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Ein genuin religionspädagogischer Beitrag für den Erwerb

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ger Z u g a n g (Tor) z u m Sinn gestaltet werden, die in vielfältigen Spiel varianten durchspielbar sind.

Abschließend sei der Bundestagspräsident W. Thierse zitiert, der auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Katechetikdo¬

zenten ( A K K ) am 27. September 2000 in Berlin fragte: ,,Wo sind die Agenturen, die Sinn vermitteln?" - und als Aufgabe der Schule postulierte: ,,Schule soll nicht nur Sachkompetenz, sondern auch Sinnkompetenz vermitteln."

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3 F Feiner - K. Galle' - R. Straßegger-Einfalt, Gehorsam und Verantwor tung. Fächerübergreifendes Arbeiten an der RPA Graz-Eggenberg, in:

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4 A. R. Wieser, Philosophie. Einführung und Orientierung, Wien 1969, 371.

5 A.a.O. 221.

6 V. Frankl, Der Mensch auf der Suche nach Sinn. Zur Rehumanisierung der Psychotherapie, Freiburg i. Br. 1972 (herder-tb 430), 21.

7 A.a.O. 13.

8 A.a.O. 75.

9 A.a.O 119 und 1231

10 Vgl. Haugaard, R.: In: Illustrierte Wissenschaft Nr. 10. Oktober 1997.

11 Vgl. Zohar, D. / Marshall. SO - Sprituelle Intelligenz. Bern 2000.

12 Vgl. E. Pfanzelt, Wertorientierung und Sinnfindung im Religionsunter richt, in: Wertorientierung und Sinnfindung im Religionsunterricht, erar beitet vom Arbeitskreis Handreichungen am ISB für den Fachlehrplan Katholische Religionslehre, hg. v. Kath. Schulkommissariat in Bayern, München 1998, 3f.

13 A.a.O. 3.

14 A.a.O. 4.

15 B. Grom - J. Schmidt, Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, Freiburg i. Br. 3. Aufl.1978, 112.

16 B. Häring, Wege zum Sinn. Eine zeitgemäße Tugendlehre, Graz - Wien ¬ Köln 1977.

17 Franz und David Feiner, Sinnsuche. Die CD-ROM zum Sinn des Lebens, Graz - Heiligenkreuz a. W. 2000; eine Demoversion dieses Programms kann von der Homepage http://www.logomedia.at heruntergeladen werden; dort finden sich auch nähere Informationen zu diesem vom Ministerium empfohlenen EDV-Programm.

Emotionales Lernen, Beziehungslernen

Ein genuin religionspädagogischer Beitrag für den Erwerb

von Handlungskompetenz

G. Lohkemper-Sobiech, Schwerte

Zur Jahrtausendwende stellte Hartmut von Hentig provokativ

die Fragen:

Wollen wir eine Homepage-Öffentlichkeit, in der sich jeder an jeden wendet und sich in Folgenlosigkeit einübt, in das Nicht-verantworten¬

müssen dessen, was man in die Welt gesetzt hat? Wollen wir die digi tale Vernetzung mit immer mehr Unbekannten statt Verbindung und Auseinandersetzung mit denen, die uns angehen und die wir ange hen? Diesen und mehr Fragen legte er folgendes Axiom zugrunde:

Wir müssen uns entscheiden, damit fängt alle Pädagogik an.

Der Schwerpunkt meiner pädagogischen Entscheidungen lag in pro fessioneller Hinsicht 17 Jahre lang im berufsbildenden Schulwesen, d.h.

der Fokus meines Interesses richtete sich auf den Bereich des hand¬

lungsorientierten Lernens. Handlungsorientierung und Erfahrungsbe z u g an beruflichen Schulen - sie wissen, das ist heute keine Frage, kein Diskussionspunkt mehr. Die Konzeptionen der Studienseminare und die Erwartungshaltung der Dezernenten in Beförderungsverfahren lassen keinen Zweifel daran, die Umsetzung handlungsorientierten Unterrichts wird heute selbstverständlich vorausgesetzt.

Welche offene Frage stellt sich in diesem Zusammenhang speziell für Religionspädagogen?

Immer häufiger hört man von Vertretern der Wirtschaft, der Indus trie und des Handwerks die Forderung: Religion gehört in die Kirche und Sport in die Vereine!

Nicht, dass ich da nicht zustimme. Klar gehört Sport in die Vereine und R e l i g i o n in die K ir c h e - aber nicht nur d a h in . D e n n die Fra¬

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gestellung, die dahinter steckt und die immer wieder neu im Gesamt kontext des Bildungsauftrags von Schule beantwortet werden muss, ist - in diesem Fall b e z o g e n auf die berufsbildenden Schulen - die:

worin liegt die spezifische Relevanz des Religionsunterrichts hinsicht lich der Bemühungen um den Erwerb von Handlungskompetenz?

Mit dem vorliegenden Vortrag werde ich eine mögliche Antwort auf die Frage nach der spezifischen Relevanz des Religionsunterrichts im Zuge der Bemühungen um den Erwerb von Handlungskompetenz auf Seiten der Schülerinnen und Schüler zu geben versuchen.

Für eine inhaltliche Beantwortung dieser Frage gehe ich dabei von

folgender Grundannahme aus: Gedanken und Gefühle bestimmen

über die Fähigkeit zu leben und zu lernen.

