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Archiv "Entschliessungen zum Tagesordnungspunkt III: Der Beruf des Arztes – ein freier Beruf heute und in Zukunft" (29.05.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 22⏐⏐29. Mai 2009

D O K U M E N T A T I O N Z U M 1 1 2. D E U T S C H E N Ä R Z T E T A G

In Freiheit und Verantwortung für eine gute ärztliche Versorgung in Deutschland

Das Spezifische des Arztberufs als freier Beruf ist die Weisungsunabhängigkeit von nicht ärztlichen Dritten in fachlichen und medizinischen Fragen. Dies gilt für alle Ärztinnen und Ärzte.

Ärztliche Tätigkeit in einem freien Beruf beruht auf professioneller Autonomie mit ethisch begründe- ten Normen und Werten auf der Basis hoher fachli- cher Kompetenz unter Berücksichtigung der Indivi- dualität des Patienten, verbunden mit Leistungsbe- reitschaft, Integrität und Verschwiegenheit.

Der Beruf des Arztes als freier Beruf findet seine Selbstbeschränkung in der Verantwortung, die der Arzt für seine Patienten übernimmt. Freiheit und Ver- antwortung sind das Fundament der Vertrauensbe- ziehung zwischen Patient und Arzt. Ärzte gehen eine Garantenpflicht inklusive einer haftungsrechtlichen Verpflichtung ein. Diese Art von Freiheit ist auf das Engste verbunden mit der Übernahme von fachlicher Verantwortung.

Vor dem Hintergrund zunehmender Verstaatli- chung des Gesundheitswesens kommt es zu einer weitreichenden Verschlechterung der Rahmenbe- dingungen ärztlicher Berufsausübung. Eine zuneh- mende Trivialisierung und Diskreditierung des Arzt- berufs sowie eine überbordende Regulierungsdichte

mit einer stetig steigenden Bürokratisierung bei gleichzeitig wachsendem ökonomischem Druck schränken die ärztliche Therapiefreiheit immer mehr ein. Freiheit bei der ärztlichen Entscheidung ist je- doch wesentliche Voraussetzung für die nachhaltige Sicherung einer hochwertigen und an den individuel- len Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten ori- entierten Gesundheitsversorgung.

Ein Arzt, der frei darüber entscheiden kann, wel- che Therapie individuell die notwendige ist, mag für manchen Politiker unbequem sein, für die Patienten aber ist er die Garantie für eine seinen Bedürfnissen entsprechende Behandlung. Denn der Arzt in einem freien Beruf orientiert sich an dem jeweils notwendi- gen Versorgungsbedarf des Patienten und nicht an vorgefertigten staatlichen, meist ökonomisch moti- vierten Vorgaben.

Ärzte in einem freien Beruf stellen einen Mehr- wert für die Vertrauensbeziehung von Patienten, Ärz- teschaft und Gesellschaft dar. Sie stehen für Innova- tion, Stabilität und Wettbewerb in sozialer Verantwor- tung.

Die Bundesärztekammer und die Landesärzte- kammern verstehen sich als funktionale Selbstver- waltung, die Ausdruck von Freiheit und zugleich das Instrument zu deren Sicherung sind. Es geht dabei nicht allein um Interessen der ärztlichen Profession, sondern vor allem um das Interesse der Allgemein- heit, d. h. letztlich um die Gesundheitsversorgung der in Deutschland lebenden Bevölkerung.

Der Beruf des Arztes als freier Beruf bewirkt also einen über berufliches Wirken im eigentlichen Sinne hinausgehenden sozialethischen, sozialökonomi- schen und sozialkulturellen Mehrwert für die Gesell- schaft. Der Vorrang der Selbstverwaltung vor staatli- cher Reglementierung als Grundvoraussetzung für eine selbstbestimmte, fachlich unabhängige und dem Gemeinwohl verpflichtete ärztliche Berufsaus- übung ist allerdings nachhaltig infrage gestellt.

Deshalb fordert der Deutsche Ärztetag Politik und Regierung auf, die notwendigen Rahmenbedingun- gen für die Ausübung des Arztberufs in Freiheit zu schaffen durch:

>die Sicherung und den besonderen Schutz des Patienten-Arzt- Vertrauensverhältnisses

>den Schutz der Weisungsungebundenheit des Arztes im Sinne eines klaren Bekenntnisses zur Be- deutung des freien Berufes

>den Abbau überflüssiger und überbordender Kosten- und Qualitätskontrollen, Dokumentations- zwänge und Bürokratie

>die Abkehr von der staatsmedizinischen Aus- richtung des Gesundheitswesens mit ihren negati- ven Konsequenzen für die individuelle Versorgung der Patientinnen und Patienten

>die Unterstützung insbesondere der jungen Ärztinnen und Ärzte für eine qualitativ hochwertige Fort-, Aus- und Weiterbildung,

>die Sicherung einer fairen und angemessenen Honorierung

>den Schutz des Arztberufs als freien Beruf ge- genüber gewinnorientierten Kapitalgesellschaften.)

