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Risiken begrenzen und Risikofähigkeit erhöhen | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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39 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 12-2010

Um die heutige Too-big-to-fail-Problema- tik im Zusammenhang mit den beiden Schweizer Grossbanken zu verstehen, muss man einen Blick zurück in die jüngere Schwei- zer Wirtschaftsgeschichte werfen. Denn es ist nicht ohne Weiteres verständlich, weshalb Banken, deren Stärke lange die Vermögens- verwaltung war, das traditionell eher Liquidi- tätsüberschüsse generiert und bis auf allfällige Reputationsrisiken sonst kaum nennenswerte Risiken birgt, plötzlich in Schief lage geraten konnten. Ausgangspunkt ist dabei die Immo- bilienkrise zu Beginn der 1990er-Jahre, die unterschiedlichen Schätzungen zufolge dem Bankensystem Abschreibungen von 40 bis 60 Mrd. Franken verursachte. Es zeigte sich da- mals schnell, dass sich das Geschäftsmodell der Schweizer Grossbanken überholt hatte und im Binnenmarkt keine Wachstumsmög- lichkeiten mehr bestanden.

Zwei Zutaten eines toxischen Cocktails Die als Reaktion darauf von den Gross- banken eingeschlagene Vorwärtsstrategie umfasste zwei zentrale Stossrichtungen. Die erste Stossrichtung war eine forcierte Expan- sion ins Ausland, was gleichzeitig mit einer Verschiebung des traditionellen Geschäfts- modells einherging. Ende 1990 betrugen die Aktiven der Grossbanken im Ausland 254 Mrd. Franken; diese stiegen bis Ende 2007 um den Faktor 7,5 auf 1896 Mrd. Franken an. Die Aktiven im Inland nahmen dem- gegenüber um nur rund einen Drittel von 270 auf 363 Mrd. Franken zu. Bezüglich des Geschäftsmodells verringerte sich der rela- tive Erfolgsbeitrag des traditionellen Zins- geschäftes zwischen 1990 und 2006 von knapp 44% auf 26%. Dies wurde durch eine Zunahme der Erfolgsbeiträge aus dem Kom- missions- und Dienstleistungsgeschäft von 34% auf 41% und aus dem Handelsgeschäft von 12% auf 26% kompensiert.

Die zweite Stossrichtung der Vorwärts- strategie umfasste die intensivere Bewirt- schaftung der eigenen Mittel. Die Aktiven wurden vermehrt nach Risiken differenziert mit eigenen Mitteln unterlegt. Diese inten- sivierte Eigenmittelbewirtschaftung erhielt im Rahmen des Regulierungsstandards von Basel II auch das Plazet der Regulierungs- behörde. Die Risikogewichtung der Aktiven

erlaubte vor allem eine Ausweitung des ma- ximalen Verschuldungsgrads (Leverage). Die Eigenkapitalquote der Grossbanken sank in der Folge von durchschnittlich 6,1% zwi- schen 1980 und 1995 auf noch 4,1% zwi- schen 1996 und 2007, was einem Rückgang um einen Drittel entspricht. Die durch- schnittliche Eigenkapitalrendite stieg im Ge- genzug um beinahe 50% von 7,3% auf 10,7%

– allerdings unter Inkaufnahme einer erheb- lichen Zunahme der Volatilität um beinahe den Faktor 10. Mit der jüngsten Finanz- marktkrise mischten sich diese zwei Stoss- richtungen zu einem eigentlich toxischen Cocktail: Das inhärent risikoreicher gewor- dene Geschäftsmodell traf auf eine infolge der intensiveren Eigenmittelbewirtschaftung gesunkene Risikofähigkeit.

Ein in sich stimmiges Massnahmenpaket Die von der Expertenkommission vorge- schlagenen Massnahmen setzen nun rich- tigerweise auf beiden Seiten an. Mittels höherer Eigenkapital- und Liquiditätsvor- schriften soll die Risikofähigkeit der syste- misch relevanten Grossbanken erhöht und durch organisatorische Massnahmen die ef- fektiv von diesen ausgehenden volkswirt- schaftlichen Risiken reduziert werden.

Dass die implizite Staatsgarantie mit den vorgeschlagenen Massnahmen für die beiden Schweizer Grossbanken vollständig elimi- niert wird, konnte realistischerweise nicht erwartet werden. Obschon man sich hätte vorstellen können, neben den schärferen Ei- genmittelvorgaben, die sich an den risiko- gewichteten Aktiven ausrichten, auch den maximalen Leverage anzuheben, ist das von der Expertengruppe nun präsentierte Mass- nahmenpaket in sich dennoch stimmig und geeignet, den Risikoappetit der Grossbanken zu zügeln. Und auch wenn die Experten- gruppe vielleicht zu grosse Hoffnungen in das kaum erprobte Instrument von beding- ten Wandelanleihen (sogenannte CoCos) setzt, wird mit dem vorgeschlagenen Mass- nahmenpaket ein erster wichtiger Schritt un- ternommen, um das Bankengeschäft weniger krisenanfällig zu machen. Mit Blick auf die internationalen Diskussionen ist es sogar recht ambitiös und setzt einen hohen Bench-

mark.

Risiken begrenzen und Risikofähigkeit erhöhen

Dr. Boris Zürcher Mitglied der Geschäfts- leitung, Avenir Suisse, Zürich

Die Expertenkommission zur Limitierung von volkswirtschaft­

lichen Risiken durch Grossunter­

nehmen will das Regulierungs­

korsett für die beiden als syste­

misch relevant erkannten Schwei­

zer Grossbanken fester schnüren.

Wenn es nach ihren Vorschlägen geht, müssen diese künftig deut­

lich mehr und qualitativ besseres Eigenkapital halten. Zudem haben sie zum Voraus organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die im Notfall die Herauslösung und den Weiterbetrieb von essenziellen Bankinfrastrukturen erlauben.

Das Dilemma, vor dem die Regu­

lierungs­ und Überwachungs­

behörden heute stehen, entweder eine Grossbank mit Steuergeldern zu retten oder unter Inkaufnahme eines hohen volkswirtschaft­

lichen Schadens zu liquideren, soll dadurch gemildert werden.

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