Blicken wir zurück in die Geschichte stellen wir fest: Das dualistische Denken in der Tradition des christlichen Abendlandes hat zu einer Überbewertung des Geistigen geführt. Gleichzeitig wird das Materi elle und Leibliche abgewertet, und damit sind auch die Gefühle in Misskredit geraten. In A n l e h n u n g an die aristotelische Psychologie, die die Seele in geistiges, sinnliches und vegetatives V e r m ö g e n auf teilt, wird das Gefühl den sinnlichen Seelenkräften zugerechnet, die den geistigen Kräften untergeordnet sind. Dadurch hat das Denken und Wollen, der Verstand und der Wille eine eindeutige Vormacht

stellung gegenüber dem emotionalen Vermögen bekommen. Analy

sen unserer westlichen Gesellschaft decken jedoch zunehmend die negativen Folgen dieser ,,Kopflastigkeit" auf.

Der ganzheitliche Ansatz handlungsorientierter B e m ü h u n g e n ist eine entscheidende bildungspolitische, gesellschaftskritische Ant wort auf dieses Ungleichgewicht.

Die didaktische Schlussfolgerung daraus muss meiner Meinung nach d e s h a l b lauten: D a s Ziel v o n H a n d l u n g s o r i e n t i e r u n g , der E r w e r b v o n Handlungskompetenz, ist, ohne die Ernstnahme der Bedeutung der Emotionen für Lernprozesse nicht zu erreichen. Aus diesem Grund lege ich den Fokus meiner didaktischen Überlegungen verstärkt auf die innere Haltung der Schülerinnen und Schüler und höre auf die sem Hintergrund den heutzutage so brennenden Wunsch nach mehr Lebensqualität im religionspädagogischen Kontext als den nach größerer Lebensintensität.

Erkenntnisse der Individualpsychologie, der Neurophysiologie, der Lernbiologie und Ansätze des konstruktivistischen Denkens zeigen, dass die Primärstruktur des Menschen bis etwa z u m 5. Lebensjahr w e i t g e h e n d ausgebildet ist und lediglich ausdifferenziert w e r d e n

kann. Unterschiedliche Normen und Strukturen sind im Unter¬

bewusstsein tief verankert und emotional geerdet. Die frühe Lebens geschichte, das daraus resultierende Lebensskript und die damit ver bundenen Gefühle und Botschaften der primären Bezugspersonen b e s t i m m e n a u c h die g a n z individuelle L e r n b i o g r a fi e . Die Vorausset z u n g für effektives Lernen ist entsprechend die Erarbeitung der jeweiligen ,,Glaubenssysteme" und die Wahrnehmung der dazu gehörigen individuellen Gefühle; denn jeder Mensch versteht und h a n d e l t z u n ä c h s t g e m ä ß der eigenen Struktur. Konstruktivistisch aus g e d r ü c k t : Es g i b t nicht die Wirklichkeit und die eine W a h r h e i t ; je d e r konstruiert sich seine eigene Wirklichkeit. Aber aus unterschiedlichen

Wahrnehmungen kann im Kommunikationsprozess eine gemeinsam

konstruierte Wahrheit werden, wenn wir denn wirklich in Beziehung miteinander treten.

A u f d i e s e m H i n t e r g r u n d will ich m e i n e These ,,G e d a n k e n und Gefühle bestimmen über die Fähigkeit zu leben und zu lernen" kon kretisieren: Der Erwerb von Handlungskompetenz als zentrales Ziel beruflicher Bildung erfordert Lernprozesse, in denen sich die Schüle rinnen und Schüler auch hinsichtlich ihrer emotionalen Kompetenz entwicklung ernst genommen und herausgefordert fühlen.

Praxisrelevant auf den Punkt gebracht sehen meine Forderungen für den RU deshalb so aus:

- Die emotionale Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und

Schülern muss in ganzheitlichen Lernprozessen eine angemessene Berücksichtigung finden.

- Die kontinuierliche Arbeit an der inneren Haltung ist eine entschei dende Voraussetzung für der Erwerb von Handlungskompetenz.

- Der Mensch lebt und lernt in Beziehungen - Beziehungsfähigkeit ist deshalb entscheidend für die Effektivität von Lernprozessen.

Aus didaktisch-methodischer Zielperspektive heißt das:

Lernprozesse, in denen eine Verhaltensänderung oder -Intensivie rung angestrebt wird, Lernprozesse, in denen die Effektivität von Lernmöglichkeiten ausgereizt werden soll, müssen Schülern und Schülerinnen im Unterricht auch die Möglichkeit eröffnen, eigene bzw. fremde Gefühle wahrzunehmen, eigene und fremde Gefühle zuzulassen, ihnen Bedeutung und Raum zu geben, um sie kommuni zieren zu können.

