Adolf Grohmakn, Arabic Papyri in the Egyptian Library.
Volume I, Protocols and Legal Texts. With twenty plates.
Cairo, Egyptian Library Press, 1934. 4«. XV u. 277 S.
Dieser stattliche Band trägt die Widmung: To the August
Patron of Papyrology His Majesty Fouad the First King of
Egypt this work is humbly dedicated. Und auf S. VII wird
ausgeführt, mit welchem Eifer und Interesse König Fuad I.
die Papyrusforschung in Ägypten unterstützt und gefördert
hat. Schon in meiner Besprechung von Creswell's Muslim
Architecture (in dieser Zeitschrift, Neue Folge, Bd. XIII,
S. 341) konnte ich darauf hinweisen, daß König Fuad seit
vielen Jahren Wissenschaft und Volksbildung in seinem
Lande eifrig fördert. Nun gebührt ihm von neuem der auf¬
richtige Dank der Wissenschaft.
Die arabische Papyrologie ist, wie jeder Arabist weiß, ein
außerordentlich schwieriges Forschungsgebiet, das unend¬
liche Geduld, viele Sachkenntnisse und gründliche Vertraut¬
heit mit der arabischen Paläographie erfordert. A. Groh¬
mann, der sich seit Jahren mit der Erforschung der arabischen
Papyrusurkunden beschäftigt und dem wir bereits eine Reihe
von wichtigen Veröffentlichungen über sie verdanken, hat
sich, wie nicht anders zu erwarten war, diesen Anforderungen
durchaus gewachsen gezeigt. Da die griechische Papyrologie
die Vorläuferin und Wegbereiterin für die arabische, wie für
die demotische, gewesen ist, so sind ihre Ergebnisse eine
wichtige Hilfe für die Deutung und Auswertung der arabi¬
schen Dokumente, für die neben dem Papyrus auch Perga¬
ment und Papier als beschriebenes Material gebraucht wurde.
Das Buch des Verf. enthält 72 Texte, die in zwei Haupt¬
gruppen zerfallen: I. Protokolle (Nr. 1—36); II. Juristische
402 Bücherbesprechungen.
Urkunden (Nr. 37—72). Auf eine kurze Vorrede und eine
Liste der Abkürzungen folgt im 1. Hauptabschnitte eine Ein¬
leitung, in der die wichtigsten Besonderheiten der arabischen
Protokolle kurz und klar erörtert werden. Die Protokolle
«elbst werden beschrieben, in epigraphischer Umschrift mit¬
geteilt, übersetzt und mit kurzen Erläuterungen versehen.
Es sind: A. Datierte zweisprachige Texte (1—18); B. Un¬
datierte zweisprachige Fragmente (19—30); C. Datierte ara¬
bische Texte (31—33); D. Undatierte arabische Texte. Diese
Protokolle enthalten nach der Eingangsformel, der Basmala,
das islamische Glaubensbekenntnis und den Namen des Cha¬
bfen, manchmal auch den des Statthalters von Ägypten oder
ein Datum; die datierbaren stammen fast alle aus dem 8. Jahrh.
n. Chr. So einförmig sie an und für sich sind, so bieten sie
doch manche Varianten im einzelnen; und die arabische
Schrift sowie bei den zweisprachigen Texten die griechische
Übersetzung und Umschrift sind nicht ohne Interesse.
Bedeutend inhaltsreicher als die Protokolle sind die Ur¬
kunden. Dies sind die folgenden: A. Freilassungsurkunde (37);
B. Heiratsverträge (38—50); C. Erbschaftsregelung (51);
D. Abkommen über eine zwei Parteien gehörige Mauer (52);
E. Kaufverträge, und zwar über Grundeigentum (53 u. 54) und
Hauseigentum (55—72). Die ältesten dieser Urkunden stammen
aus dem 9., die jüngsten ausdemll. Jahrh. n.Chr.; sie umfassen
eine Zeit von rund 250 Jahren. Fast alle sind nicht auf
Papyrus, sondern auf Pergament oder Papier, eins ist auf
Leder geschrieben. Sehr viele sind nur fragmentarisch er¬
halten; diese hat der Verf., soweit es möglich war, auf Grund
der vollständigen Texte geschickt und mit Umsicht ergänzt.
