Systemen dicht gepackter Mie-Streuer:
Auf dem Weg zur
Anderson-Lokalisierung ?
0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08 0.06
0.08 0.10 0.12 0.14 0.16 0.18 0.20
Kernradius [ m]m
Teilchenradius [m]m
1/kl*
0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7
Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades des Doktors der Naturwissenschaften an der Universit¨at Konstanz,
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion, Fachbereich Physik Lehrstuhl Prof. Dr. G. Maret
vorgelegt von Ralf Tweer
Tag der m¨undlichen Pr¨ufung: 19. Juli 2002
Erster Referent: Prof. Dr. G. Maret
Zweiter Referent: Prof. Dr. R. Klein
f¨ur Titandioxid-Hohlkugeln mit einem Volumenanteil von 60%
bei einer Wellenl¨ange von 514 nm.
0 Einleitung 1
1 Theorie: Transport von Licht 5
1.1 Lichtausbreitung in Medien auf verschiedenen L¨angenskalen . . . 5
1.1.1 Mikroskopische Betrachtung . . . 5
1.1.2 Mesoskopische Betrachtung . . . 15
1.1.3 Makroskopische Betrachtung . . . 17
1.2 Ber¨ucksichtigung der Welleneigenschaften . . . 20
1.2.1 Koh¨arente R¨uckstreuung . . . 20
1.2.2 Monte-Carlo Simulationen . . . 26
1.2.3 Anderson-Lokalisierung . . . 27
1.2.4 ”self attracting Random Walk“-Modell . . . 31
1.3 Der effektive Brechungsindex . . . 37
1.3.1 Theorie nach Maxwell Garnett . . . 37
1.3.2 Coherent Potential Approximation . . . 39
1.4 Strukturfaktor harter Kugeln . . . 44
1.4.1 Bestimmung der Paarkorrelationsfunktion . . . 44
1.5 Berechnung der Streust¨arke . . . 47
2 Experimentelle ¨Uberpr¨ufung 51 2.1 Messung der koh¨arenten R¨uckstreuung . . . 52
I
2.2 Messung der Pulsaufweitung . . . 56
2.2.1 Auswertung der Pulsaufweitung . . . 58
2.3 Ergebnisse von Messungen an Titandioxid-Pulver . . . 63
2.3.1 Parameter der TiO2-Pulver . . . 63
2.3.2 Mittelung der Rechnungen ¨uber die Radienverteilungen . . . 64
2.3.3 Dupont R101 . . . 67
2.3.4 Dupont R104 . . . 69
2.3.5 Aldrich-Titandioxid . . . 71
2.3.6 Zusammenfassung . . . 74
3 Suche nach optimalen Streuern 77 3.1 Erweiterung der Berechnungen . . . 77
3.1.1 Teilchensynthese . . . 79
3.2 Ergebnisse der Messungen an Schicht-Teilchen . . . 82
3.2.1 R4-2 . . . 82
3.2.2 R5-3 . . . 84
3.2.3 V9-50 . . . 86
3.2.4 V9-100 . . . 88
3.2.5 Zusammenfassung . . . 90
4 Ausblick 91 4.1 Nachweis durch den Faraday-Effekt . . . 93
5 Zusammenfassung 95
Literaturverzeichnis 99
Danksagung 103
II
0
Einleitung
Die uns bekannte Welt ist von Wellen jeder Art durchdrungen. Man kennt sie aus dem t¨aglichen Leben als Wasserwellen oder als die f¨ur unsere Wahrnehmung wichtigen Licht- und Schallwellen. Die quantenmechanischen Wellen der Elektronen haben einen großen Anteil am Erscheinungsbild eines Festk¨orpers, d.h. in seiner Struktur und seinen physi- kalischen Eigenschaften wie seiner thermischen und elektrischen Leitf¨ahigkeit.
Aber wie breiten sich elektronische Wellen oder Lichtwellen in einem Medium aus ? F¨ur die Beschreibung einfacher Systeme existiert eine breite Literatur, z.B. [Ger99,BS93].
Danach findet man in einem homogenen K¨orper aufgrund der Wechselwirkung der Welle mit der durchlaufenen Umgebung eine verringerte Ausbreitungsgeschwindigkeit durch die sogenannte
”Dispersion“. Geordnete Strukturen, wie zum Beispiel Kristall- gitter f¨uhren, wenn die Wellenl¨ange mit der Gr¨oße der Strukturen vergleichbar ist, zu einer Ausbildung von Intensit¨atsmaxima in Richtungen abseits der urspr¨unglichen Aus- breitungsrichtung, den Peaks der
”Bragg-Beugung“. Ungeordnete Systeme lassen sich dagegen nur schwer theoretisch erfassen, da die einfache Ausbreitung einer Lichtwel- le durch Streuung an zuf¨allig verteilten Brechungsindexspr¨ungen unkorreliert ver¨andert wird. Nach einigen solcher Streuereignisse breitet sich das Licht diffus aus. Die Beschrei- bung eines diffusiven Transports ist nur im Rahmen einer Mittelung ¨uber viele einzelne Streuereignisse in verschiedenen Konfigurationen m¨oglich. Die Wellenpakete werden da- zu als Photonen identifiziert, die auf zuf¨alligen Pfaden analog zu einem”Random Walk“
von Streuer zu Streuer durch die Probe wandern. Der Abstand zwischen zwei isotropen Streuprozessen wird mittlere freie Transportwegl¨angel∗ genannt und ist eine der charak- teristischen Gr¨oßen zur Beschreibung der Lichtausbreitung in einem vielfachstreuenden Medium. Sind die Pfadl¨angen der Photonen gr¨oßer als 10·l∗, so l¨aßt sich der Transport in guter N¨aherung durch die Diffusionsgleichung beschreiben, deren L¨osung abh¨angig von der Probengeometrie und den Randbedingungen ist. F¨ur quasi unendlich ausge-
1
dehnte Systeme findet man als L¨osung der Diffusionsgleichung f¨ur die Intensit¨at die Gaußverteilung und eine Transmission ∝1/Probedicke. Dabei wird ein Sprung von der Wellendarstellung des Lichtes zum Teilchenbild vorgenommen. Die Vernachl¨assigung der Welleneigenschaften wird im allgemeinen dadurch begr¨undet, daß sich die Interfe- renzterme in einem solchen, diffusiven Medium herausmitteln. Diese Annahme ist bis auf eine ausgezeichnete Richtung gerechtfertigt: In der direkten R¨uckw¨artsrichtung zur Quelle interferieren Lichtstrahlen, die einen m¨oglichen Steupfad in beiden Richtungen durchlaufen haben, prinzipiell konstruktiv und f¨uhren zu einer zweimal h¨oheren Inten- sit¨at am Ort der Quelle, als es das Teilchenbild vorsieht. Dieser Effekt heißt koh¨arente R¨uckstreuung [vAL85,WM85] und f¨uhrt durch den erh¨ohten R¨ucktransport von In- tensit¨at zu einer reduzierten Diffusion der Photonen im Medium. Die Korrektur durch die Hinzunahme der Welleneigenschaften ist in verd¨unnten Systemen jedoch sehr klein.
P.W. Anderson [And58] prognostizierte dagegen bei besonders starker Streuung einen Ubergang der Diffusion in einen lokalisierten Zustand, der durch einen exponentiellen¨ Zerfall der transmittierten Intensit¨at mit der Probenl¨ange charakterisiert wird. Dieser allein auf Streuung basierende Effekt soll nach Ioffe und Regel [IR60] auftreten, wenn die mittlere freie Transportwegl¨ange von gleicher Gr¨oße wie die Wellenl¨ange wird. Die Uberlegungen, die diesen¨ Anderson- ¨Ubergang vorhersagen, wurden zwar f¨ur elektroni- sche Systeme entwickelt, sind aber aufgrund ihres fundamentalen Charakters f¨ur alle Formen von Wellenausbreitung g¨ultig. Allerdings gehen in die Theorie N¨aherungen ein, die ihre Berechtigung streng genommen nur in verd¨unnten Systemen haben [LTM02].
