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100,21.' Die Ugaritische Grammatik hatte sich schon seit Jahren durch zahlreiche Vorstudien Trop¬ pers angekündigt, die - z.T

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Josef Tropper: Ugaritische Grammatik. Münster: Ugarit-Verlag 2000. xxii, 1056 S. (Alter Orient und Altes Testament. 273.) ISBN 3-927120-90-1. € 100,21.'

Die Ugaritische Grammatik hatte sich schon seit Jahren durch zahlreiche Vorstudien Trop¬

pers angekündigt, die - z.T. in nur gering überarbeiteter Gestak - in vorliegendem Buch wie¬

der erscheinen. Das Gesamturteil des Rezensenten sei gleich an den Anfang gestellt: T. hat ein Standardwerk geschaffen, das in keiner ahorientalistischen, semitistischen oder alttestament¬

lichen Bibliothek fehlen darf. Zweifellos wird man in Zukunft zu Fragen der ug. Grammatik stets als erstes „den Tropper" in die Hand nehmen. Welcher Fortschritt im Vergleich zu den Vorgängerwerken erreicht ist, demonstriert folgender Vergleich: Während die Lautlehre bei C.H. Gordon-^ 11 Seiten, bei S. Segert' 12 Seiten und bei D. Sivan* 29 Seiten beansprucht, nimmt sie bei T. 118 Seiten ein. Ahnliches gilt mutatis mutandis für sämthche anderen Teile

der Grammatik. Nun ist zwar Umfang alleine noch kein Verdienst; doch darf man ohne

Abstriche feststellen, daß er bei vorliegendem Buch nicht durch Weitschweifigkeit und Auf¬

blähung, sondern durch Detailfreude, umfangreiche Belegsammlungen und Diskussion auch von Gegenpositionen zum Autor zustandekommt, so daß keine Seite überflüssig ist.

Der Aussage „Die vorliegende Arbeit steht in der Tradition der grammatischen Beschrei¬

bung altsemitischer Sprachen und ist in dieser Hinsicht konventionell" (S. 8 §17) steht Rezensent mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zwei sehr begrüßenswerte Aspekte dieser Tradition seien hervorgehoben. Zum einen arbeitet T. intensiv an ug. Texten, sammelt, ana¬

lysiert und nennt zahlreiche Belege, schafft mit einem Wort eine von Grund auf neue Refe¬

renzgrammatik. Diese Feststellung ist angesichts der in der Akorientalistik und Semitistik in letzter Zeit zu beobachtenden Tendenz, die mühevolle Textarbeit kurzwegs zu umgehen und „neue" Grammatiken dadurch zu schreiben, daß man altbekannte Belege anders inter¬

pretiert bzw. darstellt oder gar - zwangsläufig ohne native speaker - Beispiele konstruiert, keineswegs banal. Zum anderen verzichtet T. auf oberflächliche Neuerungen in Aufbau, Ter¬

minologie und Darstellungsweise, die nur viele Leser abschrecken und meist wenig nützen.

' Im folgenden mehrfach zitierte Werke: A. Denz: Die Verhahyntax des neuarabischen Dialektes von Kwayris (Irak). Mit einer einleitenden allgemeinen Tempus- und Aspektlehre.

Wiesbaden 1971 (AKM XL, 1). I.J. Gelb: Computer-Aided Analysis of Amorite. Chicago 1980 (Assyriological Studies. 21.). W. von Soden, unter Mitarbeit von W. R. Mayer: Grund¬

riss der akkadischen Grammatik. Roma M995 (Analecta Orientalia. 33.). M.R Streck: Zahl und Zeit. Grammatik der Numeralia und des Verhalsystems im Spätbabylonischen. Gronin¬

gen 1995 (Cuneiform Monographs. 5.). M.R Streck: Das amurritische Onomastikon der

altbabylonischen Zeit. Band 1: Die Amurriter. Orthographie und Phonologie. Nominalmor¬

phologie. Münster 2000 (Aher Orient und Ahes Testament. 271/1.).

^ Ugaritic Textbook. Roma 1965 (Analecta Orientalia. 38.).

' A Basic Grammar of the Ugaritic Language. Berkeley/Los Angeles/London 1984.

^ A Grammar of the Ugaritic Language. Leiden/New York/Köln 1997.

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Der negative Aspekt dieser Tradition ist der Mangel moderner sprachwissenschaftlicher Methode. In der langen Bibhographie finden sich an linguistischer Literatur lediglich je eine Arbeit von H. Bussmann, B. Comrie und E. Koschmieder, die jedoch keinen tieferen Ein¬

fluß auf den Inhalt des Buches haben und anscheinend nur deshalb erwähnt sind, weil sie in rezente semitistisehe Literatur eingegangen sind. Zwar lassen sich beträchtliche Teile der Grammatik auch so mit einigem Erfolg bearbeiten. Auf einer ganzen Reihe schwieriger gram¬

matischer Felder aber gerät man ohne linguistische Führung schnell in ein Dickicht unreflek¬

tierter Begriffe und verschwommener oder falscher Behauptungen; Beispiele werden unten aus der Phonetik, der Semantik des Nomens (Stichworte „Gattung", „Stoff", „generische Les¬

art") und dem Tempussystem angesprochen. Nun wäre es bei dem Umfang des Buches sicher¬

lich unangemessen, dies dem Autoren vorzuwerfen; Rezensent weiß aus eigener Erfahrung, wieviel Zeit es kostet, sich als Außenseiter auch nur in einen linguistischen Teilbereich einzu¬

arbeiten. Sehr wohl darf man dagegen die Anregung aussprechen, auf der von T. gelegten Basis einzelne Themen auch methodisch abgesichert erneut zu behandeln; so wäre z.B. eine Monographie zum ug. Tempussystem nach wie vor ein lohnendes Unterfangen.

Auf S. 8 wird festgestellt, daß der Sprachvergleich bei der Rekonstruktion des Ug. eine wichtige Rolle spielt. Bei der Übersicht über die dabei hauptsächlich verwendeten Spra¬

chen fehlt das Amurritische, immerhin die ältest belegte und zudem mit Vokalen über¬

lieferte nordwestsemitische Sprache. Dies ist freilich weniger dem Autor als dem bislang kläglichen Forschungsstand, der die Einbeziehung des Amurritischen in sprachverglei¬

chende Studien nahezu unmöglich machte, anzulasten. Es ist jedoch die feste Uberzeu¬

gung des Rezensenten, daß in Zukunft von einem Vergleich Ugaritisch-Amurritisch beide Seiten in nicht geringem Maße profitieren werden. Einige wenige Hinweise in dieser Rich¬

tung sollen unten gegeben werden. Was den Blick auf die anderen semitischen Sprachen betrifft, so kann Rezensent nur sein eigenes Fachgebiet Akkadisch kompetent beurteilen;

hier zeigt sich, daß T. Informationen weitgehend aus zweiter Hand benutzt, was gelegent¬

lich zu Unsicherheiten oder nicht richtigen Aussagen führt (Beispiele unten). Insgesamt schätzt Rezensent die Ugaritische Grammatik mehr als Deskription des Ug. denn als „Bei¬

trag zur Rekonstruktion und vergleichenden Grammatik der semitischen Sprachen" (S. 7

§ 15.2), was andererseits ja auch der Hauptintention des Buches entspricht.

Detailbemerkungen:

S. 7 §15.3: Bei allen Schwierigkeiten, die Eigennamen gelegenthch aufweisen, sind die Gründe, die für ihren Ausschluß aus der grammatischen Beschreibung sprechen, nicht stich¬

haltig: In keilschriftlich-syllabisch überheferten altorientalischen Onomastika läßt sich die Sprache der Namen in der großen Mehrzahl der Fälle sehr wohl eruieren; allerdings ist zuge¬

gebenermaßen eine überwiegend vokallose Tradition schwerer benutzbar. Archaismen treten auch in verschiedenen Textgattungen auf (ug. Poesie!) und sind kein Hinderungsgrund für deren grammatische Beschreibung; sie vermitteln im Gegenteil sprachhistorisch wertvolle In¬

formationen. Die „starken phonetischen Veränderungen", denen Eigennamen angeblich aus¬

gesetzt sind, beschränken sich in der Personennamengebung meist auf Sandhierscheinungen.

S. 88f. §31.4: Die Angaben zu den Akzentregeln des Akkadischen reflektieren notwen¬

digerweise nur die Schulaussprache. Ihr wissenschafthcher Wert ist bestenfalls stark um¬

stritten. Für sprachvergleichende Untersuchungen sind sie nach Ansicht des Rezensenten daher nicht geeignet.

S. 107f. §32.143.5: T. hält eine palato-alveolare Artikulation [J] des ug. Phonems /// für wahrscheinlich. Diese Artikulation wird aus der Wiedergabe fremdsprachlicher Phoneme in ug. Alphabetschrift und von ug. bzw. nordwestsemitisch /// in syllabischer Keilschrift und in ägyptischer Hieroglyphenschrift erschlossen. Die Schwierigkeit solcher Evidenz ist zweierlei Art. Zum einen wird vorausgesetzt, daß wir über die genaue Artikulation der

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Phoneme in den Nachbarsprachen unterrichtet sind; das ist jedoch so gut wie nie der Fall, so daß entweder die Argumentation in Zirkelschlüssen endet oder lediglich in Nachbar¬

disziplinen verschoben wird. Zum anderen sind Eins-zu-Eins-Entsprechungen bei sprach¬

hchen Entlehnungen und Darstellungen in anderen Schriften die Ausnahme. Methodi¬

schen Vorrang muß daher die innersprachliche Evidenz haben. Im Falle der Artikulation von ug. /// ist glückhcherweise solche Evidenz vorhanden, nämlich die von T. auf S. 105

§32.143.35 angeführte Form ml;st. Sie wird von T. zu Recht von V m^s abgeleitet, wobei AV als vor Dental deaffriziertes Allophon des mit einiger Sicherheit als AfTrikate [ts] zu bestimmenden Phonems A/ erklärbar ist.' Für A7 ergibt sich daraus zumindest hier eine Artikulation [s], da zu erwarten ist, daß nach Wegfall des Verschlusses [t] der homoorgane,

dentale Frikativ übrig bleibt, während eine Verschiebung zu palato-alveolarem [J] uner¬

klärlich wäre.-^ Für eine Verallgemeinerung dieses Befundes spricht das Amurritische, wo A7 < ''AV, *A7 meist mit den Zeichen der S-Reihe geschrieben und wohl ebenfalls als [s] ar¬

tikuliert worden ist.' Dazu paßt auch der Befund des Hethitischen, in welchem keilschrift¬

lich-syllabisch § für die Wiedergabe von [s] verwendet wird, offenbar, weil in nordsyri¬

schen Dialekten des Akkadischen § unter Einfluß nordwestsemitischen Substrats als [s]

artikuliert wurde. Altbabyl. § = A7 ist in diesem Zusammenhang dagegen wenig hilfreich, weil die genaue Artikulation nicht geklärt ist.* Die Wiedergabe von nordwestsemitisch A7 im Ägyptischen ist gegen T. nicht eindeutig, da auch A7 ([s]!) als Entsprechung auftritt.'