Gefühle haben ihren Sitz im Körper. ,,Aus dem Körper heraus" kön nen sie sich artikulieren, zum Ausdruck kommen, sich bewegen, Beziehung stiften. Gebärden, Mimik, Gesten und die ganze Körper sprache können seelische und geistige Vorgänge im Menschen sehr differenziert nach außen vermitteln. Aber das vor allem durch die

Aufklärung geprägte dualistische Ideal ,,vernunftmäßig und

beherrscht" zu leben, hat zu einer körpersprachlich emotionalen Degeneration, zu einer zunehmenden körpersprachlich emotionalen Sprachlosigkeit und zu einer immer weiter zunehmenden körper sprachlich emotionalen Verständnislosigkeit geführt. Unter Bezug nahme auf das zweite vatikanische Konzil, das sich wieder verstärkt am ganzheitlichen Menschenbild der Bibel orientiert, muss religiöse Sprachkompetenz deshalb das Ziel religiöser Bildung sein. Dabei beruht jegliche Kommunikation, jegliches Miteinander auf Abspra chen und dem grundsätzlichen Willen zum Austausch über verbale und nonverbale Selbst- und Fremdwahrnehmung. Authentizität, Ver ständigung und Beziehungsfähigkeit sind dermaßen hehre Ziele, dass sie im Sinne des eschatologischen Vorbehalts immer wieder neu und didaktisch ausdifferenziert zum Ziel religiöser Bildung gemacht werden müssen.

Beispiel: Wenn ich als Auszubildender ein gutes Gefühl hinsichtlich des Wertes meiner Arbeit habe, das körpersprachlich zum Ausdruck und dem ,,K u n d e n " g e g e n ü b e r auch so rüberbringen kann, ist das nicht die schlechteste Voraussetzung für dessen angestrebte Zufrie denheit.

A n z u s t r e b e n ist also, dass die Schüler selbst ein Bewusstsein ent wickelten für diesen engen Zusammenhang von fachlicher Kompe tenz, von Persönlichkeitsbildung und von Beziehungsfähigkeit.

Erfreulicherweise wird diese Schwerpunktsetzung in Richtung Per sönlichkeitsbildung bereits zunehmend als Kernpunkt von Schulpro grammen artikuliert. Ich möchte diese positive Entwicklung jedoch noch zielgenauer fokussieren: Im Sinne Martin Bubers muss Persön lichkeitsbildung in Beziehungsfähigkeit münden. Und in Anlehnung an die Theologie Thomas von Aquins vertrete ich die Position, dass Menschen, die sich entsprechend der biblischen Tradition wieder auf die Suche nach der verloren gegangen geistig-leiblichen Einheit machen, immer mehr von jener Beziehungsfähigkeit finden, die in unserer Gesellschaft im privaten wie im beruflichen Bereich zuneh mend verloren zu gehen droht. Außerdem: Selbst wenn Erfahrungen mit beziehungsfähigen Menschen nicht als erlösende Zuwendung und Liebe Gottes gedeutet bzw. erlebt werden, haben sie einfach was Überzeugendes:

- Die Erfahrung, den persönlichen Lebenskampf nicht scheuen zu müssen, weil Widersprüche des Lebens ausgehalten werden kön nen,

- die Erfahrung, dass bewältigte Lebenskrisen den Menschen ermu tigen und wachsen lassen,

sind ähnlich wichtige Bausteine auf dem Weg authentischer Lebens gestaltung wie

- die Erfahrung, dass gerade die für das berufliche Überleben so wich tige Flexibilität im persönlichen Bereich als fehlende Beziehungs fähigkeit, als fehlende Entschiedenheit, als egoistisches Flucht- bzw.

wenig tragfähiges Konsumverhalten erlebt werden kann.

Jedenfalls lässt sich die Fragestellung nach der spezifischen Relevanz

des Religionsunterrichts für mehr Handlungskompetenz meiner

Ansicht nach in der Forderung konkretisieren: Im Religionsunterricht muss es um die Erweiterung und den A u s b a u von emotionaler K o m petenz, um die Erweiterung und den Ausbau von Beziehungsfähig keit gehen.

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Aber - mehr Beziehungsfähigkeit durch mehr emotionale Sensibilität und Authentizität!

Das darf ich nicht nur fordern, das muss ganz kleinschrittig häufig erst wieder gelernt werden!

Das Berufsschulwesen ist in den letzten Jahren zweifelsohne mächtig in Bewegung geraten: Qualitätsmanagement, Handlungsorientie rung, Schulprofil, Schulentwicklung, Schulprogramm, Evaluation, Lernfelddidaktik - lauter Namensgeber eines sehr dynamischen, innovativen Prozesses von Schule insgesamt, bei dem gerade die berufsbildenden Schulen die Nase weit vorn haben. Aber mit der Ent scheidung für meine These, dass es im Religionsunterricht um die

Erweiterung und den Ausbau von emotionaler Kompetenz, sprich um mehr emotionale Sensibilität und Authentizität, gehen muss, um die Erweiterung und den Ausbau von Beziehungsfähigkeit, wird klar:

Es soll nicht immer mehr Dynamik in die Schule gebracht werden, sondern mehr Qualität.

Die Bildungskommission des Landes Nordrhein-Westfalen hat ihr bil dungspolitisches Zukunftsprogramm mit dem Bild von der ,,Schule als

Haus des Lernens" sehr anschaulich publiziert: Schule soll zum ,,Lern¬

und Lebensraum" werden, der sich durch eine spezifische ,,Schul¬

und Lernkultur" auszeichnet. Lernen soll nicht verstanden werden im Sinne der Vermittlung eines geschlossenen Wissenskanons. Zukunfts orientiertes schulisches Lernen soll vielmehr darauf zielen, in den

Lernzusammenhängen Identitätsfindung und soziale Erfahrung zu ermöglichen. Ich habe - als ich noch als Lehrerin gearbeitet habe ¬ diesen Anspruch bei meinen informationstechnischen Assistenten ernst zu nehmen versucht, indem ich Lernsituationen angeboten habe, in denen die Verknüpfung überfachlichen Lernens im Zentrum stand, in denen individuelle und soziale Erfahrungen im konkreten

Unterricht selbst gemacht werden konnten und in denen der Praxis bezug und die Einbeziehung gesamtgesellschaftlicher Aspekte aus dem beruflichen Kontext einen großen Raum eingenommen haben.