Bisher wurde die Anderson-Lokalisierung von Licht experimentell nicht eindeutig nach- gewiesen [WBLR97,SLTM99]. Eine besondere Schwierigkeit liegt darin, passende Pro- benmedien zu finden, die ¨uber die ben¨otigten Eigenschaften besonders großer Streuquer- schnitte bei gleichzeitig verschwindender Absorption verf¨ugen.
Das Ziel dieser Arbeit ist, Methoden und Materialien zu entwickeln, die es erlauben, den Phasen¨ubergang bzw. die Anderson-Lokalisierung direkt zu beobachten. Dazu ist die Arbeit wie folgt aufgebaut:
• Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Lichttransportes auf unterschiedli- chen L¨angenskalen vorgestellt. Nach der Behandlung der koh¨arenten R¨uckstreu- ung und der daraus vorhergesagten Lokalisierung von Licht werden neue Simula- tionsergebnisse vorgestellt, die den Effekt der Lokalisierung durch die koh¨arente R¨uckstreuung in Frage stellen.
Danach werden die Hilfsmittel zusammengetragen und bereitgestellt, die f¨ur die Berechnung der mittleren freien Transportwegl¨ange und des effektiven Brechungs- indexes eines vielfachstreuenden Mediums ben¨otigt werden.
• Das zweite Kapitel widmet sich den experimentellen Aufbauten, mit denen die Proben untersucht werden. Dazu werden neben den technischen Details auch die
Methoden erkl¨art, mit denen die mittlere freie Transportwegl¨ange und die Dif- fusionskonstante aus den Daten bestimmt werden. Messungen an industriell ge- fertigten Proben erlauben danach den Vergleich der Rechnungen aus dem ersten Kapitel mit experimentellen Befunden.
• Im anschließenden Kapitel werden die Rechnungen aus dem ersten Abschnitt auf Schichtstreuer erweitert. Es werden Syntheseverfahren vorgestellt, mit denen Ku- geln aus Siliziumdioxid hergestellt und mit einer Titandioxid-Mantelschicht um- geben werden k¨onnen. Daran schließt sich die Pr¨asentation der Meßergebnisse an ersten selbstgefertigten Schichtstreuern an, die wiederum mit den erweiterten Rechnungen verglichen werden.
• In einem kurzen Ausblick werden die Berechnungen der mittleren freien Trans- portwegl¨ange f¨ur Hohlkugeln aus Titandioxid vorgestellt. Eine kurzer Abschnitt widmet sich dann dem Faraday-Effekt, mit dem Lokalisierungseffekte im Transport von Photonen eindeutig nachgewiesen werden k¨onnten.
• Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine kurze Zusammenfassung der wesentli- chen Ergebnisse.
1
Theorie: Transport von Licht
1.1. Lichtausbreitung in Medien auf verschiedenen L¨ angenskalen
Die Lichtausbreitung in einem dispersiven, ungeordneten Medium l¨aßt sich ann¨ahernd durch eine Unterteilung in drei Bereiche klassifizieren. Die Einordnung basiert auf den Beziehungen der wichtigsten L¨angen des Systems: der Wellenl¨angeλ, der mittleren freien Wegl¨ange lsca, und der Probendicke L. Diese Gr¨oßen stehen in einem diffusen Regime in folgenden Relationen zueinander [Kav91]:
λlsca L.
Auf L¨angenskalen von der Gr¨oße der Wellenl¨ange diktieren die einzelnen Streuer, wie sich das Licht ausbreitet. Sie bilden den mikroskopischen Anteil in der Theorie des Licht- transports. Durchquert das Licht einen Bereich des Mediums, so wird auf der mittleren freie Wegl¨ange die Intensit¨at bis auf einen Teil 1/eaus dem einfallenden Lichtstrahl her- ausgestreut. Auf dieser mesoskopischen Skala spricht man auch von ballistischer Streu- ung, da immer noch die Ursprungsrichtung des Strahls erkennbar ist. Erst nach etwa zehn Streul¨angen spricht man im Allgemeinen von vollst¨andig diffusem Licht. Dieses ist die makroskopische Skala der Vielfachstreuung. Die Eigenschaften des Mediums ergeben sich hier als gemittelte Gr¨oßen ¨uber die Charakteristika der einzelnen Streuer.
1.1.1. Mikroskopische Betrachtung
Auf L¨angenskalen vergleichbar mit der Wellenl¨ange des Lichtes spielen die charakteri- stischen Eigenschaften des Streuers wie Form, Gr¨oße und Polarisierbarkeit die entschei-
5
denden Rollen. Die allgemeine Beschreibung dieses Problems bietet f¨ur kugelf¨ormige Streuer von beliebiger Gr¨oße und Brechungsindex die
”Mie-Theorie“ (1908) [Mie08], die in dieser Arbeit eine wichtige Position einnimmt. Doch bevor hier die Grundlagen dieser Theorie erarbeitet werden [vdH81,BH98], soll der Vollst¨andigkeit halber noch kurz auf zwei wichtige Spezialf¨alle eingegangen werden.
Rayleigh-Streuung
Ist das streuende Teilchen in seiner Ausdehnung a viel kleiner als die Wellenl¨ange, so kann das elektrische Feld der Welle ¨uber das gesamte Teilchen als homogen ange- sehen werden. Das ¨außere Feld induziert ein elektrisches Dipolmoment, das, solange keine Phasenverschiebungen auftritt, der harmonischen Oszillation synchron folgt. Die beschleunigte Ladung emittiert ihrerseits nun Licht mit einer Intensit¨at proportional zum Quadrat des Teilchenvolumens und in vierter Potenz der Frequenz (Is ∝ V2/λ4).
Ein weiteres Merkmal eines solchen Hertzschen Dipols ist seine Ausstrahlcharakteristik mit der bekannten sin2ϑ-Winkelabh¨angigkeit (siehe Abb.1.1) bez¨uglich der Polarisati- onsachse. Aufgrund der Symmetrie um die Dipolachse (entlang ϕ~ in Abb. 1.1) ist die
l j E J
l/2
Abbildung 1.1:Skizze der Ausstrahlcharakteristik eines Hertzschen Dipols. Die Einfallsrichtung des anregenden Lichtstrahls ist senkrecht zur E-Achse, rotationssymmetrisch um~ ϕ(nach [Her89]).
Streuung in Vorw¨arts- wie in R¨uckw¨artsrichtung gleich wahrscheinlich, weswegen man im Allgemeinen auch von
”isotroper Streuung“ spricht.
Rayleigh-Gans-Debye-Streuung
Aus der Theorie f¨ur Rayleighstreuung l¨aßt sich relativ leicht eine Erweiterung f¨ur gr¨oße- re, auch unregelm¨aßig geformte Teilchen ableiten. Dazu wird der Streuk¨orper in Volu- menelemente dV unterteilt, die als Ansammlung vieler unabh¨angiger Rayleigh-Streuer angesehen werden k¨onnen, ¨uber deren Einzelstreuwellen dann koh¨arent addiert wird.
Dazu muß die einfallende Welle zum einen m¨oglichst ohne Aufnahme einer zus¨atzlicher Phasenverschiebung durch das Teilchen laufen k¨onnen, zum anderen soll es nicht ein weiteres Mal gestreut werden. F¨ur ein Teilchen mit dem Durchmesser 2a erh¨alt man bei der Wellenzahl k= 2·π/λsomit die Einschr¨ankung, daß
2ka|m−1| 1
sein muß. Darin beschreibt m das Verh¨altnis vom inneren zum ¨außeren Brechungs- index. Die Streuwellen zweier Volumenelemente im Abstand |~r| voneinander haben die
E
V
dV
q r
k
outk
inAbbildung 1.2:Schematische Skizze zur im Text vorgestellten Rayleigh-Gans-Debye Streuung.
Phasenbeziehung
δ = (~kout·~r)−(~kin·~r)
oder unter Nutzung des Streuvektors ~q = ~kout −~kin mit |~q| = 2ksinθ/2, wenn θ der Winkel zwischen der einfallenden und der gestreuten Strahlrichtung ist:
δ =~q·~r.