S. 133 §32.17: In der Korrespondenztabelle semitischer Obstruenten sind in der altara¬

mäischen Spalte als Reflexe der ursemitischen Interdentale A7, A/ und fz/, als Reflexe der Laterale A7 und /q/ angegeben. Tatsächlich beweisen die Reflexe des jüngeren Aramäischen jedoch, daß es sich dabei nur um Grapheme für die noch als selbständige Phoneme erhalte¬

nen Interdentale und Laterale handeh. In der akkadischen Spähe kann /',/ ohne Klammer stehen, da es der normale Reflex von ursemitischem /7 ist, der allerdings nicht konsequent geschrieben wird: a-hu-um ist bis zum Beweis des Gegenteils also /'abum/, nicht /abum/.

S. 143 §33.115.4: Im Unterschied zum Ug. wird /«/ im Amurritischen oft nicht an den folgenden Konsonanten assimiliert.'

' Hier wäre ein Literaturhinweis auf vergleichbare Argumente für /?/ im Amurriti¬

schen bei E.E. Knudsen, JCS 34 (1983), S. 7, und im Akkadischen bei M.P. Streck,

AfO 44/45 (1997/8), S. 312, angebracht gewesen.

^ Für Beratung in diesem Punkt danke ich Herrn Prof. Dr. Wolfgang Schulze vom

Institut für Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft der Ludwig-Maximilians- Universität München.

' Siehe M.R Streck 2000, §2.133.

* T. geht S. 119 §32.144.39 von einer Artikulation als [s] aus. Doch wird [s] vielmehr durch die S-Reihe vertreten, wie deren Benutzung zur Wiedergabe des deaffrizierten Allo¬

phons der - vermuthchen - Affrikate A/ nahelegt (s. W. Sommerfeld apud W. von Soden 1995, §30*; M.P. Streck 2000, §2.133 mit Anm. 3). Altbabylonisch /// besitzt vielleicht vielmehr die beiden phonetischen Exponenten [J] und [1] (s. ebd., §2.114 Anm. 2). T.s Argument, der Lautübergang "Vw/ > /«/ sei „in älterer Zeit" (gemeint ist ofTenbar altbaby¬

lonisch) nur vor Dentalen bezeugt, beruft sich für /ms/ nur auf die Form i-ki-in-su, die

als Evidenz jedoch wegfällt, da m und n bei diesem Verbum möglicherweise auch ohne

folgendes /// wechseln (s. M.P. Streck 2000, S. 260f. §3.7). Ab dem Mittelbabylonischen sind andererseits auch Formen wie /dunqu/< ''/dumqu/ belegt, die zeigen, daß für den

genannten Lautübergang Homoorganität nicht zwingend ist.

' Siehe W. Schenkel: Einführung in die ägyptische Sprachwissenschaft. Darmstadt 1990, S. 37f.

<> Siehe M.R Streck 2000, §2.119.

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S. 169 §§33.181.1 Anm. und 33.182: Die Argumentation zur Schreibung von silbenschlie- ßendem I'l und /'/ durch Vokalpleneschreibung ist umzukehren: Weil dieses orthographi¬

sche Prinzip seit altbabylonischer Zeit im gesamten Bereich der Keilschrift gängig ist,' können ug. Schreibungen wie ha-a-lu nicht als sicheres Zeugnis für vokalisches /// oder Irl gelten. Da außerdem Palmenhaine in der Gegend von Ugarit aus klimatischem Grund unplausibel sind und mithin na-lpa-li anders zu interpretieren sein dürfte, fehlt jegliche eindeutige Evidenz für vokalisches ///.

S. 170f. §33.212: lal statt Hl in der Umgebung von „Gutturalen" ist auch Amurritisch gut belegt.^

S. 171 §33.213.1: Ein Lautwandel '^layl > leyl oder Hyl ist auch Amurritisch belegt.' S. 172 §33.214.1: Ein Lautwandel *A/ > /«/ (aber auch Val > lui) vor (aber auch nach) Iml (aber auch Ibi) findet sich ebenso im Amurritischen.*

S. 177 §33.215.42: Da auch das Amurritische neben binu bunu „Sohn" kennt (Assimila¬

tion Hl > lui nach Labial, zu §33.214.21),' ist die Annahme, bu-nu-su enthalte bunu, sehr wahrscheinlich.

S. 278 §52.1, S. 280 §52.222, S. 288 §53.1: Bei T. gehen die Oppositionen Gattung : Stoff auf der einen und Singular : Plural : Generische Lesart auf der anderen Seite terminologisch und konzeptionell durcheinander. Die aus der Arabistik stammenden Termini „Nomen ge¬

neris" und „Nomen unitatis" gehören zur ersten Opposition: das arabische Nomen generis (formal maskulin) bezeichnet Stoffnamen, das arabische Nomen unitatis (formal feminin) dient der Ableitung von Gattungs- aus Stoffnamen.' §52.12 wird die Bezeichnung der gene¬

rischen Lesart (bei T. falsch „Gattungsname") als Funktion des Genus (maskulin), in §53.12 dagegen als Funktion des Numerus (Singular) angegeben. Letzteres ist richtig, wie die Be¬

lege in §53.13 mit femininen Substantiven zeigen; hier wird übrigens der in einer Arbeit des Rezensenten geprägte Terminus „genereller Sachverhaltsträger"'verwendet. Das in §52. 12b zitierte Beispiel „zehn Rückenstücke Mastrind" enthält mit „Mastrind" weder einen Gat¬

tungsnamen noch ein Nomen in generischer Lesart, sondern einen Stoff namen. Ob die Be¬

griffe Nomen generis und Nomen unitatis für das Ug. sinnvoll sind, ist zu bezweifeln, da in

§52.222 nur ein einziges zudem fragliches Oppositionspaar genannt wird.

S. 281 § 52.31: Im Gegensatz zum Ug. kennt das Amurritische eine produktive Feminin¬

endung la (h)

S. 327 §54.413: Die vorsichtig vorgetragene Vermutung, „das Hamitosemitische könnte ur¬

sprünglich eine Ergativsprache gewesen sein", läßt sich nach den Untersuchungen von J. Sasse,'

' Vgl. für das Amurritische M.P. Streck 2000, §§2.15f.

2 Siehe M.P. Streck 2000, §5.8 für QaTL statt QiTL bei /'/, Ihi oder Ihi als erstem oder zweitem Radikal.

' Siehe M.R Streck 2000, §§2. 33f.

* SieheM.P. Streck 2000, §2.35.

5 SieheM.RSTRECK2000, S.407.

' Vgl. z.B. tuffähun „Äpfel" (StofJname), tuffähatun „ein Apfel" (Gattungsname).

' M.P. Streck, OrientaUa 64 (1995), S. 38 mit Anmerkung 26, nach einer Anregung von C. Dyckhoff. Da der Terminus nicht eingebürgert ist, wäre ein Literaturhinweis an¬

gebracht gewesen. T. ändert „generischer" in „genereller" Sachverhaltsträger, doch spricht für ersteres der traditionelle Terminus „generische Lesart".

* Siehe M.R Streck 2000, §4.2.

' „Case in Cushitic, Semitic and Berber." In: J. Bynon (Hrsg.): Current Progress in Afro-Asiatic Linguistics. Amsterdam 1984, S. 111-126.

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A. Zaborski' und O. Gensler^ nicht hahen; danach war das Proto-Afro-Asiatische ver¬

muthch eine „marked nominative" Sprache. Die Aussage zum akkadischen Lokativ „Im St.pron. ist ein Schwund des Iml und eine Längung des Vokals zu lül zu beobachten" ist nicht richtig. Vielmehr assimiliert sich Iml stets an den folgenden Konsonanten. Lediglich vor dem Suffix der ersten Person Singular wird von W. von Soden' eine „Ersatzdehnung"

nach Kürzung von */"/ angenommen; ob damit Schreibungen wie qa-tu-ü-a richtig inter¬

pretiert sind, bleibt offen, da sie als qätu"a gedeutet werden können und auch Formen wie isa'al als zulässig angesehen werden. Einen Hinweis auf primäre(!) Länge des Lokativ-«

gibt jedoch das Neu/Spätbabylonische mit seinen Formen wie libbü; wäre das Lokativ-«

kurz, müsste es nämhch nach dem Schwund der Mimation abfallen. Schließlich zeigt

auch das unterschiedliche morphosyntaktische Verhalten von Nominativ und Lokativ,

daß beide Kasus nicht etymologisch identisch sind; denn während der Lokativ im Status constructus erhalten bleibt, schwindet der Nominativ in dieser Position in der Regel.

S. 340 § 56: Die Angabe, daß Nomina im Status constructus vor Genitiv oder Possessiv¬

suffix stets syntaktisch determiniert seien, gilt zwar für das Arabische, nicht jedoch für das Ug. Gegenbeispiele finden sich schon bei T. selber, z.B. vor Genitiv in den §§54.132, 91.315.2, 91.332-334, vor Suffix §§91.338 und 41.221.15a. Erwartungsgemäß verhäk sich das Ug. hier wie das Akkadische, das ebenfalls (In)Determination nicht markiert, wes¬

halb dort märüsu „sein Sohn", aber auch „ein Sohn von ihm" bedeuten kann.

S. 429 §73.143: Die älteste Evidenz für den erwekerten Imperativ stammt aus dem

Amurritischen, s. Namen wie Süba-^äli „Wende dich zu, mein Mutterbruder!"

S. 458 §73.271 Anm.: Zur Frage einer zentralsemitischen Form ''yaqtulum äußert sich

E.E. Knudsen* negativ, nach Ansicht des Rezensenten zu Recht, da die Evidenz ganz

schwach und auch anders interpretierbar ist.

S. 518-532: Die Gt-Stämme von V ^sb und V m^s mit der Bedeutung „einander schla¬

gen", „kämpfen" (S. 521) werden als „pluralisch", „iterativ" oder „durativ" charakterisiert.

Doch sind „sie schlagen immer wieder" (plurahsch) und „sie schlagen einander" (reziprok) semantisch grundverschieden. Bei letzterem Sachverhalt ist das grammatische Subjekt zu¬

gleich Agens und Patiens, bei ersterem nur Agens. Zu ersterem Sachverhalt gibt es ein sin¬

gularisches Oppositionsglied („sie schlagen"), zu letzterem ein pluralisches („immer wie¬

der kämpfen sie"). Vielmehr ist die reziproke Funktion eine Variante der passiven und reflexiven: bei allen drei Varianten ist das grammatische Subjekt Patiens des Sachverhaltes.