Die Schreibarten sind sehr verschiedenartig und stellen
manchmal an das Auge und die Kombinationsgabe des Ent¬
zifferers hohe Anforderungen. Im ganzen geben uns diese
Urkunden ein lebendiges Bild aus dem täglichen Leben in
Ägypten während jener Jahrhunderte, und wir lernen aus
ihnen einen Teil der damaligen Rechtspraxis und ihrer schrift¬
lichen Fixierung kennen. Besonders interessant sind auch die
Namen der Kontrahenten, der Schreiber und der Zeugen;
da finden sich koptische, lateinische, griechische, hebräische
und arabische Namen. Die Urkunden sind, wie die Protokolle,
genau beschrieben, umschrieben und übersetzt und kurz
kommentiert. Dazu gebe ich hier einige wenige Bemerkungen.
S. 64 (zu Nr. 37, Z. 4) wird unter Hinweis auf Heuser (Die
Personennamen der Kopten, S. 95) der Name .^j^L-l als
eine Zusammensetzung von eicnopoc oder ct6.ypoc mit dem
koptischen Worte oHy erklärt. Da es sich aber um einen
Frauennamen handelt, muß 'laidcoga oder Eiaiöcooa voraus¬
gesetzt werden; beide Formen sind bei Preisigke (Namen¬
buch, Sp. 153 u. 96) belegt. Ob Ztuvqö; als weiblicher Eigen¬
name gebraucht wurde, ist mir unbekannt. Im Koptischen
kommt c-r».Tpoc als Männername vor; vgl. Heuser, S. 83.
Im Griechischen ist Uravody.iog häufiger (vgl. Preisigke u.
Pape, s. v.); dies entspricht dem armenischen Namen flalik
,, Kreuzlein". Mit oh-j- zusammengesetzte Namen kommen
noch ein paarmal in diesen Urkunden vor: in Nr. 43,
Z. 5; 1^ und in Nr. 60, Z. 3 (\yj>j, Z. 8; lyby, Z. Ii).
S. 64 (zu Z. 8) heißt es: ,,The name Ojl is either 'Aqiävii
or 'ÄQiavoi; ('AoQiavöi) in F. Preisigke, Namenbuch, col. 47."
Das ist nicht möglich, da die aus Preisigke angeführten
Namen männlich sind, während doch i,jU öjl
weiblich ist. Ein der Form ö j\ genau entsprechender Name
findet sich bei Preisigke nicht; dagegen hat er die weiblichen
Namen 'Aoea, 'Aqeia und 'AQt]a. Letzteren Namen glaube
ich in dem Namen der Mutter des berühmten abessinischen
Heiligen Za-Mikä'el 'Aragäwi zu erkennen; er hat in Guidi's
Ausgabe die unerklärliche Form (Ednä), die durch
Verlesung von Ijl zu üjI entstanden sein dürfte. Als Grund¬
form von öjl müßte man etwa ein unbelegtes KAqiav)) an¬
nehmen.
S. 84/85: Der Frauenname Darwä (in Nr. 40, Z. 2) ist
vielleicht zu Taqav oder Taqoiovi; (Preisigke, Sp. 416f.) zu
stellen, die beide weiblich sind.
S. 96 (zu Nr. 43, Z. 5) wird gesagt, der Name der Braut
sei nicht sicher lesbar, auf S. 95 wird er umschrieben.
Nach der Photographie kann anstatt des a auch ein . gelesen
ZeiUchrift d. D.M.G. Neue Folge Bd. XIV (Bd. 89) 27
2 7
404 Bücherbesprechungen.
werden, und dann haben wir den Namen koptisch
niAigHT, der in Nr. 60, Z. 3 geschrieben wird.
S. 99 (zu Nr. 44, Z. 8): Auf den Namen des Fatimiden-
Chahfen az-Zähir h-'I'zäz Din Alläh (1021—36) folgt eine
Bezeichnung, die im Text als ^^.Jl jj= gegeben, in der Über¬
setzung aber ausgelassen ist. Die Lesung scheint mir
nicht richtig zu sein ; namentlich das j wäre nach der Photo¬
graphie ganz ungewöhnlich. Beim vierten Buchstaben ist
augenscheinlich eine Verbesserung (von j zu <.) vorgenommen.
Dann wäre die Lesung J-» möglich, ,,der Mächtige"
(wörtlich „der, dessen Befehl geachtet wird"). Aber das ist
sehr unsicher, da dieser Ausdruck ungebräuchlich ist, und
vielleicht sind beide Wörter ganz anders zu lesen.
S. 114, Z. Ii: Der Name ^sjj wird Zakariya umschrieben.
Er ist wohl eine Kurzform von tL Zakariyä\ ist aber
Zikrt zu sprechen; dieser Name ist, wie mir Herr Muräd
Kämil mitteilte, noch heute in Ägypten gebräuchlich.
