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Archiv "Warum Diskussion der aktiven und der passiven Euthanasie auch in Deutschland unvermeidlich ist: Besseres Vorbild" (13.09.1990)

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re Spätergebnisse aufweisen als sol- che, die selektiert wurden" (Clinical Neurosurgery 33 [1986] 359-370).

Dem Deutschen Ärzteblatt und seinen Lesern wünsche ich, daß die- se Debatte nicht auf der Schiene der Singer-Kuhseschen „Euthanasie"- Vorstellungen fortgesetzt wird. Da- für sprechen nicht nur wissenschaft- liche und ethische Gründe, sondern auch die seriöse Praxis der Betreu- ung schwer fehlgebildeter und unrei- fer Früh- und Neugeborener.

In einer ernsthaften Diskussion braucht der Hinweis auf die Eutha- nasie-Praxis der deutschen Faschis- mus nicht als Totschlag-Argument benutzt zu werden — wie Frau Kuhse meint —, sondern wird ein stets ernst- genommener historischer Hinter- grund und ein Vermächtnis sein und bleiben.

Dr. med. Matthias Albrecht, Am Kuhlenweg 22, 4600 Dortmund 50

Kulturelle Diskrepanz

. . . Ihr Hinweis, daß auch die Akzeptanz der sogenannten passiven Euthanasie implizit eine Unterschei- dung von lebenswertem und nicht le- benswertem Leben enthält, ist si- cherlich richtig. Doch wie jedes handlungleitende Gebot hat auch das Verbot der Unterscheidung von Lebenswertem und nicht Lebenswer- tem seine innere Grenzziehung. So ist die im Entwurf der Gesellschaft für Medizinrecht ausgesprochene Ablehnung einer Abstufung des Schutzes des Lebens kein bloßes Handlungsgebot, sondern eingebet- tet in Prinzipien, deren Kohärenz durch ein nur transzendent zugängli- ches Gebot der Bewahrung der Men- schenwürde gegeben ist.

Hierzu sind — in aller Kürze — ei- nige Unterscheidungen notwendig, bei denen man auch die „Anstren- gung des Begriffes" nicht scheuen sollte.

Ein den Ausführungen von Frau Kuhse zugrunde liegender Präfe- renz-Utilitarismus kennt ein solches, die Kohärenz mehrerernormativer Prinzipien herstellendes, Korrelat, wie es die Rede von der Menschen- würde darstellt, nicht. Sie kann da- her die Frage, warum wir überhaupt

Interessen anderer berücksichtigen sollen, das heißt in der vorliegenden Fragestellung: warum wir nicht töten dürfen, nicht beantworten (warum sollen wir eigentlich nicht Gesunde auch töten). Dafür gibt es offenbar keinen rationalen Grund. Wer Peter Singers Schrift „Praktische Ethik" zu Ende gelesen hat, dem kann die Un- sicherheit des Autors bei der Beant- wortung dieser Frage nicht unbe- merkt bleiben, ist dies doch das grundlegende Problem jeder analyti- schen Ethik.

Im Gegensatz dazu ermöglicht ein die Rationalität übersteigendes Konzept der Menschenwürde ein die Natürlichkeit der Lebensbedingun- gen berücksichtigendes Bild vom Menschen. Dies ist nicht nur in die- sem Zusammenhang, sondern auch bei der Behandlung von ökologi- schen Problemen von Bedeutung.

Unter diesem Gesichtspunkt sind das Verbot der Aufstellung von Kriteri- en zur Beurteilung des Wertes des Lebens (mit der inneren Grenzzie- hung) als auch Unterscheidungen von aktiver und passiver Euthanasie leicht einsichtig zu machen. Bei der letztgenannten Unterscheidung ist auch zu bedenken, daß die Frage nicht lautet, ob es erlaubt ist zu tö- ten, sondern ob wir verpflichtet sind, Leben um jeden Preis zu erhalten.

Im Falle der passiven Euthanasie kann leicht verständlich gemacht werden, daß die physische Ursache des Todes die zugrunde liegende Krankheit ist. Dies setzt jedch einen der Menschenwürde entsprechen- den Naturbegriff voraus. Nicht ohne Grund erleben wir in unserer Zeit allenthalben eine Erneuerung des naturphilosophischen Denkens.

Ob eine Diskussion der Fragen aktiver und passiver Euthanasie wirklich erneuert werden muß, mag dahingestellt bleiben, wird sie doch auch hierzulande seit langer Zeit — jedoch mit weniger Medienaufwand

— geführt. Das Vorhandensein unter- schiedlicher Ausprägungen und ge- sellschaftlichen Engagements bei Behandlung dieser Fragen weist eher auf eine kulturelle Diskrepanz innerhalb der Länder der westlichen Zivilisation hin, über die sich treff- lich spekulieren ließe. Diese Unter- schiede sind jedoch nicht zu bekla-

gen, wobei die weitere Entwicklung eher eine Angleichung zur Folge ha- ben wird.

