Han ^Alam
und die diplomatischen Beziehungen zwischen öahängir
und Schah <Abl»s Von Ernst Kühnel
Die Beziehungen zwischen Iran und dem Moghulreich
waren nach dem Regierungsantritt Gahän^r's nicht die
besten. Im Jahre 1015 H. (1606/07) sah der Kaiser sich
genötigt, starke Heereskontingente in das Qandahärgebiet
zu schicken, wo persische Truppen eingedrungen waren,
und rüstete selbst zum Aufbruch in den Kampf. Schah
'Abbäs beeilte sich, die ganze Aktion als eigenmächtiges
Vorgehen seines Gouverneurs von Farah hinzustellen, das
er mißbillige. In seinem Auftrage zog einer seiner Ver¬
trauten, Husain Beg, nachdem er einige Nachforschungen
vorgenommen, dem Moghulkaiser entgegen, der ihn in Lahor
empfing, und klärte den Sachverhalt auf. Durch eine noch¬
malige, unwillige Äußerung des iranischen Herrschers über
die Ruhestörer, mit dem Befehl, die Qandahärzone sogleich
zu räumen, konnte der Zwischenfall als endgültig beigelegt
gelten '). Bald darauf entsandte Schah 'Abbäs als Sonderbot¬
schafter den Kamäl ad-din Yädgär 'Ali, der — etwas sehr
post festum — das Beileid zum Tode Äkbar's und Glück¬
wünsche zur Thronbesteigung zu überbringen hatte. Er
wurde am 24. Moharrem 1018 H. (1609) von Gahängir emp¬
fangen, brachte kostbare Geschenke mit und überreichte ein
Schreiben seines Herrn, dessen Wortlaut der Kaiser in seinen
Memoiren kopiert, mit Entschuldigungen wegen der ver¬
späteten Botschaft und in überschwenglichen Ausdrücken
1) Tüzuk i ßrahängm, translated by A. Rookbs and H. Bevebidgb,
London 1909—14, I. 85, 86, 90, 112. (Ich zitiere immer im folgenden nach dieser englischen Ausgabe.)
1 •.:
172 E. Kühnel, Han 'Alam
der FreundschaftVon Yädgär 'Ali, der offenbar beim
Moghulhofe blieb, hören wir dann nichts mehr bis zum Jahre
1022 H. (1613), als er am 20. Sahriwar (August?) in einer
Abschiedsaudienz reich beschenkt entlassen wird, gleichzeitig
mit Barhürdär Hän 'Älam, der ihn als Gesandter Cahängir's
begleiten soll").
Die bisherige Laufbahn des Mirzä Barhürdär ließ eigent¬
lich kaum erwarten, daß der Kaiser gerade ihn für eine der¬
artig wichtige diplomatische Mission auserwählen würde. Er
war ein Sohn des 'Abdurrahmän b. Mu'ayad Beg Düldai,
dessen Vorfahren seit Timür's Zeit dem Herrscherhause treu
gedient hatten, gehörte selbst mit einem Kontingent von
250 Mann zu den kleineren Mansabdären und war bei Akbar
in Ungnade gefallen, als er, um seinen im Kampfe mit Dalpat
Ugaini von Bihär getöteten Vater zu rächen, im Jahre 1600
einen Überfall auf diesen Widersacher ausführte, der übrigens
fehlschlug. Mirzä Barhürdär wurde dafür gefangen gesetzt,
anscheinend aber nur kurze Zeit'). Als 1605 Gahängir zur
Regierung gelangte, dem er schon früher sich nützlich er¬
wiesen hatte, hielt er die Stunde seines Aufstiegs für gekom¬
men, hatte aber ein ausgesprochen schlechtes Debut. Denn
der Kaiser notiert, daß Mirzä Barhürdär, der ohne ausdrück¬
liche Aufforderung zu Hofe gekommen war, zu seinem Lehen
(gägir) zurückbeordert wurde; es sei, so fügt öahängir hinzu,
„kein Zeichen von guten Manieren, wenn man ungeladen
an des Königs Tafel erscheine"*). Der Mirzä muß es aber
schnell verstanden haben, die Gunst des Herrschers zurück¬
zugewinnen; denn dieser machte ihn wegen seiner großen
Erfahrung als Jäger zu seinem Oberfalkner (qüSbegi) und
verheb ihm im Jahre 1609 den Titel „Hän 'Älam", unter
1) Ibid., 1. 193—96.
2) Ibid., I. 248. Der Kaiser gibt die genaueren Daten nur manchmal nach islamischen Monaten, meist nach dem persischen Kalender.
3) Sähnawäz Hän, Mä'atir ul-umarä', Kalkutta 1888, I. 732—36.
Id., translated by H. Beveridge, Kalkutta 1911 ff., 389—92. Desgl.
Abü'l Fadl 'AllamT, Am i Akbari, translated by H. Blochmann, Kal¬
kutta 1873—94, I. 512.
4) Tüzuk I. 21.
E. Kühnel, Hän 'Alam 173
dom er weiterhin in den kaiserhchen Annalen vorkommt').
Er war im Dekhan, als Gahängir ihn 1613 nach Samonagar,
wo er zur Jagd weilte, rufen ließ, um ihm den ehrenvollen
Auftrag zu erteilen, ihn beim Sähinääh von Iran zu vertreten.
