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Archiv "Patientenmeinungen über Risikofaktoren" (25.10.1979)

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Zwei Patientenbefragun- gen im Abstand von fünf Jahren lassen darauf schließen, daß sich der In- formationsstand der Pa- tienten über Risikofaktoren verbessert hat.

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Heft 43 vom 25. Oktober 1979

Patientenmeinungen über Risikofaktoren

Viktor Tobiasch

Die Medizin ist eine auf die Praxis ausgerichtete Wissenschaft. Ihr Wert wird am Erfolg gemessen. Un- sere präventiv-medizinischen Be- mühungen zur Verhinderung der schweren Komplikationen der Arte- riosklerose (Herzinfarkt, Schlagan- fall) waren bisher (1) bekanntlich nicht sehr erfolgreich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß unsere Maßnahmen .in das Kreuzfeuer der Kritik (zum Beispiel Kostenentwick- lung) geraten sind. Der Ruf nach ei nem neuen Konzept wurde laut und von verschiedener Seite — Soziolo- gen, Sozialmediziner, Psychosoma- tiker, Psychologen, Außenseiter — wurden dazu Vorschläge gemacht.

Nach dem Ergebnis einer von uns bei praktizierenden Ärzten veran- stalteten Rundfrage in den ersten Monaten 1979 waren 50 Prozent (n-106) der doctores zumindest teil- weise nicht mit der Lehre von der Schädlichkeit der Risikofaktoren einverstanden.

Die oben erwähnten Verbesserungs- vorschläge zielten in erster Linie auf die Anerkennung des — heute an- geblich übermächtigen — psychoge- nen und soziogenen Streß als Risi- kofaktor erster Ordnung.

Diese Überlegungen führten u. a.

dazu, daß von Betriebspsychologen über den Verband deutscher Psy- chologen am 6. Dezember 1976 bei einer Tagung in Frankfurt gefordert wurde, Schäden, die als Folge von beruflichem Streß auftreten, als Be- rufskrankheit anzuerkennen. Nun sind von unseren Patienten 57 Pro- zent der Männer und 53 Prozent der Frauen der Ansicht, zumindest zeit-

weise unter Streß zu stehen. Sollte sich der Vorschlag der Betriebspsy- chologen durchsetzen, so käme auf die Gutachter gegebenenfalls auch auf die Sozialgerichte ein hartes Stück Arbeit zu; von der Finanzie- rung der dann auszuzahlenden Ren- ten einmal ganz abgesehen. Im Ge- gensatz zu der in den letzten Jahren immer häufiger vertretenen These von der überragenden Schädlichkeit der heute gegebenen Streßszene sind wir der Ansicht, daß die durch epidemiologische und Feld-Unter- suchungen ermittelten Risikofakto- ren (Hochdruck, Rauchen, Überge- wicht usw.) zur Erklärung unserer Situation in bezug auf die schweren Komplikationen der Arteriosklerose ausreichen.

Es sind allerdings dabei die Fehl- meinungen eines großen Teils unse- rer Patienten und deren daraus re- sultierendes Fehlverhalten mit in die Betrachtung einzubeziehen. Das Wegschieben der Verantwortung für die eigene Gesundheit in Richtung auf irgendeinen angeblich über- mächtigen soziogenen Streß verhin- dert die Auseinandersetzung des Betroffenen mit seinen schädlichen Gewohnheiten.

Die Tabelle 1 zeigt eine vor etwa fünf Jahren erarbeitete Statistik. Einhun- dert Patienten, die vor mindestens einem Jahr einen Herzinfarkt durch- gemacht hatten, schoben dieses Er- eignis hauptsächlich auf die bei ih- nen bestehende Streßsituation (Ar- beitsüberlastung, Hetze, Ärger usw.). Erst in weitem Abstand folgen Rauchen, falsche Eßgewohnheiten usw. Der hohe Blutdruck wurde nur einmal genannt. Ein Patient führte

2829

(2)

Tabelle 1: Vermeintliche Herzinfarktursachen (100 Männer)

Ursache Anzahl der Nennungen

1. Arbeitsüberlastung, Hetze 33

2. Streß 30

3. Ärger 14

4. Rauchen 13

5. keine Erklärung 12

6. falsche Ernährung 10

7. Aufregung 9

8. körperliche Überlastung (akute) 6

9. Angst, Kummer, Sorgen 6

10. viele körperliche Anstrengungen i. d Vergangenheit 5

11. Veranlagung 3

12. Bewegungsmangel 3

13. Infekte 3

14. Operation, Unfall 3

100 Männer gaben für 115 durchgemachte Herzinfarkte 157 Gründe an. Je einmal wurden u. a. angegeben Hochdruck, Fett im Blut (aus Tobiasch, V. „Die Vermeidung d. Risikofaktoren" Bindernagel Verlag,

