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Archiv "Psoriasis: Systemerkrankung mit hohem Leidensdruck" (10.05.2013)

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A 938 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 19

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10. Mai 2013

PSORIASIS

Systemerkrankung mit hohem Leidensdruck

Die Molekulargenetik und das Wissen um die immunologischen Zusammenhänge legten den Grundstein für die Entwicklung spezifischer Therapien.

D

ie Psoriasis gehört zu den häufigsten chronischen Haut- erkrankungen und betrifft in Deutsch- land geschätzte zwei bis drei Prozent der Bevölkerung, also etwa 1,6 Mil- lionen Menschen. Der Begriff Pso- riasis leitet sich ab vom griechischen Wort πσoρα (psora) für „ich kratze“

und wurde früher recht großzügig im medizinischen Alltag verwen- det. Lange Zeit wurde nicht zwi- schen Psoriasis und der durch Mil- ben verursachten Krätze unterschie- den; auch eine Verwechslung mit Lepra soll häufig gewesen sein. Das Wissen um Psoriasis als eine nicht- ansteckende Dermatose scheint bis heute in der Bevölkerung nicht ver- ankert zu sein, und der deutsche Krankheitsname „Schuppenflechte“

macht die Sache nicht einfacher.

Patienten mit Psoriasis haben aus vielerlei Gründen eine erhebliche Krankheitslast zu tragen. Bei etwa

80 Prozent von ihnen besteht eine Plaque-Psoriasis (Psoriasis vulga- ris). Die erkrankten Hautbereiche sind fleckenhaft gerötet und mit silbrig-glänzenden Hautschuppen be- deckt. Etwa jeder fünfte Betroffene entwickelt im weiteren Verlauf ei- ne schmerzhafte Psoriasis-Arthritis.

Bei Psoriasis können viele Aspekte des täglichen Lebens beeinträchtigt sein, die Krankheit erfordert eine kosten- und zeitaufwendige Haut- pflege und ist verbunden mit teil- weise erheblicher Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung (1).

Überlappende Mechanismen Zu den Begleiterkrankungen bei Psoriasis zählen andere chronisch entzündliche Erkrankungen mit mög- licherweise überlappenden Krank- heitsmechanismen, wie rheumatoi- de Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und metaboli-

sche Veränderungen wie Fettstoff- wechselstörungen, Diabetesneigung, Adipositas und arterielle Hyperto- nie. Ein erhöhtes Risiko kardio - vaskulärer Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie eine erhöhte Mortalität mit einer um drei bis vier Jahre verkürzten Lebenserwartung wird vor allem für jüngere Patienten mit schwerer Schuppenflechte angenommen (2).

Trotz ihrer relativ hohen Präva- lenz und der erheblichen Komor - bidität wurde die Psoriasis eher wenig beforscht. Die genetische Komponente der multifaktoriellen Krankheit ist komplex und der Krankheitsverlauf nur schwer ein- zuschätzen. Bis vor etwa 20 Jah- ren wurde davon ausgegangen, dass sich die psoriatrische Haut auf- grund der genetisch bedingten Zell- teilungsstörung in Schuppen ablöst und diese Zellabschilferungen zu entzündlichen Reaktionen führen.

Heute weiß man, dass das Im- munsystem eine wesentliche Rolle in Krankheitsgeschehen spielt. An der Pathogenese sind sowohl Kom- ponenten des angeborenen Immun- systems (Keratinozyten, dendritische Zellen) beteiligt als auch spezifische T-Zellen, die entzündungsfördernde Zytokine freisetzen. Unter dem Ein- fluss von Botenstoffen wie IL-12 und -23 wird die Expansion bestimm- ter T-Zell-Subpopulationen forciert, die wiederum bevorzugt Boten - stoffe mit proentzündlichen Eigen- schaften wie TNF-α, IL-17 und IL-22 sezernieren. Der sich auf- schaukelnde Prozess begünstigt die Einwanderung neutrophiler Granu- lozyten, die in der Epidermis zu ty- pischen sterilen Mikroabszessen füh- ren können.

Bei den klinischen Formen der pustulösen Psoriasis sind die kutane Psoriasis:

Läsionen an den Händen sind häufig schmerzhaft, da sie sehr trocken, oft infiziert und rissig sind.

Foto: Fotolia/Farina3000

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10. Mai 2013 Entzündungsreaktion und Einwan-

derung neutrophiler Granulozyten besonders ausgeprägt (3). Die Pso- riasis wird heute den „immun e- mediated inflammatory diseases“

(IMID) zugeordnet, zu denen auch die rheumatoide Arthritis und der Morbus Crohn gezählt werden.