Über den Verlauf der Reise, die sich durch mehrere Jahre
hinzog, erfahren wir nur, daß Hän 'Älam auf den Schah,
der in Ädarbaigän im Kampfe gegen die Türken lag, erst
in Herat und dann in Qum lange warten mußte. Nachdem
er von seiner Begleitung, die außer 200 Jägern und Falknern
noch etwa 1000 andere Gefolgsleute umfaßte, schon von Herat
aus viele zurückgeschickt hatte, konnte er endlich im Jahre
1027 H. (1618) mit zehn Elefanten, mit Wagen und Sänften,
Pferden und Kamelen, Raubtieren, Papageien und anderem
seltenen Getier, an der Spitze von 700 Bediensteten in Qazwin
einziehen. Iskandar Beg Munäi, der bei diesem Ereignis an¬
wesend war, meint, seit der Zeit der Safawiden, ja vielleicht
der Hosroen, sei niemals ein fremder Botschafter in Iran
mit soviel Prunk aufgetreten. Der Schah empfing ihn anderen
Tags im Garten von Sa'ädatäbäd und zeichnete ihn durch
eine brüderliche Umarmung aus. Hän 'Älam hatte die Ab¬
sicht, jeden Tag eines der Geschenke seines kaiserlichen
Herrn zu überreichen, mußte sich aber, da der Schah eine
Jagd angesetzt hatte, begnügen, an einem Tage die größten
Kostbarkeiten und Raritäten vorzuführen und das übrige
der Kammerverwaltung zur gelegentlichen Inaugenschein¬
nahme durch den Herrscher zu überhändigen"). Als dann
1) Ibid., I. 154.
2) Mä'atir ul-Umarä', p. cit. Das genauere Datum der Antritts¬
audienz ist nicht genannt (das Jahr wird in der englischen Ausgabe
versehentlich mit 1037 H. angegeben). Das Ereignis läßt sich aber Ende
Juli 1618 ansetzen; denn in den Erinnerungen des spanischen Bot¬
schafters G. Silva y Figueroa (franz. Ausgabe: Ambassade en Perse,
Paris 1667) fmdet sich (p. 241) die Notiz, er habe Qazwin am 27. Juli 1618 verlassen, ,,fast gleichzeitig mit dem Einzug des Botschafters des Königs von Lahor, den man gewöhnlich den Mogul nennt" und dessen Zeltlager er vor der Stadt antraf. Dabei kann es sich nur um Qän'Alam
gehandelt haben; denn an anderer Stelle (p. 290) nimmt Silva y Fi¬
gueroa ausdrücklich Bezug auf die lange Wartezeit des Moghuigesandten
174 E. Kühnbl, Qän 'Älam
im nächsten Jahre der Schah nach Isfahan kam, wurde der
festliche Einzug des indischen Botschafters am 19. Juni 1619
wiederholt; sein spanischer Kollege, auf den die vielen exoti¬
schen Tiere wenig Eindruck machten, hat von dieser Schau¬
stellung kurz und ziemlich geringschätzig berichtetAusführ¬
licher wird sie dagegen von Pietro della Valle geschildert, von
dem wir erfahren, daß der Aufzug den ganzen Tag dauerte,
mit Elefanten, Kamelen und Ochsenkarren, mit Tragsänften,
Musikinstrumenten und anderen ungewöhnlichen Dingen,
während der türkische und der russische Gesandte sehr be¬
scheiden auftraten»).
Aus des Kaisers Memoiren erfahren wir nur einige belang¬
lose Einzelheiten über seinen Botschafter, so etwa, daß er
von dem Rauchverbot dispensiert wurde, das beide Herrscher
etwa gleichzeitig erlassen hatten, daß eine Sendung Melonen
von ihm ankam oder daß er einen Nestfalken schickte').
Ebensowenig ist von seinen Berichten die Rede; erst 1028 H.
(1619) wird beiläufig erwähnt, daß sein Diener Häfiz Hasan
mit einem solchen und einem Brief des Schah 'Abbäs an¬
kam*). Die Beziehungen von Hof zu Hof wurden inzwischen
meist durch andere Persönlichkeiten aufrechterhalten, und
zwar ging dabei die Initiative fast immer vom persischen
Großkönig aus, der keinen ständigen Vertreter in Indien
hatte »).
in Qum. Eingehender äußert sich über dessen Ankunft P. della Valle
(Viaggi: La Persia, Bologna 1677, I): er habe am 17. Juli von Teheran
aus dem Schah seine Aufwartung angekündigt, der ihn aber noch etwas
warten ließ (p. 424). Derselbe Reisende berichtet dann (p. 553—559) ausführlich über den festlichen Einzug des Inders in Qazwin, mit vielen
Einzelheiten, und erwähnt anschließend, daß am 17. November der
Schah nach Farhäbäd aufbrach und den Moghuigesandten nebst kleine¬
rem Gefolge dahin mitnahm (p. 560).
1) Silva y Figueroa, 1. c, p. 295.
2) P. della Valle 1. c, II. 22 IT.
3) Tüzuk, I. 370; II. 10.
4) Ibid. II. 94.
5) Bereits 1613 hatte Muhammad Husain Celebi, der im Auftrag
öahänglr's Juweleneinkäufe tätigen sollte, einen Brief an Schah Abbas
mitbekommen, den er in MaShad übergab und auf den er auch Antwort
E. Kühnel, Hän 'Alam 175
Am 3. Bahman 1028 H. (Jan.? 1620) vermerkt Gahängir
die Ankunft des Hän 'Älam im Garten von Kalänaür (nö.
Lahor), nachdem die Nachricht von seiner Heimkehr den
Kaiser veranlaßt hatte, ihm jeden Tag einen seiner Diener
entgegenzuschicken. Die Köpfe der an ihn gerichteten Fir-
mane wurden mit ad hoc improvisierten Versen geschmückt ;
einmal fügte der Kaiser Essenz von „Grahängiri"-Rosen hin¬
zu, mit einer entsprechenden poetischen Anspielung, und
nach seinem Eintreffen zeichnete er ihn dadurch aus, daß er
zwei Tage und zwei Nächte mit ihm das Zimmer teilen
durfte'). Offenbar wollte Gahängir die Intimität, die der
Safawide seinem Gesandten erwiesen hatte, noch übertreffen ;
er hebt hervor, wie der Schah ohne Förmlichkeit bei Hän
'Älam aus- und einging, wie er ihn beim Abschied umarmt
und nach Verlassen der Residenz nochmals begrüßt habe.
