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Die Relationen, die in semitischen Sprachen mit Präpositionen wiedergegeben werden, werden in den Agau-Sprachen bekannthch durch Postpositionen, in Form von Suffixen, dargestellt*

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Academic year: 2022

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SUBSTRAT- UND ADSTRATWIRKUNG

Von Inge Rommel, Tübingen

Vielleicht lassen sich auch ohne Sprachatlas einige Ergänzungen aus

sprachgeographischer und soziohnguistischer Sicht zum Thema der Sub¬

strat- und Adstratwirkimg im Amharisehen geben, also zur Agauisierung

bzw. Einwirkung anderer kuschitischer Sprachen in einem Gebiet, das teil¬

weise schon jahrhundertelang recht drastische Wandlimgen durchgemacht

hat.

Eine Auswirkung des Agau-Substrats ist der Übergang z.B. von Prä¬

positionen zu Postpositionen. Die Relationen, die in semitischen Sprachen

mit Präpositionen wiedergegeben werden, werden in den Agau-Sprachen

bekannthch durch Postpositionen, in Form von Suffixen, dargestellt*.

Sobald nun - zura Zweck der adverbialen Verwendung - einsilbige Präpo¬

sitionen wie ,,ba" und ,,ka" durch andere Wörter wie ,,lay" oder ,,gärä"

ergänzt werden, wobei die letzteren mit einem vorausgehenden Substantiv

eine adverbielle Bestimmung ergeben, wird von vielen Sprechern die ur¬

sprüngliche Präposition ,,ba" oder ,,ka" weggelassen: So bedeutet z.B.

,,lay" heute ,,über, oberhalb, gegen". Mit einem Personalsuffix kombiniert ergibt sich die Form ,,balayeh" etc. = oberhalb von dir, über dir, etc.; mit

einem Substantiv jedoch z.B. ,,ba byet lay" = auf dem Haus, oberhalb des

Hauses, während mit Hilfe der Präposition ,,ka" vor allem die Bedeutungs¬

nuance „von . . . her" zum Ausdruck gebracht wird („ka . . . lay" = von

oben). Mit Hilfe von Ortsnamen + lay läßt sich jedoch auch noch eine

andere Bedeutungsnuance ausdrücken: ,,ba Gondar lay" heißt ,,auf dem

Wege über Gondar". Statt dessen findet man nun aber oft einfach ,, Gondar

lay", und es bleibt aus dem Kontext zu ersehen, welche Bedeutungsnuance in Frage kommt.

' E. L. Rapp, Mainz, mit dem ich die Frage kurz durchsprach, meinte, alle

Postpositionen seien wie etwa in den Kwa-Sprachen wirkliche Nomina und

nicht nur von solchen abgeleitete Elemente, z.B.

wö op6i\ no sö = ,, seiend Tisches des Oberseite" = auf dem Tisch

wö opörL nö äs6 = ,, seiend Tisches des Unterseite" = unter dem Tisch

wö opörL nö qkyJrt = ,, seiend Tisches des Seite" = bei dem Tisch

wö odär)^ nö mü = ,, seiend Raumes des Innenseite" = im Haus

Amharisch ba kätämä wust = ,,in der Stadt" ist im Akan wö ömäi\ nö mü =

,, seiend Stadt der Innenseite" (amharisch ,,wust" entspricht schließlich dem arabisehen Nomen (f.) wasat ,, Mitte").

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Studien zur Syntax des Amharisehen 607

Ebenso verhält es sich bei „ka negus gärä" = mit dem König, oder auch

,,n9gus gära" ; oder „ba kätämä wust" = in der Stadt, an dessen Stelle man

auch ,, kätämä wust" hören kann. Die Substratformen hierfür dürften die

enklitischen Bildungen sein, die sich in den südlichen Agau-Sprachen

finden :

nogüs-li = mit dem König

kätämä-zi = in der Stadt.

Die Bewohner eines Substratgebiets lernen also zwei verschiedene, wenn

auch ähnliche, Konstruktionen für einen Begriff kennen. So kommt es, daß

sich ein Gebiet entwickelt, wo die beiden Konstruktionen mit genau gleicher

Bedeutung nebeneinander verwendet werden. Dies ist jedoch nur teilweise

der Fall ; in Wirklichkeit sind die Verhältnisse komplizierter.

Entscheidend ist fürs erste, wie häufig eine Prä- bzw. Postpositional-

konstruktion verwendet wird. Im Zusammenspiel mit anderen Paktoren

wird sich dann zeigen, ob sich eine der Konstruktionen diu-chsetzt oder ob

mehrere Formen nebeneinander bestehen bleiben. Eine Rolle hierbei spielen

Schulbildung bzw. Kommunikationsmöglichkeiten durch das Fernsehen

oder durch den Rundfunk, die die psychologische Einstellung und die

sozialen Beziehungen beeinflussen und damit der Entstehung von Misch¬

gebieten sprachlicher Formen entgegenwirken können.

