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S ch w obe mobben

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Academic year: 2022

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Dank «Facts» und Zyschdigs-Club weiss ich jetzt:

Deutsche(r) in der Schweiz zu sein, macht krank. Mein Nachbar knurrt schon seit Jahren, dass alle Schwobe krank sind. Wie Nääger und Juden. Meinte er etwa auch damit, dass Schwobe alles Mobbing-Opfer sind?

Wie gefährlich Deutsche wie ich hier leben, habe ich erst jetzt realisiert, als der Blick titelte: «Wie viel Deutsche verträgt die Schweiz?» Der Pöstler «verträgt»

die Post – hierzulande heisst «vertragen» soviel wie

«austeilen, verteilen». Ist zu befürchten, dass die Schweizer jetzt mal richtig austeilen? Uns Schwobe

«vertragen», nämlich erst verstreuen und dann «aus- schaffen», weil sie uns nicht mehr ertragen? Habe ich die Lage falsch eingeschätzt? Wenn man mich als

«Schwob» betitelte, habe ich früher immer erklärt, dass ich «Hessin» bin. Den Geografie-Unkundigen erzählt, wo dieses Bundesland liegt. Und dass wir als «blind»

und «weich» gelten. Schwobe-Witze habe ich so locker genommen wie Witze über Ostfriesen oder Thurgauer – als liebevollen Spott. Deutsche witzeln ständig überein- ander: Bayern motzen über «Preussen», Norddeutsche gelten bei Süddeutschen als arrogant, Berliner als Angeber und Schwaben als geizig. Klischees haben ihren Charme. Vielleicht sogar ihre Berechtigung? «Sie sind aber gar kein typischer Deutscher!», sagten Schweizer oft zu meinem Vater. Er grinste – typisch lustiger Rheinländer – und fragte: «Ist das ein Lob oder ein Tadel?» Stotterte sein verdattertes Gegenüber dann, es sei ein Kompliment gewesen, dann sagte mein Vater:

«Nein, ich bin ein absolut typischer Deutscher. Was für Deutsche kennen Sie denn? Vermutlich die falschen!»

Anders als meine polnische Freundin nehme ich es nicht übel, wenn mir Deutschschweizer trotz meines tapferen, seit 36 Jahre andauernden Bemühens, Basel- dytsch zu sprechen, auf hochdeutsch antworten. Ich finds freundlich, dass sie sich Mühe geben, die Muttersprache der radebrechenden Fremden zu spre- chen. Vielleicht wollen sie ja auch nur üben, so wie sie ihr Französisch mit Romands perfektionieren? Die sind übrigens froh, wenn ich Hochdeutsch rede. Vermutlich verstehen sie das besser als mein Französisch. Wenn mich Schweizer eklig behandelten, sah ich allenfalls Frauendiskriminierung dahinter. Oder vermutete, dass mein Gegenüber schlecht gelaunt oder ein unangeneh- mer Typ sei. Oder dass ich mich unmöglich benommen habe: Mal wieder belehrt hatte, zu direkt war – dieses

typisch deutsche Verhalten, welches die diplomatischen Schweizer genauso nervt, wie es die temperamentvollen Äusserungen von Italienern oder Serben tun. Bis 2007 war ich eine zufriedene Ärztin, die einen Ausländer (der hier ein Inländer ist) liebt, mit ihm drei Schweizer Kinder hat und sich in diesem Land wohl fühlt. Sozu- sagen vögeliwohl. Das ist vorbei, seitdem mir klar wurde, dass ich als Minderjährige hierhin verschleppt worden war, weil mein Vater sich wegen Ruhm und Geld anwerben liess, und dabei zum Brain-Drain Deutschlands beitrug. Bei der Heirat wurde mir die Schweizer Staatsangehörigkeit aufgezwungen. Noch sehe ich das Erstaunen des Zivilstandsbeamten, als ich ihn fragte, ob ich den roten Pass denn wirklich anneh- men müsse – ich hätte doch schon einen. Einen grünen deutschen. Mein Leidensweg ging weiter. Der Studiendekan der Medizinischen Fakultät war über- zeugt, ich sei eine Scheinehe eingegangen. Mein Vermieter redete von «eingekauftem Papierlischwyzer».

Professoren lasteten mir die Verbrechen des Dritten Reiches an, Chefärzte die Nachteile des deutschen Gesundheitswesens. «Du bist Deutschland!», lautete das drohende Motto einer Imagekampagne 2005 mit Plakatserie in Deutschland. Damals lehnte ich es noch ab, Einstein oder Beckenbauer zu sein. Doch augen- scheinlich bin ich Deutschland. Egal, ob deutsche Fans Flaggen schwenken oder deutsche Schiedsrichter bös zu Schweizer Teams sind – ich wurde dafür verantwortlich gemacht. Ein Martyrium, das nur Deutschen widerfährt, nur in der Schweiz und nur von Schweizer Tätern.

Oder? Immer mehr deutsche Patienten, die früher mit mir lustvoll über Macken von Schweizern gelacht und gelästert haben, jammern jetzt, wie sie gemobbt wür- den … Wir Schwobe sind jetzt wieder wer – endlich mal Opfer statt TäterInnen! Schon wieder werden wir nicht geliebt. Dabei sind wir doch Papst. Deutsche, lasst uns klagen – lautstark, in den Medien und vor Gericht! Und Selbsthilfegruppen gründen! Mit mir leidet auch meine Familie: ich, die Mutter, eine deprimierte, diskriminier- te Fötzelin. Die Kinder, diese Mischlinge. Schwobe- Secondos, die sich eigentlich meiner schämen sollten.

Und ihr Vater ist noch nicht mal im Ehebett sicher vor den Schwobe …

PS. Ihnen gefällt diese Glosse nicht?

Typisch Schweizer – Sie haben etwas gegen Deutsche! Jawoll!

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ARS MEDICI 5 2007

arsenicum

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