Der vertrauliche Umgangston, der zwischen beiden herrschte,
brachte — nebst einigen mäßigen Türkisen (Tüzuk, I. 237/38). —
Im Jahre 1024 H. (1615) wurde der iranische Sondergesandte Mustafa
Beg empfangen, mit kostbaren Geschenken und einem Schreiben
seines Herrschers; er kehrte noch im selben Jahre, reich beschenkt und
mit einer freundschaftlichen Antwort, zurück (ibid. I. 282, 299). —
Bald darauf kam der Kaufmann 'Abdalkarim mit einigen Gaben des
Schah 'Abbäs (ibid. I. 310), und am 17. Sawwäl 1025 H. (Okt. 1616)
machte Muhammad Ridä Beg seine Aufwartung, mit Pferden und
anderen Aufmerksamkeiten und einem Brief seines Herrn, den Öahängir wieder wörtlich kopiert (I. 336). Der englische Gesandte Sir Thomas Roe hat das Auftreten dieses iranischen Kollegen eingehend und nicht
ohne Bosheit geschildert (vgl. W. Fostbb, The embassy of Sir Th.
Roe to India, London 1916, p. 258, 262, 264, 267). Er wird im Rabi' II.
1026 H. (April 1617) gnädig verabschiedet mit 30000 Rupien und
einem Ehrengewand und mit Kostbarkeiten für den Schah im Werte
von 100000 Rupien (I. 374), nach Roe's Meinung aber, ohne seinen
Zweck erreicht zu haben (I. c. p. 363). — Im Jahr darauf erscheint
9äß Raflq mit einem Schreiben des Safawiden, mit Pferden und
Stoffen, und 1028 H. (1619) Sayid ^asan mit weiteren Mitteilungen und einem Kristallbecher (II. 2, 93—94).
1) Diese letztere Einzelheit fmdet sich nicht in dem Bericht des
Kaisers, sondern in den Mä'atir ul-Umarä' (p. cit.). Dagegen gefällt sich der Kaiser (II. 114/15) noch weiter in Schilderungen der seinem Gesandten widerfahrenen Ehrungen,
ja«
176 E. KÜHNEL, Hän 'Alam
wird sowohl von Silva y Figueroa wie von P. della Valle
bestätigt, aber nicht unbedingt schmeichelhaft für den Inder
gedeutet'). Unter den kostbaren Dingen, die der Diplomat
mitbrachte, war ein altes Miniaturgemälde von der Schlacht
Timür's gegen Tuqtamis, mit porträtgenauer Wiedergabe von
240 Personen, von der Hand des Halil Mirzä Sähruhi, eine
bedeutende Leistung, die schon Bihzäd's genialen Pinsel¬
strich vorwegnahm. Es war aus der Bibliothek der Safawiden
gestohlen und von Hän 'Älam — angeblich in gutem Glauben
— erworben worden, und der Schah überließ es ihm in an-
betracht der großen Leidenschaft seines Herrn für solche
Kunstwerke. Als iranischer Botschafter folgte Zambll Beg mit
einem königlichen Handschreiben und weiteren Geschenken:
Pferden, Maultieren, Kamelen, weißen Falken, Bogen, Schwer¬
tern und Gewändern. Er sollte ursprünglich mit Hän 'Älam
reisen, hatte es aber nicht so einrichten können und wurde
erst am 13. Moharrem 1030 (Dez. 1620) huldvoll empfangen").
Trotz der kaiserlichen Anerkennung, die in der Erhöhung
zum Range eines Mansabdärs von 5000 mit 3000 Pferden
1) Silva y Figueroa, 1. c., p. U19; ,,Der Botschafter von Lahor war
ein Mann von guter Laune und sehr angenehmer Gesellschaft; daher
gefiel sich der König von Persien mit ihm, nicht nur mit Worten,
sondern handgreiflich, indem er ihn beim Bart nahm und ihm auf die
Schulter klopfte, so daß er stets Stoff zum Lachen fand, wo immer
sie sich trafen." — P. della Valle, 1. c, p. 38: den indischen Bot¬
schafter, der von munterer Art war und gern scherzte, begünstigte er
(der Schah) in vertraulicherer Weise, d.h. er gab ihm zahllose kräftige Schläge auf den Nacken, so daß sie ihn, der fett ist und nach der Sitte
seines Landes nur mit einem einfachen, sehr dünnen, weißen Gewand
bekleidet, zweifellos ziemlich schmerzen mußten; andere Male neigte
er sich zu ihm, um ihm ins Ohr zu flüstern und zog ihn dann kräftig bei beiden Ohren; dann wieder nannte er ihn lachend ,,plr gidi", mit Anspielung auf seinen leicht ergrauten Bart, kurz, erwies ihm immer derartige Zärtlichkeiten, die nach außen hin viel Intimität bekundeten, in Wirklichkeit aber innerlich gezwungen wirkten und fast wie Narren¬
possen; vielleicht verfuhr der König auch so mit ihm, um ihm seinen
Hochmut und die Geringschätzung, die er für alle Dinge Sr. Majestät bekundete, heimzuzahlen". Vgl. dazu unten S. 185 Anm. 1.
2) Tüzuk II. 178, 186. Er blieb bei Hofe, mehrfach geehrt, bis 1622 (II. 198, 201, 211).
Al.h.
Oiirhär hei Kaiser ÖaUängir im Freien. Indien, Ki:!] f ! Islamische Abteilung der Staatl. Museen, Berlin
Zu Kl MMi , Hin '.\lani
1.^
E. KüHKKii, Hän 'Älam 177
und damit unter die höchsten Würdenträger des Reichs
ihren deuthchsten Ausdruck fand, ist behauptet worden,
Mirzä Barhürdär sei seiner Aufgabe nicht gewachsen gewesen,
und der weitere Verlauf der Beziehungen zwischen beiden
Staaten scheint dieser Kritik Recht zu geben i). Denn nach
dem Austausch einiger weiterer Höflichkeiten, die Gahän^r
mit Genugtuung verzeichnet, muß er schon im Jahre 1031 H.