Die Integration ¨uber alle Volumenelemente ergibt einen zus¨atzlichen, winkelabh¨angigen Term zum Rayleigh-Streuquerschnitt, den sogenannten
”Amplituden-Formfaktor“f(θ, ϕ) f(θ, ϕ) = 1
V Z
eiδdV = 1 V
Z
ei~q·~rdV. (1.1)
F¨ur kugelf¨ormige Teilchen findet man einen einfachen Ausdruck f¨ur den Amplituden- Formfaktor (nach [vdH81])
f(qa(θ)) = 3
(qa)3 ·(sin(qa)−qacos(qa)).
Da dieser Formfaktor der Felder quadratisch in den Streuquerschnitt der Intensit¨at eingeht, findet man entsprechend den Formfaktor der Intensit¨aten:
F(θ) = 1 V2
Z
exp(i~q ~r)dV
2
.
Mie-Streuung
In der vorliegenden Arbeit sollen im Gegensatz zur Bedingung des geringen Phasen- schubs aus der Rayleigh-Gans-Debye Theorie besonders stark streuende Teilchen unter- sucht werden. Gustav Mie entwickelte dazu eine Theorie, um die verschiedenen Farben des gestreuten Lichtes zu erkl¨aren, die sich ergeben, wenn kleine Goldkolloide in Wasser dispergiert werden. Dazu l¨oste er die Maxwell-Gleichungen f¨ur Kugeln beliebigen Bre- chungsindexes und beliebiger Gr¨oße. Einen etwas anderen Weg, dem wir hier verk¨urzt folgen, gehen Bohren und Huffman [BH98]. Die Idee ist, zuerst die Wellengleichung in Polarkoordinaten zu l¨osen und nach Entwicklung einer ebenen Welle in sph¨arisch- harmonische Vektorwellen letztere unter Beachtung der Randbedingungen, an das Teil- chen zu koppeln.
L¨osung der Wellengleichung
Anstatt an dieser Stelle die Wellengleichung f¨ur die Vektorfelder (E, ~~ H) des Lichtes zu l¨osen, reicht die Behandlung der skalaren Wellengleichung, da allgemein gilt:
∇2M~ +k2M~ =∇ ×
~c(∇2ψ+k2ψ) .
Man bezeichnet ψ dann als erzeugende Funktion derVektor-Harmonischen M~ mit dem w¨ahlbaren Vektor~c, der senkrecht zuM~ steht. Ein zu M~ senkrecht stehender VektorN~ l¨aßt sich durch N~ =∇ ×M /k~ generieren. F¨ur den Fall von Lichtwellen ergibt sich
M~ =∇ ×(~r ψ) mit dem Radiusvektor ~r.
x
y z
q
j
Ei
r Es
Abbildung 1.3:Skizze des in der Mie-Theorie genutzten Koordinatensystems.
Die zu l¨osende Wellengleichung in Kugelkoordinaten ist:
1 r2
∂
∂r
r2 ∂ψ
∂r
+ 1
r2sinθ
∂
∂θ
sinθ ∂ψ
∂θ
+ 1
r2sinθ
∂2ψ
∂φ2 +k2ψ = 0. (1.2)
Durch die Wahl des Ansatzes der Form
ψ(r, θ, φ) =R(r)·Θ(θ)·Φ(φ)
separiert Gleichung (1.2) in drei linear unabh¨angige Differentialgleichungen d2Φ
dφ2 +m2Φ = 0, (1.3) 1
sinθ d dθ
sinθ dΘ dθ
+
n(n+ 1)− m2 sin2θ
Θ = 0, (1.4)
d dr
r2dR
dr
+
k2r2 −n(n+ 1)
R = 0 (1.5)
mit den Separationskonstantenm, n. Der azimutale Winkelanteil wird durch die elemen- taren Funktionen1 Φg = cosmφ und Φu = sinmφ gel¨ost. F¨ur die Streuwinkelfunktion Θ(θ) und die radiale VerteilungsfunktionR(r) findet man kompliziertere Ausdr¨ucke. So sind die L¨osungen von Glg. (1.4) unter der Bedingung der Finitheit an den Stellenθ= 0 undθ =π die zugeordnetenLegendre-FunktionenPnm(cosθ) vom Gradn = 0, 1, 2, . . . und von der Ordnung m= 0, 1, 2, . . .
Pnm(µ) = (1−µ2)m/2 dm
dµmPn(µ).
Sie leiten sich aus den Legendre-Polynomen Pn(µ) = 2n1n!
dn
dµn((µ2 − 1)n) ab, wobei µ= cosθ ist. Die zugeordneten Legendre-Funktionen gleicher Ordnung sind orthogo- nal f¨ur verschiedene Grade n, d.h.
Z1
−1
Pnm(µ)Pnm0(µ)dµ= 0 wenn n 6= n0.
Die linear unabh¨angigen L¨osungen der Differentialgleichung (1.5) sind die sph¨arischen Besselfunktionen, die sich mit der dimensionslosen Variablen%=k·rwie folgt schreiben lassen:
jn(%) = rπ
2%Jn+1
2(%), (1.6)
yn(%) = rπ
2%Yn+1
2(%). (1.7)
Sie bilden sich aus den Besselfunktionen erster und zweiter Art Jν und Yν. F¨ur die sp¨ateren numerischen Rechnungen (Abschnitt 1.5) werden die folgenden Rekursions- gleichungen wichtig, denen die sph¨arischen Besselfunktionen unterliegen:
zn+1(%) = 2n+ 1
% zn(%)−zn−1(%), (1.8)
d
d%zn(%) = 1
2n+ 1(n·zn−1(%)−(n+ 1)·zn+1(%)). (1.9)
1Die Indizesg undustehen f¨ur gerade oder ungerade L¨osungen.
zn steht stellvertretend f¨urjn oderyn. Die Startfunktionen der Rekursion sind j0(%) = sin(%)
% und j1(%) = sin(%)
%2 −cos(%)
% , y0(%) =−cos(%)
% und y1(%) =−cos(%)
%2 − sin(%)
% .
In Abbildung 1.4 sind die ersten vier Ordnungen von jn und yn abh¨angig von % darge- stellt. Dabei zeigen die sph¨arischen Besselfunktionen zweiter Art yn eine Divergenz bei kleinen Werten von %. Die vollst¨andigen L¨osungen der skalaren Wellengleichung (1.2)
r
n=0 n=1n=2
n=3
r
n=0
n=1 n=2
n=3
2 4 6 8 10 12 14
-0.2 0.2 0.4 0.6 0.8 1
j ( )nr
2 4 6 8 10 12 14
-0.6 -0.4 -0.2 0.2
y ( )n r
Abbildung 1.4: Sph¨arische Besselfunktionen erster und zweiter Art berechnet in den ersten vier Ordnungen. Aus der Divergenz inyn(%) f¨ur kleine%k¨onnen sich numerische Komplikationen ergeben.
sind
ψgmn = cos(mφ)Pnm(cosθ)zn(kr), (1.10) ψumn = sin(mφ)Pnm(cosθ)zn(kr). (1.11) F¨ur das vollst¨andige Funktionensystem zn sind auch Linearkombinationen aus jn und ynL¨osungen von Gleichung (1.5), besonders wichtig sind vor allem aber dieHankelfunk- tionen h1,2n = jn±iyn. Die L¨osungen der Wellengleichung f¨ur Vektorwellen lassen sich nun aus ψgmn und ψumn konstruieren:
M~gmn =∇ ×(~r·ψgmn), M~umn =∇ ×(~r·ψumn), N~gmn = ∇ ×M~gmn
k , N~umn = ∇ ×M~umn
k .