S. 115 (zu Nr. 48, Z. 2): Von dem Namen U-U (bzw.
^^.aJL) wird gesagt „representing 'EXiad V^'b^". Das ist wahr¬
scheinlich; aber dann geht die Form UjI>- weder unmittelbar
auf die griechische noch auf die hebräische Form zurück,
sondern sie hat den Umweg über das Koptische gemacht, wo
ein 2 vorgeschlagen ist (^eAic*.ioc). Das hebr. JJ{J^''^t< lautet arabisch ^l.
S. 129 (zu Nr. 51, Z. 21): Der Name ^ könnte auch JJ
gelesen werden.
S. 137 (zu Nr. 52, Z. 3): Der Name I.U (fem.) geht viel¬
leicht auf altägypt. kmjj.t (fem.) zurück; vgl. Ranke, Die
ägypt. Personennamen, S. 334, Nr. 9 u. 10.
S. 142/43 (Nr. 53, Z. 18): Das vom Verf. zu Anfang der
Zeile nicht gelesene Wort ist aller Wahrscheinlichkeit nach
ijj; das ergibt einen guten Sinn. Dann ist zu übersetzen:
the east boundary is (formed by) the land of the heirs of Abu
'n-Nagm.
S. 150 (zu Nr. 54, Z. 3): Der Name ^jJJj ist interessant.
Der Verf. leitet ihn wohl mit Recht von Rafael ab (mit Re¬
duplikation der 1. Silbe). Allerdings wird sonst bei Kose-
namen die zweite Silbe verdoppelt, wie bei Fatamtam {< Fä¬
tima) und Halamlam (< Halima). — Zu den christl.-arab.
Wiedergaben des Namens Theodoros ist vor allem die heute
am meisten gebräuchliche Form Tadros zu stellen.
S. 152, Z. 8/9 heißt es: „'^ij^ corresponds to Syriac Bar-
desän." Natürlich kann die arab. Form nicht unmittelbar auf
das syr. Bardaisän zurückgehen, sondern muß durch ein
griech. Bagdrjaavrjii;) vermittelt sein.
S. 160 ff. (zu Nr. 56, Z. 17): Den Namen, den der Verf. hier
(und in Nr. 48, Z. 8, 16; Nr. 57, Z. 24) Al-Yasa' Hest, möchte
ich heber als ^1 EliSa' (s. oben zu S. 115) lesen, obgleich
dieser Name heute (meist in der Form Li^a') nur noch von
Juden gebraucht wird. Jedenfalls ist mir im Arabischen al-
Yasa' als Name nicht bekannt.
S. 165 (zu Nr. 56, Z. 19): Statt Zakariya 1. Zikrt; s. oben
zu S. 114.
S. 172, Z. 2—5 heißt es: corresponds no doubt to
niraxog . . ., and the name of his sister to MaydaXrjvij." Der
Ausdruck ,,his sister" soil sich wohl nicht auf Patäqos selbst
beziehen, sondern auf seinen Enkel, der vorher genannt ist.
Aber auch dann ist er nicht richtig. Im Texte der Urkunde
schließt Yohannes b. Sanüda b. Patäqos einen Kaufvertrag
mit Maqtalenä, Tochter des Sanüda b. Aiyüb. Die Väter der
beiden Kontrahenten haben zwar denselben Namen (Sanüda),
müssen aber verschiedene Personen sein, da die Namen ihrer
Väter verschieden sind.
S. 173 (zu Nr. 57, Z. 7): Der Verf. liest das letzte Wort
der Zeile <_.v" und nimmt an, es sei ein Mannesname, für den
ein koptisches Element noch nicht gefunden sei. Ein kop¬
tischer Name, der mit t- beginnt, läßt zunächst an ein Femi¬
ninum denken, und vielleicht ist auch hier der Name der
Mutter genannt; dann könnte man lesen, das dem kopt.
-Te.ijiin bzw. rojuens. entsprechen würde (vgl. Heusbr, Die
Personennamen der Kopten, S. 18 u. S. 40).
S. 184 (zu Nr. 59, Z.9): Der Verf. nimmt an, daß die
Schreibung dJjlil» für <dJj jliU ein Beispiel der seltenen
27»
406 Bücherbesprechungen .
Involutio sei; aber sollte man nicht eher annehmen, daß hier
die unbeabsichtigte Auslassung eines Buchstaben vorliegt?
Karabacek's Involutio scheint immer mehr zusammenzu¬
schmelzen.