(1622) die besorgte Feststellung machen, daß Schah 'Abbäs
mit Truppen aus Horäsän und dem 'Iräq Qandahär belagert,
und sieht sich nun seinerseits genötigt, eine Armee zusammen¬
zustellen und ins Feld zu schicken. In einem Schreiben, das
Haidar Beg Qürbäsi überbringt, sucht sich der Safawide zwar
wegen der inzwischen erfolgten Einnahme von Qandahär zu
entschuldigen, erhält aber eine höfliche, sehr kühle Antwort,
die dem Befremden über diese Gefährdung des beiderseitigen
Einvernehmens deutlichen Ausdruck verleiht. So erscheint
am Ende wie am Anfang der Aufzeichnungen des Kaisers
als Mißklang in den diplomatischen Beziehungen zu dem
iranischen Nachbarn derselbe Streitpunkt wegen der Qanda¬
härzone »).
Die Hauptsorge Gahängir's freilich galt damals dem Vor-
1) Abfällig über ihn soll sich u.a. 'Abdulbamid von Lahor im
PädiSähnäma Sähgahäni geäußert haben (Mä'atir ul-umarä', Bbvb-
HiDOE, p. 391); jedenfalls muß es .schon als Mißerfolg gebucht werden,
daß Schah 'Abbäs dem spanischen Botschafter gegenüber seinen un¬
veränderten Anspruch auf Qandahär betonte, das er, wenn Ö-ahän^
und Hän 'Älam es ihm nicht freiwillig aushändigten, mit Gewalt zurück¬
gewinnen werde (Silva y Figueroa, 1. c, p. 321).
2) Am 30. Rabi' I. 1030 (Febr. 1621) hatten noch Äqä Beg und
Muhibb 'All kostbare Geschenke des Schah 'Abbäs überbracht, die
öahängir einzeln aufzählt (II. 195, 200). Nach dem Ubergrift auf
Qandahär (II. 233) notiert der Kaiser am 1. Ädar 1031 (März? 1622),
daß die zu verschiedenen (Zeiten gekommenen Gesandten des Schah
mit Ehrengewändern und unter Auslagenerstattung Erlaubnis erhielten,
abzureisen (II. 240). Damit war ein Abbruch der diplomatischen Be¬
ziehungen erfolgt, die anscheinend erst 1628, nach der Thronbesteigung
Schah öahän's, wieder aufgenommen wurden durch die Mission Zainal
Beg's. Über dessen ziemlich unfreundlichen Empfang am Moghulhofe
und die tragikomischen Zwischenfälle bei seiner Antrittsaudienz haben Olearius, Bernier u.a. berichtet.
Zeitschrift d. DMO Bd. 96 (Neue Folge Bd. 21) 18
178 E. Kühnel, IJän 'Alam
gehen gegen seinen aufständischen Sohn und späteren Nach¬
folger Schah Gahän, den er fortan verächtlich ,,Bi-daulat"
nennt. Hän 'Älam, der im Jahre 1030 H. (1621) zum Gouver¬
neur von Allahabad ernannt worden war^), wird unter den
Emiren und hohen Offizieren erwähnt, die sich bei diesen
Kämpfen auszeichneten. Er war mit anderen Generälen dem
Prinzen Parwiz beigegeben, und sein Palast spielte als dessen
Hauptquartier zeitweilig eine Rolle»). Schah Gahän hat ihm
diese Gegnerschaft offenbar nicht nachgetragen; denn nach
seiner Thronbesteigung (1628) beförderte er ihn zum Man-
sabdär von 6000 mit 5000 Pferden, verlieh ihm Flagge und
Trommel und machte ihn zum Statthalter in Bihär als Nach¬
folger von Mirzä Rustam Safawi. Wegen übermäßigen Ge¬
nusses von Opium (köknär) mußte er aber bald abgesetzt
werden, und als er 1041 H. (1632) dem Kaiser in Agra seine
Aufwartung machte, ließ dieser ihn wegen seines hohen
Alters und wegen seiner Rauschgiftneigung vom Dienst be¬
freien, so daß er den Rest seiner Tage behaglich in Agra
verbrachte, wo er kinderlos starb').
Als historische Persönlichkeit würde Hän 'Älam schwer¬
lich die Aufmerksamkeit verdienen, die wir ihm im vor¬
stehenden gewidmet haben, wären nicht zufällig von der
Episode seiner diplomatischen Tätigkeit einige bemerkens¬
werte bildliche Darstellungen erhalten geblieben, die in dem
hier gezeichneten geschichtlichen Rahmen dokumentarische
Bedeutung gewinnen. Es handelt sich dabei um persische
1) Tüzuk II. 220. Es ist auffällig, daß diese Ernennung, die den
Beförderten aus der Umgebung des Kaisers entfernte, unmittelbar auf
eine arge Verstimmung des hohen Herrn folgte, die Hän 'Älam hervor¬
gerufen hatte. Auf seine gelegentliche Bemerkung, daß das Fleisch des weißen Reihers {? ,,'ugäb i safld") sehr schmackhaft und zart sei,
hatte öahängir einen solchen kommen lassen, war aber angeekelt von
dem Anblick von Ungeziefer, das aus dem Kropf des Vogels hervorkam und blieb noch lange schlechter Laune (II. 219).
2) Ibid. II. 257, 260, 283/4, 288.
3) Mä'atir ul-umarä', p. cit.; Ain i Akbari, p. cit. Sein Todesdatum wird nicht genannt, und auch sein Geburtsjahr war nicht zu ermitteln;
genaue Daten über ihn haben wir also nur von 1596 bis 1632.
E. Kühnbl, Hän 'Alam 179
und indische Miniaturen, die aus Klebebänden {muraqqä)
stammen und sich heute in verschiedenen Sammlungen be¬
finden. Das interessanteste und künstlerisch bedeutendste
dieser Blätter, jetzt in Petersburg, ist von der Hand des be¬
rühmten Ridä 'Abbäsi, der unter Schah 'Abbäs in der Maler¬
schule von Isfahan die führende Persönlichkeit war (Abb.l).
Nach der Beischrift wurde es am Freitag, 10. Ragab 1042 H.
