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Wohlfahrt und Fortschritt – die Better-Life-Initiative der OECD | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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21 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 1-2/2015

Monatsthema

Die Funktionsweise des Wirtschaftssys- tems steht im Zentrum der Forschungen der Organisation für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung (OECD). Seit über zehn Jahren befasst sie sich auch mit den unterschiedlichen Erfahrungen und Le- bensbedingungen von Personen und Haus- halten. Die Messung der Wohlfahrt und des Fortschritts von Gesellschaften bildet eine ihrer Prioritäten und ist in der Better- Life-Initiative konkretisiert. Diese umfasst Forschungs- und Methodologiearbeiten, die Verbreitung von Datenmaterial sowie die Organisation einer Reihe von globalen Foren zum Thema «Statistik, Wissen und Politik» (das nächste Forum in dieser Reihe wird vom 13. Bis zum 15. Oktober 2015 in Mexiko stattfinden).

Besser leben – die Initiative der OECD Die Better-Life-Initiative1 wurde im Mai 2011 anlässlich des 50. Geburtstags

der OECD lanciert. Sie hat zum Ziel, Sta- tistiken zu entwickeln, welche die für die Menschen wichtigen Aspekte erfassen und die Lebensqualität umfassend abbilden.

Zwei entscheidende Elemente der Initiative sind der Bericht How’s Life? und der Better- Life-Index.2 Der alle zwei Jahre publizierte Bericht entwirft ein umfassendes Bild der Wohlfahrt in den OECD-Ländern und in anderen grossen Volkswirtschaften. Er un- tersucht die materiellen Lebensbedingungen der Individuen ebenso wie die Verteilung der Wohlfahrt innerhalb der Bevölkerung. Der Better-Life-Index ist darauf ausgerichtet, die Menschen bei der Reflexion über den Wohl- fahrtsbegriff mit einzubeziehen. Es handelt sich um ein Online-Tool, mit dem die Be- nutzenden die mittleren Werte der einzelnen Länder vergleichen und dabei die einzelnen Dimensionen der Wohlfahrt unterschiedlich gewichten können. Ihre Auswahl können die Benutzenden in sozialen Netzwerken teilen oder der OECD zugänglich machen.

Wohlfahrt und Fortschritt – die Better-Life-Initiative der OECD

In einem Umfeld anhaltender Rezession geht es vor allem da- rum, das Wirtschaftswachstum zu steigern. Dieses Wachstum muss jedoch das Leben der Men- schen verbessern sowie gerecht verteilt und nachhaltig sein. In den letzten Jahren hat sich die Diskrepanz zwischen den mak- roökonomischen Kennzahlen wie dem Bruttoinlandprodukt und der Wahrnehmung der Men- schen ihrer eigenen wirtschaft- lichen und gesellschaftlichen Lage deutlich vergrössert. Die- sem Umstand gilt es Rechnung zu tragen, um die Glaubwürdig- keit und das gute Funktionieren der Demokratie zu gewährleis- ten. Die Messung der Wohlfahrt bildet einen Schwerpunkt der OECD, entsprechend ihrem Motto: «Bessere Politik für ein besseres Leben».

Die Wohlfahrt von Personen ist ein komplexes Phänomen. Der konzeptionelle Rahmen der OECD beachtet die materiellen Lebensbedingungen ebenso wie die Lebensqualität. Foto: Keystone

Elena Tosetto Statistikerin, Verant- wortliche für den Better Life Indicator, Statistics Directorate, Organisa- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

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22 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 1-2/2015

Monatsthema

Armut im Alter ist unsichtbar.

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Ein Rahmen zur Messung von Wohlfahrt und Fortschritt

Die Wohlfahrt von Personen ist ein kom- plexes Phänomen, und viele ihrer Bestim- mungsgrössen sind eng miteinander ver- hängt. Um sie ermitteln zu können, braucht es deshalb einen weit gesteckten Rahmen und eine Vielzahl von Komponenten. Idea- lerweise bestimmt man, wie die Komponen- ten interagieren und das Leben der Men- schen beeinflussen.

Der konzeptionelle Rahmen der OECD (siehe Grafik 1) unterscheidet zwischen aktueller und zukünftiger Wohlfahrt. Die Indikatoren zur Messung der aktuellen Wohlfahrt lassen sich in zwei Hauptbereiche aufteilen:

materielle Lebensbedingungen: Einkom- men und Vermögen, Beschäftigung und Lohn, Wohnverhältnisse;

Lebensqualität: Gesundheit, Work-Life- Balance, Bildung und Kompetenzen, Gemeinsinn, Zivilengagement und Gouvernanz, Umweltqualität, Sicherheit, Lebenszufriedenheit.