S. 190, Z. 9 V. u.: Für .yj,j (bzw. \yj>j, lyj» kann Verf.
kein koptisches Äquivalent geben. Es ist aber sicherlich
pip\oHT (Heuser, S. 95), das dem Verf. auch (nach S. 64,
Z. 8) bekannt ist.
S. 217: In 5 f hat der Verf. mit Recht ein Diminutiv
von i 5' erkannt; ähnliche Formen kenne ich aus dem Neu¬
arabischen in Ägypten und Syrien. Vgl. u. a. imeine
Modern Arabic Tales, S. 4, Z. 9; küuelljte (so!) ,,sein Sprüch¬
lein", Schmidt-Kahle, Bauernerzählungen I, S. 242, Z. 21.
S. 227 (zu Nr. 65, Z. 30): Zu dem Namen 'Aqrab, der als
m. und als f. vorkommt, vgl. meine Nabataean Inscriptions,
S. XVI, und dazu Aghani, XV, 7, und Wcstenfeld, Register,
S. 40.
S. 251 ff.: In Nr. 69, Z. 7 und Nr. 70, Z. 7 liest der Verf.
j-UU j^,;ax_4. An der zweiten Stelle ist das zweite Wort halb er¬
gänzt. S. 253 übersetzt er ,,two mosques ...", S. 259 ,,the two ...
mosques." Der Artikel ,,the" muß natürlich fehlen; und es
ist sachlich kaum möglich, hier den Dual ^y-»*— . zu erkennen.
In der Straße bzw. dem Stadtteil wird es nur eine Moschee
gegeben haben; daher ist es besser, wie Herr Muräd Kämil
mir vorschlug, zu lesen ^ j^x-a ,,die Moschee des Ibn
♦Mämalin". Aber der Eigenname und seine Lesung sind
mir unbekannt; man kann natürlich auch Ma'malen voka¬
lisieren.
S. 254 (zu Nr. 69, Z. 10): Der Verf. liest hier und in Nr. 70,
Z. 9; 71, Z. 11 den Namen jUl a^l. ,, Ahmad the wine
seller". Der Name Ahmad wird, soweit mir bekannt ist, nur
von Mohammedanern gebraucht. Es scheint mir aber aus¬
geschlossen, daß ein Muslim sich öffentlich in einem Dokument
als Weinhändler bekennen könnte. Ich glaube daher, daß
jUl hier als jUl zu lesen ist. Dann ist Ahmad ein Fahnen¬
macher, und die Fahnenmacher werden ja auch in Nr. 70, Z. 7
im jJU i»i erwähnt.
S. 260 (zu Nr. 70, Z. 2): Der Name, der hier und in Nr. 71,
Z. 2 nicht erklärt wird, ist in Nr. 71 geschrieben. Da vor
diesem Namen eine Lücke ist, kann vor ihm l oder ,1 er¬
gänzt werden. In i^o-l bzw. ]^a-.ij sehe ich dann den Namen
'laidorog (EiaiöoroQ) Preisigke, Namenbuch, Sp. 153.
S. 271 (in Nr. 72, Z. 13): ^_Ul ist nicht „buyer", sondern
„seller". Und allein der Verkäufer paßt hier in den Zu¬
sammenhang.
Additions and corrections. Tables of papyri, List of plates
und die vortrefflich reproduzierten ,, Plates" beschließen das
Buch. Einige wenige Druckfehler sind mir im arabischen und
im englischen Text begegnet; sie können leicht verbessert
werden. Auf Tafel XIX sind die Zahlen 70 v • und 71 v \
umzustellen.
Dem ersten Bande soll ein zweiter mit etwa 70 anderen
Urkunden folgen. Möge er bald erscheinen können! Der Verf.
kann des Interesses und des Dankes der Arabisten, Islam¬
forscher und Papyrusforscher gewiß sein. g Littmann.
Kees, Hermann: Ägypten (= Handbuch der Altertumswissen¬
schaft, begründet von Iwan Müller, herausg. von Walter
Otto. Dritte Abteilung, Erster Teil, Dritter Band [Kultur¬
geschichte des alten Orients], Erster Abschnitt). Mit einer
Karte des alten Ägypten, 59 Abbildungen auf 32 Tafeln und
6 Abbildungen im Text. C. H. Beck, München 1933. 372 S.*).
Um es gleich vorwegzunehmen: Das vorliegende Buch
von Hermann Kees, das die ägyptische Kulturgeschichte von
ihren Anfängen bis zum Ende der Perserzeit behandelt,
ist eine hervorragende Leistung, die unser Verständnis der
ägyptischen Kultur um ein ganz wesentliches Stück vorwärts
treibt. Das Versprechen, das der Verfasser in seinem Vorwort
gibt, ,, möglichst viele Gedanken in möglichst wenigen Worten
darzubieten", hat er durchweg gehalten, und der Kenner der
1) Zu meinem lebhaften Bedauern ist das Erscheinen dieser Be¬
sprechung durch eine längere Krankheit ungebührlich verzögert worden.