Ich habe versucht, diese bildungspolitische Herausforderung für den Stellenwert des Religionsunterrichts an unserer Schule auf eine ganz bestimmte Art und Weise als Chance zu begreifen. Denn für mich hat sich immer deutlicher herauskristallisiert, wenn die Effektivität von Lernmöglichkeiten weiter ausgereizt werden soll, tu ich den Schülern wie den Kollegen einen Gefallen, wenn ich immer wieder auch die emotionale Kompetenzentwicklung in den Mittelpunkt stelle, wenn ich im Religionsunterricht Lernsituationen provoziere, in denen kon krete Konflikte, konkrete Gefühlsirritationen zum Thema gemacht werden können. Einige Schüler tun sich am A n f a n g , andere bis z u m Schluss durchaus schwer mit konkreter Fallarbeit, mit Protagonisten spielen, mit bibliodramatischen Elementen etc.; denn für die meisten ist es ein schwieriger W e g , (in der Schule) auch Gefühle zuzulassen, sie wahrzunehmen, den eigenen wie den fremden Gefühlen Bedeu t u n g und R a u m z u g e b e n , aber jeder Lernfortschritt ist hier ein Stück W e g in die richtige Richtung.

Gerade wenn ich das Sicheinlassen und Durchleben der Gefühle

nicht nur auf das Wahrnehmen und Sprechen über Gefühle

beschränke, sondern es z.B. auch um die Beantwortung der Frage geht, was das Gefühl, z.B. die Aggression oder die Angst mit mir macht, inwieweit es mein Leben beeinflusst, sprich fördert oder behindert; wenn ich beispielsweise erfahre, dass die Angst vor dem Erleben des Gefühls schlimmer ist als das Erleben des Gefühls selber, kann ich die Lebens spendenden und Beziehung stiftenden Energien in ihnen entdecken und entsprechend einsetzen. Und es ist einfach spürbar, wie viel leichter es sich mit weniger inneren Blockaden und Lernbarrieren miteinander kommunizieren lässt. Deshalb behaupte ich: Im Religionsunterricht kann kleinschrittig und modellhaft eine Lernhaltung gelernt und eingeübt werden, die sich fächerübergrei fend und lebensrelevant am Ende als sehr konstruktiv erweist.

Die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit für das Gelingen von Lehr¬

und Lernprozessen, die eine solch hohe kommunikative Kompetenz erfordern, liegt auf der Hand. Und hier bin ich bei dem zweiten Schwerpunkt meines heutigen Vortrages. Ja, ich finde es schade, dass in der Lehrerausbildung an den Universitäten unseres Landes in den Seminaren das Thema Persönlichkeitsbildung immer noch weitge hend theoretisch behandelt wird. Erfreulicherweise sieht das in den

Lehrerfortbildungsinstituten anders aus. Praxisorientierte Angebote zur Verbesserung des Interaktionsverhaltens und -geschehens neh men zu und gerade diese Seminare weisen häufig lange Wartelisten auf.

Das E n g a g e m e n t vieler Lehrer und Lehrerinnen ist eben wirklich bes ser ist als ihr R u f . . .

Diese Entwicklung ermutigt mich

Immer mehr Lehrer und Lehrerinnen machen offenbar die Erfahrung, wie gut ihnen Fortbildungsveranstaltungen aus dem Bereich der The menzentrierten Interaktion, des Bibliodramas, der Körperarbeit usw.

tun. Immer mehr Lehrer und Lehrerinnen machen die Erfahrung, wie bereichernd sie Wochenendseminare erleben, in denen die eigene Wahrnehmungskompetenz professioneller und kontinuierlicher als bisher gefördert wird, in denen sie Beobachtungsinstrumente an die Hand bekommen, die es ihnen erleichtern, Schüler in ihrem Person

sein zu erkennen und anzunehmen. Seminare, in denen sie auf

eigene Themen stoßen, Themen, die im Unterricht häufig Macht kämpfe provozieren, wo Verständigung das eigentliche Anliegen wäre. Ich rede von solchen Seminaren, in denen engagierte Lehrer aufeinander treffen, die für sich selbst verinnerlicht haben bzw. zu verinnerlichen versuchen, dass Menschen ihr Leben lang lernen kön nen und dürfen.

Emotionales Lernen, Beziehungslernen als genuin religionspädagogi scher Beitrag zum Erwerb von Handlungskompetenz darf von Religi onslehrerinnen und Religionslehrern ruhig als Einladung aufgefasst werden, sich das eigene Lernen und die eigenen Entwicklungspro zesse lustvoll anzuschauen.

Lustvoll insofern, als ich finde, dass gerade Religionslehrer, die von ihrem Fach her inhaltlich für gegenwärtige wie zukünftige Heilser fahrung stehen, Freude an dem, was mit Schülern möglich ist, wahr nehmen, zulassen und zum Ausdruck bringen können dürfen. Wie viel überzeugender ist ein Religionslehrer, der selber spürt und dem man es anmerkt, dass er Freude hat an seiner Arbeit und den Men schen, mit denen er seine Zeit verbringt.

