Dr. med.
Lutz Achtnichts Oberarzt
Leitung Akutbettenstation Co-Leitung Neuroimmunologie Neurologische Klinik
Kantonsspital Aarau
Red flags in der Neurologie
Kopfschmerzen
Kopfschmerzen
... sind der häufigste Grund
für eine Konsultation auf dem neurologischen Notfall
• Epidemiologie
Lebenszeitprävalenz: ca.70% für alle Arten von Kopfschmerzerkrankungen Punktprävalenz: 20–40% der Bevölkerung
Prävalenz bei Schulkindern: 10–15%
Wie hat es begonnen: Akuter Beginn
Kennen Sie diese KS: Der erste oder stärkste KS im Leben
Vigilanz: Bewusstseinsstörung
Alter: Erstmaliger KS >50J
Lageabhängigkeit: Zunahme KS im Liegen
Zusatzsymptome: Fokal-neurologische Ausfälle oder Papillenödem
Temperatur: Fieber
HWS: Meningismus
Medikamente: OAK
Begleitkrankheiten: Tumorleiden
Immunstatus: Immunsupprimierte Patienten
Alarmzeichen für sekundäre Kopfschmerzen
Kopfweh - wann soll ich zur Notfallstation
Die amerikanische Kopfschmerzgesellschaft empfiehlt den Patienten SNOOP
S für systemische Symptome:
Die Kopfschmerzen treten zusammen mit Krankheitszeichen auf, die den ganzen Körper betreffen, zum Beispiel hohes Fieber.
N für neurologische Symptome:
Gleichzeitig mit den Schmerzen erleben Betroffene Störungen wie Schwindel, Verwirrtheit, Bewusstseinstrübungen,
Sehstörungen, Schwäche oder Taubheit der Extremitäten oder die Unfähigkeit, zu sprechen. Kein Warnzeichen ist dagegen die Aura, die manchen Migräne-Attacken vorangeht. Auch bei ihr kommen neurologische Phänomene wie Sehstörungen vor. Doch für gewöhnlich dauert die Aura nur kurz und ist schon wieder vorbei, wenn der Kopfschmerz einsetzt.
O für Onset (auf deutsch: Einsetzen):
Der Kopfschmerz setzt explosionsartig ein, als hätte der Betroffene einen Schlag auf den Kopf bekommen. Diese Form wird auch
"Donnerschlagkopfschmerz" genannt. Innerhalb von einer Minute erreicht der Schmerz sein Maximum, das so heftig sein kann, dass Ärzte von "Vernichtungskopfschmerz" sprechen. Er kann auf eine lebensbedrohliche Gehirnblutung hinweisen; die
Betroffenen müssen schnellstmöglich ins Krankenhaus.
O für Older Age of Onset (höheres Alter beim Beginn):
Wenn Menschen jenseits der 50 erstmalig sehr starke Kopfschmerzen entwickeln, sollte ein Arzt die Beschwerden abklären. Bei älteren Menschen ist das Risiko für Grunderkrankungen, die sich durch Kopfschmerzen ankündigen, etwa Schlaganfälle, größer.
P für Pattern Change (Änderung des Kopfschmerz-Musters):
Auch Menschen mit Migräne oder häufigem Spannungskopfschmerz können einen sekundären Kopfschmerz erleiden, der auf einer ernsten Krankheit beruht. Deshalb sollten Abweichungen vom typischen Schmerzmuster ernst genommen und abgeklärt werden.
Falls eine der oben erwähnten Fragen mit
JA beantwortet werden, dann:
Kopfweh in der Notfallstation - Triage
Vignette 1KS
• 30J ♀ bekannte Spannungskopfschmerzen seit 15 Jahren.
• Seit 3 Tagen starke, für sie «unbekannte»
occipitale bis frontale drückende KS, fühlt sich
«krank».
• Keine fokale Defizite, Meningismus, Fieber 38.9°C
– «unbekannte»
– Meningismus
– Fieber
Meningitis
Symptome
Vignette 2KS
• 40J ♂ bekannte Spannungskopfschmerzen seit 20 Jahren.
• Vor 3 Tagen beim Velofahren gestürzt, kein Kopfanprall, aber mehrere Schürfwunden.
Seitdem neu nuchale starke KS und Zunahme seiner bekannten KS
– neu
– starke
Vertebralis-Dissektion
Vignette 3KS
• 32 J ♀ bekannte Spannungskopfschmerzen seit 10 Jahren
• Im Wochenbett
• Für sie bekannte KS seit 3 Tagen, aber stärker, keine Besserung nach NSAR (üblicherweise
gutes Ansprechen)
– «stärker»
– Keine Besserung auf Schmerzmittel
Sinunsvenenthrombose
Vignette 4KS
• 60 J ♂ nie Kopfschmerzen
• Seit 3 Tagen zunehmende «mässige» KS
• Unter OAK, seit dem Morgen leicht verwirrt (wusste nicht mehr wie man den Kaffee
vorbereitet)
– Alter
– Neue KS – OAK
– Neue neurologische Symptome
Hirnblutung
• Nach Kopfschmerzen die 2. häufigste
Ursache für neurologische Notfallkonsultation!