Entwicklung einer ebenen Welle in Kugelkoordinaten
Der n¨achste Schritt ist die Darstellung des FeldesE~i =E0·eikrcosθeˆxeiner einlaufenden, inx-Richtung polarisierten, ebenen Welle als Reihenentwicklung der FunktionenM~ und N~:
E~i = X∞ m=0
X∞ n=0
BgmnM~gmn +BumnM~umn+AgmnN~gmn+AumnN~umn
. (1.12)
Aufgrund der Orthogonalit¨at von sin(mφ) und cos(m0φ) f¨ur alle m und m0 ergibt sich, daß Mischterme der Form
Z2π 0
Zπ 0
M~gm0n0 ·M~umnsinθ dθ dφ= 0
f¨ur allem, m0, n, n0 verschwinden. Dasselbe gilt f¨ur die Kombinationen (N~umn, ~Ngmn), (M~umn, ~Numn) und (M~gmn, ~Ngmn). Eine weitere Vereinfachung der Reihe (1.12) erh¨alt man, da alle vektorharmonischen Funktionen mit unterschiedliche Ordungenmwechsel- seitig orthogonal sind. Weiter lassen sich die Mischterme (M~gmn, ~Numn) und (N~gmn, ~Mumn) aufgrund der Orthogonalit¨at der zugeordneten Legendre-Funktionen ausschließen. Als letzte Gruppe fallen (M~gmn, ~Mgmn0), (M~umn, ~Mumn0), (N~gmn, ~Ngmn0) und (N~umn, ~Numn0) unter den Bedingungen n 6=n0 und m 6= 0 aus der Reihenentwicklung heraus. Grund sind wieder die Orthogonalit¨atsbeziehungen der zugeordneten Legendre-Funktionen zu- einander.
Hieraus erh¨alt man die Koeffizienten der Reihe, wobei sich unter Ber¨ucksichtigung aller Orthogonalit¨atsbeziehungen der Funktionen herausstellt, daß Bgmn = Aumn = 0 sind, unabh¨angig von der Wahl der (m, n). Weitergehend kann man feststellen, daß alle Terme mit Koeffizientenm6= 1 generell verschwinden.
F¨ur die radiale VerteilungsfunktionR(r), die an ihrem Ursprung endlich sein soll, bleibt nur die Wahl von jn (siehe Abbildung 1.4), so daß sich die Entwicklung verk¨urzt auf
Ei = X∞ n=1
Bu1nM~u1n(1) +Ag1nN~g1n(1) .
Der Index (1) soll die eingeschr¨ankte Wahl der sph¨arischen Besselfunktionen in den erzeugenden Funktionen ψ (Gleichungen (1.10) und (1.11)) verdeutlichen. F¨ur die Ko- effizienten erh¨alt man
Bu1n = inE0 2n+ 1
n(n+ 1), (1.13)
Ag1n = −in+1E0
2n+ 1
n(n+ 1). (1.14)
oder, eingesetzt f¨ur das elektrische Feld, den Ausdruck E~i =E0
X∞ n=1
in 2n+ 1 n(n+ 1)
M~u1n(1) −i ~Ng1n(1)
. (1.15)
Ankopplung der Felder an einen Streuer
Trifft eine einlaufende, ebene Welle auf einen homogenen, isotropen und kugelf¨ormigen Streuer, so m¨ussen f¨ur die Felder die Randbedingungen der Stetigkeit der Tangential- komponenten an der Grenzfl¨ache beachtet werden [Nol]:
(E~i+E~s−E~1)׈er = (H~i+H~s−H~1)×eˆr = 0.
Dabei stehen die Indizesi,sund 1 f¨ur die Felder der einfallenden, der gestreuten bzw. der teilcheninternen Wellen. Das elektrische Feld der einfallenden Lichtwelle wurde bereits in den letzten Abschnitten erarbeitet, das magnetische l¨aßt sich aus diesem durch Bildung der Rotation von Glg. (1.15) ableiten:
H~i =−E0 k ωµ
X∞ n=1
in 2n+ 1 n(n+ 1)
M~g1n(1) +i ~Nu1n(1)
. (1.16)
Hierin ist µ die Permeabilit¨at des umgebenden Mediums. F¨ur die Felder innerhalb des Streuers gelten dieselben ¨Uberlegungen bez¨uglich der Orthogonalit¨atsrelationen wie im vorangegangenen Abschnitt. Ebenfalls sollen die Felder f¨ur r → 0 nicht divergieren, was die Einschr¨ankung der sph¨arischen Besselfunktionen auf j(k1r) bedeutet2. Unter Ber¨ucksichtigung der Randbedingung ergeben sich die Reihenentwicklungen der inneren Felder somit zu
E~1 = X∞ n=1
En
cnM~u1n(1) −i dnN~gln(1)
, (1.17)
H~1 = − k1
ωµ1
X∞ n=1
En
dnM~g1n(1) +i cnN~uln(1)
, (1.18)
mit En = inE0(2n+ 1)/(n(n+ 1)). Die Variablen cn und dn sind hierin die Entwick- lungskoeffizienten der inneren Felder.
F¨ur die gestreuten, ¨außeren Felder ist yn wohldefiniert und muß demnach in der erzeu- genden Funktion mitbeachtet werden. Zur¨uckgehend auf die Arbeiten von [Wat58] kann gezeigt werden [BH98], daß zur Beschreibung der asymptotischen N¨aherung f¨ur große
% die Wahl einer sph¨arischen Hankelfunktion ausreicht. Eine Entwicklung der Bessel- funktionen f¨ur große Abst¨ande erlaubt die Identifikation von h(1)n (kr) mit auslaufenden undh(2)n (kr) mit einlaufenden Kugelwellen, wobei lediglich erstere als
”gestreute Wellen“
einen physikalischen Sinn ergeben. Die Reihenentwicklung l¨aßt sich damit vereinfachen zu
E~s = X∞ n=1
En
i anN~g1n(3) −bnM~uln(3)
, (1.19)
H~s = k ωµ
X∞ n=1
En
i bnN~u1n(3) +anM~gln(3)
, (1.20)
worin der Index (3) auf die Nutzung von h(1)n in der generierenden Funktion der Glei- chungen ((1.10), (1.11) hinweisen soll. an und bn sind die Entwicklungskoeffizienten der gestreuten Felder. Als n¨achstes sollen die Vektorfelder M~ und N~ ein wenig genauer betrachtet werden. Zur Beschreibung der Winkelabh¨angigkeit erweist es sich dabei als
2k1 ist die Wellenzahl innerhalb des Teilchens.
vorteilhaft, folgende Funktionen einzuf¨uhren:
πn = Pn1
sinθ, τn = dPn1 dθ . Diese Funktionen lassen sich ebenfalls rekursiv ermitteln:
πn = 2n−1
n−1 µ πn−1− n
n−1πn−2, (1.21)
τn = nµπn−(n+ 1)πn−1.
Die Startwerte sind π0 = 0, π1 = 1. Zur Veranschaulichung werden in Abbildung 1.5 die ersten f¨unf Ordnungen der Funktionen dargestellt. Wichtig ist zu bemerken, daß mit
0°
90°
180°
270°
q
-7.5 -5 -2.5 2.5 5 7.5 10
-3 -2 -1 1 2 3
10 -5
p1
p2
p3
p4
p5
-10 -5 5 10 15
-10 -5 5
1010
15
-10 -10
t1
t2
t3
t4
t5
Abbildung 1.5:Polare Darstellung der winkelabh¨angigen Funktionenπn undτnf¨urn= 1, . . . ,5. Der unterste Plot jeder Serie zeigt die Funktionen im direkten Vergleich.
steigender Ordnung die Streuung immer st¨arker nach vorne, das heißt, f¨ur Streuwinkel θ ≈ 0 ausgerichtet ist. Mittels dieser Funktionen lassen sich nun die Vektorfelder in kompakter Weise formulieren:
M~g1n = −sin(φ)πn(cosθ)zn(%)ˆeθ−cos(φ)τn(cosθ)zn(%)ˆeφ , M~u1n = cos(φ)πn(cosθ)zn(%)ˆeθ−sin(φ)τn(cosθ)zn(%)ˆeφ .
(1.22)
Die Felder Ng1n und Nu1n ergeben sich wiederum durch Bildung der Rotation:
N~g1n = cos(φ)n(n+ 1) sin(θ)πn(cosθ)zn(%)
% eˆr + cos(φ)τn(cosθ)[%zn(%)]0
% ˆeθ−sin(φ)πn(cosθ)[%zn(%)]0
% eˆφ , N~u1n = sin(φ)n(n+ 1) sin(θ)πn(cosθ)zn(%)
% eˆr
+ sin(φ)τn(cosθ)[%zn(%)]0
% ˆeθ+ cos(φ)πn(cosθ)[%zn(%)]0
% eˆφ . (1.23) Betrachtet man diese Gleichungen f¨urM~ undN~ genauer, so stellt man fest, daßM~ keine radiale Komponente besitzt und bei der transversalen Komponente von N~ der radiale Anteil bei großen % = k r vernachl¨assigbar ist. In den Entwicklungen der Felder wird somit die Information ¨uber den radialen Verlauf weitestgehend von den Entwicklungs- koeffizienten getragen.