Gott sei Dank sind die Lehrer besser als ihr Ruf, denn auch der wis senschaftliche Richtungswechsel der letzten Jahre macht deutlich, Hartmut von Hentig hat Recht, wenn er behauptet: ,,Nach wie vor ist die Person des Lehrenden das beste Curriculum".

Ruth Cohn, die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion, bringt es konkret auf den Punkt: ,,In Beziehung mit anderen Men schen stehen heißt Energie austauschen können. Wo Beziehung gelingt, herrscht Konzentration, sind die Menschen im Fluss, auf dem Weg.

Wo Beziehung misslingt, sind Ohnmachts- und Allmachtsphantasien verbreitet, ist das dynamische Gleichgewicht gestört, herrschen Ver einzelung, Langeweile und Gewalt."

Und auch A n t o n Bucher hat in seiner empirischen Untersuchung z u m kath. RU in der gesamten Bundesrepublik, ,,RU zw. Lernfach und Lebenshilfe", im letzten Jahr eindeutig belegt, dass vor allem die Beziehungsfähigkeit der Religionslehrer und -lehrerinnen und ihr Engagement im Gestalten der Lernprozesse verantwortlich dafür sind, ob ein RU überzeugend und lebensprägend wirkt.

In der pastoralen Verkündigung wurde schon immer eine ganz

bestimmte innere Haltung als Ideal hingestellt: die spontane Zuwen dung zum Nächsten. Egon Spiegel hat mich angeregt, da etwas dif ferenzierter hinzuschauen! Wird nicht vielleicht genau diese Grund

haltung von Jugendlichen zunehmend praktiziert oder zumindest angestrebt? Der klassische Wertekodex hält doch zunehmend wieder Einzug in gelebten Beziehungen - nicht aus normativ moralisieren den Gründen, sondern weil Echtheit, Ehrlichkeit, Offenheit und Ver trauen jene zwischenmenschliche Intensität ermöglichen, die als gelebte Erfahrung schlichtweg überzeugend ist. Haben da nicht einerseits manche unserer Schüler fast wieder mehr Mut als wir selbst? Mit diesem fragenden, neugierigen Blickwinkel erlebe ich zunehmend die Schüler und Schülerinnen, die Studenten und Stu dentinnen als diejenigen, bei denen auch ich etwas lernen kann.

Immer wieder darf ich die Erfahrung machen, dass sich bei mir Per spektiven verändern, wenn ich diejenigen, die ich unterrichte, als Lernpartner ernst genommen habe.

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Ja, die meisten haben ihn, den menschlichen Wunsch nach gelingen den intensiven Beziehungen. Aber leider erleben wir zunehmend die klassische Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit. Denn es gibt heute immer häufiger das Problem, Gefühlen authentisch Raum und Bedeutung geben zu können. Wer kennt sie nicht selbst, die Schwie rigkeit, echte Nähe zulassen zu können. Daraus resultieren Konse quenzen:

- Hohe Scheidungsraten dokumentieren die weit verbreitete und zunnehmende Beziehungsunfähigkeit.

- Die Gewaltbereitschaft und das Ausmaß an Brutalität an den Schu len nimmt zu.

- Neurotische Verhaltensmuster gehören in den Klassenzimmern zunehmend zur Normalität.

Häufig wissen wir uns nur mit Verdrängungsmechanismen vor der frustrierenden Realität zu schützen. Aber wer Authentizität will, muss sich seinen eigenen Gefühlen zuwenden.

Unsere Gesellschaft schätzt die Logik außerordentlich hoch ein, während sie die Weisheit, die aus den Gefühlen kommt, abwertet.

Lange hat auch die wissenschaftliche Forschung der linken Gehirn hälfte große Bedeutung beigemessen, während sie die rechte weit g e h e n d ignoriert hat. Entstanden ist ein erschreckendes Ungleichge wicht: die Macht der Logik ohne die Macht der Weisheit. Selbst der Begriff Weisheit ist doch in unserem S p r a c h g e b r a u c h n a h e z u verlo ren g e g a n g e n . Weisheit ist die S u m m e aller unserer E r f a h r u n g e n , die als Gefühle gespeichert sind. Pascal spricht in diesem Zusammenhang von der ,,Logik des Herzens": Wir erfassen die Wirklichkeit und Wahrheit nicht allein mit dem Verstand, sondern auch mit dem Her zen. Denn das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt.

Der Volksmund spricht von der ,,inneren Stimme" von der ,,Stimme des Herzens" und meint damit eine Weisung, die aus dem inneren Wesenskern des Menschen kommt, aus Tiefenschichten, wo Vernunft und Gefühl, die die Zeitspannen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfassen, noch eine Einheit bilden. Was lerne ich daraus?

Ich lerne daraus: W e n n Menschen nicht fühlen können, was wahr ist, dann heißt das, dass sie ihre Weisheit nicht nutzen können.

Ich lerne weiter, dass Menschen ihre Kraft und Weisheit so lange nicht ausschöpfen können, bis sie erkennen, dass jene Eigenschaften wie Weichheit, Zärtlichkeit, Intuition, unser Einfühlungsvermögen, unsere Wahrnehmungsfähigkeit, unsere Neugierde, Spontaneität und Verspieltheit genauso wichtig sind wie unsere äußeren, messba ren Leistungen.