Im Falle des Beispiels ,,ba kätämä wust" = ,,in der Stadt" bieten sich

also drei Konstruktionsmöglichkeiten an :

1. ba kätämä

2. ba kätämä wust

3. kätämä wust

Erfahrungsgemäß zeigen sich nun i.a. drei Entwicklungen - parallel zu

denen der Wortgeographie - nämlich :

Die Sprache erträgt sozusagen keine reine Synonymic bzw. keine drei Kon¬

struktionen mit genau derselben Bedeutung nebeneinander. An dieser

Stelle zeigt sich die enge Verknüpfung von Syntax und Semantik. Eine be¬

kannte These der Semantik besagt - hier für eine syntaktische Form -, daß

die Sprecher reagieren, wenn zwei oder drei Konstruktionen genau dieselbe

Bedeutung haben. Im Beispiel ,,ba kätämä wust" bietet sich eine Differen¬

zierung schon dadurch an, daß die Präposition ,,ba" lokal und instrumental

verwendet werden kann; und so hat sich in der Konstruktion ,,ba Gondar

lay" (,,über Gondar") auch eine besondere Differenzierung herausge¬

bildet.

In Überlagerungsgebieten entsteht also eine Redundanz an Ausdrucks¬

formen, deren Wirkung sich i.a. auf dreierlei Weise zeigt :

(3)

1. Es wird Personen geben, die entsprechend ihrer sprachlichen Bildung

im Kontakt z.B. mit Vorgesetzten die volle Konstruktion ,,ba kätämä

wust" gebrauchen. In ihrer Heimsprache dagegen lassen sie die Präposi¬

tion ,,ba" weg. Diese Erscheinung gehört in den Bereich der Soziolin-

guistik; und entsprechend ihrer sprachlichen Wendigkeit werden diese

Personen lernen, mühelos von der einen zur anderen Sprechweise umzu¬

schalten.

2. Ein häufiger Fall ist, daß durch verschiedenartige Kombination von

Prä- und Postpositionen BedeutungsdifFerenzierungen entstehen. So

heißt ,,ka lay" = ,,von oben her", während ,,ka samäy balay" = ,, ober¬

halb des Himmels" heißt (vgl. S. 1 ,,ba byet lay").

3. Es gibt noch eine dritte Möghchkeit, die aber auf die angeführten Bei¬

spiele nicht zutrifft, nämlich daß man die vorhandenen Konstruktionen

ganz vermeidet und neuere statt ihrer verwendet.

Allä = sagen

Ein Fall von Substratwirkung dürften auch die vielen Verbalbildungen

im Amharisehen sein, die mit ,,allä" = ,, sagen" (bäla, Ge-ez bohala), ge¬

bildet sind, wie ,,z9m allä" = schweigen, ,,zog allä" = langsam, sachte gehen, 9si allä" = eigentlich ,,ja sagen" = zustimmen, etc., um nur einige zu nermen.

,,dubdub allä" heißt ,, regnen", und hier zeigt sich am deutlichsten die

Parallehtät mit den Agau-Sprachen: ,,dubdub-y" heißt im Kemant eben¬

falls „regnen", wobei ,,y" - genau wie ,,allä" im Amharisehen - in den

Agau-Sprachen mit einem Ausruf oder einem Nomen kombiniert wird. Die

Liste solcher Verben ließe sich im Amharisehen noch lange fortsetzen:

Diese Art der Wortbildung ist eine Quelle großer Möghchkeiten des Aus¬

drucks, vor allem im heutigen technischen Zeitalter mit seinem Bedarf an

neuen Ausdrucks- und Bezeichnungsmöglichkeiten. ,,allä" wird - genau

wie das Verb ,,y" im Agau - ausgehend z.B. von Ausdrücken wie ,,9si allä"

- unter Verlust seines Bedeutungskerns auch auf andere Begriffe angewen¬

det. Dieses Problem der Wortbildung sollte dahin untersucht werden, in

welcher Sprache, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen

die genannte Form aufgetreten ist. Sic ist als Spätentwicklung aufzufassen,

die durch interethiüschen Kontakt und den Bedarf an neuen Bezeichnungen

rasche Verbreitung sowohl im Amharisehen als auch in den Agau-Sprachen

gefunden hat.

Im Zusammenhang mit dieser Wortbildung ist der Komplex der Gerxm-

dialbildung zu nennen wie ,,nagro'ar' = er sprach, etc. Genau dieselbe

Form findet sich im Agau, z.B. im Kemant Zusammensetzungen mit ,,y"

oder anderen Verben wie „wän" = existieren, oder ,,ku" bzw. ,,ag" = sein.