Die Psoriasis folgt einem unre- gelmäßig dominanten, polygenen Erbgang, der dank verfeinerter Me- thoden nach und nach aufgedeckt wird. Am stärksten ist das auf dem kurzen Arm von Chromosom 6 lie- gende Allel HLA-CW*0602 mit der Erkrankung assoziiert. Bei hetero- zygoten Anlageträgern dieses Allels ist das Risiko für Psoriasis um etwa das neunfache, bei homozygoten Trägern um etwa das 23-fache er- höht (4).

Angriff auf die Zytokine Darüber hinaus scheint es zahlrei- che Genvarianten zu geben, die mit einem erhöhten Psoriasis-Risiko ver- knüpft sind. In einer Metaanalyse von fünf RNA-Studien wurden mehr als 1 000 Gene identifiziert, die bei Psoriasis überexprimiert werden (5).

Einige Studien zeigten eine Kopp- lung der Psoriasis mit genetischen Varianten, die für Rezeptoren des TNF-α (6) und des Interleukin-23 kodieren (7).

Die Molekulargenetik und das Wissen um die immunologischen Zusammenhänge legten den Grund- stein für die Entwicklung spezifi- scher Therapien. Die TNF-α-Blo-

cker Etanercept (Enbrel®), Inflixi- mab (Remicade®) und Adalimumab (Humira®) sind eine Option für

„high-need“-Patienten, die mit kon- ventionellen Systemtherapeutika, to- pischen Präparaten und Photothe - rapie nicht ausreichend behandelt werden können. Gleiches gilt für den gegen Interleukin-12/Interleu- kin-23 (IL-12/23) gerichteten Anti- körper Ustekinumab (Stelara®). Die- se Biologicals haben bei der Be- handlung von Patienten mit mittel- schwerer und schwerer Psoriasis vulgaris inzwischen einen hohen Stellenwert.

In den Forschungspipelines gro- ßer Pharmaunternehmen befinden sich zahlreiche weitere Wirkstoff - kan didaten, die teilweise bereits in Phase-III-Studien geprüft werden.

Vielversprechende Ergebnisse lie- fern unter anderem die Studien mit den Wirkstoffen Brodalumab (Am- gen), Ixekizumab (Lilly) und Se- cukinumab (Novartis), die sich al- lesamt gegen Interleukin-17 rich- ten und damit später in das immu- nologische Geschehen eingreifen als die übergeordneten Zytokine IL-17 und IL-23.

Der primäre Endpunkt der bei- den Dosisfindungsstudien mit Bro- dalumab und Ixekizumab (8, 9) war eine Verbesserung im PASI-Score (PASI = Psoriasis-Area-and-Severi- ty Index) innerhalb von zwölf Wo- chen. Beide Präparate waren sehr effektiv und besserten dosisabhän- gig bei jeweils mehr als 80 Prozent

der Patienten die Krankheitslast um mindestens 75 Prozent. Auch der dritte Kandidat – Secukinumab – durchlief mit Responseraten von bis zu 55 Prozent im PASI-75 (= Ver- besserung des PASI um mindestens 75 Prozent) erfolgreich die Studien- phase II (10). Alle drei Wirkstoffe sind nun in fortgeschrittener klini- scher Entwicklung zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer und schwerer Plaque-Psoriasis.

Weitere Optionen in Prüfung Für Patienten, die weniger schwer erkrankt sind, gibt es noch keine Therapien mit Biologicals. Das könnte sich ändern, wenn die lau- fenden Studien mit dem Januskina- se(JAK)-Inhibitor Tofacitinib (Pfi- zer) überzeugende Ergebnisse lie- fern. Das Medikament ist in den USA bereits zur Therapie der rheu- matoiden Arthritis zugelassen. In einer Phase-2b-Dosisfindungsstudie wurde mit oralem Tofacitinib nach zwölf Wochen bei 67 Prozent der Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Plaque-Psoriasis ein PASI 75 erreicht. Ein weiterer potenziel- ler Kandidat ist Apremilast (Celge- ne), ein PDE4-Hemmer, mit dem 41 Prozent der Patienten innerhalb von 16 Wochen einen PASI 75 er- reichten (12). Das Nebenwirkungs- profil war bei beiden Prüfsubstan-

zen günstig.

Dr. med. vet. Beate Grübler

@

Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit1913

In den letzten Jahren häufen sich die Erkennt- nisse und Daten über die Psoriasis als System- erkrankung, die mit einer Reihe bedeutsamer Komorbiditäten und Risikofaktoren assoziiert ist.