Der Wunsch nach mehr Lebensintensität impliziert zwar eine Ahnung vom Glück, aber wenn ansonsten vielfach vor allem konsumiert und alles bewertet wird, ist die Entscheidung, sich auf einen langen und

schwierigen Weg zu machen, sich dieser Form des Glücks anzu

nähern, noch etwas ganz anderes:

- Der Wunsch nach Beziehungsintensität impliziert nicht unbedingt auch die Ahnung von der fehlenden Fähigkeit, Gefühle und Nähe in Beziehungen überhaupt zulassen zu können.

- Der, der Gefühle nicht zulassen kann, spürt oft gar nicht, was er nicht kann und w e n n er es spürt, weiß er meist nicht, wie er es ändern könnte.

- Und der Trick, zumindest über Gefühle zu reden, wenn sie schon nicht gefühlt werden können, ist ein inzwischen immer beliebter gewordenes (Selbst-)Täuschungsmanöver- manche Lehrer beherr schen das sogar noch besser als die Schüler.

Abschließend zurück zur konkreten Praxis, zu den Jugendlichen, abschließend eine selbstbewusste Positionsbestimmung, die kein Hehl daraus macht, dass das Problem der Legitimierung des RU an berufsbildenden Schulen nicht darin besteht, dass die Religions pädagogik nichts Eigenes anzubieten hätte.

Deshalb formuliere ich am Ende meines Vortrags die Forderung:

Wenn handlungskompetente Schüler und Schülerinnen aus der

Schule entlassen werden sollen, brauchen wir Lehrer und Lehrerin nen, die jene emotionale Kompetenz anzubieten haben, die in prak tischer Beziehungsfähigkeit ihren Ausdruck findet, und wir brauchen Bildungsinstitutionen, die die notwendige Zeit und den Raum für die Entwicklung von Beziehungsfähigkeit investieren wollen. Mein Vor schlag für die religionspädagogische Praxis: Ich muss als Lehrer im

Unterricht Lernsituationen schaffen, die die Schüler einerseits dafür sensibilisieren, ihren eigenen Lernbedarf überhaupt zu sehen und den Sinn zu erkennen, ihre emotionale Kompetenz (Gefühle wahr nehmen, zulassen und zum Ausdruck bringen) erweitern zu wollen.

Darüber hinaus müssen die Lernsituationen so gestaltet sein, dass die Schüler im Unterricht selbst die Erfahrung machen können, welche

Konsequenzen Lernfortschritte für ihre eigene Handlungskompetenz h a b e n . Denn nichts ist so motivierend wie die Erfahrung: ,,Mensch, es geht mir ja so viel besser!"

Im Z u g e der Diskussionen um Erfahrungs- und Handlungsorientie rung hat sich immer deutlicher herauskristallisiert, dass das Zerreden von Gefühlen und Erfahrungen etwas von ,,Mc Donalds" hat - es

liegt schwer im M a g e n und ist nicht g e s u n d .

Deshalb plädiere ich dafür, dass der Religionsunterricht immer mehr zum konkreten Lern- und Lebensraum wird, in dem reale Gefühle wie Freude, Ärger, Wut, Betroffenheit, Neid, Enttäuschung, Aufge regtsein oder was auch immer ihren Platz finden können, ein solcher RU macht Sinn.

In welchem anderen Fach können Lehrer und Schüler denn sonst so intensiv erfahrungsorientiert miteinander arbeiten, dass sich die Schüler langsam auf konstruktive, persönlichkeitsbildende Prozesse einlassen?

Religionspädagogen wie Egon Spiegel und Udo Schmälzle vertreten überzeugend die Position, dass Jugendliche sich religiös verhalten, wenn sie sich auf Beziehungsvorgänge einlassen. D.h. auf die Schule bezogen:

- Ein RU, der selbst zu einem Ort gelingender Beziehungen wird, wird zu einem Ort konkret gelebten Glaubens (religionspädagogi sche Sichtweise).

Und da ich nicht gern Käsesahnetorte für Krümelkuchen abgebe, möchte ich deutlich herausstellen, dass selbst für Menschen, die eige nen Angaben zufolge mit Religion nichts am Hut haben, ein solcher Religionsunterricht Sinn macht:

- Ein RU, der selbst zu einem Ort gelingender Beziehungen wird, wird mindestens zu einem Ort gelebter Teamfähigkeit (utilitari¬

stisch-funktionale Sichtweise).

Und Sie alle wissen, Teamfähigkeit wird zwar überall eingefordert, aber meistens als defizitär beklagt.

Religiöses Lernen also ein Äquivalent zum emotionalen Lernen? Zu Ihrer und meiner Studienzeit hätten sich das vor allem die konser vativen Theologen gewünscht. Aber der Fokus, mit dem das Ziel religiöser Bildung abhängig von den soziokulturellen Bedingungen der jeweiligen Zeit pointiert wird, muss zwangsläufig heute ein anderer sein als der in den 60er und 70er Jahren. Ohne die Aus wirkungen eines einseitig rationalistisch geprägten Welt- und Men schenbildes hier weiter explizit darlegen zu müssen, erlauben Sie mir

diesen kleinen Schlenker, um gar nicht erst den Eindruck zu

erwecken, es ginge mir im Religionsunterricht um Gefühlsduselei oder um eine kuschelige Knuddelatmosphäre. Nein, das ist ganz und gar nicht mein Ziel.