Die Angabe, eine „durative bzw. iterativ-habituelle Funktion des Gt-Stamms" ließe sich im Akkadischen „nachweisen" (S. 532 § 74.2 37.2), unterdrückt die durch W. von Soden gesetzten Fragezeichen.^ Nach einer noch unpublizierten Untersuchung des Rezensenten aus dem Jahre 1988 liegen intensive Gt-Stämme vor. Solche nimmt T. auch für das Ug. an (S. 532) und versieht sie mit dem Terminus „steigernd", einem Begriff, der erstmals vom Rezensenten in genannter Untersuchung verwendet und inzwischen zugunsten „intensiv"

aufgegeben wird. Unklar bleibt ferner das Verhältnis einer angeblichen „intransitiven ' „On the Alleged Ergativity in Hamitosemitic/Afroasiatic Languages." In: M. Brze- ziny/H. Kurek (Hrsg.): CoUectanea Linguistica in Honorem Casimiri Polanski. Krakow 1999, S. 309-317.

^ „Proto-Afroasiatic as a .Marked Nominative' Language", Vortrag vom 31.7.2000 in Portland.

' 1995, §§31 e, 66a.

* „Central Semitic '^yaqtulum reconsidered. A Rejoinder to J. Tropper." In: JSS 43 (1998), S. 1-9.

' 1995, §92f: „scheint ... die Bedeutung zu haben ... Zur genauen Feststellung der Be¬

deutung von Gt-Stämmen dieser Art bedarf es oft noch eingehender Untersuchungen".

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Funktion" von Bewegungsverben (S. 532) zur pluralischen Funktion, weil eine Semantik wie „hin- und hergehen" unter letzterer zu subsumieren ist. Wenig aussagekräftig ist

schließlich die Annahme einer „einfach-transitiven Funktion" (S. 532); besser wäre es, von

Gt-Stämmen unklarer Semantik zu sprechen; die zum Vergleich herangezogene Form ia-

ta-mar aus Amarna (S. 520) ist unschwer als Interferenz des akkadischen Perfekts erkenn¬

bar. Insgesamt ist die Behandlung des Gt-Stammes unbefriedigend und die von T. S. 518

§74.231 genannte Untersuchung von M. Krebernik zu diesem Thema vorzuziehen.

S. 545f. §§74.412.13-16: Neu interpretierte Evidenz des Amurritischen zwingt dazu, die Frage des Präfixvokals in der Präfixkonjugation des D-Stammes noch einmal zu über¬

denken. Das Amurritische besitzt nämhch einen - schwach bezeugten - D-Stamm mit

Vokahsation yaQaTTiL: 'Ibassir < '^yabas's'ir „Gutes hat (Gott) gebracht",' Yakin-haddu

„Haddu hat fest gemacht".^ T.s Argumente für yuQaTTiL sind demgegenüber schwach:

Auch das Amurritische besitzt ein Partizip muQaTTiL neben yaQaTTiL;' die Annahme

einer Vokalharmonie nur in der ersten Person Singular, nicht aber auch in den anderen Personen ist nicht schlüssig; der Erhalt des ersten Radikals bei den Verba l-w ist nicht strikt beweiskräftig, weil der Triphthong lawal auch bei den Verba III-w bisweilen erhal¬

ten bleibt (s. §33.323.3). Insgesamt spricht mehr für als gegen einen Präfixvokal lal nicht nur in der ersten Singular, sondern in allen Personen.

S. 557 §74.413.1: Für die Vokalisation des Imperativs des D-Stammes ist assyrisch PaRRiS, die gegenüber babylonisch PuRRiS sprachgeschichtlich wohl ältere Form, zu vergleichen.

S. 631 § 75.51 ld SV: Siixiyäpah usw. litsyäpa'usw.

S. 632 §75.511e: Im Akkadischen weist das Präteritum der Verba \-w nicht nur „meist einen Reflex des ersten Radikals auf", sondern immer.

S. 642 § 75.521 d: Auch das Amurritische bildet das Partizip des Grundstammes der Verba W-wly schwach, s. z.B. Qämu-ma-abi „?>\ch wirklich erhebend ist mein Bruder".*

S. 682-684: In einer Einführung zum Aspekt- und Tempussystem versucht T., den Be¬

griff „Aspekt" für das Ug. und Semitische zu retten. Auf die detaillierte einschlägige Dis¬

kussion des Rezensenten' wird dabei ebensowenig eingegangen wie auf andere semitistisehe Literatur.' Weil das Ug. zukünftige/nachzeitige Sachverhalte mit derselben Verbalform wie gegenwärtige/gleichzeitige ausdrückt, muß T. zwangsläufig zur Paradoxie der imperfektiven Perfektivität Zuflucht nehmen (so auch S. 685 oben). Diese Paradoxie läßt sich nicht mit dem Hinweis auf die zahlreichen Sprachen, die Gegenwart und Zukunft nicht differenzieren, um¬

gehen, denn bei diesen Sprachen handelt es sich ja gerade nicht um Aspekt-, sondern um Tempussprachen oder um Sprachen, die Tempus und Aspekt kombinieren. In diesem Zusam¬

menhang ist aufschlußreich, daß T. zwar B. Comries ausgezeichnete Aspektdefinition zu¬

grundelegt, Comries Schlußfolgerung jedoch, das Klassisch-Arabische (und damit auch die meisten anderen semitischen Sprachen) besäßen grundlegend ein relatives Tempussystem,''

' Siehe Gelb 1980, S. 589. Vgl. akkadisch bussuru „Botschaft bringen", ug. bsr „gute Nachricht bringen" usw. Für */yd/ > /'i/ s. Streck 2000, §§2.83-88. 1'il kann nicht durch das lal der zweiten Silbe bedingt sein, weil im Amurritischen das Barth-Ginsbergsche Gesetz nicht gilt, s. Streck 2000, §2.86.

^ Siehe Gelb 1980, S. 602. Der Grundstamm lautet dagegen jd^»«. Vgl. das akkadisch häufige Namenselement ukin.

' Siehe Streck 2000, §5.49.

* Siehe Gelb 1980, S. 631.

' Streck 1995, S. 235-244.

' Hier ist besonders Denz 1971 zu nennen.

7 B. Comrie: Aspect. Cambridge 1989, S. 78-82; Tense. Cambridge 1990, S. 63.

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nicht erwähnt. Tatsächhch lassen sich die auf den folgenden Seiten angeführten Gebrauchs¬

weisen des Verbums nur mit den Termini eines solchen Systems durchgehend wider¬

spruchsfrei erklären: die Suffixkonjugation und die Kurzform der Präfixkonjugation be¬

zeichnen vorzeitige, die Langform der Präfixkonjugation nicht-vorzeitige (d.h. gleich- und nachzeitige Sachverhalte). Da - wie T. selber erkennt - Imperfektivität und Gleichzeitig¬

keit dieselben Zeitstrukturen aufweisen, nämhch Relation eines Sachverhaltes zu einem innerhalb desselben liegenden Zeitwertes, können die für den imperfektiven Aspekt der

Vergangenheit in Anspruch genommenen Gebrauchsweisen ebensogut als gleichzeitig be¬

schrieben werden. Daß die Hauptopposition des Verbalsystems binär ist, ist eher ein Argu¬

ment gegen als für ein Aspektsystem, da ein reines Aspektsystem dem Rezensenten nicht bekannt und zweifellos in den Sprachen der Welt eine Ausnahmeerscheinung ist.

S. 686 §76.324: Sämtliche Konditionalsätze besitzen entgegen der Vorbemerkung klar Zeitstellenwert Zukunft und gehören daher zu §76.33. Bei Konditionalsätzen der Gegen¬

wart müßte sinnvoll „jetzt" in die deutsche Ubersetzung einfügbar sein (Typ „Wenn es jetzt draußen regnet, bleiben wir drinnen"), was bei keinem der Belege möglich ist.

S. 688 §76.34: Die Gebrauchsweisen der Langform der Präfixkonjugation für die Ver¬

gangenheit decken sich nicht nur mit dem Imperfekt des Spanischen, sondern auch dem der anderen romanischen Sprachen, des Lateinischen, Griechischen ...

S. 696 oben: Die indikativische Kurzform der Präfixkonjugation ist außer in der nar¬

rativen Poesie auch in ug. Personennamen bezeugt: Ybn-il bedeutet wie akkad. Ibni-ilu

„Gezeugt hat II" und nicht „Zeugen möge Ii".'

S. 701 §76.43 und S. 714-716 §76.53: Für die Klassifikation der in diesen Abschnitten abge¬

handelten Sachverhake als „perfektiv der Gegenwart" ist lediglich der Gebrauch des Präsens in der deutschen Übersetzungssprache verantwortlich. Per definitionem kann es derartige Sach¬

verhalte ja nicht geben (s. T.s eigene Feststellung S. 683). Hier macht sich teilweise die fehlende Unterscheidung von „Sinn" und „Referenz" oder „bezeichnet" und „gemeint"^ bemerkbar.

So sind Verben wie td'/yd' (§§76.43, 76.534) Gegenwartsperfekta: sie bezeichnen einen vorzei¬

tigen Sachverhah, meinen aber einen daraus resultierenden, gleichzeitigen Zustand. „Gnomi¬

sche" Sätze (§ 76.532) bezeichnen vergangene Tatsachenerfahrungen, meinen aber die generelle Gegenwart.' Anders sind die Belege für performative Sachverhake (§ 76.531) und Kondhional- sätze (§76.533) zu bewerten, die beide im Ug. trotz der deutschen Übersetzung vorzeitige Sachverhalte bezeichnen und meinen: bei ersteren ist mit dem Aussprechen des Satzes die Handlung schon vorbei,* bei letzteren liegt Vorzekigkek der Protasis zur Apodosis vor.

S. 704f. §76.522: Da die Vorstellung, der Briefschreiber werfe sich während der Ab¬

fassung des Briefes vor dem - abwesenden! - Briefempfänger zu Boden, absurd ist, bleibt nur die performative Deutung der Prostrationsformel. Es handelt sich um eine Metapher für „Ergebenheit bezeugen".

S. 714 §76.531: Performative Sachverhalte werden im Semitischen keineswegs „immer durch perfektive Verbalkategorien ausgedrückt": das Spätbabylonische verwendet das Prä¬

sens, das Biblisch-Aramäische und mitunter das Syrische das Partizip.'

' Siehe J.J. Stamm: Beiträge zur hebräischen und altorientaiischen Namenkunde. Frei¬

burg (Schweiz)/Göttingen 1980 (Orbis Biblicus et Orientalis. 30.), S. 86.

^ Für das erste Begriffspaar s. J. Lyons: Einführung in die moderne Linguistik. Mün¬

chen '1984, S. 434-438; damit weitgehend identisch ist das zweite, von E. Koschmieder {Beiträge zur allgemeinen Syntax. Heidelberg 1965) verwendete.

' Siehe J. Lyons: Semantik. Band II, München 1983, S. 289; A. Denz 1971, S. 19f.; M. R Streck 1995, S. 145f.

* Siehe für diese Sichtweise performativer Sachverhahe M. P. Streck 1995, S. 191*'".

' Siehe M. R Streck 1995, S. 93 § 6d.