Die zur Berechnung dieser vier Unbekannten an, bn, cn und dn notwendigen, linear un- abh¨angigen Gleichungen ergeben sich aus der Randbedingung, daß an der Stelle r =a die Felder
Eiθ+Esθ=E1θ, Eiφ+Esφ =E1φ, Hiθ +Hsθ =H1θ und Hiφ+Hsφ =H1φ
sein m¨ussen. Die L¨osung der hieraus resultierenden Gleichungen ergibt mit den Substi- tutionen des Sizeparameters x = ka und des relativen Brechungsindex m = n1/n die Koeffizienten der inneren Felder:
cn = µ1jn(x)[xh(1)n (x)]0−µ1h(1)n (x)[xjn(x)]0
µ1jn(mx)[xh(1)n (x)]0 −µh(1)n (x)[mxjn(mx)]0 , (1.24) dn = µ1mjn(x)[xh(1)n (x)]0−µ1mh(1)n (x)[xjn(x)]0
µ m2jn(mx)[xh(1)n (x)]0−µ1h(1)n (x)[mxjn(mx)]0 . (1.25) Der Strich 0 kennzeichnet eine Differentiation bez¨uglich der in runden Klammern ste- henden Gr¨oße. Die Koeffizienten der gestreuten Felder sind
an = µ m2jn(mx)[xjn(x)]0−µ1jn(x)[mxjn(x)]0
µ m2jn(mx)[xh(1)n (x)]0 −µ1h(1)n (x)[mxjn(mx)]0 , (1.26) bn = µ1jn(mx)[xjn(x)]0−µjn(x)[mxjn(mx)]0
µ1jn(mx)[xh(1)n (x)]0−µh(1)n (x)[mxjn(mx)]0 . (1.27) Damit sind die gestreuten Felder eines kugelf¨ormigen Teilchens vollst¨andig bestimmt.
Schlußendlich findet man f¨ur den Streuquerschnitt σsca als Quotient der durch eine Ku- gelfl¨ache um den Streuer gestreuten Intensit¨at zur einfallenden Intensit¨at den Ausdruck
σsca = 2π k2
X∞ n=1
(2n+ 1)(|an|2+|bn|2). (1.28)
Diese Gleichung erh¨alt man nach Integration ¨uber die winkelabh¨angigen Streuinten- sit¨aten|S~s(θ, φ)|=|E~s×H~s|unter Ber¨ucksichtigung der Orthogonalit¨atsrelationen. Ana- log erh¨alt man den Extinktionsquerschnitt
σext= 2π k2
X∞ n=1
(2n+ 1)Re[an+bn],
der angibt, wieviel Intensit¨at dem einfallenden Strahl vom Teilchen insgesamt, also durch Streuung und Absorption, entzogen wird.
1.1.2. Mesoskopische Betrachtung
Betrachtet man die Ausbreitung von Licht auf der L¨angenskala der mittleren freien Wegl¨ange lsca, die als mittlerer Abstand zwischen zwei Streuereignissen interpretiert werden kann, so kommt man aus dem Regime der Einfachlichtstreuung in einen Be- reich, dessen Charakteristik immer st¨arker durch die mehrfache Wechselwirkung des Lichtes mit verschiedenen Streuern bestimmt wird. Diese sorgen daf¨ur, daß einem ein- fallenden Lichtstrahl auf seinem Weg durch das Medium st¨andig Intensit¨at aus der urspr¨unglichen Ausbreitungsrichtung entzogen wird. Das Licht wird dabei fortlaufend in alle Raumrichtungen verteilt oder absorbiert. Auf einer Strecke ds des Steumediums verliert ein in Richtung ˆen durchgehender LichtstrahlS~ =I0ˆen die Intensit¨at
dIs,a =−nρσextIds.
Hierin beschreibtnρdie Anzahldichte der Streuer mit einem Extinktionsquerschnittσext. Dieser Querschnitt l¨aßt sich als Summe aus Streuquerschnitt und Absorptionsquer- schnitt auffassen: σext =σsca+σabs. Durch Integration findet man somit einen expo- nentiellen Abfall der Lichtintensit¨at
I(s) = I(0)·e−s/lext (1.29) mit der
”Extinktionsl¨ange“lext. F¨ur sie gilt der Zusammenhangnρσext =l−1ext=l−1sca+l−1abs. Ist der Absorptionsquerschnitt vernachl¨assigbar zum Streuquerschnitt, so ist lext ≈lsca
und man erh¨alt aus Gleichung (1.29) das bekannteLambert-Beer-Gesetz.
Andererseits kann Licht, welches von der Umgebung in das betrachtete Volumenele- ment eingebracht wird, in Richtung des eingehenden Strahls ˆen gestreut werden. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Winkel¨anderung ist wiederum durch den differentiel- len Streuquerschnitt des Teilchens bestimmt. Allgemein beschrieben wird dieses Pro- blem [Cha60] durch die sogenannte
”Radiative Transport Equation“, einer Bilanzglei- chung zwischen den (Licht-) Intensit¨aten I, die in ein Volumenelement V hineinfließen
bzw. es verlassen3.
IV =Iscain −Isca,out abs [+Iquell]. (1.30) Einem Energieverlust durch die gestreuten und absorbierten Intensit¨aten stehen die aus der Umgebung
”eingestreuten“ oder durch Quellen generierten Intensit¨aten gegen¨uber.
Diese Gleichung kann f¨ur verschiedene Geometrien gel¨ost werden. In dieser Arbeit wird mit Proben in Zylindergeometrie gearbeitet, die in Richtung der z-Achse beleuch- tet werden. F¨ur diese sogenannte
”slab“- Geometrie ist die Transportgleichung (1.30) als ”Schwarzschild-Milne-Gleichung“ bekannt. Im Fall von isotroper Streuung mit der Wahrscheinlichkeit p(µ= cosθ) = 1 ist auch Iin = I(α)/4π unabh¨angig von der Rich- tung des durch die Umgebung eingestreuten Lichtes. Die Variable α steht f¨ur die
”opti- sche Tiefe“ α=z/lsca. Mit der dimensionslosen Intensit¨at
Γ(α) = 1 I0
Z
dµ0dφ0Iout(α, µ0, φ0) erh¨alt man aus Gleichung (1.30) die Integralgleichung [vRN99]
Γ(α) =e−α/µa + Z ∞
0
dα0 Z 1
0
dµ
2µΓ(α0)·e−|α0−α|/µ, (1.31) welche die Intensit¨at einer in Richtung (µa, φa) einfallenden Welle in einer Tiefe α be- schreibt. Die L¨osung l¨aßt sich numerisch ermitteln [vdH80], wobei sich herausstellt, daß sie sehr empfindlich vom Einfallswinkel an der Probenoberfl¨ache abh¨angt. Abbildung 1.6
Diffuse Intensität [a.u.]
40000
30000
20000
10000
0
0 1 2 3 4 5
Optische Tiefet= z/l
m m
= 1.0
= 0.1
gleichmäßige Beleuchtung g
Abbildung 1.6: Numerische L¨osung derSchwarzschild-Milne-Gleichung nach [vdH80] f¨ur eine Probe in Zylindergeometrie der L¨angeL= 4·lsca und verschiedene Eintrittswinkelµ= cosθ.
zeigt, wie sich die Intensit¨at f¨ur verschiedene Winkel verteilen w¨urde. Es f¨allt auf, daß
3Formal m¨ußte man von vektoriellen Energiestromdichten S~ sprechen, f¨ur die die Kontinuit¨ats- gleichung divS~ =−∂ρ∂tw mit der Energiedichteρw gilt. Wir nutzen den Zusammenhang, daß die Inten- sit¨at der Betrag vonS~ ist.
die ”Lichtwolke“ an den Grenzfl¨achen nicht verschwindet. Verl¨angert man jedoch die unterschiedlichen Verteilungen ¨uber die hintere Grenze hinaus, so fallen alle Nullstel- len zusammen am Ort L+γ ·lsca. Der Parameter γ heißt Milne-Parameter und wird in der Literatur [vdH80] f¨ur isotrope Streuung mit γ = 0.7104 und f¨ur stark vorw¨arts gerichtete, anisotrope Streuung [ALN96] mitγ = 0.7182 angegeben. Ihm wird sp¨ater im Abschnitt 2.2.1 gr¨oßere Bedeutung zukommen.