Aber ich verfolge gegenwärtig sehr aufmerksam im Zuge der

B e m ü h u n g e n um die Umsetzung der Lernfelddidaktik, dass es sich lohnt, bei den Lernfeldbeschreibungen die anzustrebenden Human¬

und Sozialkompetenzen emotional ausdifferenziert durchzubuchsta¬

bieren. Wenn im Unterricht Raum gegeben wird für die Fragen:

- Welches ,,T h e m a " ist z u m gegenwärtigen Zeitpunkt für mich bzw.

für die anderen gerade dran?

- Wie geht es mir damit?

- Wie geht es uns als Gruppe in dem aktuellen Arbeitsprozess?

werden Human- und Sozialkompetenzen zunehmend verinnerlicht und können zu einer innerer Haltung weiterentwickelt werden. Ich finde, dass sich so konkrete Fragen sehr viel handfester anhören als die abstrakte Forderung nach dem selbständigen Lerner, der sich ohne eine didaktisch ausdifferenzierte adäquate Betreuung und methodische Anleitung manchmal vor allem allein gelassen vor kommt.

Trotzdem denke ich, dass sich für den einen oder anderen Religions lehrer, der seinen ganz konkreten Unterricht zu planen und zu orga nisieren hat, die Frage stellt:

(5)

Wie können Schüler und Schülerinnen im Unterricht verstärkt lernen,

eigene bzw. fremde Gefühle wahrzunehmen, zuzulassen, ihnen

Raum zu geben und sie zu kommunizieren. Wie können sie mit ihren Gedanken und Gefühlen ins Spiel kommen? Wie kann es gelingen, daraus Lebensperspektiven für den Einzelnen zu entwickeln, die mit Entschiedenheit und Verantwortungsbewusstsein zu einer inneren Haltung werden? Wie genau kann ich mit meinem RU dazu beitra gen? Mit welchen methodisch-didaktischen Entscheidungen kann ich erreichen, dass der RU zu einem Ort Beziehung stiftender Kommuni kation wird?

Seit Jahren gehe ich diesen Weg u.a. mit Hilfe bibliodramatischer Ele mente.

Bibliodrama, das ist eine selbsterfahrungsbezogene, gruppendyna mische Form biblischer Textarbeit, die mich persönlich jedes Mal wie der aufs Neue begeistert.

Eigentlich kann man niemandem erklären, was das ist - Bibliodrama.

Eigentlich kann man Interessierte nur einladen, sich einmal auf ein Bibliodrama Wochenende einzulassen.

Und wenn ich mich wirklich eingelassen habe, kann ich im positiven Fall feststellen, dass irgendwie etwas in B e w e g u n g geraten ist: Ich selbst, mein Verhältnis zu anderen Menschen und mein biblisches Verständnis.

Jedenfalls heißt Bibliodrama - mit Hilfe spielerisch kreativer Metho den lässt sich ein einzelner Mensch in einer Gruppe von andern Men schen auf einen vorher häufig meist unbekannten biblischen Text ein. Bibliodramatische Arbeit ist in diesem Kontext a priori ßezie¬

hungsarbeit: Für mich geht es in bibliodramatischen Prozessen immer um Beziehungsklärung. Menschliche Weisheit ernst nehmend, wer den unter Zuhilfenahme aller sinnlichen Möglichkeiten Lernprozesse angestoßen, die durch folgende Grundparolen bestimmt werden:

1. Weniger ist mehr, also ,,Keine Materialschlacht, kein kreativer Ausverkauf"

2. Je langsamer der Prozess, desto intensiver die Erfahrungen.

3. Und mit der Konzentration auf einzelne Punkte stelle ich fest, ich erfasse das Ganze.

Und um welche Beziehungsklärung geht es im Bibliodrama?

- In den Elementen von Selbsterfahrung intensiviere ich meine Beziehung zu mir selbst, d.h. zu meinem Körper, meinen Grenzen, meinen Ängsten, meinen Wünschen, meinen kreativen Möglich keiten, meinen Visionen, eben zu meinem tieferen Selbst.

- In Phasen der Partner- bzw. Gruppenarbeit konkretisiert sich meine Beziehungsfähigkeit im Hinblick auf andere Menschen dadurch, dass in dem Bibeltext enthaltende Themen wie Distanz und Nähe, Angst und Vertrauen aktiv werden - passiv bleiben wol len, Macht und Ohnmacht, Aggressivität und Lust, Freiheit und Bindung ins Spiel gebracht werden.

- Und last not least geht es immer auch um die religiös-inhaltliche Beziehungsklärung, d.h.:

- In welcher Beziehung stehe ich z u dem Anspruch des Gottes Israel, dem es immer um Befreiung geht, der nach dem Exil einen Neu anfang ermöglicht hat? - D.h.: W o ist in meinem Leben hier und heute Befreiung angesagt?

- Wie stehe ich zu dem Beziehungsmodell des menschgewordenen Sohn Gottes? Unter welchen insbesondere kommunikativen Bedin gungen konnten die Menschen damals ihn geschwisterlich als Bru der erleben, was passiert mit mir, wenn ich mit diesem Modell punktuell in Kontakt komme? - W o ist in meinem Leben hier und heute auf welche Art und Weise Solidarität angesagt?