Friedberg/Hessen 1977)

Tabelle 2: Kenntnisse von „Rheuma"-Patienten zu den Arte- riosklerose-Risikofaktoren

Risikofaktor Anzahl der Nennungen

1. Rauchen 71

2. Übergewicht 63

3. Streß 61

4. Alkohol 51

5. Bewegungsmangel 39

6. Essen (falsches, zu fett, zu gut, unregelmäßig) 32

7. Blutdruck (zu hoch) 14

8. Blutfettwerte (zu hohe) 10

9. Blutzucker (zu hoher) 4

10. Schlaf (zu wenig) 2

100 Männer gaben 354 Gründe an

Tabelle 3: Kenntnisse von „Rheuma"-Patienten zu den Arte- riosklerose-Risikofaktoren

Risikofaktor

Anzahl

der Nennungen

1. Streß 81

2. Rauchen 74

3. Übergewicht 67

4. Alkohol 48

5. Bewegungsmangel 40

6. falsches Essen 40

7. Hochdruck 25

8. Blutfette (zu hohe) 22

9. Sauerstoffmangel (schlechte Luft, smog) 5

10. Vererbung 4

11. Blutzucker (zu hoher) 2

12. Freizeitgestaltung (falsche) 2

100 Frauen gaben 420 Gründe an Spektrum der Woche

Auf sätze • Notizen

seinen Herzinfarkt darauf zurück, daß er drei Monate vor dem Ereignis das Rauchen aufgegeben hatte (Rauchen zur Streßbekämpfung).

Aus dieser Einstellung unserer Pa- tienten zu den Risikofaktoren (zum

Beispiel Übergewicht durch schwe- re Knochen, Rauchen zur Beruhi- gung) erklärt sich zwanglos unsere schlechte Statistik. Die Streßthese führt zu weiterem Fehlverhalten. Die Streßanhänger sollten u. a. beden-

Risikofaktoren

ken, daß der Herzinfarkt im und nach dem Kriege in Deutschland viel seltener war als heute, obgleich das deutsche Volk damals unvergleich- lich härteren Streß-Bedingungen ausgesetzt war.

Erneute Befragungen, die wir in den ersten Monaten 1979 durchgeführt haben, weisen auf eine im Gang be- findliche (?) Korrektur der Fehlmei- nungen der Betroffenen hin (Tabel- len 2 und 3). Der Streß steht - wenn man die Ansichten der Männer und Frauen zusammennimmt - nicht mehr an erster Stelle. Zwar handelt es sich bei den Befragten der Tabel- le 1 bzw. 2 und 3 um unterschiedli- che Patienten-Gruppen (Herzinfarkt - Rheuma), doch glauben wir, daß die aus den neueren Tabellen her- vorgehende Sachkenntnis gerade der nicht unmittelbar vom Herzin- farkt bedrohten Bürger bemerkens- wert ist. Die auf einem Fehlverhalten beruhenden Risikofaktoren rücken nach oben. Diese Tabellen zeigen, daß die Bemühungen der Präventiv- Mediziner (etwa M. Kunze/Wien und F. Schmidt/Mannheim) und der Me- dien in den letzten Jahren offenbar nicht erfolglos waren.

Da wir der Ansicht sind (2), daß eine Verbesserung unserer Morbiditäts- und Mortalitäts-Statistik nur über ei- ne Korrektur der Meinung unserer Patienten und vor allem auch der Noch-nicht-Patienten zu erreichen sein wird, sehen wir nach diesem Befragungsergebnis, verglichen mit dem in der Tabelle 1 niedergelegten, etwas optimistischer in die Zukunft.

Anmerkungen

(1) bis 1277, die Statistik 1978 steht uns noch nicht zur Verfügung - (2) siehe die Publikatio- nen: Tobiasch, V.: „Übergewicht - was tun", Hippokrates Verlag, Stuttgart, 1974; ders.:

Vermeidung der Risikofaktoren", Verlag Bin- dernagel Friedberg/Hessen, 1977; ders.: „Die Meinung des Patieliten", Med. Welt 28 (N. F.), 2014-2018, 1977; Tobiasch, V., und H. Prokop:

„Streß - biologisches Erbe, Segen oder Fluch?", Verlag S. Tomek, Monte Carlo, 1979

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Viktor Tobiasch Institut zur Erforschung

präventiv-medizinischer Fragen e. V.

7972 Neutrauchburg

2830 Heft 43 vom 25. Oktober 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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