Dr. med. Stephan Sahm, Städti- sche Kliniken Offenbach, Starken- burgring 66, 6050 Offenbach

Besseres Vorbild

. . . Als Mitarbeiterin von P. Sin- ger, der die Ansicht vertritt, daß die Tötung von schwer mißgebildeten Kindern und Menschen kein Un- recht sei, die nicht „Personen" oder

„selbstbewußte Entitäten" sind, ist Frau Kuhse der Meinung, daß der Begriff der „Heiligkeit des Lebens"

fallengelassen werden sollte, weil er so viel Leiden über die Menschen ge- bracht hat, die durch aktive Eutha- nasie vermieden werden könnten.

Ein Unterschied zwischen aktiver und passiver Euthanasie ist für sie nicht gegeben. Der gedankliche Ver- such, die Summe des Glücks durch Töten der Leidenden zu vermehren, wird zu einer menschlichen Haltung führen, die nur das berechnende und durchsetzungsfähige Leben schätzt.

Hilfsbereitschaft und Hingabe auch an aussichtslose menschliche Situa- tionen werden verkümmern. Unter- schätzen wir nicht die Erfahrungen aus der nationalsozialistischen Zeit, die zeigen, wozu Menschen schließ- lich fähig sind, wenn sie nach Idealen erzogen werden, die nur dem Star- ken und Funktionsfähigen eine Zu- kunft geben wollten.

Wenn Frau Kuhse abschließend die ostafrikanischen Nuer zitiert, die ihr Gewissen damit entlasten, daß sie ein mißgebildetes Kind dem Tod durch Nilpferde überantworten, weil es ein versehentlich bei Menschen geborenes Nilpferd sei, dann hat dies Ubereinstimmung damit, daß auch im Singerschen Denkansatz das Neugeborene ausgegrenzt wird, weil es keine selbstbewußte Person ist, seiner Zukunft und Vergangenheit bewußt, und somit getötet werden kann. Humaner scheint mir der au- stralische Daleburastamm zu han- deln, von dem berichtet wird, daß dort eine Frau, seit der Geburt ein Krüppel, 66 Jahre bis zu ihrem Tod umhergetragen wurde. „Sie lassen die Kranken nie im Stich" heißt es A-2700 (32) Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990

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von ihnen (Encyclopedia of Religion and Ethics; V; 443). Dies ist ein bes- sere Vorbild für ärztliches Handeln und gesellschaftliche Solidarität als der Versuch, nur vernunftbegabtem und voll handlungsfähigem Leben ei- nen „Lebenswert" zuzusprechen.

Prof. Dr. G. Ruhrmann, Duven- stedter Damm 4, 2000 Hamburg 65

Unterschied der Ziele

. . . Zur Frage der aktiven und passiven Sterbehilfe wird folgender- maßen argumentiert: Wenn es mora- lisch zulässig ist, einen Patienten auf dessen eigenen Wunsch durch Be- handlungsverzicht sterben zu lassen, warum solle es dann moralisch ver- boten sein, einem solchen Patienten auf dessen Wunsch aktive Sterbehil- fe zu geben? Die gleiche Frage wird aber auch für urteilsunfähige Patien- ten gestellt: Wenn man einen sol- chen Patienten aus welchen Grün- den auch immer sterben läßt, wie könne es dann moralisch falsch sein, ihm aktive Sterbehilfe zu geben (das heißt mit anderen Worten, ihn be- wußt zu töten)?

Zunächst ist die als ein Argu- ment angeführte Alternative: leiden lassen, oder Leiden durch Töten ab- kürzen, keine echte Alternative. Es ist ja gerade die Pflicht des Arztes, Leiden zu verhindern, wozu er so gut wie immer in der Lage ist, ganz abge- sehen davon, daß Bewußtlose nicht leiden.

Wichtiger ist aber eine andere Überlegung. In der bisher gelebten abendländischen Ethik wird der Hauptwert auf die Unterscheidung der Ziele gelegt, man geht nicht pri- mär von den Ergebnissen aus. Und in den Zielen macht es einen großen Unterschied aus, ob ich, bei gleich- zeitiger Linderung aller Leiden, der Natur ihren Lauf lasse, oder ob ich töte. Das Endergebnis mag in beiden Fällen das gleiche sein, aber eine Verwischung der Ziele bedeutet eine Kapitulation unserer herkömmli- chen Ethik zugunsten eines soge- nannten Präferenzutilitarismus.

