Hans Walser, [20181014]
Verdrehter Würfel 1 Motivation
Im Tessin finden sich auf einigen Dächern Schornsteine mit einer Verdrehung oder ei- nem Drall. Die Abbildung 1 zeigt eine schematisierte Darstellung.
Abb. 1: Schornstein mit Drall
Die Abbildung 2 zeigt ein Architekturmodell mit derselben Grundidee. Es handelt sich um eine Arbeit der Studierenden V. C. und A. P., ETH Zürich, 2018.
Abb. 2: Architekturmodell
2 Problemstellung
Die Abbildung 3 zeigt einen Würfel sowie einen verdrehten Würfel
Abb. 3: Würfel und verdrehter Würfel
Die Abbildung 4 zeigt weitere Stufen der Verdrehung.
Abb. 4: Weitere Verdrehungen
Frage: Wie groß sind Volumen und Oberfläche der verdrehten Würfel?
3 Bearbeitung 3.1 Volumen
Das Volumen all dieser Würfel ist gleich. Dies folgt aus dem Prinzip von Cavalieri, wie es auch in den Abbildungen 1 und 2 angedeutet ist.
3.2 Oberfläche
Die Mantelfläche wird mit zunehmender Verdrehung größer.
3.2.1 Flächenberechnung
Für den Würfel wählen wir das kartesische Koordinatensystem so, dass der Würfel ach- senparallel ist und zwei diametrale Ecken mit den Koordinaten
(
−1,−1,−1)
und(
1,1,1)
hat. Eine Seitenfläche des Würfels hat dann den Flächeninhalt 4.
Ein Viertel der Mantelfläche, zum Beispiel das blaue Teilstück der Abbildungen 3 und 4, kann in diesem Koordinatensystem so parametrisiert werden:
x u,!
( )
v =cos
( )
kπ4u −vsin( )
kπ4u sin( )
kπ4u +vcos( )
kπ4uu−1
⎡
⎣
⎢⎢
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥⎥
, u=
[ ]
0,2 ,v∈ −1,1[ ]
(1)Dabei gibt k den Verdrehungsgrad an. Für k = 0 erhalten wir den unverdrehten Würfel, für k > 1 ist der Deckel gegenüber dem Boden um kπ2 verdreht.
Für die Flächenberechnung benötigen wir die partiellen Ableitungen
x!u = ∂x u,v!( )
∂u =
−kπ4sin
( )
kπ4u −vkπ4cos( )
kπ4u kπ4cos( )
kπ4u −vkπ4sin( )
kπ4u1
⎡
⎣
⎢⎢
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥⎥
(2)
und:
x!v= ∂x u,v!( )
∂v =
−sin
( )
kπ4u cos( )
kπ4u0
⎡
⎣
⎢⎢
⎢⎢
⎤
⎦
⎥⎥
⎥⎥
(3)
Damit erhalten wir die erste Fundamentalform
g1,1=! xu⋅!
xu =k2 π162 +v2k2 π162 +1 g1,2 =!
xu⋅! xv=kπ4 g2,2 =!
xv⋅! xv =1
(4)
und:
g=det
( )
gi,j =v2k162π2 +1 (5) Für den Flächeninhalt S(k) eines Viertels der Mantelfläche, eben zum Beispiel das blaue Teilstück, ergibt sich in Abhängigkeit von k:S k
( )
= gdudv−1 1
∫
−1
1
∫
= 14 v2k2π2+16 dudv−1 1
∫
−1
∫
1= 2kπ1 ⎛⎝⎜kπ π2k2+16+8 ln
(
π2k2+16)
−8 ln(
π2k2+16−kπ)
⎞⎠⎟ (6)Die Tabelle 1 gibt die ersten numerischen Werte.
k S(k) S(k)/k
0 4 -
1 4.379694176 4.379694176 2 5.294609404 2.647304702 3 6.470958993 2.156986331 4 7.779390908 1.944847727 5 9.162361745 1.832472349 6 10.59145114 1.765241857 7 12.05112431 1.721589187 8 13.53217714 1.691522142 9 15.02880150 1.669866833 10 16.53714424 1.653714424 11 18.05454378 1.641322162 12 19.57909939 1.631591616 13 21.10941543 1.623801187 14 22.64444266 1.617460190 15 24.18337611 1.612225074 16 25.72558732 1.607849208 17 27.27057798 1.604151646 18 28.81794763 1.600997091 19 30.36737052 1.598282659 20 31.91857872 1.595928936 100 157.2211346 1.572211346 1000 1570.816339 1.570816339 10000 15707.96586 1.570796586
Tab. 1: Numerische Werte
3.2.2 Feststellungen
Der Flächeninhalt divergiert mit wachsendem k. Der Quotient zu k nähert sich dem Wert π2 ≈1.570796327.
3.2.3 Begründung Der Grenzwert
k→∞lim
S k( )
k = π2 (7)
kann mit CAS bewiesen werden.
Er kann aber auch eingesehen werden wir folgt.
Die Abbildung 5 zeigt die Situation für k = 12. Die blaue Fläche macht insgesamt drei Runden. Die Anzahl der Runden ist allgemein k4.
Abb. 5: Drei Runden
Die Abbildung 6 zeigt die Situation (ohne Deckel und Boden) von vorne und von oben.
Abb. 6: Sicht von vorne und von oben
Die blaue Fläche erscheint als schraubenlinienförmige Kannelierung oder Auskehlung.
Der Innenradius ist 1, der Außenradius 2. Ein Kreisring mit diesen Dimensionen hat den Flächeninhalt π. Die Kannelierung hat pro Runde oben und unten je einen Flä- cheninhalt, die näherungsweise der Ringfläche entspricht. Die gesamte blaue Fläche hat also approximativ den Flächeninhalt:
k
42π= kπ2 (8)
Der Quotient zu k wird also näherungsweise
k 42π
k = π2 (9)
Da die Approximation mit wachsendem k immer besser wird, ergibt sich erneut der Grenzwert (7):
k→∞lim
S k( )
k = π2 (7)