Für eine Revitalisierung der Selbstverwaltung

Der Deutsche Ärztetag fordert alle ärztlichen Verbän- de und Interessengemeinschaften auf, der politisch gewollten und sozialgesetzlich intendierten weiteren Zersplitterung des Versorgungsauftrags Einhalt zu gebieten und stattdessen für eine erneute Stärkung der ärztlichen Selbstverwaltung einzutreten.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen verfügen heute kaum noch über effektive Steuerkompeten- zen, da der Staat an vielen Stellen zentralistisch durchregiert. Dies betrifft auch zunehmende Eingrif- fe des Gesetzgebers in die innere Struktur sowie die offene Infragestellung verbliebener Kompetenzen durch die gesetzlich sanktionierte Konkurrenzsituati- on, z. B. in Form der Hausarztverträge nach § 73 b SGB V und der besonderen ambulanten Versorgung nach § 73 c im SGB V.

Selektivverträge lösen aber das Finanzierungs- problem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht, sie verschlimmern es sogar. Zugunsten tem- porärer, oft nur vermeintlicher monetärer Besserstel- lung einzelner Arztgruppen sinkt das Honorarvolu- men im verbleibenden KV-System mit der Konse- quenz einer weiteren Unzufriedenheit in der im Kol- lektivvertragssystem verbliebenen Ärzteschaft, die dies schuldhaft der Kassenärztlichen Vereinigung anlastet.

Geht diese Entwicklung weiter, wird die Politik ihr Ziel erreichen: Die flächendeckende und wohnortna- he ambulante ärztliche Versorgung durch niederge- lassene Vertragsärzte mit Kollektivverträgen wird zu- sammenbrechen und Platz schaffen für eine zentra- listische staatliche Regulierung, der, mangels des auch dann nicht hinreichenden Finanzrahmens, auch die bis dahin abgeschlossenen Selektivverträ- ge einverleibt werden müssen.

Deshalb fordern wir eine Stärkung der Selbstver- waltung, der ein gesetzlicher Rahmen zur Abstim- mung des regional zur Verfügung stehenden Finanz- volumens mit dem vereinbarten und tatsächlich an- gefallenen Leistungsvolumen an die Hand gegeben

wird. )

Regionale Verantwortung statt zentralen Dirigismus

Der Deutsche Ärztetag fordert ein Umdenken in der Gesundheitspolitik im Hinblick auf die derzeitige Ten- denz zur zentralistischen Regulierung des Gesund- heitswesens. Die Bevölkerung hat ein Anrecht auf ei- ne Gesundheitsversorgung, die sich an regionalen

ENTSCHLIESSUNGEN ZUM TAGESORDNUNGSPUNKT III

Der Beruf des Arztes – ein freier Beruf heute und in Zukunft

Der Beruf des Arztes, ein freier Beruf – zu diesem und anderen Themen wurden zahlreiche Anträge umgedruckt und beschlossen.

Fotos:Eberhard Hahne

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 22⏐⏐29. Mai 2009

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Erfordernissen orientiert und nicht auf eine Pau- schalzuteilung aus Berlin – oder anderswo – ange-

wiesen ist. )

Ärztliche Selbstverwaltung stärken

Mit dem Gedanken der Freiberuflichkeit untrennbar verbunden ist die berufliche Selbstverwaltung als freiheitliches Organisationsprinzip; für die Ärztin- nen und Ärzte sind dies in erster Linie die Ärzte- kammern. Sie führen die Berufsaufsicht, stellen die gleichbleibend hohe Qualität der freiberuflichen Leistungen sicher, und sie vermitteln, schlichten und ahnden Verstöße gegen berufsethische Stan- dards und Normen.

Insbesondere sieht der 112. Deutsche Ärztetag die Notwendigkeit, die Patienten-Arzt-Beziehung so zu gestalten, dass sie sich an der Individualität des erkrankten Menschen ausrichtet und auf Thera- piefreiheit einerseits und freier Arztwahl andererseits basiert. Die eingetretene Rollenverschiebung zwi- schen Staat und Selbstverwaltung muss kritisch hin- terfragt und eine Neubesinnung auf Ansätze subsi- diärer Aufgabenwahrnehmung angemahnt werden.

Die von der ärztlichen Selbstverwaltung geprägte Weiterbildung zum Facharzt ist eine der wirksamsten Methoden zur Qualitätssicherung und der gesund- heitlichen Versorgung der Menschen in Deutschland und wird auch international sehr positiv bewertet.)

Freier Beruf Arzt – Verpflichtung gegenüber dem Patienten

Ärztinnen und Ärzte üben ihren Beruf frei aus; sie sind ausschließlich dem Wohl ihrer Patienten ver- pflichtet. Im Zweifel muss das Wohl des Patienten Vorrang haben vor wirtschaftlichen Interessen.