Wenn wir dies wollen, müssen wir klar aussprechen, daß wir in Zukunft auf ethische Unterscheidungen ver- zichten wollen.

Und noch ein Letztes. Wenn ich den urteilsunfähigen Patienten töten darf, um ihm ein „leiderfülltes Le- ben" (das es dabei gar nicht zu geben braucht) zu ersparen, so wird damit nicht nur dem ärztlichen Ermessen ein Urteil über fremde Lebensquali- tät eingeräumt, ein Handlungser- messen, welches das Recht dem Arz- te keinesfalls zubilligen kann und das sich natürlich nicht nur auf Neuge- borene erstrecken würde; es müßte sich auch höchst ungünstig auf das Vertrauensverhältnis zum Patienten auswirken. Man würde sich damit aber auch, um es ganz klar auszu- drücken, der Unterscheidung zwi- schen menschlichem und tierischem Leben begeben. Es geht also bei der vorgelegten Diskussion über Eutha- nasie letztlich nicht allein um diese, sondern um unser Menschenbild und unsere ethischen Grundüberzeugun- gen.

Prof. Dr. med. Markus von Lut- terotti, Lugostraße 8, 7800 Freiburg i. Br.

Führt zu Mißbrauch

Frau Kuhse beklagt in ihrem Ar- tikel, daß die deutschen Ärzte nicht offen zugeben, bei der Behandlung schwerstkranker Patienten die Krite- rien „lebenswert/lebensunwert" an- zuwenden.

Nach ihrer Ansicht ist bereits die Entscheidung für oder gegen ei- ne lebensverlängernde Therapie, zum Beispiel bei schwerstgeschädig- ten Neugeborenen, der Beweis da- für, daß diese Kriterien — allerdings unausgesprochen — angewendet wer- den.

Sie übersieht dabei, daß eine solche Entscheidung nicht ein Wert- urteil über das betreffende Leben ist, sondern ein Urteil darüber, ob diese Therapie einen Wert für dieses Le- ben hat.

Weiterhin stellt Fr. K. die Frage, warum passive Euthanasie (als das Unterlassen oder Abbrechen einer lebensverlängernden Therapie auf Wunsch eines hoffnungslos Kran- ken) als ethisch akzeptabel gelte, nicht hingegen die aktive Euthana- sie, die doch im Prinzip auf dasselbe hinauslaufe.

Es ist bedauerlich und beängsti- gend, daß Fr. K. hier keinen Unter- schied sehen kann. Nach ärztlichem Selbstverständnis, wie es sich in un- serer Berufsordnung niederschlägt, sollen wir Leben erhalten bezie- hungsweise erträglich machen, nicht aber Menschen ausschalten, die durch schwere Krankheit für sich und uns zum Problem geworden sind. Dieses Selbstverständnis kann man nicht als „richtig" oder „falsch"

beweisen (letzteres möchte Fr. K.), sondern es ist eine getroffene Ver- einbarung, die letztlich dem Schutz des Menschen vor dem Menschen dient.

Die Legalisierung der aktiven Euthanasie, die Fr. K. als wün- schenswert ansieht, würde zu einem Mißbrauch großen Stils führen, des- sen Opfer Behinderte, chronisch Kranke und vor allem die wachsende Zahl pflegebedürftiger Alten wären

— denn sie alle entsprechen nicht dem in unserer Gesellschaft herr- schen Idealbild vom funktionstüchti- gen, jungen und schönen Menschen.

Maren Ailinger, Kreiskranken- haus Niebüll, Gather Landstraße 75, 2260 Niebüll

Ethikkommissionen sind gefordert

. . . Es ist die Frage: Soll und darf man zulassen oder bewirken, daß ein Mensch, ein Embryo, ein schwer mißgebildeter Neugeborener oder ein unheilbar gewordener und schwer leidender Kranker, der durch einen künstlichen medizinischen Eingriff sein ganzes künstlich erhal- tenes Leben lang dauernd gefoltert wird, indem man ihn den zu erwar- tenden Qualen aussetzt, die oft sogar von dem medizinischen Eingriff selbst noch verschlimmert werden?

Soll und darf man aus ethischen oder anderen Gründen verbieten, daß ein zu erwartendes gefoltertes qualvolles Leben durch eine Abtreibung oder Sterilisation verhindert und nicht grausame Wirklichkeit für das Kind selbst und auch seine Eltern wird.

Foltern ist doch verboten oder sollte doch von jeder Ethik und auch von Gesetzen verboten werden. Die- se Fragestellung betrifft besonders Dt. Ärztebl. 87, Heft 37, 13. September 1990 (35) A-2701

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