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S. 849 §91.332: Die nächste Parallele zu ug. Ausdrücken wie d pid sind amurritische Namen wie Dü-'ila „Der des Gottes".'

S. 852 §92.11 und passim: Der Terminus „Nominalsatz" ist für Sätze mit einem Präpositionalausdruck, Adverb u.ä. als Prädikat ganz unzweckmäßig und sollte durch den in zahlreichen neueren semitistischen Arbeiten verwendeten „nicht-verbal" ersetzt werden.

S. 885 §95.12: Die Angaben zur Genusdisgruenz in ug., akkadischen und amurriti¬

schen Personennamen wie ug. il'nt sind doppelt mißverständlich. Zum einen betrifft sie

im Akkadischen und Amurritischen keineswegs nur Namen mit Istar als theophorem Ele¬

ment. Zum anderen wird die entscheidende Bedingung für ihr Auftreten nicht genannt:

das Prädikat des Satznamens kongruiert mit dem Genus des Namensträgers und nicht

dem des Subjekts.^

S. 910 §97.93 SV: Der arabische Beleg gehört nicht hierher, weil es sich nicht um einen parataktisch konstruierten Bedingungssatz, sondern um einen Imperativ mit konditiona¬

ler Implikation handelt: „Lebe zufrieden, so wirst du ein König sein" läßt sich nicht zu

„Wenn du zufrieden lebst, ..." umformen.

Michael P. Streck, München

Horst Beinlich: Das Buch vom Ba. Wiesbaden: Harrassowitz 2000. 78 S., 9 S/W- und

Farbtafeln. (Studien zum Ahägyptischen Totenbuch. 4.) ISBN 3-447-04275-3. € 69,-.

Es handelt sich um die Publikation eines Textes des Berliner Totenbuchpapyrus 10477, der nicht zum Inhalt des Totenbuches (TB) selbst gehört und B. von U. Rössler-Köhler 1995 zur Veröffentlichung überlassen worden war. Der Text, in dem der „Ba" des Verstor¬

benen eine Rolle spielt - woher auch die Titelangabe rührt, die B., da der Text selbst offen¬

sichtlich keinen Titel aufweist, allein zu verantworten hat -, existiert derzeit nur in zwei

Versionen, neben pBeriin 10477 noch im Totenbuchpapyrus 525 der ehemaligen Samm¬

lung Mac Gregor (pMG). B. druckt die Varianten von pMG mit ab, obwohl der Text

weniger gut erhalten ist und ihm auch nur in einer „nicht immer eindeutig lesbaren" (S. 3)

Xerokopie aus der Hand des derzeitigen Bearbeiters von pMG, Malcolm Mosher, ver¬

fügbar war. Von B. ist hinsichtlich der Datierung, dem Herkunftsort und den Besitzern der Texte nur zu erfahren, daß beide Versionen aus Achmim sind und aus der gleichen Zeit stammen dürften (vgl. auch noch S. 15, Anmerkung 13). Für weitere Informationen wird auf fremde neuere Literatur verwiesen (S. 3, Anmerkung 2), die Rezensent nicht zugäng¬

lich war.

Der schmale Band besteht etwa aus vier Teilen: 1. Einer ausführlichen Einleitung,

nebst einem Vergleich mit dem Text des pMG hinsichtlich der Zeilengestaltung und

einer Inhaltsangabe (S. 3-29). 2. Der Textausgabe mit Ubersetzung und philologisch- übersetzungstechnischen Anmerkungen (S. 32-71). 3. Einem ausführhchen Verzeichnis

' Vgl. Gelb 1980, S. 653.

^ Siehe dazu ausführlich D.O. Edzard: „"^Ningal-gämil, 'Istar-damqat. Die Genus¬

kongruenz in akkadischen theophoren Personennamen." In: ZA 55 (1962), S. 113-130. Das Phänomen ist in den semitischen Onomastika weit verbreitet, s. zuletzt zum Qatabäni¬

schen H. Hayajneh: Die Personennamen in den qatabänischen Inschriften. Hildesheim/

Zürich/New York 1998, S. 44f.

(9)

der ägyptischen Worte in Transkription (S. TS-ll). 4. Dem Tafeheil am Schluß des Bandes.

Der Einleitungsteil beschäftigt sich detailliert v.a. mit der graphischen Gestah (Zeilen¬

einteilung und Vignetten), die diesen Text, der auf eine undeutliche Weise mit TB 17 zu¬

sammenhängt (vgl. SS. 3,13,17), auszeichnet. Vor allem die Zeilenführung ist kreativ und scheint, zumindest für den Textanfang, fast eine Art labyrinthischen Zugang zum Haupt¬

text und seinen Aussagen darstellen zu sollen. (Vielleicht gehört B.s Vermutung über eine Anlehnung des Textes an die Unterweltsbücher der Post-Amarnazeit hierher, vgl. S. 15.)

Sie wird von B. sorgfältig beschrieben. Er arbeitet auch eine Gliederung der verschiede¬

nen Teiltexte (es werden von ihm Texte A-H unterschieden) heraus. Grobes Gliederungs¬

schema der Texte besteht darin, daß Anrufungen und Gebete durch oder im Namen des

Verstorbenen an die Götter der jenseitigen Welt bzw. an die Ba-u - etwa um freie Beweg¬

lichkeit als Ba-Seele - sich abwechseln mit „Verheißungen" bzw. Bestätigungen der Wün¬

sche von Seiten der Jenseitswelt (?) an den Verstorbenen. Die letzten beiden größeren Teiltexte E und F (Zeilen 61-87) thematisieren daher auch folgerichtig das Eintreten des Verstorbenen als Ba. (Mit Zeile 61 [vgl. S. 57] als Überschrift?) B.s Bemerkung, daß der Text einer einheitlichen Konzeption folgt, kann somit nur zugestimmt werden. Es scheint sich um eine Initiationsliturgie zu handeln, vermittelst derer der Verstorbene Aufnahme in das Jenseits durch die Verleihung der Ba-Lebensform erfährt. (Vgl. etwa S. 45, Zeile 28f.; S. 57, Z. 61ff.; S. 63, Z. 77ff.) B. selbst zieht diese Schlußfolgerung allerdings nicht, wie er sich überhaupt sorgfältig von allen inhaltlichen Interpretationen fernhält, was be¬

dauerlich ist. Die einzige allgemeine Charakterisierung, die er gibt, daß „es sich um Texte handek, die sich mit der vogelgestaltigen Seelenvorstellung ,Ba' der Ägypter beschäftigt [sie!]" (S. 3), ist eher irreführend, da das Thema offenkundig das Ba-Sein des Toten als eines Aspektes seiner Unterweltexistenz darstelh (also ein soteriologisches Thema), nicht aber der Ba als Existenzweise sui generis. (Insofern ist auch der Titel „Buch vom Ba" mi߬

verständlich.) Aber auch für dieses Thema fällt manches ab, etwa wenn B. konstatiert, daß die Ba-Vögel der ersten Vignette nicht Menschenköpfe, sondern die Köpfe der Kanopen- gottheiten tragen (S. 19), was nun wirkhch eine Besonderheit ist. Es bezeugt aber, zusam¬

men mit den Abbildungen der dritten Vignette (S. 21 f.) wie auch Hinweisen im Text (v.a.

Text B, Z. 9-37), daß die Ba-Werdung hier in engem Zusammenhang mh dem „Jenseits¬

weg" (S. 22) steht, den der Tote vom Zeitpunkt seines physischen Todes bis zum Eintritt in die neue, jenseitige Existenz zurückzulegen hat. (Darin dürfte auch der Grund liegen, daß

in den Abbildungen der dritten Vignette der Verstorbene anthropomorph und nicht ba-

gestaltig dargestellt ist (was B. verwundert [ebda]): sie weisen auf den Jenseitsweg hin, der der Ba-Werdung vorausgeht!) So ließe sich auch der mangelnde direkte Bezug zwischen Text und dritter Vignette, den B. konstatiert (S. 22), überbrücken. - Es bleibt noch an¬

zumerken, daß auch in den Einzelheiten der äußeren Gestaltung Unterschiede zu pMG

genau verzeichnet werden.

Die Übersetzung ist, aufgrund der grammatischen und lexikalischen Fragen, die der Text aufwirft, nur eine erste Annäherung, wie B. selbst zugibt (S. 4). Es wäre allerdings

schön gewesen, wenn er wenigstens eine Übersicht über die wichtigsten Problemfälle und eine Charakteristik der Sprache beigefügt hätte, anstatt sich dies für künftige Veröffent¬

lichungen vorzubehahen. (Ebda) Auch die ausführlichen Anmerkungen im Übersetzungs- teil können eine solche nicht ersetzen. Leider ist dies jedoch für Texteditionen immer noch nicht die Regel.'

' Auch z.B. in seinem Buch vom Fayum, Wiesbaden 1991, ist B. so verfahren.

(10)

Das Wörterverzeichnis und die hervorragend reproduzierten Photographien aus dem Tafelteil schließlich runden dieses sorgfältig gemachte und instruktiv verfaßte Buch ab.

Der Verlagspreis allerdings erscheint Rezensent für einen kartonierten Band dieses Um¬

fanges zu hoch.

Holger Gutschmidt, Göttingen

Antonin Jaussen und Raphael Savignac: Mission archeologique en Arabie. 5 Bände.

Paris: Librairie Paul Geuthner 1909-1922. Reedition Kairo: Institut Frangais d'Archeo- logique Orientale du Caire 1997 (Puhlication de la Societe de Fouilles archeologique.

2.) ISBN 2-7247-0186-0. € 20,-.

Zuerst möchte der Rezensent dem Französischen Archäologischen Institut in Kairo sei¬

nen - und sicherlich den vieler anderer Fachgenossen - Dank aussprechen dies wertvolle

und nur sehr schwer käuflich zu erwerbende Werk zu einem erschwinglichen Preis neu

aufgelegt zu haben.

Allein schon die Bestandsaufnahme der Denkmäler und Inschriften, die im Laufe der Jahrzehnte danach beschädigt oder zerstört worden sind, rechtfertigt die Neuauflage.

Man muß weiter nur die in den letzten 30 Jahren erschienenen Werke lesen, die die archäo¬

logischen oder sprachlichen Denkmäler dieses Gebietes betreffen, und man wird sehen,

daß die Namen Jaussen und Sauvignac und ihre Forschungsergebnisse immer wieder

genannt werden.

Vorweg seien hier zur Information einige Rezensionen erwähnt, die zur Erstauflage erschienen sind: H. Grimme, OLZ (1912), S. 310ff.; Band 1: R. Dussaud, Syria 1 (1920) S. 166 f?.; Band 2: E. Diez, OLZ (1925), Sp. 704; Band 3: Syria 4 (1925), S. 257ff.

Band 1 (1909) befaßt sich mit Madä'in Salih. Ursprünglich war geplant auch Taima und el-'Ula zu besuchen; dies mußte aber wegen unüberwindlicher Hindernisse unterbleiben.