Vor allem schwere Erkrankungsformen gehen mit einer erhöhten Komorbiditätsrate, deutli- chen Einschränkungen der Lebensqualität so- wie einer verminderten Lebenserwartung ein- her, wie Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Körber, Es- sen, erläuterte.

Unter den Komorbiditäten und Risikofaktoren bei der Psoriasis ist die Adipositas von zentraler Bedeutung. Laut Prof. Dr. med. Ulrich Mrowietz, Kiel, ist sie ein unabhängiger Risikofaktor für

Psoriasis sowie PsA und geht mit einer Vielzahl weiterer Komorbiditäten einher, wie etwa kar- diovaskulären Erkrankungen und Komplikatio- nen, metabolischem Syndrom, Diabetes melli- tus oder Depression. In Tiermodellen konnten bei Übergewicht spezifische Veränderungen des Fettgewebes mit Aktivierung von Makrophagen und konsekutiver Sezernierung pro-inflammato- rischer Zytokine nachgewiesen werden.

Neben seinen enormen Implikationen auf die Morbidität hat Übergewicht auch ungünsti- ge Auswirkungen auf den Therapieerfolg. So konnte gezeigt werden, dass ein hoher Body- mass-Index bei Psoriasis-Patienten mit einem

geringeren Therapieansprechen einherging und eine Gewichtsabnahme das Ansprechen wiederum verbessern konnte. Körber empfahl, übergewichtige Patienten diesbezüglich aufzu- klären. Zudem sollte bei diesen Patienten auf eine gewichtsadaptierte Dosierung der Medi- kation geachtet werden.

Angesichts des zunehmenden Anteils über- gewichtiger Menschen in unserer Gesellschaft forderte Mrowietz, bei adipösen Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen neben der Pharmakotherapie künftig auch Program- me zur Gewichtsreduktion in das Routinema-

nagement zu integrieren. EB

KOMORBIDITÄT UND RISIKOFAKTOREN

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 19/2013, ZU:

PSORIASIS

Systemerkrankung mit hohem Leidensdruck

Die Molekulargenetik und das Wissen um die immunologischen Zusammenhänge legten den Grundstein für die Entwicklung spezifischer Therapien.

LITERATUR

1. Nast A, et al.: S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris Update 2011. JDDG 2011; 9: 1–104 (www.awmf.org/leitlini en/detail/ll/013–001.html).

2. Gelfand JM, et al.: The risk of mortality in patients with psoriasis: results from a pop - ulation-based study. Archives of Derma - tology 2007; 143: 1493–9.

3. Nestle FO, et al.: Psoriasis. NEJM 2009;

361: 496–509.

4. Gudjonsson JE, et al.: Psoriasis patients who are homozygous for the HLA- Cw*0602 allele have a 2,5-fold increased risk of developing psoriasis compared with Cw6 heterozygotes. Brit J Dermatol 2003;

148: 233–5.

5. Tian S, et al.: Meta-analysis derived (MAD) transcriptome of psoriasis defines the

„core“ pathogenesis of disease. PLoS One 2012; 7: e44274. doi: 10.1371/journal.

pone.0044274

6. Reich K, et al.: TNF polymorphisms in pso- riasis: association of psoriatic arthritis with the promoter polymorphism TNF*-857 in- dependent of the PSORS1 risk allele. Ar- thritis & Rheumatism 2007; 56:

2056–64.

7. Cargill M, et al.: A largescale genetic as- sociation study confirms IL12B and leads to the identification of IL23R as psoriasis- risk genes. Am J Hum Genet 2007; 80:

273–90.

8. Papp KA, et al.: Brodalumab, an anti-inter- leukin-17-receptor antibody for psoriasis.

NEJM 2012; 366: 1181–9.

9. Leonardi C, et al.: Anti-interleukin-17 mo- noclonal antibody ixekizumab in chronic plaque psoriasis. NEJM 2012; 366:

1190–9.

10. Rich P, et al.: Secukinumab induction and maintenance therapy in moderate-to-se- vere plaque psoriasis: a randomized, dou- ble-blind, placebo-controlled, phase II re- gimen-finding study. Br J Dermatol 2013;

168: 402–11.

11. Papp KA, et al.: Efficacy and safety of to- facitinib, an oral janus kinase inhibitor in the treatment of psoriasis: a phase 2b randomized placebo-controlled dose - ranging study. Br J Derm 2012; 167:

668–77.

12. Papp KA, et al.: Efficacy of apremilast in the treatment of moderate to severe pso- riasis: a randomised controlled trial. Lan- cet 2012; 380: 738–46.

Referenzen

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