(21. Jan. 1633), im Auftrage des „Galen seiner Zeit", des
kaiserlichen Leibarztes Muhammad Samsä ausgeführt, und
Sarre und Mittwoch haben angenommen, daß in der oberen
Hälfte der Komposition dieser Medicus dargestellt sei, wie
er dem Schah 'Abbäs eine Schale, vielleicht mit einer Arznei,
überreicht*). Diese Deutung ist zweifellos irrig: der Schah
ist es, der dem anderen die Schale darbietet, und der mit
der Flasche hinter ihm stehende Schenke klärt darüber auf,
daß sie Wein enthält. So hat Sakisian die Szene verstanden,
aber er läßt sich durch die Datierung zu der Annahme
verleiten, es sei nicht der 1629 verstorbene Schah 'Abbäs
gemeint, sondern sein Nachfolger Schah Safi, was wiederum
nicht stimmt»). Auch Sakisian glaubt, daß die zweite Per¬
sönlichkeit der Hakim Samsä sei, obwohl der Text diesen
lediglich als Besteller nennt. In Wirklichkeit handelt es sich
um niemand anders als um unseren Hän 'Älam, und den
Beweis liefert uns Mu'in, Ridä's bekanntester Schüler, der
in zwei in der Bibliotheque Nationale erhaltenen Miniaturen
1) Sarrb und Mittwoch, Zeichnungen von Riza Abbasi, München
1914, erwähnen die Miniatur (p. 10, 51) anläßlich einer für denselben
Besteller einen Tag später — vermutlich bei Überreichung dieser
Arbeit — angefertigten getönten Skizze eines Mannes mit Spindel
(ibid. Taf. 13). — Die untere Hälfte der Komposition zeigt das Reit¬
pferd des Schah mit zwei weiteren Pagen. Das Bild wurde zuerst
publiziert von Martin (Miniature painting and painters in Persia,
India and Turkey, London 1912, pl. 160), ohne den Versuch einer
Deutung und mit irrtümlicher Datierung auf den 18. Ragab.
2) A. Sakisian, La miniature persane, Paris 1929, p. 143, fig. 181.
— Die Porträtähnlichkeit mit anderen Darstellungen des Schah 'Abbäs
ist unverkennbar, und die posthume Datierung beweist zunächst nur,
daß es sich nicht um die Wiedergabe eines frisch gewonnenen Eindruckes handeln kann.
12«
180 E. Kühnbl, IJän 'Älam
die Gruppe getrennt wiedergegeben und mit erläuternden
Beiscbriften versehen hat (Abb. 2 und 3). Beide sind von
ihm signiert, 1113 H. (1701) datiert und als Kopien nach
Ridä 'Abbäsi bezeichnet, das „Bildnis des Schah 'Abbäs",
angeblich nach einem Original vom Jahre 1022 H. (1613),
das „Bildnis des Botschafters von Hindustan, Hän 'Älam,
gesandt von Schah Salim an den Hof, der die Zuflucht der
Welt ist", nacb einer Skizze vom Jahre 1024 H. (1615)0.
Demnach hat Mu'Tn nicht nach dem Petersburger Blatt ge¬
arbeitet, sondern nacb früheren Skizzen seines Meisters, die
dieser selbst erst 1633 bei der Miniatur für Muhammad Samsä
verwertet und ihm dann vielleicht geschenkt hatte. Jeden¬
falls findet durch seine Vermerke die reizvolle Komposition
Ridä's eine einwandfreie Erklärung»).
Die zweite Darstellung, die uns hier interessiert, ist nicht
weniger aufschlußreich. Gahängir schreibt 1619/20 in seinen
Memoiren (II, 116f.): „Als ich Hän'Älam nach Persien ge¬
sandt hatte, hatte ich einen Maler namens Biändäs ihm mit¬
gegeben, der seinerzeit unerreicht war als Porträtist, damit
er die Bildnisse des Schah und der hauptsächhchsten Großen
des Reichs malte und herbrächte. Er hatte die Konterfeis
der meisten von ihnen gezeichnet und besonders das meines
Bruders des Schah so hervorragend gut gemalt, daß, so oft
ich es einem seiner Diener zeigte, diese es als vortrefflich
gelungen bezeichneten". Von diesen Arbeiten des Bisndäs
1) Nach E. Blochbt, Enluminures des mss. orientaux de la Bibl.
Nationale, Paris 1926, pl. CVII. Die Richtigkeit der dort (p. 150, 151)
gegebenen Übersetzungen der in der Abbildung sehr flauen Bild¬
vermerke habe ich an den Originalen selbst noch nicht nachprüfen
können.
2) Die Datierung der Vorlagen muß, da Mu'in vermutlich erst nach
1615 geboren ist, auf fremde Angaben zurückgehen. Sie ist schon des¬
halb unrichtig, weil, wie wir gesehen haben, die Begegnung von Schah
'Abbäs mit 5än 'Älam erst 1618 erfolgte. Die Diskrepanz in den
Jahresangaben beweist, daß Mu'in sich über ihre Zusammengehörigkeit nicht klar war. Im übrigen vnrd seine Unzuverlässigkeit von Sakisuk (I. c.) entschieden übertrieben ; über die Tätigkeit dieses besonders von
Blochbt (1. c.) völlig verkannten Malers vgl. E. Kühnel, Der Maler
Mu'in („Pantheon", 1942, Heft 5).
E. Kühnbl, Hän 'Älam 181
(„ViSnü I)äs") ist nun wenigstens eine noch nachzuweisen,
die sich im Museum zu Boston befindet (Abb. 6). Sie zeigt
in einer hügeligen Landschaft an einem kleinen Bach den
Herrscher Iran's, wie er ganz ähnlich wie auf der eben be¬
sprochenen Miniatur dem Hän 'Älam eine Weinschale reicht,
nur daß beide hier nicht stehen, sondern sitzen und daß außer
dem einschenkenden Pagen noch weitere Personen anwesend
sind. Durch Beischriften sind zwei von ihnen als Isfandiyär
Beg und als 'Aisä Hän Qürci Bäsi deutlich bezeichnet, bei
der dritten ist der Vermerk unklar, und hinter dem indischen
Gesandten erscheint noch sein Diener mit einer kleinen
Huqqa, ein Detail, das uns an seine wiederholt geschilderte
Raucherleidenschaft erinnert'). Die Signatur des Bisndäs,
von dem wir noch einige andere Porträtdarstellungen be¬
sitzen, darf als unverdächtig gelten; eine wenig veränderte
Teilkopie nach dieser Miniatur, beschränkt auf die beiden
Hauptpersonen und den Säqi, ohne Landschaft, vor glattem
Grund, in mäßigerer Ausführung und mit dem Namen des
Hairät Hän, war früher in der Sammlung Schulz »).