Der Band ist in vier Teile untergliedert: Einmal die Beschreibung der Route von Jerusalem nach Madä'in Salih, gefolgt von dem epigraphischen Teil sowie einem archäologischen Abschnitt, der den Gräbern gewidmet ist und schließlich ethnographische Notizen.

Der epigraphische Teil befaßt sich mit den nabatäischen, minäischen, arabischen sowie mit den lihyanischen und thamudischen Inschriften und Graffiti. Auch heute noch ist die

von beiden Forschern gemachte epigraphische Ausbeute beeindruckend: insgesamt 1775

Inschriften wurden auf drei Reisen zwischen 1907 und 1910 erfaßt.

Sicherlich hat sich der Forschungstand seit 1909 verändert. Es kann allerdings nicht die Aufgabe dieser Rezension sein, alles was danach zu diesem Thema erschienen ist, auf¬

zuführen. Es seien daher nur einige Werke genannt, in denen sich weitere Hinweise fin¬

den: J. Cantineau: Le Nabeteen. 2 Bände (1930-32); W. Caskel: Lihyan und Lihyanisch.

Arbeitsgemeinschaft f. Forschung d. Landes NRW, Geisteswiss. H. 4 (1954); A. Groh¬

mann: Arabien (1963), S. 39f. und 59ff.; F. V. Winnet/W. L. Reed: Ancient Records From North Arabia (1970); A. Negev: „The Nabateans and the Provincia Arabia." In: Aufstieg

und Niedergang der römischen Welt. [ANRW] Geschichte und Kultur Roms im Spiegel

der neueren Forschung. Hrsg. von Hildegard Temporini. 11,8. Politische Geschichte (Provinzen und Randvölker: Syrien, Palästina, Arabien). Berlin u.a. 1977, S. 520ff.; H.P.

Roschinski: „Sprachen und Inschriften." In: Die Nabatäer, Ausstellung Rheinisches Lan¬

desmuseum Bonn (1978), S. 27ff.; Die Bibliographie in R. Wenning: Die Nabatäer -

Denkmäler und Geschichte, Noviem Testatamentum et Orbis Antiquus (1987), S. 307ff.

(11)

Diese Werke enthahen zahlreiche Hinweise zu diesem Thema wie auch die Zeitschriften

ADAJ (Annual of the Department of Antiquities, Amman, The Hashemite Kingdom of

fordan) und Atlal.

Der nächste Abschnitt des Bandes befaßt sich mit den Gräbern und Skulpturen von

Madä'in Salih. Festzustellen ist, daß auch heute noch die Diskussion über die Gräber (ge¬

nauso wie für Petra) nicht abgeschlossen ist. Einige bibliographische Hinweise: A. Negev, ANRW II 8; A. Schmidt-Collinet: „Nabatäische Felsarchitektur." In: Die Nabatäer, Ausstellung Rheinisches Landesmuseum Bonn (1978), S. 61 ff. - derselbe Aufsatz findet sich

auch in Bonner Jahrbücher 180 (1980), S. 189ff.; F. Zayadine: „Die Felsarchitektur Pe¬

tras." In: M. Lindner (Hrsg.): Petra und das Königreich der Nabatäer. (*1983), S. 212ff.;

R. Wennig: Die Nabatäer-Denkmäler und Geschichte, Noviem Testatamentum et Orbis

Antiquus (1987), S. 119ff.

Neben der ausführlichen Behandlung der Gräber wird, wenn auch wesentlich kürzer, auf einige religiöse Monumente eingegangen. Ob die als „Diwan" bekannte Anlage wirk¬

lich ein Heiligtum war (wie die Verf. annehmen, S. 405ff.), ist nicht sicher. Mit Wennig (S. 120) solle man eher von einem Versammlungsraum sprechen.

Der vierte Teil „Notes ethnographiques" war ursprünglich als komplette Studie über die Stämme, die auf der Reise besucht wurden, gedacht, aber es war für die beiden Reisen¬

den nicht mehr möglich, in engeren Kontakt mit den Beduinen zu treten. Hier sei zur Er¬

gänzung auf den Aufsatz von M. Zaghloul: „Archaeology and Ethnography in Jordan

and Palestine." in: ADAJ 31 (1987), S. 207ff. mit nützlicher Bibliographie verwiesen.

Band 2 enthält die Ergebnisse der beiden Reisen 1909 und 1910. Es werden die Unter¬

suchungen in el-'Ula, dem benachbarten Hurebe (dem antiken Dedan), Taima und Te-

bouk vorgelegt, wobei wiederum eine Unterteilung in Wegbeschreibung und Archäologie einerseits und in Epigraphie anderseits vorgenommen wird.

Archäologisch gesehen war die Entdeckung eines Heiligtums sowie einer Nekropole (s.

Grohmann, S. 55/6) der Lihyan in Hurebe von Bedeutung. Der archäologische Abschnitt

bringt dann auch noch einige ergänzende Anmerkungen zur Grabarchkektur in Madä'in

Salih sowie einen Bericht über einen Besuch in Teima wo die Forscher zahlreiche Grab- tumuli fanden (siehe ergänzend Berichte in Atlal 4, 5 und 7 sowie Wennig, S. 116/7). Die

Beschreibung eines Ausfluges in die Umgebung von Tebouk, wo man auf dem Rugm Sohar

eine Nekropole fand (s. Grohmann, S. 54/5), schließt den archäologischen Abschnitt ab.

Der umfangreiche epigraphische Teil ist den Denkmälern in der Oase von el-'Ula ge¬

widmet. Jaussen und Savignac haben in dem Ruinenfeld die Spuren von insgesamt sechs verschiedenen Sprachen und Dialekten gefunden: es handelt sich um minäische, lihani- sche, nabatäische, thamudische, hebräische und griechische Inschriften. Umstritten ist bis heute, in welcher zeitlich-historischen Reihenfolge die Träger der drei erstgenannten Spra¬

chen einzuordnen sind (s. dazu Roschinski, S. 27ff. mit Bibliographie und General Index ADAJ, Bd. I-XXX [1988], wo sich auch zahlreiche Hinweise zu diesem Thema finden).

Ein umfangreicher Atlas (1914) als Extraband mh einer großen Zahl von Photos der

besuchten Plätze und Denkmäler ergänzt die beiden vorherigen Bände.

Ein weiterer Supplementband (1914, erschienen 1920) mit dem Titel „Coutumes de la

tribu arabe des Fugara" wird vortrefflich ergänzt durch zwei weitere Werke von Jaussen:

„Coutumes des Arabes au pays de Moab" und „Coutumes palestiniennes".

Band 3 (1922) ist dann den berühmten sogenannten Wüstenschlössern Qasr Amra,

Kharanah und Tuba gewidmet. Nicht nur über diese drei Anlagen sondern auch über wei¬

tere Anlagen diese Typs, besonders über Mshatta ist viel „Schweiß der Edlen" vergossen worden. Es ging und geht auch heute noch um die Datierung der einzelnen Anlagen: vor¬

islamisch oder frühislamisch und um ihre Funktion.

(12)

Während Jaussen und Savignac Qasr Amra und Kharanah als omayadisch ansehen,

schreiben sie Tuba und auch Mshatta den Lachmiden zu. Diese letztere Datierung ist

nach dem heutigen Forschungsstand nicht mehr aufrechtzuerhalten. Beide Anlagen und

auch Amra sowie Kharanah gehören in die frühomayadische Zeit. Der Rezensent verweist

in diesem Zusammenhang auf die grundlegenden Studien von K.A.C. Creswell: Early

Muslim Architeeture. 2"^ ed. Vol. I and Vol. II. (1974).

Über die Funktion dieser Anlagen existieren verschiedenen Ansichten. Anfangs glaubte man, daß entweder beduinische Traditionen oder die Libertinage der omayadischen Für¬

sten für die Abgeschiedenheit dieser Anlagen verantwortlich sei; später, vor allem von J.

Sauvaget in die Diskussion gebracht: es handle sich um Gutshäuser oder Landvillen. O.

Grabar sieht die Lösung des Problems im Wesen der mohammedanischen Eroberung

Syriens und Palestina selbst. Alle verlassenen Besitztümer und alle Staatsländereien galten

als frei und wurden vom mohammedanischen Staat übernommen. Die Kalifen gaben sie

an die Familienmitglieder weiter, die sie dann in Latifundien umwandelten. H. Gaube sieht dagegen in den Wüstenschlössern ein „Instrument der Nomadenkontrolle", als Orte einer „rotierenden Hofhaltung".

Noch einige bibliographische Hinweise: O. Grabar: Die Enstehung der islamischen

Kunst (1977); H.G. Franz: Palast, Moschee und 'Wüstenschloß - Das Werden der isla¬

mischen Kunst, 7.-9. Jhd. (1984); L. Trümpelmann: Mshatta (1962); J.K. Urice: Qasr

Kharanah in the Transjordan (1987) und ausführhehe Besprechung von E. Will in: Syria 1991, S. 195fr.

Abschließend bleibt festzuhalten: ein großartiges Werk. Neben der wissenschaftlichen steht gleichberechtigt die menschliche Leistung.

Klaus Schippmann, Göttingen

Roberto Tottoli: Iprofeti hiblici nella tradizione islamica. Brescia: Paideia 1999. 227 S.

(Studi biblici. 121.) ISBN 88-394-0577-1.

Die Geschichten früherer Propheten und Gottesgesandter vor Muhammad, die im Alten

und Neuen Testament erwähnt werden, sind ein wichtiger Gegenstand des Korans und

auch verschiedener Gattungen der islamischen Literatur. Neben den nichtbiblischen Vor¬

läufern Muhammads natürlich, die aber nicht Gegenstand der Studie von Roberto Tot¬

toli sind.

Im ersten Abschnitt beschreibt der Verfasser Funktion und Bedeutung der Propheten¬

geschichten im Koran. Jeder Figur werden dann auch gesonderte Abschnitte gewidmet.

Im letzten Abschnitt des ersten Teiles seiner Untersuchung geht Tottoli dann der Unter¬

scheidung zwischen rasül unä nabi nach.

Der zweite Teil ist der Darstellung der biblischen Propheten in verschiedenen Gattun¬

gen der islamischen Literatur gewidmet. Nach einer Einleitung, die u.a. die Rolle der qussäs behandelt, geht Tottoli am Beispiel Tabaris zur Korankommentarliteratur über.

Im Anschluß behandelt er die Hadithliteratur, Universalgeschichten und natürlich die qisas al-anbiyä! Die negative Reaktion Ibn TaimTyas und insbesondere die systematische

Zurückweisung der Prophetengeschichten und -legenden durch Ibn Katir werden im fol¬

genden dargestellt. Die Literatur des 20. Jahrhunderts zum Thema ist Gegenstand des letz¬

ten Abschnittes. In dieser Phase erkennt Tottoli ein gewisses Fortwirken des Denkens von Ibn Kajir (S. 215).