Eine wichtige Einschr¨ankung der soweit vorgestellten Herangehensweise ist die Ver- nachl¨assigung alle Interferenzeffekte und damit einer wichtigen Eigenschaft des koh¨aren- ten Lichtes.
1.1.3. Makroskopische Betrachtung
Auf L¨angenskalen deutlich oberhalb der mittleren freien Wegl¨ange verliert das Licht auf seinem Weg durch das Medium jegliche Information ¨uber die Richtung, in der es ein- getreten war. Die Photonen der Lichtwelle werden durch viele Streuprozesse aus ihrer urspr¨unglichen Bahn in alle Raumrichtungen umgelenkt, der Transport der Intensit¨at durch das Medium wird als
”diffus“ bezeichnet. Der Fluß~ von Photonen ist in diesem Fall proportional zum Gradienten der Photonendichte ρ oder in der Formulierung des ersten Fickschen Gesetzes: ~= −D· ∇ρ. Die Proportionalit¨atskonstante D heißt Dif- fusionskonstante. Die zeitliche Abnahme der Photonendichte ist wiederum verbunden mit der Divergenz des Flusses ∂tρ = −∇~. Zusammengenommen erh¨alt man die Diffu- sionsgleichung, hier erg¨anzt um einen Absorptionsterm τ1a und einen Quellterm von N Photonen an der Stelle~r= 0 zur Zeitt= 0.
∂ρ(~r, t)
∂t + 1
τa =D∇2ρ(~r, t) +N δ(~r)δ(t). (1.32) Nach dem Abseparieren der D¨ampfung durch einen exponentiellen Term der Form exp(−t/τa) findet man mit der Wahl des Ansatzes
ρ(~r, t) = Z∞
−∞
Z∞
−∞
ρ(~k, ω)e˜ i(~k~r+ωt)d3k dω
die charakteristische Funktion ˜ρ(~k, ω) = DkN2+iω. Durch Bildung der R¨ucktransformation findet man die Photonenverteilung f¨ur ein
”unendlich“ ausgedehntes Medium in einer Dimension4
ρ(x, t) = N
(4πDt)1/2 ·e−x2/4Dte−t/τa. (1.33) Der absorptionsfreie Teil von Glg. (1.33) heißt Gauß-Verteilungund besitzt die Varianz
hx2i= Z
x2ρ(x, t)dx= 2Dt. (1.34)
4Aufgrund der Gleichverteilung der Ausbreitungswahrscheinlichkeiten istρ in (x, y, z) unkorreliert und l¨aßt sich separieren inρ(~r, t) =ρ(x, t)·ρ(y, t)·ρ(z, t).
Dieses ist das bekannte Ergebnis der Transporttheorie, welches die diffuse Ausbreitung von Energie z.B. in Form von W¨arme beschreibt.
Ein anderer, f¨ur diese Arbeit wichtiger Zugang, beruht auf den ¨Uberlegungen aus der mesoskopischen Betrachtung (siehe Abschnitt 1.1.2): Dort zerf¨allt die Richtungskorrela- tion eines einfallenden Strahls auf der charakteristischen L¨ange lsca. Diese L¨ange heißt mittlere freie Wegl¨ange und ist (im absorptionsfreien Fall) verkn¨upft mit der Streuer- dichte nρ und dem Streuquerschnitt σsca uber¨
lsca = 1/(nρ·σsca). (1.35)
In einem Modell, das z.B. von R. Lenkeausf¨uhrlich in [LM00b] mit weiterf¨uhrenden Re- ferenzen vorgestellt wird, betrachtet man nun die Photonen als Teilchen, die auf einem
”Random Walk“ durch das Medium propagieren. Integriert man ¨uber die exponentiel- le Pfadl¨angenverteilung, so findet man f¨ur das mittlere Verschiebungsquadrat nach ns
Schritten in einer Raumrichtung
hx2ins = nsh(∆x)2i=ns· 1 lsca
Z∞ 0
x2e−x/lscadx
= 2nslsca2
d = 2s lsca
d . (1.36)
Hierin steht d f¨ur die Dimensionalit¨at des untersuchten Systems unds f¨ur die gelaufene Strecke s = ns·l. Aufgrund der gleichen Aprioriwahrscheinlichkeit aller Raumrichtun- gen und ihrer gegenseitigen Unabh¨angigkeit gilt h|~r|2i=hx2i+hy2i+hz2i. Vergleicht man die Gleichungen (1.34) und (1.36), so findet man f¨ur die Diffusionskonstante den Ausdruck
D=vE ·lsca/d (1.37)
mit der
”Energietransportgeschwindigkeit“ vE = s/t. Die bisher vernachl¨assigte Ab- sorption l¨aßt sich in das Modell nachtr¨aglich durch einen Faktor exp(−s/la) in der Pfadl¨angenverteilung integrieren. Die Gr¨oßelabeschreibt als
”mittlere Absorptionsl¨ange“
die Distanz, die ein Photon im Mittel zur¨ucklegt, bevor es vom Medium absorbiert wird.
Anisotrope Streuung
In den beiden vorangegangenen Abschnitten war stillschweigend davon ausgegangen worden, daß nach einer mittleren zur¨uckgelegten Strecke lsca das Photon seine Erin- nerung an die urspr¨ungliche Flugrichtung verloren hat. Wie in Abschnitt 1.1.1 vorge- stellt wurde, ist diese Annahme nur f¨ur Rayleigh-Streuer erf¨ullt, da ihr Streuquerschnitt bez¨uglich des Streuwinkels θ isotrop ist. Große Streuer zeigen hingegen eine deutlich
erh¨ohte Wahrscheinlichkeit, in Vorw¨artsrichtung zu emittieren. Die Anisotropie des dif- ferentiellen Streuquerschnittsσ(θ) eines solchen Teilchens l¨aßt sich durch den Ausdruck
hcosθiθ =
R cos(θ)σ(θ)dΩ
R σ(θ)dΩ (1.38)
erfassen. Im Fall von anisotroper Streuung ist hcosθi 6= 0. Die Diffusion kann hier f¨ur die verschiedenen Ausbreitungsrichtungen (x, y, z) nicht als unkorreliert angenommen werden [LM00b].
Abbildung 1.7: Zur anisotro- pen Streuung
h|~r|i2 = X
0≤i,j<ns
∆r~i∆r~j
= nsh∆r~2i+ 2hX
i<j
∆r~i∆r~ji
= nsh∆r~2i+ 2h∆r~ i2·
ns
X
i<j
hcos Xj k=i+1
θk
!
= nsh∆r~2i+ 2h∆r~ i2·
ns
X
i<j
Yj k=i+1
hcosθik
= nsh∆r~2i+ 2h∆r~ i2·
ns
X
1≤i<j
hcosθij−i
≈ nsh∆r~2i+ 2h∆r~ i2 nshcosθi
1− hcosθi. (1.39)
Hierin sind folgende ¨Uberlegungen eingegangen: Die Schritte ∆r~ i seien in ihrer L¨ange voneinander unabh¨angig und alle Mischterme5 mit sinθ-Anteilen mitteln sich aufgrund der Antisymmetrie der Sinusfunktion heraus. Im Fall einer exponentiellen Schrittl¨angen- verteilung sind h∆r~ i=lsca und h∆r~ 2i= 2lsca2 . F¨ur Gleichung (1.39) folgt daraus
h|~r|2i = 2nsl2sca
1 1− hcosθi
=: 2n∗s(l∗)2.