(4)

Studien zur Syntax des Amharisehen 609

Wie weit hier Berührung mit anderen kuschitischen Sprachen, z.B. dem

Sidamo, vorliegt, müßte noch untersucht werden.^

Ya-Komflex

Bekannthch hat sich schon Praetorius mit dem ya-Komplex ausein¬

andergesetzt. Polotsky^, Goldenberg* und Cotterell* haben dieses

Problem neu aufgegriffen. Es geht darum, daß ,,mit Hilfe der Partikel ya-

nominale, verbale und adverbiale Formen in attributive Ausdrücke bzw.

in Adjektive verwandelt werden" (Goldenberg, 9).

ya saba nigist yätäbäläl = sie wird Königin von Saba genannt

(CottereU, 5).

Die Struktur eines solchen Satzes (Cotterell nennt ihn „nomino-verbal")

stimmt überein mit rein verbalen Strukturen wie

sostu tänästäw

die 3 nachdem sie sich erhoben hatten

wädä ityopya mättu

nach Äth. kamen sie.

Diese Struktur geht nachgewiesenermaßen auf kuschitischen Einfluß

zurück (s. Cerulli, Sidamo; Leslau, Gafat doeuments). Sie ist geradezu

typisch für den Satzbau der kuschitischen Sprachen.

2 Hinweis durch Herrn Sasse. S. : auch Cerulli, Sidamo, 89 und Leslau, Gafat

Doeuments, 71 (Compound Gerundive): ,,The composition with al(l)ä is an Am-

harism."

^ Polotsky, H. J. : Etudes de Syntax Copte. 1944.

* Goldenbebg, G.: Studies in Amharic Syntax. In: Journal of Ethiopian

Studies, Bd. 3/1965, 6-22.

^ Cotterell, F. P. : Expansion Processes in Amharic Syntax. In : African

Language Studies, V/1964, 5-10.

40 Or.-Tag 1973

(5)

UND GIRYAMAi

Von Alfred Rupp, Saarbrücken

Die Reise erstreclite sich vom eigentlichen Abschluß der Hauptregenzeit

im Juli bis zum. August des Jahres 1971. In jenem Jahr schlössen sich an die

Regenzeit unerwartet heftige Nachschauer an, welche die Straßen unpassier¬

bar machten und dazu nötigten, die von Malindi aus geplanten Reisen für

etwa 2 Wochen aufzuschieben. Es war das Ziel der Reise, die Erfassung

ursprünglicher religiöser Traditionen im Siedlungsbereich der Pokomo und,

vornehmlich zum Zwecke des Vergleiches, auch der Giryama vorzubereiten,

wenn nicht gar schon aufzunehmen, sofern es die Umstände alsbald zuließen.

Es versteht sich von selbst, daß nichtreligiöse Traditionen hierbei nicht

immer ausgeklammert werden können und auch nicht dürfen^.

Das eigentliche Wohngebiet der insgesamt 13 Unterstämme der Pokomo

erstreckt sich gegenwärtig von der Tanamündung am Indischen Ozean bei

Kipini ungefähr 200 km flußaufwärts zum Norden^. Die im neuen Staatsver¬

band erleichterte und wohl auch begrüßte Ausbreitung der einzelnen Stäm¬

me über die jeweiligen mehr oder weniger angestammten Wohngebiete

hinaus wird sicherlich nicht zum völligen Aufgehen der Pokomo in anderen

Bevölkerungsgruppen führen, wenn diese auch mit einer Zahl von ca. 33000*

ein ausgesprochen kleiner Stamm sind. Wenn die Bevölkerungszahl von

18180 bei A. Werner* stimmt, hätten die Pokomo im Verlaufe von 6

1 Hierzu weitere Ausführungen in: Jahrbuch für Anthropologie und Reli¬

gionsgesohichte Bd. 1, Neukirchen 1973 (im Druck).

^ Gerade vom Material her wird immer wieder deutlich, wie problematisch die

generelle religionssystematische Trennung zwischen einem rein religiösen und

einem nichtreligiöson Bereich ist.

' Als nördliche Grenze nennt M. Samson, A history of the Pokomo, Journal of

the East Africa and Uganda Natural History Society, Bd. 17, 1944, S. 370 in

Verbindung mit der Landkarte S. 372/373, Masabubu im Bereich des Pokomoun-

terstammes der Malalulu. Dieser Ort hat die geographische Lage 1" 12' S 40° 1' O.

Die Begrenzung von A. Weeneb ,,. . . from the neighbourhood of the Equator to

2° 30' S", Journal of the Royal African Society, Bd. 12, 1912-13, S. 359, griff

offenbar weiter zum Norden hinauf und ist zudem recht unbestimmt. Ich konnte

auf meiner Reise nicht weit genug nördlich hinauffahren, um mir in dieser Frage

ein Urteil aus eigener Anschauimg erlauben zu können. .

* Diese Zahl wurde mir von Regierungsbeamten des Tana-District genannt.

6 A. Weeneb, a. a. O., S. 362.

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