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Gerechtigkeit für alle Geschlechter!

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© 2018 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Physik Journal 17 (2018) Nr. 6 3 M E I N U N G

Meinung von Andrea Bossmann, Diplomphysikerin und Gründerin der Lise-Meitner-Gesellschaft und in der DPG seit 2015 im Vorstand des Arbeitskreises Chancen- gleichheit, bossmann@akc.dpg- physik.de

I

m Herbst 2017 hat das Bundes- verfassungsgericht entschieden, dass neben „weiblich“ und „männ- lich“ eine dritte Geschlechtsein- tragung im deutschen Personen- standsrecht möglich sein muss. Zur selben Zeit trat die vom Bundestag beschlossene Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Kraft. Das sind wichtige Schritte zu mehr Gleichberechtigung und An- erkennung vielfältiger Geschlechts- und sexueller Identitäten. Dennoch muss beispielsweise auf vielen Formularen unweigerlich bei der Anrede zwischen Herr und Frau gewählt werden – auch bei der An- meldung in der DPG.

Warum ist das Thema Ge- schlechtergerechtigkeit überhaupt wichtig für die Physik? Die Phy- sik ist doch neutral und objektiv, physikalische Phänomene haben kein Geschlecht! Doch Forschung und Lehre werden von Menschen betrieben, wodurch einerseits die Beschreibung der Physik „verge- schlechtlicht“ ist und andererseits eine spezifische Fachkultur exis- tiert, in der bestimmte Spielregeln definieren, wer dazu gehört und wer ernst genommen wird.

Unsere Gesellschaft ist vielfältig, die Fachkultur der Physik ist es nicht. Frauen sind in der Physik immer noch stark unterrepräsen- tiert.1) Von der gesellschaftlichen Norm abweichende Identitäten wie LGBTQIA+ sind unsichtbar – also lesbian, gay, bi, trans, queer/

questioning, inter- oder asexuelle Menschen. Das „+“ bezeichnet alle weiteren Identitäten; „queer“

steht für alle von der Norm abwei- chenden Identitäten.

Die Gleichstellung von Frauen sowie von LGBTQIA+ in der Phy- sik gehen Hand in Hand2), da sie alle nicht dem nach wie vor fest verankerten Bild des männlichen, weißen, implizit hetero sexuellen Genies entsprechen.

Viele Gründe sprechen dafür, sich für mehr Diversität einzuset- zen. Studien in unterschiedlichen Kontexten haben gezeigt, dass viel- fältige Teams bessere Ergebnisse erzielen als homogene. Zudem ist es für gute Ergebnisse wichtig, dass nicht womöglich die Begabtesten aufgrund von Diskriminierung ausgeschlossen werden.

Für mich ist Chancengleichheit in erster Linie eine Frage der Men- schenrechte: Niemand darf auf- grund von Geschlecht oder sexuel- ler Orientierung benachteiligt sein.

Faktisch ist dies aber auch heute noch immer der Fall. Das sollten wir nicht hinnehmen.

Im Juli 2017 nahm ich als De- legierte der DPG an der Interna- tional Conference on Women in Physics teil. Dort erfuhr ich, welch hohen Stellenwert das Engagement für Geschlechtergerechtigkeit – für Frauen wie für LGBTQIA+ – in einigen physikalischen Gesellschaf- ten hat. Dort ist ein Bewusstsein für das Thema vorhanden, zudem gibt es konkrete Initiativen, von denen ich beispielhaft zwei be- schreiben möchte:

Auf öffentlichen Listen beken- nen sich Physiker*innen3) in den USA zu ihrer LGBTQIA+-Identität, um zu mehr Sichtbarkeit beizutra- gen, eine Gemeinschaft zu schaffen und anderen Mut zu machen. Zu- sätzlich geben sich Physiker*innen, die nicht LGBTQIA+ sind, als Ver- bündete zu erkennen und machen damit sichtbar, dass sie sich gegen Diskriminierung einsetzen und z. B. keine abwertenden Bemer- kungen in ihrem Umfeld tolerieren.

Das britische Institute of Physics (IOP) hat ein eigenes Diversity-De- partment, das zahlreiche Projekte durchführt, darunter Project Juno, das Physikinstitute zu Aspekten der Geschlechtergerechtigkeit evaluiert und auszeichnet. Solch aufwändige Projekte sind rein ehrenamtlich

nicht durchführbar und benötigen zudem sozialwissenschaftliche Ex- pertise. So beschäftigt das IOP be- reits seit 2004 Angestellte in diesem Bereich.

Gut ist, dass die DPG ihre Frau- enanteile veröffentlicht. Doch die Mitgliederstruktur ließe sich noch differenzierter erfassen, etwa durch anonymisierte Befragungen zu ver- schiedenen Diversitätsaspekten.4)

Ich möchte uns alle dazu einla- den zu reflektieren, welche Privile- gien wir genießen, und uns bewusst zu machen, in welcher Form wir uns diskriminierend verhalten.

Niemand ist frei davon, und ein diskriminierungsfreies Umfeld zu schaffen liegt in unser aller Verant- wortung.

Ich möchte dafür werben, dass wir Naturwissenschaftler*innen uns mit den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften auseinan- dersetzen. Das ist wichtig, um den sozialen Kontext, die Ausschluss- mechanismen in unseren Instituti- onen und unserem eigenen Verhal- ten zu erkennen, zu verstehen und letztendlich zu überwinden.

Ziel all dieser Bemühungen ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle ohne Diskriminierung ihr volles Potenzial entfalten können und sich mit Wertschätzung und Empathie begegnen. Wenn Sie dazu Anmerkungen, Ideen oder Fragen haben, melden Sie sich gern. Lassen Sie uns gemeinsam für Geschlech- tergerechtigkeit in der Physik ein- treten!

Gerechtigkeit für alle Geschlechter!

Ein Plädoyer für mehr Diversität in der starren Fachkultur der Physik Andrea Bossmann

1) Physik Journal, Aug./Sept. 2017, S. 28 2) J. B. Yoder und A. Mattheis, J. Homo- sexuality 63, 1 (2015) 3) Das Sternchen soll die sprachliche Einbezie- hung von Geschlechts- identitäten außerhalb des binären Schemas (Mann-Frau) ermög- lichen.

4) IOP-Studie (2015), bit.ly/2qUI7WU

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