Definition
• Bei Schwindel handelt es sich um keine eigenständige
Krankheit, sondern um ein so genanntes «multisensorisches Syndrom»
• Als Schwindel bezeichnet man eine widersprüchliche Information verschiedener Sinnesorgane an das Gehirn.
Daran beteiligt sind Informationen aus den Augen, dem
Gleichgewichtsorgan des Ohres und den Stellungsfühlern (Sensoren, Propriozeptoren) der Muskulatur, der Sehnen und der Gelenke
• Klinik: Empfinden eines „Drehgefühls“ oder „Schwankens“
oder das Gefühl der „drohenden Bewusstlosigkeit“
• Man unterscheidet u. a. Dreh-, Schwank-, Lift-, Bewegungs-
und unsystematischen Schwindel
Begleitsymptome
• Übelkeit, Erbrechen
• Völlegefühl im Ohr
• Hörminderung
• Tinnitus
• Kopfschmerzen
• Lärm-, Licht-, Geruchsempfindlichkeit
• Doppelbilder
• Andere Sehstörungen
• Fallneigung
Stroke als Ursache Schwindel: 3.2% , die mit NUR Schwindel 0.7%
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Lang C et al. Schwindel in der Notfallmedizin. Laryngo-Rhino-Otol 2011; 90: 622–637
Anamnese
• Art des Schwindels
– Drehschwindel (wie im Karussell)
– Schwankschwindel (wie auf einem Schiff)
– Gangunsicherheit (ungerichtet bzw. wie betrunken, Fallneigung in eine bestimmte Richtung)
– Benommenheitsgefühl
• Dauer des Schwindels:
– Sekunden bis einige Minuten – Minuten bis einige Stunden – Einige Tage bis Wochen – Wochen bis Monate
• Auftreten, Auslösbarkeit und Verstärkung des Schwindels
– In Ruhe, dh ohne auslösende Umstände
– Lageänderung des Kopfes (zB beim Hinlegen, beim Drehen im Liegen) – Bewegungen des Kopfes
– Beim Aufstehen – Beim Gehen
– Beim Husten, Pressen, Niessen
– In bestimmten Situationen (zB Menschenansammlungen, im Kaufhaus, auf freien
Plätzen, auf Brücken, in Treppenhäusern, in leeren Räumen, im Restaurant)
Differenzierung der Angaben eines Patienten über Schwindel
Bezeichnung Präzisierung Begleitphänomene Bedeutung
Drehschwindel Umgebung dreht sich im Kreise? Karussell?
Übelkeit, Erbrechen vestibulär
Schwankgefühl in Ruhe Kein Drehen, ohne besonderen Auslöser
Festhalten, evt. Absitzen z.B . zerebrale
Durchblutungsinsuffizienz
Umgebung schwankt Rhythmisch?
Unregelmässig
Unscharfes Sehen, Sehstörung,
Bewusstseinsstörung
zB Oszillopsie bei Nystagmus, okulärer Schwindel, zerebellärer zirkulatorisch?
Unsicherheit bei Bewegung Danebengreifen,
Gegenstände fallen lassen
Evtl. Nystagmus, Hypodiadochokinese, Ataxie
Zerebellär?
Unsicherheit beim Gehen Breitbasig, spürt Boden unter den Füssen nicht, stampfend
Ataktische Bewegungen, Parästhesie Zehen,
Gefühlsstörungen untere Extremitäten
Zerebellär, PNP? Peripher- neuropathisch
Steif Tonuserhöhung Paraspastik oder Parkinson
Kurz «weg» Lücke im Bewusstsein Absenzen oder Automatismen
Epileptische Phänomene (Absenzen,
Temporallappenepilepsie)
Drop Attacks Basiläre
Durchblutungsstörung
Klinische Einteilung von Schwindel aufgrund anamnestischer Angaben
Gruppe Anamnestische Angaben
(Dreh)schwindelattacken
(Sekunden, Minuten bis Stunden)
Morbus Menière Vestibuläre Migräne TIA
Vestibularisparoxysmie Vestibuläre Epilepsie
Familiärer episodischer Schwindel bzw Ataxie Anhaltender (Dreh)schwindel
(Stunden bis Tage)
Neuritis vestibularis Morbus Menière Vestibuläre Migräne Lage- und Lagerungschwindel BPLS
Alkoholischer Lageschwindel
Zentraler Lage- und Lagerungsschwindel Perilymphfistel
Hyperviskositätssyndrom Schwank- und
Benommenheitsschwindel
Phobischer Schwankschwindel
Upbeat- und Downbeat-Nystagmussyndrom Bilaterale Vestibulopathie
Kleinhirnerkrankungen Hirnstammläsionen
Parkinsonsyndrom und Multisystematrophie Sehstörungen
PNP
Orthostatische Dysregulation
Intoxikationen
Lang C et al. Schwindel in der Notfallmedizin. Laryngo-Rhino-Otol 2011; 90: 622–637