(13)

Die Darstellung Tottolis ist ein gut lesbarer, fundierter Überblick über das Thema der biblischen Propheten, die nur empfohlen werden kann. Die jedem Abschnitt beigege¬

benen Literaturverweise regen denn auch zum weiterführenden Studium an.

Rüdiger Lohlker, Göttingen

Qurtuba: estudios andalusies. Bd. 3. Cordoba: Servicio de Publicaciones de Universidad de Cördoba 1999. ISSN 1137-5671.

Die vom Seminar für Arabische Studien der Universität Cordoba herausgegebene Zeit¬

schrift erscheint seit 1996. Neben Artikeln u.a. über das Motiv der Sehnsucht nach der Natur in der arabischen Literatur in al-Andalus, über Cördoba unter den Almoraviden, die muslimische Piraterie im Atlantischen Ozean, über die mögliche Rolle der Oralität in der kulturellen Überlieferung der Mudejaren sind die Rubriken „Crönicas de al-Anda¬

lus", die u.a. über Manuskripte und archäologische Ausgrabungen handeln, die Liste ab¬

geschlossener einschlägiger Dissertationen und natürlich der ausführliche Rezensionsteil für jeden, der sich mit der Erforschung des islamischen Spaniens befaßt, von großem In¬

teresse.

Rüdiger Lohlker, Göttingen

Albir AräzI, Salmän Masäliha: al-'Iqd at-tamin fi dawäwin as-su'arä' as-sitta al-

gähiliyyin. Tab'a gadida wa-mu'gammufahras. al-Quds 1999. Engl. Nebentitel: Albert

Arazi, Salman Masalha: Six Early Arab Poets. New Edition and Concordance. Jeru¬

salem: The Hebrew University of Jerusalem, Instkute of Asian and Afriean Studies 1999. 12 (engl.), 25, 1357 (arab.) S. (The Max Schloessinger Memorial Series). (Keine ISBN). $ 265.-.

So mancher, der zum ersten Mal in seinem Leben vor den Pyramiden stand, konnte seine Enttäuschung nur schwer verbergen. Beeindruckt zwar und glücklich, endlich selbst am vielbeschworenen Ort zu sein, hatten die zahllosen überschwenglichen Schilderungen des Weltwunders Erwartungen geweckt, die das reale Denkmal nicht erfüllen konnte. So ähn¬

hch wird es nun vielen ergehen, die nach langem Hoffen und Warten endlich das zu rezen¬

sierende Buch in Händen halten.

Die Vorgeschichte des Buches wird im Vorwort resümiert (S. 7f.). Wir erfahren, wie Joseph Horowitz schon in den zwanziger Jahren den Plan einer Konkordanz konzipiert

hatte, die die gesamte vorislamische und umayyadenzeitliche Poesie umfassen sollte. Das Projekt wurde nach seinem Tod von anderen Koryphäen des Faches fortgeführt, seit 1970 unter der Leitung von M.J. Kister. Unter seiner Ägide wurde das Korpus ausgeweitet, um neben der Poesie auch Prosatexte (Prophetenbiographie, Geschichte etc.) einzubezie¬

hen. Später wurde das erfaßte Quellenmaterial anhand neuerer Editionen überprüft und auf elektronische Datenträger übertragen. Ein Komitee, dessen Mitgliederliste ein wahres Who-is-who der israelischen Arabistik ist, übernahm die weitere Ausarbeitung des Pro¬

jekts. Diese Aktivitäten sind auch international mit größtem Interesse verfolgt worden, denn welchen Beitrag eine solche Konkordanz für das Studium der arabischen Poesie und

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die Lexikographie des Arabischen allgemein leisten kann, braucht nicht eigens betont

zu werden. So sahen besonders - aber nicht nur - diejenigen Arabisten, die sich mit

vor- und frühislamischen Texten beschäftigen, dem Erscheinen der Konkordanz mit

großer Spannung und größten Erwartungen entgegen. Es wird ihnen, fürchte ich, nicht anders gehen als dem enttäuschten Pyramidenbetrachter. Die erste Enttäuschung stellt sich bereits beim Blick auf den Titel ein. Zwar lastet das dreieinhalb Kilo schwere

Werk mit pyramidenhafter Monumentalität auf dem Schreibtisch, doch enthält dieses

Papiergebirge keineswegs eine Konkordanz der gesamten vor- und frühislamischen Poe¬

sie (oder gar der Poesie und Prosa), sondern nur der „Sechs Dichter" (an-Näbiga ad- Dubyänl, 'Antara, Tarafa, Zuhayr, 'Alqama, Imra'alqays) in der Rezension von al-A'lam

as-§antamarl (st. 476/1083). Dessen Sammlung wurde bereits ediert von Wilhelm Ahl¬

wardt: The Divans of the Six Ancient Arabic Poets Ennäbiga, 'Antara, Tharafa, Zu¬

hair, 'Alqama and Imruulqais. London 1870, und genau diese Edition ist nun Grundlage

vorliegender Konkordanz. Handschriften wurden nicht eingesehen. Die Bezeichnung

„new edition" im englischen Titel ist deshalb ein Etikettenschwindel. Auch daß die Kon¬

kordanz den Titel des Werkes al-A'lams {al-'Iqd at-tamin etc.) usurpiert, ist (wie schon

bei Ahlwardt) unredlich, da auch hier der Kommentar dieses Philologen nicht abge¬

druckt wurde. Stattdessen wird aber nochmals der gesamte erste Teil des Textes der

AHLWARDTSchen Edition reproduziert mit der Begründung, dieses Buch sei „not easily

available" (S. 9). Auch diese Behauptung ist falsch. Das Buch ist nach wie vor im Buch¬

handel als Reprint von 1972 erhältlich; es zu besorgen dürfte im Internetzeitalter kein Problem darstellen.

Allerdings scheint mir die Entscheidung, Ahlwardts Edition als Textgrundlage zu

nehmen, bedenklich, da von den meisten der „Sechs Dichter" mittlerweile gute andere

Editionen vorliegen, die die AHLWARDTsche weitgehend verdrängt haben. Was soll man

schheßlich davon halten, wenn in der kurzen Einleitung zur Konkordanz Zuhayr nach

der Ed. Qabäwa, an-Näbiga und Imra'alqays nach den Eds. von Abu l-Fadl Ibrähim,

"Antara nach der Ed. al-Mawlawi, und Tarafa nach der Ed. Duriyya al-Hatib/Lutfi AS-Saqqäl zitiert werden (S. 10-12)? Desavouiert sich ein Unternehmen nicht von selbst, wenn in seiner Einleitung lediglich die wenigen Verslein 'Alqamas nach derjenigen Edi¬

tion zitiert werden, die angeblich so viele Vorzüge genießt, daß sie der gesamten Konkor¬

danz zugrunde gelegt werden mußte? Immerhin, so erfahren wir, haben die Autoren die

Edition Ahlwardts an „ungefähr" 55 Stellen (warum „ungefähr"?) nach anderen (wel¬

chen?) Editionen korrigiert (S. 9). Sehr hilfreich ist diese Bemerkung nicht. Da der in der Konkordanz abgedruckte Text keinen kritischen Apparat hat, ist es nicht ohne minutiöse Textkollation möghch, einen solchen Eingriff aufzuspüren. Was aber soll man machen, wenn man auf eine derartige Stelle gestoßen ist und sie zitieren will? Einerseits handelt es sich ja um den Text der Edition Ahlwardts, andererseits aber auch wieder nicht. Also wird man am besten gleich eine der anderen, o.g. Editionen nehmen, wie es die Herausge¬

ber selbst ja nicht anders machen!

Zu welchen Unstimmigkeiten die Fixierung auf den Text Ahlwardts zwangsläufig

führt, sei an einem einzigen von zahlreichen Fällen erläutert. Ahlwardt führt auf S. 189 seiner Edition vier dem Zuhayr zugeschriebene Verse (Kämil/-Jtiz ) an, die er zwei verschie¬

denen Quellen (as-Suyüti, al-öawharT) entnommen hat. Diese vier Verse werden, weil

sie bei Ahlwardt stehen, auch in der Konkordanz berücksichtigt. Sie stammen aber aus

einem 27 Verse langen Gedicht, das schon in Nöldekes Delectus Aufnahme gefunden

hatte. Natürlich kann man über die Authentizität des Gedichts streiten, und es ist nicht Aufgabe einer Konkordanz, solche Fragen zu entscheiden. Mir scheint aber, daß in einem solchen Fall nur zwei Entscheidungen möglich sind: Entweder ist das Gedicht aufgrund

(15)

der Tatsache, daß es nicht in der Rezension al-A'lams steht, gänzlich zu verwerfen, oder es ist zur Gänze zu berücksichtigen. Warum aber vier Verse nur aufgrund eines überliefe¬

rungsgeschichtlichen Zufalls das Privilegium der Aufnahme in die Konkordanz genießen sollen, die anderen 23 Verse, die auch nicht schlechter überliefert sind als diese vier, aber nicht, läßt sich nicht rechtfertigen.

Problematisch ist auch der Umgang mit den zahlreichen Textvarianten. Der umfang¬

reiche Variantenapparat Ahlwardts wird nicht mit abgedruckt - eine mir unverständ¬

liche Entscheidung, da eine Edition altarabischer Poesie ohne den Variantenapparat wissenschaftlich nicht benutzbar ist (weshalb die Konkordanz letzlich doch nicht die An¬

schaffung einer Textedition der „Sechs Dichter" erspart). Zudem ist der Apparat ja der ein¬

zige Teil, der aus der Konkordanz nicht rekonstruierbar ist. Die darin angeführten Varian¬

ten werden in der Konkordanz nicht berücksichtigt, ebensowenig abweichende Lesarten in anderen Editionen, die aber häufig besser bezeugt sind als diejenigen des Ahlwardt- schen Textes. Die Liste der Wörter, die dadurch unter den Tisch fallen, ist lang. Allein die 24 Verse aus dem DTwän des Imra'alqays, die ich - ebenfalls in der AnLWARDTschen Edition (allerdings unter Kenntnisnahme der Varianten) - in meiner Studie der Onager¬

episode in der vor- und frühislamischen Dichtung untersucht habe {Altarabische Dicht¬

kunst. Wiesbaden 1992, Bd. 2, S. 12-26), würden bei Berücksichtigung nur der allerwich- tigsten, gut bezeugten und inhaltlich sinnvollen Varianten folgende Wörter liefern, die in der Konkordanz fehlen: hurgüg (IQ 4/20), sudfa (IQ 4/21), mayyäh (IQ 4/21), dafir {dafirät ist unbedingt vorzuziehende Var. zu safirät in IQ 10/12), arbä (zur Wurzel rbw;

das Wort adnä in IQ 34/2 ist wohl nur eine Verschreibung), fasis (IQ 34/19), sa^is

(IQ 34/34). All diese Wörter sucht der Benutzer vergebens, obwohl sie schon in Ahl¬

wardts Apparat verzeichnet sind und in der den Verfassern ja nicht unbekannten Edition Ibrahims im Text stehen. Es sind ausnahmslos sinnvolle und wichtige Lesarten und Text¬

belege. Zahlreiche zusätzliche Belege für bereits anderweitig in der Konkordanz verzeich¬

nete Wörter kommen hinzu. Überflüssig zu sagen, daß derartige Belege in das WKAS

aufgenommen wurden (vgl. z. B. die wichtige Var. kaddaha statt kaddama zu Näbiga 21/7, zit. WKAS I 79b 40f.). Hochgerechnet auf das gesamte Korpus dürfte es sich um mehrere hundert Wörter und Wortformen handeln, die als bei den „Sechs Dichtern" gut bezeugt gelten dürfen, aber in der Konkordanz nicht vorkommen.