2 7 *
408 Bücherbesprechungen.
Probleme, um die es sich bei einer ägyptischen Kultur¬
geschichte handelt, findet auf Schritt und Tritt eine Fülle
von wertvollen Anregungen. Bei einem bewundernswerten
Umfang von Einzelkenntnissen auf allen Teilgebieten, die
auf einer umfassenden Belesenheit in der ganzen Literatur,
einschließlich der über die Zeit der griechisch-römischen
Herrschaft in Ägypten, beruht, hat der Verfasser doch nirgends
den Blick auf das Ganze, den Sinn für das Wesentliche und
Wichtige, verloren. Überall sind die großen Linien gezeichnet,
die noch offenen Fragen klar herausgehoben. Wir besitzen in
diesem Buche endlich eine allen Ansprüchen der heutigen
Wissenschaft gerecht werdende wirkliche Kulturgeschichte
Ägyptens.
Schon die Einteilung zeigt, wie der Verfasser sein Thema
neu und durchaus eigenartig anfaßt. Das Buch ist, nach einer
Einführung in die literarischen Hilfsmittel für ägyptische
Kulturgeschichte und einer inhaltreichen Einleitung über
,,die Grundlagen der frühzeitlichen ägyptischen Kultur", in
sechs große Abschnitte gegliedert. Der erste, ,,Die Lebens¬
grundlagen" betitelt, enthält eine kurze Bemerkung über
Land und Volk und bespricht dann ausführlich die Land¬
wirtschaft (Viehzucht und Ackerbau), die Jagd und den
Fischfang. Der zweite handelt über ,, Haushalt und tägliches
Leben". Er berichtet über die häuslichen Gewerbe (Backen
und Brauen, Küche und Schlachthof, Lederarbeit, Wäscherei,
Spinnen und Weben, Flechten und Wirken, Töpferei), über
die Familie, über Schönheitspflege und Vergnügungen und
über die Bestattung. Es folgen ein Abschnitt über Handel und
Verkehr und einer über das Handwerk, seine Rohstoffe und
ihre Gewinnung und Verwendung. Der fünfte und längste
Abschnitt (S. 172—263) behandelt den Staat und umfaßt das
göttliche Königtum, die Landesverwaltung, Recht und Ge¬
richt, Heer und Kriegsführung und die Priester. Der sechste
Abschnitt endlich sucht ,,die geistige Leistung Ägyptens"
herauszustellen. Er behandelt zunächst „gemeinsame Züge"
und die „Kunstauffassung" und bespricht dann Schrift,
Sprache, Literatur, Mathematik, Weltbild, Astronomie, Me-
dizin und Religion. Es folgt noch ein kurzer, die Probleme
sehr fein abwägender Abschnitt über die Stellung der grie¬
chischen Philosophie zu Ägypten, ein Anhang über Nubien,
das an Ägypten südlich anschließende Kolonialland (S. 339
bis 354), sowie eine Zeittafel und ein ausführliches Sach¬
wörterverzeichnis.
Besonders begrüßenswert erscheint mir das Interesse des
Verfassers für die bisher recht stiefmütterlich behandelte
Geschichte der ägj'ptischen Wirtschaft und ihre Probleme,
das in fast allen Kapiteln, vor allem aber in der Besprechung
von Handel und Verkehr, von den Rohstoffen, vom Staate
hervortritt. Es ist für die von aller antiquarischen Stoff¬
sammlung bewußt sich abwendende Richtung des KEKs'schen
Buches bezeichnend, wenn hier, wohl zum ersten Male,
etwa von der „zielbewußten Rohstoffpolitik der Könige",
von dem König als ,,dem einzigen Großkaufmann (bis weit
in das Neue Reich hinein)", von ,, Memphis als Sammelstelle
der Staatsrentner (am Ende des Alten Reiches)", von einer
,,sehr konsequenten Zoll- und Monopolpolitik" und Ähn¬
lichem die Rede ist.
Lebendig und aufhellend wirken auch gelegentliche Gegen¬
überstellungen von ägyptischer und germanischer Auffassung.
So wenn Kees (S. 205f.) den Helden einer der größten der
uns erhaltenen ägyptischen Erzählungen, Sinuhe, der seinen
Herrn verläßt, und „offen Angst bekennt", mit dem Helden
eines germanischen Epos vergleicht, oder wenn er (S. 118),
darauf hinweist, ,,daß Herrschaftskämpfe in den fortgeschrit¬
tenen Sagenfassungen weniger durch heldischen Kampf als im
Rechtsstreit vor einem Richter entschieden werden."