Somit kann man den Fall der anisotropen Streuung auf die Ergebnisse der isotropen Streuung zur¨uckf¨uhren durch die Substitutionen
lsca →l∗ = lsca
1− hcosθi und ns→n∗s =ns·(1− hcosθi). (1.40) Die L¨ange l∗ heißt
”mittlere freie Transportwegl¨ange“ und steht f¨ur die Wegstrecke, die ein Photon im Mittel zur¨ucklegen muß, damit keine Korrelation mehr mit der ur- spr¨unglichen Ausbreitungsrichtung vorliegt. Im Folgenden wird nur noch diese Gr¨oße auftreten, da der isotrope wie der anisotrope Fall gleichermaßen von ihr erfaßt werden:
Im isotropen Fall ist hcosθi= 0 und somit l∗ =lsca.
5Im dritten Schritt braucht man cos(a+b) = cos(a)·cos(b)−sin(a) sin(b)
1.2. Ber¨ ucksichtigung der Welleneigenschaften
Die vorangegangene Betrachtung des Lichttransportes auf mesoskopischer und makro- skopischer Skala kam vollst¨andig ohne die wichtigen Eigenschaften des Lichtes wie der Phase und der Polarisation aus. Aber erst unter Hinzunahme der Welleneigenschaften lassen sich einige beobachtbare Ph¨anomene wie zum Beispiel das Speckle-Muster oder der Konus der koh¨arenten R¨uckstreuung verstehen.
Beleuchtet man ein vielfachstreuendes Medium mit koh¨arentem Licht, so ist das zur¨uck- gestreute Licht nicht gleichm¨aßig, sondern erzeugt auf einer Projektionsfl¨ache eine gra- nulare Helligkeitsverteilung, das Specklemuster. Dieses wird als Interferenzmuster ge- bildet durch die Amplitudenbeitr¨age aller Streuer und den Phasenbeziehungen zwi- schen allen Orten, die beim Durchlaufen der Probe erfaßt werden. Das Specklemu- ster ist sehr empfindlich gegen¨uber Ver¨anderungen der Phasenverh¨altnisse der Licht- pfade zueinander. Hieraus ergibt sich die M¨oglichkeit, zum Beispiel Brownsche- von Scherbewegung in Fl¨ussigkeiten zu unterscheiden oder versteckte Str¨omungen aufzufin- den [BM94,HM97]. Mittelt man ¨uber die Specklemuster vieler verschiedener Streuer- konfigurationen, so erh¨alt man neben dem typischen, inkoh¨arenten, winkelabh¨angigen Intensit¨atverlauf Iink ∝cosα, welcher als Lambertsches Gesetz bekannt ist, eine beson- dere Intensit¨ats¨uberh¨ohung in direkter R¨uckw¨artsrichtung.
1.2.1. Koh¨ arente R¨ uckstreuung
In einem vielfachstreuenden, ungeordneten Medium gibt es f¨ur die umlaufenden Photo- nen eine ausgezeichnete Richtung, n¨amlich die, die zur Lichtquelle zur¨uckf¨uhrt. Beob- achtet man das Licht, welches auf diese Bahn zur¨uckgestreut wird zum Beispiel durch einen Strahlteiler, so findet man in direkter R¨uckw¨artsrichtung eine Intensit¨at, die um einen Faktor 2 h¨oher ist, als die klassische Diffusion vorhersagt. Sie ist in der Literatur als koh¨arente R¨uckstreuung bekannt. F¨ur Beobachtungswinkel abweichend von der di- rekten R¨uckw¨artsrichtung f¨allt die Intensit¨at im Allgemeinen sehr schnell ab, weshalb dieser Effekt erst sp¨at experimentell beobachtet wurde [vAL85,WM85]. Abbildung 1.8 zeigt die wichtigsten Details, die zur Messung der koh¨arenten R¨uckstreuung notwen- dig sind. Die zur Mittelung des Specklemusters gedrehte Probe wird mit koh¨arentem Licht auf einer Fl¨ache beleuchtet, deren Ausdehnung wesentlich gr¨oßer sein sollte als die mittlere freie Transportwegl¨ange des Mediums. Das zur¨uckgestreute Licht wird durch eine geeignete Detektion, hier realisiert durch eine Linse im Abstand ihrer Brennwei- te vor einer CCD-Kamera, winkelabh¨angig aufgezeichnet. Die Bilder der CCD-Kamera zeigen dann in direkter R¨uckw¨artsrichtung einen hellen Spot, dessen Intensit¨at konisch zum Maximum in der Mitte hin zul¨auft. Physikalischer Hintergrund dieses Effektes ist die Interferenz von Lichtpfaden, die innerhalb des Streumediums in beiden Richtungen
1 2
Intensität [normiert]
q
xq
y1 2
0 einfallendes Licht
zurückgestreutes Licht
CCD Linse
Abbildung 1.8: Vereinfachte Darstellung einer M¨oglichkeit zur Messung des Konus der koh¨arenten R¨uckstreuung mit einer typischen Intensit¨atsverteilung.
durchlaufen werden k¨onnen. Die dabei gelaufenen Wegstrecken sind gleich lang, weshalb die Photonen das Medium an beiden Enden gleichphasig verlassen und somit in
direkter R¨uckw¨artsrichtung immer konstruktiv in-
k
k Ds
qb qb
in
out
E1
E2
rxy
}
Abbildung 1.9:Skizze eines Lichtpfa- des, der beidseitig durchlaufen wird und zur koh¨arenten R¨uckstreuung beitr¨agt.
terferieren. Die Intensit¨at ist das Quadrat der ko- h¨arent addierten Felder
Ikoh =|E1+E2|2 =E12+E22
| {z }
Iinkoh
+2E1·E2·cos(φ).
(1.41) Die Phase φ bestimmt, wie schnell die Intensit¨at vom Maximum auf den inkoh¨arenten Anteil abf¨allt.
Sie wird nur ¨uber den Laufzeitunterschied der L¨ange
∆s aufgebaut (siehe Abbildung 1.9):
φ= 2π
λ ·∆s = (~kin+~kout)~rxy =~qb ·~rxy
Darin beschreibt~rxyden Abstand der letzten beiden und somit oberfl¨achennahen Streuer des Pfades. Um die winkelabh¨angige Gesamtintensit¨at des zur¨uckgestreuten Lichtes zu bestimmen, muß ¨uber alle m¨oglichen Pfade und die beleuchtete Oberfl¨ache integriert werden.
I(qb) = 1 + Z
I||(~r) cos(~qb·~r)d2r. (1.42) Hierin wurde die inkoh¨arente Intensit¨at auf eins normiert; I|| ist die Intensit¨at, die am Ort~rin direkte R¨uckw¨artsrichtung emittiert wird. Der Verlauf der Intensit¨ats¨uberh¨ohung ergibt sich also aus der Fouriertransformatierten der Oberfl¨achenintensit¨atsverteilung.
Um die bis jetzt vernachl¨assigte Einfachstreuung (ES) ebenfalls einzubeziehen, muß Gleichung (1.42) um den Term CKorr = IV S/(IV S +IES) vor dem Integral erweitert
werden, da Einfachstreuung den inkoh¨arenten Anteil der Intensit¨at erh¨oht, nicht aber den koh¨arenten. Um das Integral zu berechnen, muß I||(r) n¨aher bestimmt werden, wozu die Diffusionsapproximation aus Abschnitt 1.1.3 genutzt werden kann. F¨ur eine gegebene Pfadl¨ange s ist die Intensit¨at Gauß-verteilt mit einer Standardabweichung σ = 2D·t = 23vl∗·t= 23s·l∗:
I(~rxy, s) = 3
4πs l∗ ·e−3r2xy/4sl∗.
Somit kann das Fourierintegral gel¨ost werden. Es bleibt ein Integral ¨uber die Wahr- scheinlichkeit p(s), daß eine Pfadl¨anges durchlaufen wird:
I(qb) = 1 +CKorr
Z
p(s)e−13s l∗qb2ds. (1.43) Die Verteilung p(s) kann mit Hilfe der Spiegelpunktsmethode (siehe Abschnitt 2.2.1) angegeben werden. Hierin tauchen neben dem Milne-Parameter γ noch die Start- bzw.