Nun mag man natürlich einwenden, daß die Berücksichtigung von Varianten (wobei

man sich stets der Tatsache bewußt sein muß, daß die Wörter, die im Text stehen, ja

auch nur Varianten sind), den Umfang des Werkes noch erheblich erweitert hätte. Dieses

Argument wird aber durch die augenfällige Redundanz, die die Konkordanz aufweist,

entkräftet. Zunächst besteht das Buch aus einer Wortkonkordanz {al-mu gam al-'ämm,

S. 131-1265), auf die eine wesentlich kürzere Eigennamenkonkordanz (S. 1267-1357)

folgt. Die Konkordanzen sind (nach den in der Einleitung ausführlicher dargestellten Prinzipien) dergestalt aufgebaut, daß unter der jeweiligen Wurzel am rechten Rand das jeweilige Wort in genau der Gestalt erscheint, in der es im Text vorkommt, in der mittle¬

ren Kolumne der Text des jeweiligen Verses vollständig abgedruckt wird, worauf in der linken Kolumne die genaue Stellenangabe folgt. Das Prinzip des vollständigen Abrucks wird so weit geführt, daß ein Vers, der zweimal dasselbe Wort enthält, auch zweimal hintereinander abgedruckt wird (z.B. S. 953 ein Vers 'Antaras, in dem zweimal das Wort kull vorkommt). Man kann leicht ausrechnen, daß auf diese Weise ein jeder Vers rund acht bis zwölfmal vollständig in der Konkordanz erscheint. Die einleitende vollständige

Reproduktion des Gesamttextes der AnLWARDTschen Edition erscheint dadurch umso

absurder. Natürlich ist es ein großer Fortschritt und eine große Erleichterung, eine Kon¬

kordanz der „Sechs Dichter" zu haben. Besonders verdienstvoll ist natürlich, daß hier

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auch ahe „kleinen" Wörter aufgeführt sind. Auf einen Blick kann man sich über sämt¬

liche Vorkommen jeder Präposition oder Konjunktion in zumindest einer Erscheinungs¬

form der „Sechs Dichter" informieren. Für linguistische Studien ist dies ohne Zweifel

höchst angenehm. Mir scheint nur, daß Aufwand und Preis in keinem Verhältnis zum

Ertrag stehen. Hätte es nicht doch gereicht, nur die Belegstellen anzugeben, den Text nur einmal zu reproduzieren und den Preis zu senken? Immerhin ist das Korpus doch recht übersichtlich und der Preis recht stattlich. Dies mag undankbar erscheinen, und wenn die Verfasser ausdrücklich für ihren Fleiß und ihre Mühe gelobt werden wollen (S. 21:

„It has taken years of strenuous work to attain this objective"), so sind sie durchaus im

Recht. Aber man vergleiche doch ein Buch wie Bernhard Lewins A Vocabulary of the

Hudailian Poems (Göteborg 1978), in dem ein einzelner Mensch in wenigen Jahren ein

ungleich größeres Korpus vollständig (allerdings ohne die „kleinen" Wörter, dafür aber den Text in zwei verschiedenen Editionen) indiziert und die Wörter und Stellen noch mit Bedeutungsangabe und gelegentlich sogar Kommentar versehen hat! Ich fürchte, nie¬

mand wird leugnen können, daß Lewins Arbeit von größerem Nutzen für die Arabistik ist als die Konkordanz.

Das Kernproblem liegt, scheint mir, in einer prinzipiellen Inkompatibilität von Philo¬

logie und Maschine. Natürlich wird niemand die Vorteile des Computers gerade für den Philologen und gerade bei der Bewältigung großer Textmassen leugnen. Doch sollte auch der tägliche, längst selbstverständliche Umgang mit dem Computer dem Philologen nicht den Blick für einige grundsätzliche Tatsachen trüben. Der Philologe hat es mit den Äuße¬

rungen von Menschen zu tun. Menschen sind schon ihrer Natur nach unberechenbare Wesen, die keinen Anspruch auf logische Konsistenz erheben können. Diese unberechen¬

baren Wesen geben Äußerungen von sich, die über störungsanfällige Kanäle anderen Men¬

schen übermittelt werden, die den mehr oder weniger adäquat (aber niemals eindeutig und auf nur eine Weise „richtig") rezipierten Text wiederum in ein neues, komplexes Ge¬

flecht von Vorverständnis, Vorwissen und individueller Rezeption stellen. Leicht kann man sich vorstellen, was nach einem halben Jahrtausend (so im Falle al-A'lams) nach z.T.

mündlicher Überlieferung aus dem Ursprungstext geworden ist. Hier aber findet sich der Philologe in seinem Element. Seine Aufgabe ist es ja, die schier endlose Komplexität zu ordnen - zu ordnen, wohlgemerkt, nicht zu beseitigen! Der Philologe spürt der Vielfalt

der Varianten nach, weist sie ihren mutmaßlichen Urhebern zu, sucht nach ihren mög¬

lichen Ursachen und wagt vielleicht eine Hypothese über die ursprüngliche Lesart oder entscheidet sich für die Gleichberechtigung verschiedener Lesarten. Immer aber bleibt die hypothetische Natur seiner Entscheidungen erkennbar, sei es in einem Variantenapparat, sei es in dem einen oder anderen Fragezeichen, oder sei es nur in der Vielzahl differieren¬

der Quellen, die im Bemühen um den Text herangezogen und nebeneinander gestellt wer¬

den. Man kann es auch anders formulieren: Der Philologe wühlt im prallen Menschen¬

leben; er geht aus vom Mängelwesen Mensch mit all seinen Schwächen, Leidenschaften und Irrtümern. Er ist - selbst menschlichen Schwächen ausgeliefert - zwar stolz, die Les¬

art adnä in IQ 34/12 als Verschreibung von arbä entlarvt zu haben, würde aber trotzdem (hoffentlich) niemals behaupten, im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein und völhg aus¬

schließen zu können, die Stelle habe ursprünglich vielleicht doch adnä gelautet, vielleicht aber auch ganz anders.

Nicht so die Maschine. Natürlich kann man den Computer auch mit Varianten füt¬

tern. Doch man täusche sich nicht: Die Behauptung, die Technik sei an sich wertfrei, ge¬

hört zu den am weitesten verbreiteten und folgenreichsten Irrtümern der Moderne. Denn sehr wohl zwingt die Technik dem Menschen ihre Eigengesetzlichkeit auf, auch wenn der Mensch bis zu einer gewissen Stufe gegensteuern kann. Irgendwann aber setzt sich letzt-

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hch doch der Zwang des binären Codes durch, wird die Vielgestaltigkeit, Chaotik und Un¬

berechenbarkeit der menschlichen Äußerungen durch scheinbare Eindeutigkeit ersetzt.

Die Konkordanz liefert ein Lehrstück hierfür. Denn nicht philologische Überlegun¬

gen sind für ihre Gestalt ausschlaggebend, sondern die Zwänge der elektronischen Da¬

tenverarbeitung, wie aus dem lehrreichen Abschnitt über „The Computerized Analysis of Data" der Einleitung (S. 20f.) deutlich wird. Man kann sich des Verdachts nicht er¬

wehren, daß nicht die philologische Aufarbeitung der Texte die Hauptarbeit der letzten Jahre war, sondern ihre computergerechte Zurichtung, wobei ein Computerprogramm,

das nach manueller Eingabe der Wörter einschließlich ihrer grammatischen Analyse

und der jeweils zugrundeliegenden Wurzel 40-50% korrekte Daten reproduziert (wel¬

cher Anteil aber immerhin, „after the corrections were entered", anzusteigen begann), wohl kaum eine große Arbeitserleichterung dargestellt haben kann (vgl. dagegen wieder

Lewin!). Geradezu rührend, wenn schließlich eingeräumt wird, daß „proof-reading the

computer's output remains a vital necessity, requiring extreme vigilance and a sharp eye"

(S. 21). Wer hätte das gedacht! Trotzdem ist das Ergebnis weit entfernt von aller philo¬

logischen Redlichkeit. Denn in Wahrheit wurde Ahlwardts Text nicht etwa deshalb

abgedruckt, weil er so gut und so schwer zugänglich ist, sondern weil man ihn ohnehin schon in den Computer eingetippt hatte. Und zwar ohne Varianten, denn mit denen hätte

das Computerprogramm nichts anfangen können. Hier rächt sich die Forderung der

Maschine nach Eindeutigkeit! Präsentiert wird nicht ein besonders guter Text der „Sechs Dichter", sondern ein Phantom, ein durch Überlieferungs- und Editionsgeschichte zu¬

fälhg zustande gekommenes Konglomerat, das keinerlei historische Realität widerspie¬

gelt, doch nun dank ihrer maschinengerechten Aufarbeitung die Gefahr mit sich bringt, daß die anderen, oft besseren Überlieferungen nicht mehr gebührend beachtet werden.

Vor allem aber wird überhaupt verhindert, daß ein Bewußtsein für die Unsicherheit

und Vielgestahigkeit der Überlieferung entsteht! Welch fatale Auswirkungen eine sol¬

che Methodik langfristig auf die Betrachtungsweise der altarabischen Dichtung, ja auf

die Wahrnehmung von Kuhur und Sprache insgesamt haben kann, mag sich jeder selbst

ausmalen.

Trotz allem ist man aber erfreut zu lesen, daß vorliegende Konkordanz der „Sechs Dich¬

ter" nur ein erster Schritt ist. Wie es auf S. 20 heißt, liegt noch eine Konkordanz von wei¬

teren zwölf vorislamischen Dichtern fertig vor, und eine Konkordanz aller überlieferten vorislamischen Dichter steht kurz vor der Vollendung. Aber auch diese Mitteilungen wer¬

fen Fragen auf. Werden auch diese Konkordanzen keine Varianten berücksichtigen? Wer¬

den sie, die doch ein weit umfangreicheres Korpus umfassen, mit ebensolcher Redundanz belastet sein wie die vorliegende? Werden sie, angesichts ständig schrumpfender Biblio¬

theksetats, noch unerschwinglicher sein? Oder wird man diese Konkordanzen als CD-

ROM kaufen können? Werden ggf. auf dieser auch die „Sechs Dichter" enthalten sein? 1st

am Ende gar vorliegendes Buch nur eine Art überdimensionale Werbebroschüre für die

später wiederum für teures Geld zu erstehende CD? Lohnt sich dann überhaupt die An¬

schaffung dieses Buches (welches allerdings aufgrund seiner Größe und seines Gewichts auch in jedem Haushah vielseitig verwendbar ist)?

