikante (p <
0,001) Verbesserung durch den gleich-
zeitigen Einsatz von Akupunktur ge- genüber alleiniger Routineversorgung.
Therapiesicherheit und Wirtschaftlich- keit der Akupunktur soll eine prospek- tive Beobachtungsstudie ermitteln. Da- zu werden in den kommenden vier Jah- ren noch weitere 300 000 Patienten untersucht. Eine dritte Teilstudie un- tersucht die Wirksamkeit von unter- schiedlichen Akupunkturpunkten. Über- raschenderweise fand sich ein signifi- kanter Unterschied zwischen der Na- delung von Akupunktur- und Nicht- Akupunkturpunkten jedoch nur bei Arthroseschmerzen.
Z
u klären wird ferner noch sein, ob der kombinierte Einsatz von Aku- punktur und Routineversorgung wirt- schaftlich ist. Trotzdem will die TK noch im Januar dem GBA die Stu- die vorlegen. Vorstandsmitglied Dr.Christoph Straub ist optimistisch: „An diesen Ergebnissen kommt man nicht vorbei.“ Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann Akut
Allgemeinmedizin
Heidelberg baut Forschung aus
Praxisnetzwerke sollen hausärztliche Versorgung verbessern.
Verzahnung von Theorie und Praxis: In Heidelberg hospitie- ren Medizinstudierende bereits seit Jahren bei Hausärzten.
Foto:dpa