DIE PTA IN DER APOTHEKE | August 2011 | www.pta-aktuell.de
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twa 1,4 bis 1,9 Millionen Menschen sind hier zu Lande von Medikamenten abhängig. Möglicherweise liegt die Dunkelziffer noch deutlich höher. Frauen sind doppelt bis drei- fach so oft betroffen wie Männer.Besonders gefährdet sind ältere Frau- en mit chronischen Vorerkrankun-
gen. Die Medikamentenabhängigkeit wird auch deshalb als „stille Sucht“
bezeichnet, weil die Betroffenen nach außen nur schwer erkennbar sind.
Unterschieden werden Substanzen, die in schädlicher Weise angewendet werden, aber keine körperliche Ab-
hängigkeit erzeugen, beispielsweise Laxanzien oder nichtsteroidale Anti- rheumatika, von den psychotropen Stoffen, die eine suchterzeugende Wirkung haben. Solange die Zufuhr der jeweiligen Substanz Entzugs- symptome vermeidet, sind sich viele Abhängige selber ihrer Situation nicht bewusst. Ein Beispiel dafür sind
Benzodiazepin-Abhängige. Hier exis- tiert die Form der „low-dose-de- pendency“, bei der die Patienten zwar keine Dosissteigerungen benötigen, aber dennoch bei Absetzen Entzugs- erscheinungen haben.
Was treibt in die Sucht? Bei vie- len Betroffenen liegen körperliche, zum Beispiel chronische Schmerzen oder psychische Co-Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsstörungen vor.
Arzneimittel gelten allgemein als ak- zeptierte Unterstützung für einen funktionierenden Körper und wer- den in der Werbung als medikamen- töse „Energizer“ oder Wohlfühlmit- tel angepriesen. Frei zugängliche ver- schreibungsfreie Medikamente der Selbstmedikation schaffen kurzfristig Abhilfe gegen Beschwerden und mo- tivieren zum Wiederholungsge- brauch. Werden sie in mehreren Apotheken gekauft, fallen auch grö- ßere Mengen kaum auf.
Missbrauch in der Selbstmedi- kation Typische Beispiele für miss- bräuchliche Anwendung sind ab- schwellende Nasensprays, Appetit- zügler und Erkältungspräparate.
Analgetika und Hypnotika sind die am häufigsten missbrauchten Wirk- stoffgruppen. Bei den apotheken- pflichtigen spielen besonders nicht- steroidale Antirheumatika (Acetylsa- licylsäure, Paracetamol, Phenazon und Ibuprofen) sowie Antihistami- nika (Doxylamin, Diphenhydramin, Dimenhydrinat) eine wichtige Rolle.
Der häufige Gebrauch von Kopf- schmerzmitteln, also die tägliche Ein- nahme an mehr als drei Tagen hin- tereinander oder an mehr als zehn Tagen pro Monat, kann zu einem Schmerzmittel-induzierten Kopf- schmerz führen. Ein Teufelskreis ent- steht, der massive Organschäden hervorrufen kann. So sind Nieren-
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PRAXIS MEDIKAMENTENMISSBRAUCH
Eine Abhängigkeit bleibt häufig lange Zeit verborgen. In der Apotheke sollte sorgfältig hingeschaut werden, wenn Kunden in ungewöhnlicher Weise und Menge Arzneimittel verlangen.
Die stille Sucht
© Hande Guleryuz Yuce / www.iStockphoto.com
schäden bei zehn Prozent der Dialy- sepatienten auf einen Dauergebrauch nichtsteroidaler Antirheumatika zu- rückzuführen. Antihistaminika der älteren Generation haben sedierende Effekte, die zur Schlafanstoßung ein- genommen werden. Höhere Dosie- rungen bewirken starke anticholiner- ge und zentrale Nebenwirkungen. Bei Erwachsenen beträgt die toxische Do- sis von Diphenhydramin 15 Milli- gramm pro Körpergewicht. Bei älte- ren Patienten ist bei allen Hypnotika die erhöhte Sturzgefahr zu beachten.
Abhängigkeit auf Rezept Etwa vier bis fünf Prozent aller häufig ver- ordneten Arzneimittel besitzen ein Abhängigkeitspotenzial. Besonders gefährlich sind die Benzodiazepine, die bereits nach einer Einnahme von sechs Wochen eine Abhängigkeit er- zeugen können. Sie werden bei
Schlafstörungen und zur Therapie von Angststörungen nicht länger als vier bis acht Wochen in der ambu- lanten Behandlung empfohlen. Tat- sächlich wird häufig länger als drei Monate verordnet. Anzeichen einer Sucht sind psychische Entzugser- scheinungen nach Absetzen des Me- dikaments wie Schlaflosigkeit, Un- ruhe, Angstzustände, erhöhte Reiz- barkeit und depressive Verstimmung.
Individuell verschieden können die körperlichen Entzugssymptome wie Blutdruckanstieg, Kopf- und Mus- kelschmerzen, gastrointestinale Be- schwerden bis hin zu epileptischen Anfällen sein. Ein Benzodiazepin- entzug wird durch eine schrittweise Reduktion vollzogen. Innerhalb we- niger Tage wird die Anfangsdosis halbiert. In weiteren langsameren Schritten wird über mehrere Wochen ausgeschlichen.
Medikamente als Droge in der Szene Immer öfter werden Arznei- mittel als Ersatzdroge ausprobiert.
Der Hustenstiller Dextrometorphan hat in hohen Dosierungen psycho- trope Effekte. Auch Antihistaminika, Loperamid in Kombination mit Chi- nin und alle stark wirksamen rezept- pflichtigen Analgetika und Sedativa werden konsumiert.
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Dr. Katja Renner, Apothekerin
MÖGLICHE EINSTIEGSFRAGEN BEI VERDACHT AUF MISSBRAUCH
+ Gegen welche Beschwerden oder Störun- gen nehmen Sie diese Medikamente ein?
+ Wie verändern sich Ihre Beschwerden, wenn Sie das Medikament weglassen?
+ Haben Sie schon einmal gehört, dass diese Tabletten auch Kopfschmerzen aus- lösen können?