Solche Vergleiche verführen den Verfasser aber nicht etwa
dazu, die Leistungen der ägyptischen Kultur vom germani¬
schen Standpunkt oder von heutigen Anschauungen aus zu
werten. Es ist im Gegenteil ein Hauptverdienst von Kees,
daß er bewußt auf alle von außen her angelegten Maßstäbe
verzichtet und, mit behutsamer Einfühlung in das uns so
völlig Ferne und Fremde, die der ägyptischen Kultur eigenen
Gesetze aufzuspüren versucht. Hier folgt er den vorbildlichen
410 Bücherbesprechungen.
Pfadfinderarbeiten Heinrich Schäfers in dessen Einführunff o
in die ägyptische Kunst und fordert mit Recht ein gleiches
Verfahren auch für das Verständnis aller anderen Gebiete der
ägyptischen Kultur. Sein Bekenntnis, daß wir, allen heißen
Bemühungen zum Trotz, noch immer „weit davon entfernt
sind, eine sichere Einstellung zum Verständnis des ägyptischen
Geisteslebens gewonnen zu haben", soll gewiß keinen ehrlich
Mitforschenden entmutigen, aber es ist eine wertvolle Mah¬
nung, die wir nie aus dem Sinn verlieren sollten. Dabei ist zu
betonen, daß Kees selbst in sehr feinen Formulierungen —
ich nenne nur das ,,Zusammentrefl'en einer zur klaren Formel
drängenden Bewußtheit mit genialisch unbekümmerter Be¬
gabung" (S. 296) — der geistigen Eigenart der Ägypter um
ein gutes Stück näherkommt als seine Vorgänger.
Was an wichtigen Einzelangaben sich findet, ist größten¬
teils in den sehr reichhaltigen Anmerkungen belegt^) und
gelegentlich näher ausgeführt. Die Sprache ist im Ganzen ") dem
Stoff vollkommen angepaßt, und das Buch liest sich flüssig
und angenehm. Der Druck i.st fast fehlerlos.
Dass ich nicht in jeder Einzelheit mit Kees einer Meinung
sein kann*), ist selbstverständlich und für die Leser dieser
Zeitschrift belanglos, aber über eine tief ergreif ende Meinungs¬
verschiedenheit muß ich zum Schluß doch kurz Rechenschaft
1) In einigen besonders interessanten Fällen fehlen leider die Be¬
lege, so für die Schweineherden im Osiristempel (S. 21), für das Signal
der Eröffnung der Wintersaat durch die Regierung (S. 34), für den
ältesten erbrechtlichen Gerichtsakt (S. 82), für ein Beispiel von Gestirn-
voraussagung unter Thutmosis III (S. 305).
2) Gelegentliche Modernismen sollten bei einer neuen Auflage ver¬
mieden werden. So etwa die Ausdrücke ,, Prominente" und ,, zugkräf¬
tige Kulte" auf S. 11, „religiöser ,cant'" (S. 68 und S. 172), „geschick¬
ter Schachzjg" (S. 175). Die alte Übersetzung ,, Vorsteher der Scheunen"
wird doch besser durch „V. der Kornspeicher" o. ä. ersetzt. Auch die
Übersetzung ,,Amme" für den Erzieher (S. 86) ist nicht richtig. —
Warum immer noch ,, Vezier" statt ,, Wesir", ,, Prophet" statt ,, Priester"?
3) Fayence schon in vorgeschichtlichen Gräbern (S. 136)1 —
Königsgräber der Thinitenzeit rechteckige Ziegelmastabas (S. 148)?! —
Daß Amenophis IV. zunächst in Theben residiert hat, scheint mir durch nichts erwiesen (S. 332).
geben, da die nichtägyptologischen Leser des Buches sonst
den Eindruck gewinnen könnten, als trage Kees in diesem
Punkte eine communis opinio der Fachgenossen vor. Ich
meine seine Auffassung von der Rolle des unterägyptischen
Reiches in den Anfängen der ägyptischen Kultur. Kurt Sethe
hat seit vielen Jahren zusammengetragen, was für eine ent¬
scheidende Bedeutung dieses Landesteils für die Entwicklung
höherer Kulturformen in Ägypten zu sprechen scheint, und
hat auf Grund dieser Beobachtungen in seinem Buche „Ur¬
geschichte und älteste Religion der Ägypter"^) einen Rekon¬
struktionsversuch der ältesten Geschichte Ägyptens ent¬
worfen. Wir haben uns seitdem mehr oder weniger daran
gewöhnt, in dem gegen Norden, Westen und Osten allen An¬
stößen von außen aufgeschlossenen Unterägypten und bei
seinen Bewohnern die Anfänge der über primitive mensch¬
liche Lebensformen sich erhebenden eigentlich ägyptischen
Kultur — vor allem die Zähmung der Haustiere, die Einfüh¬
rung des Getreide-, Flachs-, Weinbaues, aber auch die Er¬
findung der Bilderschrift, des Kalenders u. a. — zu suchen.