Noch ein drittes Bilddokument ist vielleicht mit den hier
geschilderten Vorgängen in Verbindung zu bringen: eine
Moghulminiatur in der Islamischen Abteilung der Berhner
Museen, die einen Darbär, also ein bestimmtes historisches
Ereignis, zum Gegenstande hat (Abb. 4). In einer bergigen
Parklandschaft sehen wir Gahängir auf dem Gartenthron,
den Jagdhabicht auf der Faust und umgeben von Würden¬
trägern, die durcb spätere, aber anscheinend zuverlässige
1) A. CooMABAswAMY, Catalogue of the Indian Collections in the
Museum of Fine Arts, Boston 1930, Part. IV: Mughal Painting,
pl. XXXV, p. 46/7, zitiert in seiner Beschreibung die betreffenden Stellen aus den Tüzuk Crahängiri, nebst dem scherzhaften Verswechsel
zwischen dem Schah und IJän '.\lam anläßlich der auf Anregung von
Yädgär 'Ali erfolgten Rauchdispens für den Moghuigesandten. Aus¬
führlich schildert auch Silva y Figueroa (1. c, p. 327) die Tabakswut des ,, Botschafters von Lahor", der mit seinem unaufhörlichen Qualmen
seine ganze Umgebung und auch den Schah .selbst dauernd belästige.
2) W. Ph. Schulz, Die persisch-islamische Miniaturmalerei, Leipzig 1914, Taf. 179, links.
1;'.
182 E. Kdhkel, gän 'Alam
Beischriften auf der Randeinfassung identifiziert werden
können. Unter ihnen ist der bärtige Mann oben ganz links
Hän 'Älam, den wir auch ohne den Namensvermerk aus der
Ähnlichkeit mit dem Ridä-Bildnis ohne Schwierigkeit er¬
kannt hätten (vgl. Abb. 5). Der Mann mit dem großen Turban
auf derselben Seite ganz unten ist schlechtweg als „Höf'
(Gesandter) bezeichnet und darf wohl unbedenklich als der
Vertreter des Großkönigs angesprochen werden. Goetz hat
nun geglaubt, die ganze Szene als den Empfang des aus
Persien zurückgekehrten Hän 'Älam im Garten von Kalänaür
(s. o.) deuten zu können 0, aber leider sprechen verschiedene
Einzelheiten dagegen. Erstens ist unser Diplomat hier nicht
als Hauptperson geschildert, sondem bleibt durchaus im
Hintergrunde, zweitens ist sein iranischer Kollege Zambil
Beg, der hier gemeint sein müßte, nicht mit ihm, sondern
erst erbeblich später gekommen (vgl. o.), und drittens spielt
bei der Audienz offenbar der dem Kaiser zunächst stehende,
vornehm geschmückte, dunkelhäutige indische Fürst, dessen
Name nicht genannt ist, die Hauptrolle. Es handelt sich also
entweder um ein Ereignis vom Jahre 1613, bei dem Hän
'Älam und Yädgär 'AU vor ihrer Entsendung anwesend
waren, oder wahrscheinlicher um einen Darbär zwischen 1620
und 1621, als Hän 'Älam und Zambll Beg ständig bei Hofe
weilten, und zwar legt die landschaftliche Szenerie eine
Lokalisierung nach Kaschmir nahe, wo der Herrscher sich
gern im Sommer aufhielt»).
1) H. GoBTz, Indische historische Porträts (Asia Major II. 2, 192,5
Taf. IX), mit der unrichtigen Datierung auf 1618. Auch ich habe die
GoETz'sche Deutung früher übernommen (Kühnel, Indische Minia¬
turen, 2. Aufl., Berlin 1937, Nr. 7, mit der hier wieder verwendeten
farbigen Abbildung). — Die von Goetz an anderer Stelle ( Kühnel -
Goetz, Indische Buchmalereien, Berlin 1924, S. 11) ausgesprochene
Vermutung, 5än 'Äläm habe das bekannte, frühestens 1618 vollendete
öahängir-Album der Preuß. Staatsbibliothek als Geschenk des Kaisers
an den Großkönig mitbekommen, geht von der irrigen Annahme einer
zweiten Entsendung des indischen Diplomaten aus ; es muß bei anderer Gelegenheit nach Persien gelangt sein.
2) Ich habe in den kaiserlichen Memoiren kein Ereignis erwähnt
gefunden, das hier mit Sicherheit gemeint sein dürfte. Da die Anwesen-
E. Kühnbl, Hän 'Alam 183
Auf anderen Gruppenbildern vom Moghulhofe aus der
Zeit Gahängir's ist Hän 'Älam nicht mit Sicherheit zu er¬
kennen. Allerdings erscheint sein Name auf einem Darbär
im Victoria and Albert Museum in London, aber verbunden
mit einer in mehreren wesentlichen Gesichtszügen so ab¬
weichenden Persönlichkeit, daß wir, da die übrigen Bildnisse
durchaus überzeugend gemalt sind, mit einer späteren, irrigen
Bezeichnung rechnen dürfen. I. Stchoukinb, der die Identi¬
tät nicht anzweifelt, setzt dfe Miniatur wohl richtig zwischen
1610 und 1614 an'); er möchte unseren Diplomaten auch
auf der imposantesten derartiger Audienzszenen, im Bostoner
Museum, erkennen »), aber auch hier ist die Ähnlichkeit nicht
ausreichend, ganz abgesehen davon, daß ein Anhalt durch
Beschriftung fehlt und daß bei dem gedachten Ereignis —
Empfang des Prinzen Parwiz im Juni 1619 — den Um¬
ständen nach Hän 'Älam gar nicht anwesend sein konnte.