Der Begriff des freien Berufs stammt aus dem Al- tertum: artes liberales. Der Bundesverband der Frei- en Berufe definierte den Begriff folgendermaßen:

„Angehörige freier Berufe erbringen aufgrund be- sonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigen- verantwortlich und fachlich unabhängig geistig- ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Auftraggeber und der Allgemeinheit. Ihre Berufs- ausübung unterliegt in der Regel spezifischen be- rufsrechtlichen Bindungen nach Maßgabe der staat- lichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen Be- rufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das zum Auftragge- ber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt.“

Auch wenn Gewerbetreibende und freie Berufe ähnlichen ökonomischen Rahmenbedingungen un- terliegen, sind freie Berufe kein Gewerbe. Dies wur- de im Jahre 2008 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Freie Berufe nehmen als Selbstständige und Angestellte Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr. Auch angestellte Ärztinnen und Ärzte gehören also den freien Berufen an, was häufig in der öffent- lichen Diskussion falsch dargestellt wird.

Der 112. Deutsche Ärztetag lehnt Tendenzen zur Aushöhlung der Freiberuflichkeit ab. Insbesondere der von manchen Krankenkassen und Klinikträgern in der Effizienzdiskussion propagierte Vorrang der Kosten vor der Therapie wird entschieden zurückge- wiesen. Der 112. Deutsche Ärztetag steht dazu, den ärztlichen Beruf als freien Beruf zu erhalten. Fortent- wicklungen sind möglich, wenn sie dieser Zielset-

zung gerecht werden. )

Rationierung gefährdet ärztliche Freiberuflichkeit

Die ärztliche Freiberuflichkeit ist im Kern sachlich begründet durch die Möglichkeit zur freien Entschei- dung über Planung und Durchführung einer patien- tenindividuellen Diagnostik und Therapie.

Rationierung und Konfektionierung medizinischer Leistungen verschlechtern deshalb nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölke- rung, sondern reduzieren auch den freiberuflichen Charakter der Arbeit aller Ärzte. )

Freiberuflichkeit im Krankenhaus

Bei der Zertifizierung der Kliniken muss die freie Ent- scheidungsmöglichkeit der Ärzte bei der Indikations- stellung Eingang in die Beurteilung finden. Der Vor- stand der Bundesärztekammer möge darauf hinwir- ken, dass rechtssichere Vorgaben dafür geschaffen werden, um auch Arbeitsverträge mit Leistungsva- riablen u. a. hinsichtlich der zu erbringenden Fallzah- len in Zertifizierungsverfahren einbeziehen zu kön-

nen. )

Einer Trivialisierung des Arztberufs entgegenwirken

Der Vorstand der Bundesärztekammer wird aufge- fordert, darauf hinzuwirken, dass bei einschlägigen Gesetzestexten und anderen offiziellen Texten die tri- vialisierende Bezeichnung „Leistungserbringer“ be-

zogen auf das ärztliche Berufsbild wieder durch die Berufsbezeichnung „Arzt/Ärztin“ ersetzt wird. )

Qualitätssicherung in ärztlicher Hand

Der Deutsche Ärztetag fordert den Sozialgesetzgeber auf, die Qualitätssicherung ärztlicher Leistungen wie- der den Institutionen zuzuordnen, die die originäre Zu- ständigkeit für die Qualitätssicherung ärztlicher Berufs- ausübung innehaben: den Landesärztekammern und ihrer Arbeitsgemeinschaft, der Bundesärztekammer.

Die medizinische Qualitätssicherung ist eine urei- gene Aufgabe des Arztes, der Diagnostik und Therapie kritisch zu bewerten hat. Externe Systeme zur Erfas- sung und statistischen Auswertung, die grundsätzlich keine ausreichende ärztliche Bewertung berücksichti- gen, sind abzulehnen. Deswegen müssen die Bundes- ärztekammer als Arbeitsgemeinschaft der Landesärz- tekammern und die Landesärztekammern als Körper- schaften der ärztlichen Selbstverwaltung wieder die Aufgaben von zentralen Organisations- und Bera- tungsstellen für medizinische Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement übernehmen. )

Vertrauen minderndes Verhalten von Krankenkassen – Unterminie- rung der Freiberuflichkeit

Der Deutsche Ärztetag fordert die Krankenkassen auf, das Vertrauen zwischen Patient und Arzt zu re- spektieren und insbesondere durch folgende Maß- nahmen nicht immer wieder zu belasten:

>Störung einer kollegialen Zusammenarbeit zwischen behandelnden Ärztinnen/Ärzten und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) durch Gutachtenvergabe an Dienststellen in weit entfernten Regionen.

>Erzwingung von Schweigepflichtbefreiungen ihrer Versicherten, um unrechtmäßig an Daten, z. B.

über stationäre Behandlungen, zu gelangen (Psych-

iatrieberichte). )

Die Rheingoldhalle in Mainz war der Tagungsort des diesjährigen Ärztetages.

Die Rheingoldhalle in Mainz war der Tagungsort des diesjährigen Ärztetages.

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