Die Messung der zukünftigen Wohlfahrt basiert auf den grundlegenden Ressourcen.

Sie beeinflussen die Entwicklung der Wohl- fahrt über die Zeit und werden systema- tisch vom Verhalten und der Politik in der Gegenwart beeinflusst. Die entsprechenden Indikatoren beziehen sich auf die verschie- denen Arten von Kapital.

Der Evaluationsrahmen wurde auf der Basis der Empfehlungen des Berichts Stig- litz-Sen-Fitoussi sowie der nationalen sta- tistischen Institutionen im Rahmen des Statistic Committee der OECD erstellt. Der Rahmen zeichnet sich durch vier spezifische Eigenschaften aus:

– Er bezieht sich auf Personen (Individuen und Haushalte) sowie deren Situation und deren Beziehungen am Wohn- und Arbeitsort.

– Er ist auf die Wohlfahrtsresultate (Out- comes) ausgerichtet und weniger auf die In- und Outputs.

– Er interessiert sich nicht nur für die Durchschnittsergebnisse, sondern auch für die Verteilung innerhalb der Bevöl- kerung.

– Schliesslich berücksichtigt er neben den objektiven auch die subjektiven Aspekte der Wohlfahrt, also was die Personen empfinden und wie sie ihre Lebens- situation einschätzen. Die subjektiven Eindrücke ergänzen die objektiven Indi- katoren mit wichtigen Zusatzinformatio- nen.

Ein Cockpit zur Wohlfahrtserhebung Die OECD misst die Wohlfahrt der Län- der mithilfe eines «Cockpits», das aus 25 Indikatoren besteht. Damit lassen sich auch Entwicklungen über die Zeit verfolgen so- wie Ländervergleiche durchführen. Zusätz- lich stehen 30 sekundäre Indikatoren zur Verfügung, die Teilaspekte einer Dimension abdecken, eine engere Auswahl von Länder betreffen oder aus weniger zuverlässigen Quellen stammen.

Zur Auswahl der Indikatoren wurden OECD-Experten und die nationalen statis- tischen Ämter hinzugezogen. Sie basierte auf einer Reihe von Qualitätskriterien wie:

– Relevanz für staatliches Handeln;

– Qualität der Datenquellen;

– Vergleichbarkeit der Konzepte und der in den Erhebungen gestellten Fragen;

– Häufigkeit der Messung.

Das Cockpit umfasst unserer Meinung nach die besten derzeit verfügbaren Leis- tungsindikatoren. Die Auswahl kann aber jederzeit angepasst werden, wenn sich Fortschritte in der statistischen Erhebung ergeben.

Anwendungen der Wohlfahrtsmessung Der konzeptionelle Rahmen sowie die von der OECD ausgewählten Indika- toren finden auf verschiedenen Ebenen Anwendung:

Kasten 1

Grundlagen des Evaluations- rahmens zur Wohlfahrt

Aus normativer Sicht basiert der von der OECD definierte Evaluationsrahmen auf dem Befähigungsansatz gemäss Sen (1985). Dieser Ansatz beruht auf einer multidimensionalen Definition von Wohlfahrt sowie auf einer Unterschei- dung zwischen Befähigung (Capability im Sinne von Verwirklichungschancen) und Fähigkeit (Functioning im Sinne von verwirklichten Möglichkeiten). Die individuelle Verantwortung ist dabei ebenso wichtig wie die einer Person gegebene Möglichkeit, das Leben selbst zu gestalten.

In dieser Perspektive bedeutet eine Steigerung der Wohlfahrt, die Möglich- keiten für die Einzelnen zu erweitern, ein ihren Vorstellungen und Werten ent- sprechendes Leben führen zu können.

Die elf Dimensionen von Wohlfahrt, die im Rahmen der OECD festgelegt sind, widerspiegeln sowohl Fähigkeiten als auch Befähigung. So ist zum Beispiel ein guter Gesundheitszustand eine Fä- higkeit an sich, aber auch eine Befähi- gung, also die Möglichkeit, aus ver- schiedenen Fähigkeiten auszuwählen (berufliche Tätigkeit, Hobby etc.). Je breiter das Spektrum der Wahlmöglich- keiten, desto höher ist die Befähigung.

