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Bericht und Meinung
Internationaler Fortbildungskongreß in Davos
Fazit: Wenn es keine systembe- dingte Kostenexplosion in der GKV gibt, kann man dieser auch nicht mit Systemänderungen begegnen.
Die konjunkturelle Komponente'
These 6: Die Explosion der Beitragssätze ist nicht allein ein Problem der Kostenent- wicklung, sondern in erster
Linie konjunkturell bedingt.
Der Konjunkturabschwung hat die jetzt bedrohlich erscheinenden Probleme nicht geschaffen, son- dern sie lediglich übergroß deut- lich gemacht. Es ist festzustellen, daß diese zweifellos beunruhigen- de Entwicklung keine spezifische Eigentümlichkeit des Gesundheits- wesens ist. Vielmehr tat sich die Kostenschere auch in anderen gro- ßen Bereichen unseres gesell- schaftlichen Lebens auf. In der Zu- kunft muß mit flacheren Konjunk- turverläufen als bisher gerechnet werden. Für die GKV ergibt sich daraus, daß die Kostenentwicklung gebremst werden muß, will man die Beitragssteigerungen zügeln.
These 7: Nicht die Versicher- ten, sondern Dritte sollen bela- stet werden, um das Kosten- problem zu lösen.
Seit geraumer Zeit kursieren Vor- schläge, den Kostenanstieg zu La- sten der als „Lieferanten von Ge- sundheitsgütern" am System Betei- ligten zu mindern. (Ärzte, Zahnärz- te, Pharmaindustrie, Pharmagroß- handel und Apotheker sollen Hono- rar- beziehungsweise Preiszuge- ständnisse machen, einen Preis- stopp hinnehmen oder sich an all- gemeinen volkswirtschaftlichen Da- ten orientieren.) Der Bundesver- band der Ortskrankenkassen (BdO) und der Deutsche Gewerkschafts- bund (DGB) postulieren. nicht al- lein die „Preise" der einzelnen ärztlichen Leistungen sollen Ge- genstand vertraglicher Regelungen sein, sondern ebenso die Vergü-
tung für die gesamte ärztliche Tä- tigkeit. Solche Vorschläge laufen selbst bei gleichzeitiger Ablehnung eines Pauschalhonorierungssy- stems auf nichts anderes hinaus als dieses: Von einer bestimmten Grenze an wird die ärztliche Ein- zelleistung nicht mehr voll vergütet
_ZITAT
Nicht gottgegeben
"Auch wenn das Kranken- haus ein personalintensiver Betrieb ist, dann ist der da- mit verbundene Aufwand nicht gottgegeben, sondern durchaus beeinflußbar, nach oben ebenso wie nach un- ten."
Professor Dr. rer. pol. Sieg- fried Eichhorn, Vorstandsmit- glied des Deutschen Kran- kenhausinstituts, vor dem XXIV. Internationalen Fortbil- dungskongreß der Bundes- ärztekammer 1976 in Davos.
(Quotierung). Darüber hinaus wird angestrebt, medizinisch-technische Leistungen in Medizinisch-Techni- sche Zentren (MTZ) zu verlagern.
Gebremste Honorarentwicklung
These 8: Der Anteil der frei- praktizierenden Ärzte an den Leistungsausgaben der Kran- kenkassen geht zurück.
In Zukunft wird sich der Trend der vergangenen Jahre fortsetzen: Der Anteil der Kassenarzthonorare an den Gesamtausgaben der GKV nimmt sukzessive ab. Heute liegt er bereits unter der seit Jahren gehal- tenen magischen 20-Prozent-Mar- ke. Dafür beansprucht die stationä- re Behandlung einen immer größer werdenden Anteil (heute bereits 29,5 Prozent).
Nimmt aber der Anteil an der Zu- wachsrate nicht zu, dann wird der Anteil der Ärzte an den Gesamt- ausgaben der GKV zwangsläufig weiter sinken. In Zukunft ist zu be- fürchten, daß der Anteil der Kas- senärzte an den Gesamtleistungs- ausgaben noch schneller als bis- her sinkt. Dies ist dann zu erwar- ten, wenn sich die übrigen Markt- beteiligten nicht zu Selbstbe- schränkungen in dem Maße bereit finden, wie es die Kassenärzte durch ihre Honorarvereinbarungen bereits getan haben.
These 9: Es gibt Hinweise, daß die Kassen wieder zurück zu einer Art „Kassenmedizin"
wollen.
Ungeachtet der Sparabsichten der Krankenkassen gibt es Hinweise, daß bei der Behandlung der Versi- cherten die Maßstäbe des „Wirt- schaftlichen" und „Notwendigen"
wieder stärker beachtet werden sollen. So empfahl der neue BdO- Vorsitzende und Gewerkschafts- funktionär Alfred Schmidt bereits auf einem BdO-Presseseminar im Dezember 1975, daß der Arzt bei Arzneiverordnungen sich so zu verhalten habe, daß der Kostenzu- wachs das Ausmaß der Grundlohn- steigerung nicht überschreitet.
Dies bedeutet nichts anderes, als daß dem Arzt zu Beginn des Jahres vorgeschrieben werden soll, bis zu welcher Geldsumme er im Laufe des Jahres Arzneien verschreiben darf.
Ferner streben die Kassenspitzen- verbände eine Regelung an, nach der oberhalb einer bestimmten Zahl medizinisch-technischer Lei- stungen die Bezahlung hierfür de- gressiv gestaffelt wird; ab einer be- stimmten Leistungszahl sollen die Ärzte völlig leer ausgehen. Schließ- lich hat der Stellvertretende BdO- Vorstandsvorsitzende und Arbeit- gebervertreter, Horst Ruegen- berg, gefordert, eine „schlichte, weniger anspruchsvolle Ausfüh- rung des Zahnersatzes" einer auf- wendigeren Ausführung vorzuzie- hen. HC 1006 Heft 15 vom 8. April 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT