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Preiskampf: Nicht zulasten der Arbeitnehmenden | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Wirtschaftspolitische Stellungnahmen

34 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 6-2006

Das Lohnniveau im Detailhandel lässt sich nicht durch die vermeintlich tiefe Wertschöp- fung pro Arbeitsstunde erklären. Denn die Produktivität im Detailhandel ist jener ande- rer Binnenbranchen – wie Ausbau, Garagen usw. – ähnlich. Dort liegen die Löhne aber 10%–20% höher. Wesentliche Gründe für die tieferen Löhne sind vielmehr der hohe Frau- enanteil und der geringe gewerkschaftliche Organisationsgrad.

Dank der Kampagne der Gewerkschaften gegen die «Hungerlöhne unter 3000 Franken»

konnten die allertiefsten Löhne angehoben werden: Sie stiegen bei Frauen mit einfacher und repetitiver Tätigkeit von 1998 bis 2002 um 8,2% gegenüber 4,2% beim Total der Beschäf- tigten aller Branchen. Insgesamt ist der Lohn- rückstand im Detailhandel aber noch wenig abgebaut worden. Vor allem bleiben gelernte und erfahrene Frauen mehrheitlich ein Leben lang bei Löhnen unter 4000 Franken stecken.

Steigende Produktivität – stagnierende Löhne

In den letzten Jahren erlebte der Detailhan- del unter dem Druck des Preiskampfs eine deutliche Produktivitätssteigerung: 2004 stieg der Detailhandelsumsatz um 1,5% und 2005 um 1,3%. Gleichzeitig war die Beschäftigung stark rückläufig (2004 –2,4%; 2005 –2,2%).

4,6% weniger Beschäftigte erwirtschafteten also 2,8% mehr Umsatz. Die Löhne sind hin- gegen nominal um 2,3%, real jedoch aber nur um 0,4% gewachsen!

Für die Angestellten im Detailhandel hiess die neueste Entwicklung deshalb vor allem mehr Stress. Die Klagen bei Gewerkschaften und Beratungsdiensten haben entsprechend massiv zugenommen. Im Vordergrund stehen Schikanen bezüglich Arbeitszeit (kurzfristiges Aufbieten oder Nachhauseschicken), Ände- rungskündigungen mit tieferem Anstellungs- grad, Entlassungen und Mobbing.

Arbeit im Detailhandel muss aufgewertet werden

Dass der Strukturwandel im Detailhandel weitergehen wird, ist auch den Gewerkschaf- ten klar. Aber die Entwicklung soll nicht unter dem Primat des tiefsten Preises, sondern unter jenem des umfassenden Nutzens erfolgen.

Für den Kunden-Nutzen zählt nicht allein der tiefe Preis, sondern ebenso die Qualität, die Nachhaltigkeit und der gute Service. Es darf nicht sein, dass man sich erst wieder an Qualität erinnert, wenn das Know-how der Angestellten im Detailhandel zu Tode gespart ist.

Ebenso muss in Zukunft der Arbeitnehmer- Nutzen im Detailhandel vergrössert werden.

Die Arbeitnehmenden müssen am Produkti- vitätswachstum teilhaben, das sie erarbeiten, und zwar in verschiedener Form:

– Gute Arbeitsplätze gilt es zu schaffen und zu erhalten. Die Arbeitnehmenden sind nicht einfach als manipulierbarer Kosten- faktor zu behandeln. Kontinuität und Dienstleistungsbereitschaft des Personals sind für die Branche wichtig.

– Die Arbeit im Detailhandel muss grund- legend aufgewertet werden. Dies erfordert eine deutliche Lohnerhöhung, insbeson- dere bei den Frauen. Für das Image der Unternehmen im Detailhandel ist es un- tragbar, wenn die Lohndiskriminierung der Frauen von 13% einfach perpetuiert wird.

– Mehr Produktivität ist auch mit höheren Ansprüchen an die Qualifikation der Ar- beitenden verbunden. In kaum einer Bran- che ist der Lohnwert einer Berufslehre so gering wie im Detailhandel und berufliche Weiterbildung sowie Weiterbildungsur- laub so rudimentär. Das muss sich ändern.

Diese geforderte Besserstellung des Perso- nals steht keineswegs im Gegensatz zur öko- nomischen Entwicklung. Sie ist Abgeltung der Produktivitätssteigerung, welche wiederum zu einer Senkung des Lohnkostenanteils am Umsatz führt. Gerade noch 18% beträgt heute der Anteil der Lohnkosten bei Coop; bei Aldi und Lidl liegt er noch weit tiefer.

Verbesserungen der Bedingungen für die Angestellten im Detailhandel können nur mit einer umfassenden gesamtarbeitsvertragli- chen Regulierung abgesichert werden, die alle konkurrierenden Unternehmen der Branche erfasst. Nur so lässt sich verhindern, dass der Preiskampf im Detailhandel über den Kampf um tiefere Arbeitskosten ausgetragen wird.

Preiskampf: Nicht zulasten der Arbeitnehmenden

Der Schweizer Detailhandel ist eine Tieflohnbranche. Der Median der Löhne beträgt gerade 4260 Franken; der Durchschnitt der Pri- vatwirtschaft liegt um 29% hö- her. Das tiefe Lohnniveau im De- tailhandel trifft in besonderem Masse die Frauen: Nach Berück- sichtigung der Faktoren Anforde- rungsniveau der Arbeit, Stellung im Betrieb, Alter und Dienstalter bleibt gemäss Lohnstruktur- erhebung eine Lohndifferenz von 13%. Der Preiskrieg im Detail- handel hat – neben den erfreu- lichen Preissenkungen für Konsu- mentinnen und Konsumenten – zur Folge, dass diese ohnehin schon tiefen Löhne noch mehr unter Druck geraten. Gerecht wäre, wenn auch die Arbeitneh- menden von den Produktivitäts- steigerungen profitieren und die stossende Lohndiskriminierung der Frauen endlich abgebaut würde.

Andreas Rieger Leiter Sektor Tertiär, Gewerkschaft Unia, Bern

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