In aller Deutlichkeit dagegen begegnet er uns auf einem
Darbär des Schah Gahän, einer unvollendeten Skizze im
British Museum, mit authentischem Vermerk des Zeich¬
ners').
Ein etwas derb gemaltes, aber sehr lebenswahres Einzel¬
porträt des Mirzä Barhürdär, stehend, mit dem Falken auf
der rechten Faust, vielleicht noch aus der Zeit, da er das Amt
des Oberfalkoniers versah, befmdet sich im Louvre (Abb. 8)*),
und schließlich dürften wir kaum fehlgehen, wenn wir auf
ihn ein Blatt im Skizzenbuch der Sammlung Sarrk beziehen,
heit der einen oder anderen Persönlichkeit aber Anhalt geben könnte,
die historische Szene doch noch befriedigend zu erklären, seien auch
die Namen der übrigen Dargestellten aufgeführt : von oben nach unten
auf der linken Seite Lödl gän, Mahäbat gän, Äsaf gän, Sädät gän,
Sedah gän ; rechts Äbhay Räm, Siyäm Räm (hinter diesem der Schwert¬
träger), Hair gän, Ilahwardi gän, Abü Sa'id, Kötwäl gän.
1) I. Stchoükine, Portraits moghols: Deux Darbar de Jahangir
(Revue des Arts asiatiques, 1931), p. 223, pl. LIV, No. 1.
2) Ibid. p. 238, 239; pL LV, No. 18.
3) Vgl. BraYON- Abnold, Court painters of the Grand Mogols,
London 1921, pl. XX; auf dieser Tafel erscheint Hän 'Älam als No.l7.
4) Nach I. Stchoükine, La peinture indienne, Paris 1929, pl. XXVc.
184 E. KüHMEL, Hän 'Älam
das bisher als anonyme Darstellung galt (Abb. 7) Die Bei¬
schrift besagt, daß die Zeichnung am 12. Sawwäl 1050 H.
(Jan. 1641) „nach einer indischen Arbeit" gemacht sei, und
die Ähnlichkeit mit Hän 'Älam, wie wir ihn bereits kennen,
legt die Schlußfolgerung nahe, daß der ungenannte persische
Maler eine Miniatur benutzt hat, die aus der Zeit des Moghul-
diplomrten in Isfahan stammte; da seitdem zwanzig Jahre
verstrichen waren, nimmt es nicht Wunder, daß die Erinne¬
rung an ihn verblichen war. Interessant ist, daß er hier in
einer ganz ähnlichen Haltung erscheint, wie auf dem Ridä-
Bilde, nur in rein indischem Kostüm; ein kompositioneller
Zusammenhang besteht da zweifellos, zumal zum Verständnis
der Geste eine Gegenfigur zu ergänzen ist, und wir dürfen
durchaus mit der Möglichkeil rechnen, daß die Skizze des
Ridä 'Abbäsi, die Mu'in benutzte, auch dem indischen Minia¬
turisten — etwa gar Biändäs? — die Anregung zu seinem
jetzt verschollenen Bilde gegeben hat.
In den hier festgestellten Wiedergaben erscheint Hän
'Älam immer in vorgerücktem Mannesalter; sowohl Ridä wie
Bisndäs zeigen ihn mit bereits ergrautem Backenbart, den
er, erst als Fünfziger an den Hof gekommen, im Gegensatz
zu der vom kaiserlichen Vorbild beherrschten Zeitmode bei¬
behielt. Sein spanischer Kollege schildert ihn, in Überein¬
stimmung mit den herangezogenen Miniaturen, als einen
Mann von mittlerer Größe, eher stark als zierlich, im Alter
von etwa sechzig Jahren »), und Pietro della Valle beschreibt
ihn ähnlich*). Der letztere gibt uns noch einige besonders
aufschlußreiche Einblicke in die Wesensart des indischen
Granden, der durch sein großzügiges und freigebiges Auf¬
treten allgemein auffiel und sich von der etwas theatralischen
Machtentfaltung des Herrschers, bei dem er akkreditiert war,
in keiner Weise imponieren, es gelegenthch sogar darauf an¬
il Nach Sabbe-Mittwoch, op. cit., Taf. 28a. Die Verf. (p.34, 54)
vermuten in der Darstellung einen , .Betenden", aber die Ähnlichkeit mit dem Petersburger Blatt ist auch Sabre schon aufgefallen.
2) Silva y Figueroa, 1. c, p. 301.
3) S. o. S. 176, Anm. 1.
E. Kühnbl, gän 'Alam 185
kommen ließ, durch geringschätzige Äußerungen den aller¬
höchsten Unwillen zu erregen >). Er muß es verstanden haben,
sich selbst als eine dem Moghulkaiser eng verbundene Per¬
sönlichkeit hinzustellen; denn sowohl Silva y Figueroa wie
P. della Valle bezeichnen ihn als nahen, äußerst wohlhaben¬
den Verwandten Gahängir's, und der italienische Reisende
erläutert noch, wie mit dem Hän Hänän und dem Mir iMirän
der Hän i 'Älam entscheidenden Einfluß am indischen Hofe
besitze*).
1) Als bei dem Einzug in Isfahan gän 'Alam in Erfahrung gebracht hatte, daß die 60000 spalierbildenden Büchsenträger gar keine Soldaten, sondern schleunigst requirierte, harmlose Zivilisten waren, gab er Auf¬
trag, jedem von ihnen einen Toman auszuhändigen, was der Schah
sehr unwillig untersagte, und wie dann tags darauf bei einem für die
fremden Botschafter veranstalteten Festempfang die Büchsenträger
wieder aufmarschieren sollten, erklärte der indische Gesandte, es ge¬
nüge ihm, sie einmal gesehen zu haben, und wenn schon der König
nicht gestatte, daß er sie für ihre Bemühung entschädige, möge er
die armen Teufel lieber ihren Geschäften nachgehen lassen. Auch die
wiederholte Basarillumination, die den Leuten nur unnötige Kosten
verursache, interessiere ihn nicht. Sie wurde tatsächlich abgesagt, und die Militärstatisten wurden entlassen (P. della Valle, I.e., p. 32, 41).