Mögen diese Bemerkungen als Anregung zu gründlichem Nachdenken über die Grund¬

lagen der philologischen Methode und als kritischer Ansporn an die Verfasser zur Fort¬

führung ihrer verdienstvollen Arbeit verstanden werden. Darüberhinaus mögen die Ver¬

fasser und ihre Mitarbeiter des Dankes der Arabistik für die geleisteten Mühen versichert sein.

Thomas Bauer, Münster

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Dieter Maue: Alttürkische Handschriften. Teil 1: Dokumente in Brähmi und tibetischer Schrift. Beschrieben und herausgegeben von Dieter Maue. Stuttgart 1996. XXXVIII, 266 S., 108 Tafeln. (Verzeichnis der orientalischen Handschriften in Deutschland. 13,9.) ISBN 3-515-04896-0. € 125,-.

Dieser erste Teil des Kataloges der alttürkischen Handschriften aus Berlin, der fast 10 Jahre nach dem zweiten Teil herauskommt, hat natürlich wie alle Bücher seine Geschichte.

Er wurde 1979 begonnen und ist in seinem Grundstock identisch mit der im Literaturver¬

zeichnis des Katalogs als „Maue 1981" zitierten Arbeit. Diese Arbeit war entsprechend ihrer Zweckbestimmung als indologische Arbeit konzipiert,' aber dieser Teil der Arbeit, die gewaltige Aufgabe der Identifizierung der Texte usw., also der indologische Teil, kann leider in dieser Rezension nicht gewürdigt werden.

Die Einleitung informiert zunächst über die Herkunft der Handschriften und über die Geschichte ihrer Entzifferung. Es folgen überaus wertvolle Bemerkungen zur uigurischen Form der Brähmi-Schrift und zur Orthographie des Sanskrit in den bihngualen Texten.

Den Hauptteil des eigentlichen Katalogs bilden die sanskrit-uigurischen Bilinguen mit Transkription, Übersetzung und Kommentar (S. 1-173), es folgen einige rein uigurische Stücke in Brähmi-Schrift (S. 174-199), Inschriften mit sanskritischen und uigurischen Textteilen (S. 201-205) sowie Schreibproben usw. mit einzelnen uigurischen Wörtern (S. 206-209). Die Bearbeitung der uigurischen Fragmente in tibetischer Schrift beschließt den Katalogteil (S. 210-222). Im Anhang finden sich Literaturverzeichnis, Konkordan¬

zen und der Tafelteil.

Der Rezensent hatte das Vergnügen, am türkischen Teil des Katalogs beratend mitzu¬

wirken. Das betrifTt allerdings nur den Grundstock der Arbeit („Maue 1981"), und nicht die Texte, zu denen im folgenden einige Bemerkungen zu machen sind: Das Suffix -mis dürfte auf S. 73, Anm. 10, als Verbalabstraktum fungieren, so daß örjräki burhanlar eyen barilmtsin ukitur zu übersetzen wäre: „man bezeichnet damit die Tatsache, daß er den frü¬

heren Buddhas gefolgt ist" (vgl. Erdal/Tezcan: Beläk bitig. Wiesbaden 1995, 139). // Ein zerstörter, vielleicht auch fehlender Anusvära hätte auf S. 90 m. (Nr. 21a, Z. recto 2: suvifnj) und S. 95 m. (Nr. 21a, Z. recto 7: savifnj) ergänzt werden müssen. In elitmisin auf S. 95 m.

(Nr. 21a, Z. recto 7) ist der in der Umschrift fehlende Anusvära (als schräger Strich rechts über dem Zeichen) sogar recht gut zu erkennen. Zu erwägen ist fehlender Anusvära auch auf S. 101 m. (Nr. 21a, Z. verso 8: oglankiyasifnj). Nach Ergänzung des Anusvära ergeben sich an den zitierten Stellen schöne grammatische Sätze. // Auf S. 96 (Nr. 21a, Z. verso 2) würde man (statt des undeutlichen und sinnlosen) yorinur lieber lesen: yoritur. Wenn man dazu das konjekturale <ta> auf S. 97 o. tilgt, erhält man den sehr sinnvollen Satz: ... yoritur sän himavantig sän „du lässt den ... Himälaya wandeln, bist ein wandelnder ... Himälaya". //

Auf S. 99, Anm. 44, gibt es keine Veranlassung, ein oron einzufügen. +ta adir- ist völhg in Ordnung, +tin adir- wäre unüblich. // Auf S. 100 (Nr. 21a, Z. verso 7) wird vom Zusam¬

menhang natürlich „unsere Wohnung" verlangt, dennoch steht im Text tatsächhch ärigirjiz

„eure Wohnung", worauf doch hinzuweisen wäre. // Das Pronomen ol auf S. 100 (Nr. 21a, Z. verso 6) muß nicht unbedingt „nun, also" heißen, sondern kann eine Verstärkung des folgenden Pronomens bolarnt sein (vgl. Suv 315,19; 316,10 usw.). // Statt körjöl dürfte auf S. 105 o. (Nr. 21 b, Z. recto 2) eher körüm „Ansicht" zu ergänzen sein, und die Ergänzung [kilip toymlajr körkin auf S. 113, Kommentar zu 174, sollte besser ersetzt werden durch:

' Der erste Satz des Vorwortes des Katalogbandes ist unzutreffend und erweckt über¬

dies den Eindruck, als wäre das Alttürkische auch vom Nicht-Fachmann mit der hnken Hand zu erledigen.

(19)

[bälgürtUp dentajr körkin „die Gestah eines Mönches erscheinen lassend". // Auf S. 118, Anm. 16, ist das aus Heilkunde II zitierte bulmis eine Verschlimmbesserung, und es sollte

bei Rahmetis ^o/wi/bleiben. // Für den semantischen Wert von ärsär auf S. 121 u. vergleiche man jetzt Röhrborn: Uigurisches Wörterbuch, unter är-. II käräk, wie es im Text auf S. 124 m. auftaucht, muß nicht unbedingt zu kär(g)äk „normalisiert" werden. // etmä agu auf S.

134 o. könnte sich auf Gift beziehen, daß einem speziell von einem lieben Menschen „zube¬

reitet" wurde, im Gegensatz zu Gift, das man zufällig zu sich nimmt. // *kärmäk auf S. 156 o. (so auch im Index) ist mit dem vorangehenden köi;öl zum Verb körjölkär- zu verbinden.

// Die Übersetzung von <z(^g«« barmiszui S. 162 („der willkommene [Lehrer]") ist unzutref¬

fend. Es handelt sich um eine interpretierende atü. Übersetzung von skr. sugata, einer der zehn „Titel des Buddha". // „Knie, Kniescheibe" (S. 167 o.) wäre im Atü. tiz tilgän, und das Possessiv-Suffix, das an der zitierten Stelle von Suv steht, bezieht sich auf den Besitzer dieser Kniescheibe (tiz tilgänin bürtdäci „seine Kniescheiben berührend"). Andererseits ist

„Mannesmerkmal" im Uigurischen als ''är bälgüsi zu rekonstruieren, nicht als ''är bälgii, wie auf S. 167, Anm. 21. Auch auf S. 181, Anm. 24, ist das Possessiv-Suffix in adipatipal ärksin- mäklig küci überflüssig, da es sich auf ein voraufgehendes Suffix +mr) bezieht (vgl. ShöAv 8;

Lobpreis 7). // Auf S. 169 u. kann +rak als Suffix des vorangehenden artok gelten. Es verdient daher keinen eigenen Eintrag im Wortindex. // Das Suffix +lig in ärksinmäklig (S. 181, Anm.

26) ist zu tilgen, da ärksinmäk allein dem skt. adhipati entspricht. // „Der Feind Gier, der aus dem Lust-Denken besteht" wäre auf S. 195 m. eine passendere Übersetzung von amranmak sakmclig az yagi. II sag „Kiesel, Graupen", das der Verf. (S. 7 m.) für ein Hapax legomenon häk, ist in Mahr 73 v. 22, 112 v. 21 und 227 v. 12 gut belegt.

Der besondere Wert der ahtürkischen Texte in indischen Schriften ist seit langem be¬

kannt. Sie geben eindeutige Auskunft über die Vokalqualitäten, und auch in diesem Band gibt es wieder einige Überraschungen in dieser Hinsicht, wie das palatale gärj als uigurische Entsprechung von skr. garigä „Ganges" (S. 148, Nr. 29 A 5). Der Streit um den Vokalismus von einigen türkischen Wörtern wird durch Brähmi-Belege jetzt geklärt, wie im Falle von tülük „Streben, Absicht" (vgl. S. 138, Anm. 21) oder tüzü „alle", das im vorhegenden Band mehrfach (vgl. Index) in dieser Form belegt ist. Auch der palatale Vokalismus von yänä wird - jedenfalls für das späte Alttürkisch - nochmals bestätigt. Durch die Vielfah der Genres, die

in diesen Texten vorliegt, werden auch immer wieder neue Wörter oder neue Bedeutungen bekannt, wie z.B. beris- „sich gegenseitig geben" (S. 178) oderyumgak „Pille" (S. 188).

Wenn man trotzdem dieses Werk im Bücherschrank nicht unter die „Schmuckstücke"

einreihen möchte, so hegt das vor allem an gewissen Äußerlichkeiten. Störend sind die vielen Druckfehler, die durch nachlässiges und inkonsequentes Korrigieren des Textes zu¬

stande gekommen sind, so daß häufig die grammatische Kongruenz nicht gewahrt wird

(vgl. z.B. S. 93m.). Die Textgestaltung macht als ganzes keinen professionellen Eindruck.

Zumindest für das Inhaltsverzeichnis hätte man einen Fachmann heranziehen sollen: Die Einrückungen sind hier nicht systematisch. In einem Falle fehlt die Seitenangabe im Inhalts¬

verzeichnis, andere Seitenangaben sind falsch. Eine Reihe von Überschriften des Inhaltsver¬

zeichnisses entspricht nicht den tatsächhchen Überschriften im Text, andere Überschriften finden sich im Text überhaupt nicht usw. Auch die Wiedergabe der Faksimiles ist nicht in jedem Falle dem hohen Preis des Buches angemessen. So ist Tafel 62 völlig mißglückt, aber auch die Tafeln 58 und 59 könnten viel deutlicher sein, wie die Lesungen des Verf. zeigen, die man mit diesen Tafeln nur teilweise nachprüfen kann. Diese Monita sind aber nicht immer dem Verf. anzulasten, und es ist keine Frage, daß Dieter Maue im ganzen mit die¬

sem Werk eine Leistung vorgelegt hat, die ihm so leicht keiner nachmachen wird.

Klaus Röhrborn, Göttingen

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