Endpunkte des Lichtpfades zin bzw.zout auf:
p(s) ∝ (1 l∗)2
Z dzin
Z
dzoute−zin/l∗e−zout/l∗· (1.44)
· r 3
4πsl∗
exp
−3(zin−zout)2 4sl∗
−exp
−3(zin−zout+ 2γl∗)2 4sl∗
. Mit der N¨aherung zin =zout=l∗ kann man das letzte Integral l¨osen und erh¨alt
I(qb) = 1 +CKorr
1−e(2(1+γ)l∗√
q2b)
2(1 +γ)l∗p
q2b . (1.45)
Diese Gleichung l¨aßt sich f¨ur kleine Winkel qb ≈0 entwickeln I(qb)≈1 +CKorr−CKorr(1 +γ)l∗qb+ 2
3CKorr2 (1 +γ)2(l∗)2qb2−. . . , (1.46) wonach die Halbwertsbreite des Konus in erster N¨aherung von der Gr¨oße
θ1
2 = (CKorr(1 +γ)k l∗)−1 ∝λ/l∗ (1.47) ist. Gleichung (1.44) legt die Interpretation des Konus der koh¨arenten R¨uckstreuung als Superposition von Gaußfunktionen nahe, wobei das Gewicht der einzelnen Funktionen auf die Form des Konus mit steigender L¨ange des Pfades s abnimmt und sich auf die Spitze konzentriert. Die Absorption von Photonen nach einer mittleren L¨ange la l¨aßt sich in die Gleichung (1.43) durch einen Korrekturfaktor exp(−s/la) ber¨ucksichtigen.
Das entspricht einer Substitution von qb2 →q2b + 3/(l∗la). Dadurch ¨andert sich die Nor- mierung der Pfad-Wahrscheinlichkeitsverteilung, zum rechten Term der Gleichung (1.45) kommt der Faktor
2(1 +γ)l∗p 3/l∗la
/
1−exph
−2(1 +γ)l∗p 3/l∗la
ihinzu. Durch Absorption wird damit die Form des Konus ver¨andert, nicht aber seine H¨ohe, da das Abschneiden der langen Pfade sich auf die koh¨arent wie inkoh¨arent gestreuten Felder gleichermaßen auswirkt. Man findet durch den absorptionsbedingten Verlust der langen Pfade eine Abrundung der Spitze des Konus.
Bedeutung der Polarisation
In der bisherigen Betrachtung wurde die koh¨arente R¨uckstreuung f¨ur skalare Wellen be- handelt. Die Polarisation ist aber eine wesentliche, vektorielle Eigenschaft des Lichtes.
In Abschnitt 1.1.1 wurde dargestellt, daß vektorielle Eigenschaften aus skalaren ¨Uber- legungen abgeleitet werden k¨onnen. Es ist demnach zu erwarten, daß die Ergebnisse zur koh¨arenten R¨uckstreuung sich auf Vektorwellen, wenn auch mit Einschr¨ankungen,
¨ubertragen lassen.
F¨ur den Einzelstreuprozeß l¨aßt sich die Streumatrix S = S2 S3
S4 S1
!
definieren. Sie vermittelt die Wirkung des Streuers auf die Felder, die parallel und senkrecht zur Ein- fallsebene6 der einlaufenden Welle stehen.
E||s E⊥s
!
= eikr kr
S2 S3
S4 S1
! E||in E⊥in
!
. (1.48)
Der Faktor ekrikr formuliert die Fernfeldn¨aherung der gestreuten Kugelwelle, deren Felder im ”Unendlichen“ verschwinden sollen. F¨ur die Einzelstreumatrizen ist ein lokales Ko- ordinatensystem ausgezeichnet. Zur Beschreibung der Mehrfachstreuung muß deshalb die Streuebene von einem Streuprozeß zum n¨achsten durch eine Rotationsmatrix ¯R an- gepaßt werden. Damit erh¨alt man die Matrix der MehrfachstreuungM aus einer Folge von Streu- und Drehmatrizen:
M→=SnRn−1Sn−1Rn−2. . . S2R1S1. (1.49) Der Pfeilindex (→) repr¨asentiert die Laufrichtung. In der Gegenrichtung ist
M← =S1RT1ST2R2. . . RTn−2Sn−1RTn−1Sn
Die beiden Matrizen sind ¨uber das als Reziprozit¨atstheorem bekannte Gesetz
M→ =MT← (1.50)
miteinander verkn¨upft, welches allgemein aus den Maxwell-Gleichungen abgeleitet [Sax55]
werden kann. Um nun die Auswirkung verschiedener Polarisationszust¨ande auf die koh¨aren- te R¨uckstreuung zu studieren, m¨ussen definierte Zust¨ande durch einen PolarisatorP~ vor der Probe und einen AnalysatorA~ danach erzeugt bzw. nachgewiesen werden. Zwischen diesen gibt es zum Beispiel die linear unabh¨angigen Kombinationen
[P , ~~ A] =
"
1 0
! , 1
0
!#
;
"
0 1
! , 0
1
!#
;
"
1 0
! , 0
1
!#
;
"
0 1
! , 1
0
!#
.
6Die Einfallsebene wird durch den~k-Vektor des einfallenden Strahls und der Normalen der beleuch- teten Fl¨ache aufgespannt.
Abbildung 1.10: Skizze zum Reziprozit¨atstheorem: Zwi- schen einem Polarisator P~ und einem Analysator A~ liegt eine vielfachstreuende ProbeM. Berechnet werden die kom- plexen Felder E~→ undE~← f¨ur beide Wege und die m¨ogli- chen Zust¨ande der Polarisatoren (parallel bzw. senkrecht) zueinander.
Werden hieraus die Amplituden der Felder bestimmt,
|E~→|=A M~ →P~ und |E~←|=P M~ ←A ,~
so l¨aßt sich zeigen [LM00b], daß die Amplituden und die Phasen der entgegengesetzten Richtungen dann gleich sind, wenn das einfallende und das detektierte Licht vollst¨andig polarisiert im identischen Polarisationszustand vorliegen. Der Fall, daß P~ =A~ ist, wird als parallel polarisierter Zustand bezeichnet. Hier bleiben alle Ergebnisse, die f¨ur skalare Wellen erarbeitet wurden, im vollen Umfang g¨ultig.
Anders sieht es f¨ur die orthogonalen Zust¨ande7 aus: In erster N¨aherung l¨aßt sich auf- grund der fehlenden Korrelation zwischen beiden Richtungen keine koh¨arente R¨uckstreu- ung erwarten. Daß experimentell dem entgegenstehend dennoch Intensit¨ats¨uberh¨ohun- gen beobachtbar sind, liegt an
”Rest“-Korrelationen auf kurzen Pfaden, die eng ver- bunden sind mit dem Begriff der Depolarisation. Normalerweise wird ein definierter Polarisationszustand P~ auf seinem Weg durch das vielfachstreuende Medium exponen- tiell auf alle m¨oglichen Feldrichtungen verteilt, kurz gesagt: Der Zustand depolarisiert.
Dieses geschieht auf der charakteristischen, mittlerenDepolarisationsl¨angelp. Die
”Rest- polarisation“ l¨aßt sich anhand der mittleren, inkoh¨arent gestreuten Intensit¨aten Iinc f¨ur lineare bzw. zirkulare Polarisation definieren:
Plin = Iincxx −Iincxy
Iincxx +Iincxy bzw. Pzirk = Iinc++−Iinc+−
Iinc+++Iinc+−. (1.51) Berechnet man wiederum den Ausdruck der koh¨arenten R¨uckstreuung
I⊥(q) = 1 + 2|E~→⊥(E~←⊥)∗|
|E~→⊥|2+|E~←⊥|2 , (1.52) so findet man nach Mittelung ¨uber alle Polarisatorkombinationen, daß die H¨ohe des Konus im gekreuzten Kanal gegeben ist durch den Anteil des Lichts, welcher auf einem polarisationserhaltenden Kanal in den entgegengesetzten Polarisationszustand gestreut wird. Man kann zeigen, daß diese Kan¨ale ¨aquivalent zu den symmetrischen Anteilen der Streumatrix M sind. Dann ist
I⊥(q) = 1 +CKorr⊥ |P~⊥MsP~|2− |P~⊥MaP~|2
|P~⊥MsP~|2+|P~⊥MaP~|2. (1.53)
7Im Weiteren durch den Index⊥gekennzeichnet.