Schon vorher hatte bei der Basarbesichtigung im Laden eines Vene¬
zianers, der billige europäische Bilder feilbot, der Schah seinen indischen Gast aufgefordert, sich auszusuchen, was ihm gefalle, aber ohne Erfolg (ibid. p. 37). Nichts konnte diesen in Erstaunen versetzen, und immer wieder ließ er durchblicken, er sei von seinem Hofe her großartigere
Dinge gewöhnt. Da er besonders den Zuckerreichtum seiner Heimat
rühmte, ließ der Schah bei nächster Gelegenheit viele Karren mit
riesigen Zuckerblöcken auffahren, um ihm zu zeigen, daß es auch in Per¬
sien noch genug davon gebe (ibid. p. 51).
2) Silva y Figueroa (1. c, p. 301) beschreibt seine Kleidung und
sein Aussehen und fährt dann fort: ,,Er war Onkel des Königs und
Bruder des Archequebar Xelaladin (lies: Akbar ä-aläl ad-din), dessen Vaters, und war so mächtig und reich, daß er nach Aussage der indischen
Kaufleute, die in Isfahan wohnten, mehr als eine Million Gold an Ein¬
kommen hatte." An anderer Stelle sagt er (p. 319) von ihm: ,,Er nannte
sich Helan Chan, was in der Moghuisprache Herr der Welt bedeutet
und war Sohn des Paxa Mahumet, Königs von Lahor (!), der unter
anderen Reichen, die die Ausdehnung seiner Monarchie erweiterten,
auch das große und fruchtbare Königreich Cambaya eroberte . ..". Auch P. della Valle (1. c, p. 28), nennt ihn einen ,, Verwandten .seines Königs", i :! «
186 E. Kühnel, IJän 'Alam
Das gesellschaftlich gewandte, zwanglose und dabei doch
selbstbewußte Benehmen des Mirzä Barhürdär hat ihm
seinen unleugbaren, persönlichen Erfolg bei Schah 'Abbäs
gesichert; wie wenig er sachlich die Politik seines Herrn
förderte, geht ja schon daraus hervor, daß er dem geplanten
Handstreich auf Qandahär nicht vorzubeugen wußte. Auch
sein Versuch, in Persien Soldaten für die Moghularmee zu
werben, scheiterte an der Wachsamkeit des Schah, der ein aus¬
drückliches diesbezügliches Verbot erheß'). Und schließlich
mußte es besonders peinlich für ihn sein, daß bald nach seiner
Abreise, am 13. Oktober 1620, ein Abgesandter des mächtigen
Malik Ambar aus dem Dekhan in Isfahan eintraf und festlich
empfangen wurde, mit kostbaren Stoffen als Gegengabe für
die Pferde, die der Safawide dem Abessinier zur Verfügung
gestellt hatte — zur Unterstützung in seinem Kampfe gegen
den Kaiser! Della Valle, der das Ereignis verzeichnet, er¬
wähnt später die Abfertigung von Sondergesandten nach dem
Dekhan sowohl wie nach Lahor und vertritt die Meinung,
Schah 'Abbäs habe in dem Konflikt zwischen Gahängir und
Malik Ambar vermitteln wollen 2). Wenn man bedenkt, mit
welch ungewöhnlicher Energie Gahängir die Befriedung des
Südens betrieb, wird man verstehen, wie wenig ihm eine solche
Einmischung von außen her gelegen kommen mußte, hinter
der sich doch schließlich eine leise Drohung versteckte. Jeden¬
falls gewinnt man aus den hier beleuchteten Beziehungen
beider Herrscher den klaren Eindruck, daß der kultiviertere
Großmoghul dem robusteren, besser informierten und taktisch
geschickteren Perserschah in keiner Weise gewachsen war.
1) P. della Valle, 1. c., p. 59.
2) Ibid. p. 227, 23t, 280.
Zu den Schriften Hamza's im Drusenkanon Von Hans Wehr, Greifswald
Der eigentliche Begründer des drusischen Religionssystems
in seiner bis heute lebendigen Form ist bekanntlich nicht
Darazi, auf dessen Namen die bei Andersgläubigen übliche
Bezeichnung der Sekte zurückgeht, sondern Hamza b. 'Ali
b. Ahmed. Allerdings war schon vor seinem Auftreten die
Lehre von der Gottheit des Kalifen Häkim, die den wesent¬
lichsten Zug der Drusenreligion darstellt, durch Darazi und
al-Ahram verkündet worden, und wir wissen nicht, wie weit
Hamza im übrigen als Exponent bestehender Ideen der Kreise
um Häkim zu betrachten ist. Aber indem er sich rasch zun^
herrschenden Geist aufschwang und sich vorübergehend sog:
die Anerkennung seines späteren Gegners Darazi sicherte, in¬
dem er eine erfolgreiche missionarische Organisation aufbaute
und seine Lehre in zahlreichen Schriften niederlegte, wurde er
zum Stifter der Drusenreligion und zugleich als Verkörperung
des 'aql kulli zur zentralen Gestalt ihres Systems. Die drusische
Lehre ist auf dem Boden des Karmatentums erwachsen. Die
Vergöttlichung des Kalifen Häkim und seiner drei Vorfahren
bekundet den extrem-schiitischen Charakter der Sekte; sie
ist nur als konsequente Weiterführung der Imamatsidee zu
verstehen. Wenn der Fatimidendynastie in der Person Häkims
ein Sproß erstand, der sich mit der Imamwürde nicht be¬
gnügte, sondern für sich göttliche Natur beanspruchte, so
dürfte freilich zur Anerkennung dieses Anspruchs durch seine
Zeitgenossen die Kraft seiner eigenartigen rätselvollen Per¬
sönlichkeit beigetragen haben. Wir besitzen leider von der
Gestalt Häkims noch kein abgerundetes Bild. Aber daß alle
die Absonderlichkeiten seines unberechenbaren Charakters,
alle die wunderlichen und geheimnisvollen Bräuche dieses