Daß hierbei Vieles noch sehr problematisch ist, soll gewiß
nicht geleugnet werden, aber die SETHE'sche Annahme scheint
mir bisher doch den tatsächlichen Befund immer noch am
besten zu erklären. Vor allem vermisse ich bei Kees eine
mehr einleuchtende Erklärung, und solange eine solche nicht
gegeben ist, möchte ich der SETHE'schen Auffassung, die
übrigens, so viel ich sehe, heute von fast allen deutschen
Ägyptologen geteilt wird, den Vorzug geben.
Hermann Ranke.
Moore, Ellen Whitley, Neo-Babylonian Business and Ad¬
ministrative Documents, with transliteration, translation
and notes. Ann Arbor: University of Michigan Press 1935,
XVI -f 396 S.
Die Rechtshistoriker haben wiederholt die Nachteile und
die Unzulänglichkeit der Veröffentlichung von Tontafeln
1) Leipzig 1930.
412 Bücherbesprechungen.
juristischen Inhalts lediglich in keilschriftlichen Kopien her¬
vorgehoben und auf die dringende Notwendigkeit einer
Wiedergabe dieser Texte auch in Umschrift und Übersetzung
hingewiesen, damit ihre rechtsgeschichtliche Erschließung
leichter vor sich gehen und die juristische Assyriologie nach
und nach den ihr gebührenden Platz neben ihrer älteren
Schwester, der Papyrologie, einnehmen könne. Mit aufrich¬
tiger Freude begrüßen wir daher das vorliegende Werk, wel¬
ches einen bedeutsamen Schritt in der Erfüllung unseres
Postulates darstellt, indem es die in den beiden Bänden
TGL. XII und XIII des Louvre enthaltenen, zum Teil sehr
wertvollen neubabylonischen Urkunden der Forschung in
bequemer Art zugänglich macht.
Die Umschrift der Texte, von welchen Gontenau manche
Stellen neu kollationiert hat, ist sehr sorgfältig und bis auf
wenige Versehen und Mißverständnisse durchweg korrekt;
einzelnes ist trotz der Revision unlesbar geblieben, wie z. B.
die juristisch nicht unbedeutende Wendung in Nr. 205, 18.
Die Übersetzung ist unbeschadet ihrer Treue der Wiedergabe
sehr gut lesbar und im allgemeinen auch juristisch zutreffend.
Man nimmt bei beiden die einzelnen Ungenauigkeiten und
Fehler, die man leicht an der Hand der Originalpublikation
berichtigen kann, gerne in Kauf, wenn man dafür in der Lage
ist, zweihundertfünfzig Urkunden in «in paar Stunden durch¬
zusehen. Wir haben übrigens immer gesagt, daß durch Tran¬
skription und Übersetzung die keilschriftlichen Kopien keines¬
falls ganz entbehrlich werden; denn diese sind, namentlich
bei schwierigen, von den stereotypen Formularen abweichen¬
den Texten, unerläßlich und werden es auch stets bleiben,
aber es läßt sich anderseits nicht leugnen, daß eine Ausgabe
in bloßen keilschriftlichen Nachzeichnungen heute meistens
doch nicht mehr als ganze Arbeit angesehen werden kann.
Die nach den Urkunden kommenden kurzen Anmerkungen
(S. 279—320) bringen neben zahlreichen Erklärungen nütz¬
liche Beiträge sowohl lexikalischen, als auch sachlichen In¬
halts; im einzelnen ist freilich manches anfechtbar oder über¬
holt. Auch hat die Verfasserin bei ihren Literaturangaben
gelegentlich übersehen, daß vereinzelte Urkunden der Samm¬
lung schon anderwärts ganz oder zum Teil eine Bearbeitung
gefunden haben. Unter den weiteren Beigaben ist insbeson¬
dere das in den beiden TCL.-Bänden fehlende Personen- und
Ortsnamenverzeichnis zu begrüßen.