- Und schließlich: Welche Beziehung habe ich zu welcher Religion?

Welche ,,Götzen bete" ich in meinem konkreten Leben an? Wem dient mein ,,Götzendienst" zu wessen ,,Heil"?

Die bibliodramatische Arbeit hat sich seit Mitte der 80er Jahre in Deutschland fest etabliert und gehört inzwischen zum regelmäßigen Angebot kirchlicher Bildungs- und Fortbildungseinrichtungen.

Eine eindeutige Festlegung, was Bibliodrama ist, hat sich zwar aus guten Gründen bisher nicht ergeben. Aber Einigkeit besteht darin, Bibliodrama ist eine Form ganzheitlicher B e g e g n u n g einer Gruppe von Menschen mit einem biblischen Text. Und im optimalen Fall

k o m m t es dabei z u einem dynamischen Prozess z w is c h e n der Person der einzelnen Teilnehmer, der Gruppe und dem Text, der schlichtweg begeistert. Erstaunlich ist jedenfalls einfach immer wieder, wie groß der Erkenntniswert bibliodramatischer Arbeit ist, deshalb habe ich das sonst übliche dreigliedrige Schaubild (Biblischer Text - Ich ¬ Gruppe) um die Kategorie von Gottes Geist ergänzt, der weht w o er will, aber von dem ich glaube, dass er einen wichtigen Teil bib¬

liodramtischer Arbeit ausmacht.

Wie gesagt, im Bibliodrama geht es um ganzheitliches Lernen: um Lernen mit Leib und Seele, mit Phantasie und Gemüt, Verstand und Herz, mit allen Sinnen. Durch die Aktivierung menschlicher Grunder fahrungen und die Identifikationen mit Rollen und Situationen geht es um die Initiierung eines Dialogs zwischen der meist so fremden biblischen und der eigenen Wirklichkeit. Der offene Dialog verändert die an ihm Beteiligten - und dies oft in einer Weise, die für die Betroffenen überraschend ist. Die Auseinandersetzung mit dem Glauben von Menschen einer meist fremden historischen Wirklich keit wird erlebt als A n s t r e n g u n g , aber sie ist eine Chance, die eigene (religiöse) Identität bewusst wahrzunehmen und weiter zu formen.

Zugänge zu biblischen Texten sind nie fertig, nie abgeschlossen; sie haben mit der eigenen Wahrnehmungsbereitschaft zu tun und wer sich je intensiv auf ein Bibliodrama eingelassen hat, hat erlebt, welch wirklichkeitsverändernde Kraft der Prozess hat.

Bibliodrama, das ist Intensität pur, aber das Maß der Intensität bestimmt jeder Teilnehmer selbst.

Faszinierend finde ich, dass man sich im bibliodramatischen Prozess spielerisch dem Kern der biblischen Botschaft nähert, ohne die Fremdheit und die Provokation des biblischen Textes aus den A u g e n zu verlieren. Und wenn man die Intensität dieser Möglichkeit als Teil nehmer/Teilnehmerin selbst erlebt hat, wenn man sich traut, die eigene Begeisterung im Unterrichtsprozess nicht außen vorzulassen, und wenn die Neugierde des Lehrers/der Lehrerin an dem spürbar wird, was die Schüler/Schülerinnen mit einzubringen haben, stehen die Chancen sehr gut, dass auch der Einsatz bibliodramatischer Ele mente im RU gelingen kann.

Bevor ich zum Schluss komme, greife ich noch mal meine Aus

gangsthese auf:

Der Erwerb von Handlungskompetenz als zentrales Ziel beruflicher Bildung erfordert Lernprozesse, in denen sich die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer emotionalen Kompetenzentwicklung ernst genommen fühlen.

Unser Bundespräsidenten Johannes Rau macht sich stark für eine zukunftsorientierte Schulentwicklung, in welcher Identitätsfindung und die Ermöglichung neuer sozialer Erfahrungen im Zentrum ste hen sollen. Mir ist es ein A n l i e g e n , Sie von der Wichtigkeit dieser Art des Lernens zu überzeugen.

Die Sehnsucht nach mehr Lebensintensität höre ich als den Wunsch nach mehr Lebensqualität und nach mehr Beziehungsintensität. Ich habe Ihnen steinbruchartig einen Weg angedeutet, der mit der ihm eigenen erfahrungs- und handlungsorientierten Fokussierung den Anspruch erhebt, dieses Ziel anzusteuern. Das möchte ich jetzt ein fach so stehen lassen.

Alle, die wir pädagogisch tätig sind, stehen im Spannungsfeld wider sprüchlichster Interessen. Darum beende ich meinen Vortrag mit der Aufforderung: Tun Sie sich etwas Gutes, um nicht zwischen Lernfeld

und Berufsbezug, Schüler- und Handlungsorientierung, neuen

Medien und religionspädagogischem Anspruch zerrieben zu werden:

Tauschen Sie sich regelmäßig aus, laden Sie Ihre eigenen mentalen und kognitiven Akkus immer wieder neu auf und gewinnen Sie so neue Ressourcen für den beruflichen Alltag.

In diesem Sinne b e d a n k e ich mich für Ihre A u f m e r k s a m k e i t .

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