Grafik 1

Wohlfahrtsmessung der OECD – der konzeptionelle Rahmen

Quelle: OECD (2011) / Die Volkswirtschaft BIP «Regrettables»a

Nachhaltigkeit der Wohlfahrt

Setzt die Erhaltung verschiedener Arten von Kapital voraus:

Natürliches Kapital Wirtschaftliches Kapital

Humankapital Sozialkapital Individuelle Wohlfahrt

(Gesamtdurchschnitte sowie Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen)

Lebensqualität Gesundheit Work-Life-Balance

Bildung und Kompetenzen Gemeinsinn

Zivilengagement und Gouvernanz Umweltqualität Sicherheit Lebenszufriedenheit

Materielle Lebensbedingungen Einkommen und Vermögen Beschäftigung und Lohn Wohnverhältnisse

a Der Begriff «Regrettables» bezieht sich auf Aktivitäten, welche zwar das Bruttoinlandprodukt (BIP) erhöhen, sich aber nicht positiv auf die Wohlfahrt auswirken.

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Monatsthema

Armut im Alter ist unsichtbar.

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– Auf deskriptiver Ebene ermöglichen sie, die Wohlfahrt einer Gesellschaft und deren Fortschritt festzustellen sowie mit anderen Gesellschaften zu vergleichen, so etwa im Bericht How’s Life?.

– Auf politischer Ebene können sie Regie- rungen bei strategischen Entscheidun- gen unterstützen. Sie können ex ante für Studien zu den Auswirkungen einer Massnahme benutzt werden. Ex post er- möglichen sie die Evaluation der Resul- tate einer bereits umgesetzten Politik.

Sie sind sogar instrumentell bei der Bud- getfestlegung einsetzbar.3 So haben etwa verschiedene Ministerien im Vereinigten Königreich beschlossen, die Wohlfahrt- sindikatoren bei ihren Tätigkeiten ein- zubeziehen.4 Die israelische Regierung hat einen nationalen Prozess zur Ent- wicklung von Indikatoren zu Wohlfahrt, Krisenbeständigkeit und Nachhaltigkeit lanciert. Diese sollen in Form eines jähr- lich aktualisierten Berichts zuhanden des Parlaments in die Prioritätensetzung des Budgets einfliessen.

Wohlfahrt mit Politik verbinden – die Inclusive-Growth-Initiative

Auf der Grundlage der Arbeiten im Bereich Wohlfahrt hat die OECD die In- clusive-Growth-Initiative lanciert. Diese umfasst eine multidimensionale, monetäre Messung des Lebensstandards, welche auch die Verteilungsaspekte unterschiedlicher ge- sellschaftliche Gruppen berücksichtigt. Es geht darum, Arbitrage zu bekämpfen und Synergien zwischen verschiedenen Politik- bereichen zu nutzen. Mit einem solchen In- strument wird es möglich, die Wirkung von strukturellen Massnahmen in Bereichen wie Wachstumssteigerung, Einkommensvertei- lung, Bekämpfung von Arbeitslosigkeit oder Gesundheitsförderung zu überprüfen. Die OECD ist bestrebt, das Instrument weiter auszubauen und auf andere Dimensionen der Wohlfahrt wie die Bildung auszuweiten.

Kasten 2

Literatur

– Chancel L., Thiry G., Demailly D.

(2014): Les nouveaux indicateurs de prospérité: pour quoi faire?

Enseignements de six experiences nationale, Iddri, Studies, Nr. 04.

– OECD (2011): How’s Life? Measuring Well-being, OECD Publishing.

– OECD (2013): How’s Life? Measuring Well-being, OECD Publishing.

– Sen Amartya (1985): Commodities and Capabilities.

1 Siehe www.oecd.org/statistics/

better-life-initiative.htm.

2 Siehe www.oecdbetterlifeindex.org.

3 Siehe Chancel et al. (2014).

4 So hat zum Beispiel das Department for Communities and Local Government kürzlich Grundlagen für Wohl- fahrtsindikatoren auf lokaler Ebene publiziert und die lokalen Gemeinschaften dazu aufgefordert, die- se bei der Evaluation ihrer Politiken zu berücksichti- gen. In ähnlicher Weise hat das Department of Health den Bericht Why Well-being Matters to Health Policy veröffentlicht. Darin ging es um die Bedeutung des subjektiven Wohlbefindens in Bereichen wie Mass- nahmen, Dienstleistungen oder Kosten.

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