Auf den Inhalt der Urkunden einzugehen, erscheint mir
hier nicht mehr nötig, weil die Texte bereits aus der Original¬
ausgabe von Contenau bekannt sind. Wir beglückwünschen
aber Miß Moore zu ihrer fleißigen und nicht allein für die
Rechtshistoriker außerordentlich brauchbare Leistung, der
die von uns angemerkten kleinen Mängel keinen Abbruch tun.
Vivant sequentes. San Nicolö.
Elihu Grant: Rumeileh. Being Ain Shems Excavations (Pale¬
stine). Part III. Haverford 1934. IX, 99 S., 1, 32 Taf. 4".
fBiblical and kindred Studies. Haverford College, Haver¬
ford, Pennsylvania. Nr. 5.) ^ 10.—.
Da hier nur der dritte Band eines Ausgrabungsberichtes
angezeigt werden soll, empfiehlt es sich, vorher den Sach¬
verhalt kurz aufzuzeigen. Es handelt sich bei dieser Grabung
des Haverford-College um die Wiederaufnahme einer eng¬
lischen Vorkriegs- (Teil-) Grabung des im Westhang Mittel¬
palästinas liegenden Hügels 'ain schems (vgl. D. Mackenzie
in PEF Annual I—III, 1911/12). In den Resten der in die
Mittelbronzezeit zurückreichenden Stadt (d. h. seit 2000 be¬
stehend) hat man den im AT. als Kanaanäerstadt genannten
Ort Beth Schemesch zu sehen.
Der nach der zweiten bei den heutigen Arabern gebräuch¬
lichen Bezeichnung des Hügels ,, Rumeileh" genannte Bericht
Elihu Grants über die Grabungen von 1933 bietet im wesent¬
lichen einen Katalog, der nach den Fundräumen durch¬
numeriert ist. Die Beigabe eines Registers sowie von Karten
ermöglichen immerhin das nicht einfache Zurechtfinden in
Text, Abbildungen und Geländeaufnahmen. Die z. T. sehr
kostbar gedruckten, z. T. wieder sehr wirr durcheinander
414 Bücherbesprechungen.
gezeichneten Tafeln helfen da auch nicht viel weiter. An
archäologischen Einzelheiten hebe ich die Gußform mit dem
Bild eines „mitannischen" Gottes und seiner syrischen Göttin,
eine tönerne ,,Axt" mit Ras Schamra-Alphabet-lnschrift(?) —
S. 27 gibt keine Lesung, ebensowenig wie S. 67 f. die abgebil¬
deten althebräischen Siegel umschrieben werden — und die
Tonplastik eines Wiesels (Tafel XX bzw. XXII) hervor.
Sofern man das katalogartige Werk als vorläufigen Be¬
richt nimmt (wogegen aber die Ausstattung zu sprechen
scheint), mag man es gut und gern benutzen, aber, was man
als dringendes Erfordernis zu kennzeichnen hat, ist dies, daß
neben das analytische Verfahren auch das synthetische tritt
(ohne summarisch-populär zu sein). Es wäre der beste Ge¬
winn für den Ausgräber selbst und für die Auswertung der
interessanten Funde in einer Zeichnung der Kultur der ver¬
schiedenen Perioden. - Galling.
Eingegangene Bücher
Angezeigt von Wilhelm Printz
Atti del III Congresso internazionale dei linguisti (Roma,
19—26 settembre 1933— XI}. A cura di Bruno Migliori.ni e
Vittore Pisani. — Firenze: F. Le Monnier 1935— XIII. XV,
449 S. 8°. Lire 60.-.
Die bisherigen Linguisten-Tagungen zeigen ein erfreuliches Maß
von Selbstbeschränkung. Auch haben es ihre Leiter verstanden, durch
Hervorhebung einiger vpcniger Diskussionsthemen für die Voll¬
sitzungen das Interesse für die Veranstaltung zu beleben. Daneben
wurden in Rom drei Sektionen — eine für allgemeine und indo¬
germanische Sprachwissenschaft, eine für indogermanische Einzel¬
sprachen und eine für nicht-indogermanische Sprachen — gebildet,
die für jede Sektionssitzung tunhchst zusammengehörige Vorträge
boten. — Von den allgemeinen Themen sei hier wenigstens eins: das
Problem der allgemeinen Sprachverwandtschaft erwähnt und auf das
Referat von Holger Pedersen hingewiesen, der für die Beziehung
zwischen Idg. und Finno-Ugrisch Neues bringt. Noch weiter greift
B. CoLLiNDER, der noch das Samojedische einbezieht und seitdem
eine Arbeit über ,,Indo-uralisches Sprachgut" (Uppsala Univ. Ars-